- »Wahlverfahren kraft Gesetzes«
Heidi Stuffer hat geschrieben:Es soll erstmals eine SBV-Stufenvertretung gewählt werden (bei drei wahlberechtigten Vertrauenspersonen). Ist dann hier förmlich zu wählen oder darf vereinfacht gewählt werden?
Am bloßen Wortlaut dieser Wahlordnung "klebend" wäre dem eigentlich so – aber auch gemäß dem Gesetz
?? Das Gesetz schreibt bei
"weniger als 50 Wahlberechtigten" wie hier vor, dass vereinfacht gewählt werden
muss, sei es bei örtlichen Wahlen nach § 177 Abs. 6
Satz 3 SGB IX oder bei überörtlichen Wahlen
"entsprechend" der gesetzl. Verweisung in § 180
Abs. 7 letzter Halbsatz SGB IX. Der Gesetzeswortlaut ist in diesem Punkt „abschließend", zwingend, verbindlich und grds. vorrangig gegenüber der „dem Gesetz niederrangigen" Wahlordnung – und nicht etwa umgekehrt. Vergl. hierzu u.a.
BAG vom 23.07.2014 – 7 ABR 61/12 – II.2.b, in der
Rn. 27, woraus abzuleiten ist für SGB IX 2018, dass demnach
stets vereinfacht zu wählen ist bei unter 50 Wahlberechtigten, sei es z.B. im Rahmen der Jahresversammlung der Schwerbehindertenvertretungen
„oder sonst“.
"Da das SGB IX als gesetzliche Regelung selbst abschließend regelt, wann das vereinfachte Wahlverfahren anzuwenden ist" (
Rn. 27), d.h. ab der BTHG-Rechtsänderung 2016
immer bei unter 50 Wahlberechtigten, ist folglich allein dieser Gesetzesbefehl maßgeblich, verbindlich und zwingend – nichts sonst.
Fachschrifttum
Daran hat sich laut Art. 1 und
Art. 2 BTHG nichts geändert, was diese Zahl 50 betrifft. Grundlegend Prof.
Düwell, Wahl der SBV, Kap. 15.3 zur GSBV, Kap. 15.4 zur KSBV, Kap. 15.5 für HSBV; ebenso zu Recht Dr.
Sachadae, LPK-SGB IX, 5. Auflage 2019, § 22 SchwbVWO Rn. 19 - 21, mit zahlreichen Nachweisen, wonach trotz des Wortes "kann" in § 22
Absatz 3 SchwbVWO
kein Auswahlermessen zwischen diesen beiden Wahlverfahren besteht, und zwar in keiner denkbaren Konstellationen
kraft Gesetzes; (
a.A. aber wohl noch BIH-Wahlbroschüre Seite 83, und
FAQ im WahlNAVI zum „Wahlverfahren bei der Stufenvertretung“, wo auf die Gesetzes-Kollision leider nicht eingegangen wird, so als gäbe es sie nicht).
Gesetzesvorrang
Dies zeigt, dass bei der Neufassung des SGB IX 2018 übersehen wurde, dass die Wahlordnung mehrfach mit vorrangigem Gesetzesrecht kollidiert – auch bei allen
Zwischenwahlen und auch bei sämtlichen
Nachwahlen unter 50 – und daher gesetzeskonform ausgelegt werden muss, da Vorrang des Gesetzes, soweit das SGB IX mit Wahlordnung nicht übereinstimmt, u. SchwbVWO übers Ziel hinausschießt. Eine
Ermächtigung nach Art.
80 GG, die Art des Wahlverfahrens abweichend vom Gesetz per Wahlordnung zu regeln, ist in der Verordnungsermächtigung des § 183 SGB IX nicht enthalten. Weitere Fehlbeispiele vgl.
Diskussion 2018 (am Ende) zum
Komparativ statt Positiv.
Die „Maßgabe“ im
§ 22 Abs. 1 Satz 4 SGB IX halte ich für nichtig – weil bei drei oder bei vier Wahlberechtigten stets vereinfacht zu wählen ist kraft Gesetzes, sofern man der BAG-Rspr. folgt.
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„Wahlbezogene Änderungen“
Sachadae: „Nicht geklärt ist damit jedoch, was passiert, wenn zwar die Voraussetzungen des vereinfachten Verfahrens nach § 97 Abs. 7 i.V.m. § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX n.F. vorliegen, jedoch die zusätzlichen Vorgaben des § 22 Abs. 3 SchwbVWO nicht erfüllt sind.“ (PersR, 2/2017)
Viele Grüße
Albin Göbel