passives Wahlrecht bei Regelaltersrente und Teilzeit

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CVedder
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passives Wahlrecht bei Regelaltersrente und Teilzeit

Beitrag von CVedder »

Hallo zusammen,

mich beschäftigt eine Frage, welche in der BIH Broschüre, aber in den von mir eingesehenen Kommentaren nicht beantwortet wird. Im vorliegenden Fall bezieht jemand seine Regelaltersrente und arbeitet aber mit 4,5 Stunden pro Woche weiter beim Unternehmen. Ist hier das passive Wahlrecht gegeben? Dies mal völlig losgelöst von der täglichen Praxis, dass eine VP mit nur 4,5 Stunden Anwesenheit pro Woche, wohl kaum die Zeit hat dieses Ehrenamt adäquat auszuüben.

Danke
Christian Vedder
albin.göbel
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Registriert: Mittwoch 10. November 2010, 14:55

AW: Passives Wahlrecht bei Regelaltersrente und Teilzeit?

Beitrag von albin.göbel »

christian.vedder hat geschrieben:Regelaltersrente und arbeitet aber mit 4,5 Stunden pro Woche weiter. Passives Wahlrecht?
Hallo Herr Vedder, ­ ­ich meine grunds. ja: Denn auch 4 ½ WoSt sind Beschäftigung i.S.d. § 177 Absatz 3 Satz 1 SGB IX. Und Wählbarkeit zum BR ­ ≠ ­ ausgeschlossen wg. Alter und Minijob gemäß § 8 BetrVG.

Öffentlicher Dienst
Solche Ausschlüsse gab es zwar noch bis vor wenigen Jahren verbreitet bei be­stimm­ter­ TZ-Beschäftigung für PR-Wahlen, als noch eine bestimmte Mindest-Wo­chen­stun­denzahl verlangt wurde, was jedoch zwi­schen­zeit­lich wohl durchgängig in allen 17 Personalvertretungsgesetzen aufgehoben worden sein sollte, jedenfalls für örtl. PR-Wahlen, da in besonderem Maße fra­uen­dis­kri­mi­nie­rend bzw. un­ver­ein­bar mit EU-Recht (siehe grundlegend Düwell, Wahl der SBV 2018 – 6.3 Problemfälle, sowie neuen LPK-SGB IX/Düwell, 5. Aufl, § 177 Rn. 16, zur Wählbarkeit „geringfügig Beschäftigter“).

Beispiel
In NRW sind Beschäftigte für den PR nicht wahlberechtigt und folglich für den PR nicht wählbar, die „voraussichtlich nur für einen Zeitraum von höchstens sechs Monaten be­schäftigt werden“ (§ 10 Abs. 3 Buchst. b LPVG NRW). Und in anderen Bundesländern gibts keine oder für bestimmte Be­schäf­tig­ten­gruppen abweichende Mindestfristen bzw. Wahl­aus­schlüs­se mehr, zum Beispiel in Thüringen steht dazu Novelle an zu den Ausschlüssen: „Sofort wahlberechtigt ist zukünftig auch, wer die Beschäftigung an der Dienststelle an­ge­treten hat (bisher länger als drei Monate). Außerdem verlieren Beamte, die in Elternzeit sind, nicht mehr die Wahlberechtigung.“

:idea: »Nicht nur vorübergehend«
Dieses sollte hier jedenfalls dann gelten, wenn nicht nur befristet und vorübergehend eine geringfügige Be­schäf­ti­gung. Wie das nun aber zeitlich mit der "nicht nur vo­rü­ber­ge­hen­den­" Beschäftigung zu verstehen ist aus Sicht des BAG nach § 177 Absatz 3 Satz 1 SGB IX, darüber hat die­ses­ sich in dem Beschluss vom 25.10.2017, 7 ABR 2/16, Rn. 23, nicht näher ausgelassen. Es hat mit dem Zweck der Regelung ar­gu­men­tiert­­, wonach ein "alsbaldiges*) Ausscheiden der ge­wähl­ten Vertrauensperson zu vermeiden und da­durch die Funktionsfähigkeit der Schwer­be­hin­ter­ten­ver­tre­tung zu ge­währ­leis­ten­­" ist. Das wäre dann der Fall, so­fern­­­ zB heute gewählt würde, die Amtszeit am 01.12.2018 beginnen und der Vertrag schon zum Jahresende aus­lau­fen würde, also demnach nicht wählbar. Die Literatur ist uneinheitlich und geht von ca zwei bis sechs Monaten aus; ebenso die BIH-Wahl­bro­schü­­re­­, in Abschnitt 1.2.1, Seite 12 („acht Wochen“), sowie Ab­schnitt­­­ 3.2, Seite 39 (Verweis auf Abschn. 1.2, wonach der Begriff „nicht nur vorübergehend“ in § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX dem wortidentischen Begriffen „nicht nur vorübergehend“ gemäß dem § 177 Abs 3 Satz 1 SGB IX wohl entspreche); a.A. Sachadae, Die Wahl der SBV, Dissertation 2013, Seite 180 und 492/493, sowie Seite 250 mwN. in FN 215 zur Wählbarkeit einer SBV: „zumindest erheblichen Teil der vierjährigen Regelamtszeit“.

Sachadae: "Dabei kommt es - anders als in der Li­te­ra­tur bisher angenommen - nicht darauf an, ob das Be­schäf­ti­gungs­ver­hält­nis­­ länger als acht Wochen bzw. sechs Mo­na­te angelegt ist. Entscheidend ist vielmehr, ob der Ar­beit­ge­ber die Absicht hat, die be­tref­fen­de­ Person für die ge­samte oder zumindest ei­ne­ nicht un­we­sent­li­che­ Zeit der vier­jäh­ri­gen Amts­dau­er zu beschäftigen." (Seite 178/180)

Kaffeesatzleserei?
Was nun unter diesen Begriffen
"alsbaldiges Ausscheiden" (BAG**)
"un­we­sent­li­che­ Zeit" .. (Sachadae)
hier zu verstehen ist, da wage ich keine
Prog­no­se, weil Amtszeit in atyp. Fällen
sich um das Fünffache (!) unterscheidet
• von ≥ 1 Jahr ­­ (Verkürzung)
• bis ­ > 5 Jahre (Verlängerung)

Während ½ Jahr im ersten Fall ½ der Amtszeit wäre und bei Regelwahl ⅛ der Amtszeit, wäre dies im letzten Fall ⅒ der Amtszeit. Sechs Monate können je nach Kon­stel­lat­ion folglich bis zu 50 Prozent (½ bei verkürzter Amts­zeit), oder 12 ½ Prozent (⅛ bei Regelwahl), oder auch mal weniger als 10 Prozent (⅒ bei verlängerter Amts­zeit) der Wahlperiode um­fassen. Ein und dieselbe Dauer absolut können also z.B. zwischen 10 Prozent bis 50 Prozent relativ schwanken. Es darf daher "spekuliert" werden, wie die BAG-Arbeitsrichter entscheiden würden. Und wie völlig unterschiedlich das von Land zu Land mit der Wählbarkeit gesehen wird bei ­ PR-/SBV-Wah­len in den Ländern, vgl. Diskussion zur Elternzeit-Dauer in allen Varianten. Das alsbaldige Ausscheiden (nach Siebten Senat des BAG) halte ich für gestelzt und nebulös.

Zwei Monate dürften jedenfalls zu kurz sein bei förmlicher Wahl, weil dann zu Beginn der Amtszeit schon wieder die nächste Wahl initiiert werden müsste wegen der Frist von mindestens acht Wochen nach § 1 Abs. 1 SchwbVWO.

Nach Entscheidungstabelle von Schubert in Knittel, SGB IX, § 177 Rn. 69a, bei Befristungen nur wählbar wie folgt: „Ja, wenn Befristung länger als sechs Monate. Bei Be­fris­tungs­en­de Verlängerung nach BAG, 25.06.2014, 7 ABR 847/12 prüfen.“ [gemeint wohl: 7 AZR 847/12]

Juristische Sekunde?
Soweit in BR-Foren teils argumentiert wird, dass zwischen beiden Verträgen eine sog. „logische“ bzw. eine juristische Sekunde liege und demnach ein Mandat „vorzeitig“ ende mit Renteneintritt, kann ich das nicht nachvollziehen. Dies hätte z.B. zur Folge, dass ein Arbeitnehmer, der ver­be­am­tet wird, sein SBV-Mandat mit Aushändigung einer Er­nen­nungs­ur­kunde verlieren würde. Das halte ich für abwegig und wäre im Interesse der Amtskontinuität klar abzulehnen. Kennt evt. dazu jemand Literatur zu dieser juristischen „Denkfigur“ für Wahl-Konstellationen wie hier? Halte das für einen Irrweg, weil durchgängige bzw. nahtlose Rechtsverhältnisse ohne Unterbrechung. Dadurch erlischt das Amt „nicht vorzeitig“ i.S.d. § 177 Abs. 7 S. 3 SGB IX.. Gegenansicht = Unsinn.

Wirres Zeug
Wie von Betriebsräten über die „juristische Hilfskonstruktion“ der juristischen Sekunde mit Halbwissen dahinfabuliert wird, vergl. die teils wirre Diskussion aus 2015, und Diskussion 2016 und Diskussion 2018 im WAF-Forum für Betriebsräte, in der lediglich einer dem anderen ungeprüft „nachplappert“ zur juristischen bzw. zur logischen Sekunde, durch die das Mandat enden würde. Teile klar die fundierte Gegenansicht von Pjöööng vom 02.02.2018, welche natürlich glei­cher­ma­ßen auch für die SBV gilt! Das Andere = nur wirres Zeug!

Viele Grüße
Albin Göbel
...................
**) Was heißt eigentlich alsbald?
**) Juristendeutsch mit Übersetzung. Juristen lieben wohl dieses Wort "alsbald", da es so gebildet klingt, auch wenn es_in Wahrheit genauso unpräzise ist wie "zeitnah" oder "demnächst" oder „bald“.
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CVedder
Beiträge: 347
Registriert: Dienstag 2. November 2010, 11:14

Re: passives Wahlrecht bei Regelaltersrente und Teilzeit

Beitrag von CVedder »

Hallo Herr Göbel,

wie immer ein Freude mit Ihnen. Besten Dank für die Einschätzung, werde diese gleich anwenden.

Viele Grüße
Christian Vedder
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