Magdalena hat geschrieben:Rein logisch heißt das für mich, dass die Unwirksamkeit der einen Wahl nicht automatisch auch die Unwirksamkeit der anderen Wahl bedeutet. Sonst wären es ja nicht zwei "eigenständige" Wahlen sondern eine einheitliche Wahl.
Ja – logisch, stichhaltig, sinngemäß: Vgl. schon BIH-Moderator
Ulrich Römer 2014 und
hier und
hier zur Bestandskraft (Unanfechtbarkeit) und Nachrücken zu
dpolg-bayer.
Ebenso zu Recht Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, Stand 2/2010, § 94 Rn 72 m.w.N. (unter Aufgabe früherer Ansicht), sowie Rn. 116 m.w.N. unter Hinweis auf
Düwell in: LPK-SGB IX, § 94 Rn. 53. Demnach
kein Erlöschen der Stellvertretung, und
keine Neuwahl in
"sinngemäßer" statt wörtl. Anwendung der Vorschriften über Wahlanfechtung laut
§ 177 Abs. 6 S. 2 SGB IX für BR/PR-Wahl,
sondern Nachrücken des ersten Stellvertreters als VP gemäß
§ 177 Abs. 7 Satz 4 SGB IX: Zwischenwahlen wären (fataler) Irrweg, da anfechtbar - u.U.
sogar nichtig! Gegenansicht bereits seit 2009 durch den überzeugenden BAG-Beschl. 29.07.2009, 7 ABR 91/07, bestätigt zum Beispiel durch
BAG, 20.01.2010, 7 ABR 39/08, Rn 11/19, wo es zuletzt um eine
isolierte Anfechtung (nur) der Wahl einer Bezirksvertrauensperson ging, hinfällig
!; a.A. aber Schubert/Jerchel in Knittel, § 177 Rn. 237, wonach eine „Wiederholungswahl“ und „kein Fall des Nachrückens“.
Beides ist abzulehnen: Es gibt allenfalls „Nachwahl“ für Stellv. bei erfolgreicher Anfechtung der VP-Wahl. Vergl.
Diskussion 2016 – wonach es im SBV-Wahlrecht (im Gegensatz zur PR-Wahl) nie „Wiederholungswahl“ gibt.
Eine wörtliche statt „sinngemäße“ Anwendung der Vorschriften des BetrVG über die „Wahlanfechtung“ entgegen Verweisung in § 177 Abs. 6 Satz 2 SGB IX ist_gerade nicht „sinngemäß“ - sondern kompletter Unsinn bspw. hinsichtlich getrennter SBV-Wahlen!
LAG Koblenz 2008 hat geschrieben:Die vorstehenden, sich auf die Wahl der Bezirksvertrauensperson beziehenden Ausführungen gelten entsprechend für die Wahl der stellv. Bezirksvertrauenspersonen. Damit ist die
Wahl insgesamt für ungültig zu erklären.
Eklatanter Fehlbeschluss !!
Doppelt falsch hingegen der "Hinweis" des
LAG Koblenz v. 01.04.2008, 3 TaBV 1/08, II.2.c), als Vorinstanz, weil es von "Wahl" statt Wahlen sprach, und wohl ungefragt meinte, dass auch Stelliwahl unwirksam sei, obwohl
gar nicht angefochten, wie nachfolgend:
"Die vorstehenden, sich auf die Wahl der Bezirksvertrauensperson beziehenden Ausführungen gelten entsprechend für die Wahl der stellvertretenden Bezirksvertrauenspersonen. Damit ist die Wahl insgesamt für ungültig zu erklären." Ist sie eben gerade nicht und schon gar nicht prozessrechtlich ohne jegliche Anhörung / Beteiligung der Stellvertreter: Insoweit wurde wohl maximal geschlampt:
Das finde ich schon wirr, erstaunlich und kühn, wenn ein Beschwerdegericht meint, eine Stellvertreterwahl beim Sanitätsführungskommando der Bundeswehr in seinen Entscheidungsgründen für ungültig erklären zu müssen,
obwohl rechtskräftig (!) von der Vorinstanz die Wahl der Stellvertreter nicht beanstandet wurde und worüber das LAG Mainz nicht zu befinden hatte. Ein vorzeitiges Erlöschen des Mandats der Stellvertreter findet in derartigen Fällen nicht statt i.S.d.
§ 177 Abs. 7 SGB IX. Im
Tenor hat sich LAG Mainz zur Stellvertretung nicht ausgelassen … Klares irreführendes Justizversagen! Dieses Gericht hat seine
Befugnisse insoweit weit überschritten! Leider ist Siebte Senat des
BAG 2010 auf diesen groben Fehler des LAG Mainz nicht eingegangen.
Fatal: Sollte dort 2010 bei der Bundeswehr Zwischenwahl stattgefunden haben, so wäre diese BSBV-Wahl wohl komplett nichtig, da kein Bedarf …
ne ultra petita
Äußerst bedauerlich – dass das BAG diesem grotesken offensichtl. rechtl. Unsinn nicht entgegentrat: Nach dem römisch-rechtlichen Grundsatz
„ne ultra petita“ ist LAG nun mal nicht befugt, etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist (BAG, 17.03.2015, 1 ABR 49/13,
Rn. 9 mit Verweis auf
§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das geht gar nicht, ist inhaltlich zudem weit daneben und führt nur in die Irre.
LAG München 2007 hat geschrieben:Die isolierte Anfechtung der Wahl nur der stellvertr. Mitglieder der SBV ist unzulässig.
Ebenso der (vom
BAG aufgehobene) Fehlbeschluss des
LAG München, 25.10.2007 - 4 TaBV 38/07, wonach die getrennten SBV-Wahlen vorgeblich nicht selbstständig angefochten werden könnten, z.B. isolierte Anfechtung der
_Wahl nur der stellvertretenden Mitglieder der SBV angeblich unzulässig sei. Wie unsinnig der Beschluss ist folgt
_daraus, dass VP die Wahl der Stellvertretung nicht anfechten könnte, ohne auch ihre eigene korrekte Wahl anzufechten. Das ist grotesk. Es können sogar (nur) die Wahlen einzelner stellv. Mitglieder der SBV angefochten werden gemäß Schrifttum, z.B. wenn falsch ausgezählt wurde mit falscher Reihenfolge der Stellvertreter.
Gleichfalls irreführend die ersten zwei Abschnittsüberschriften der Wahlordnung, in der von "Wahl" (Einzahl) statt von Wahlen die Rede ist und so der Eindruck erweckt wird, als gäbe es nur eine Wahl, so als wäre nur eine einzige Wahl vorzubereiten und durchzuführen statt zweier Wahlen. Siehe zur unpräzisen verwirrenden Normierung der Wahlordnung auch die
Diskussion aus 2014.
OVG Koblenz hat geschrieben:Leitsatz: 2. Die Ungültigkeit der Wahl des Bezirksvertrauensmanns der Schwerbehinderten bewirkt ebenso die Ungültigkeit der Wahl seiner Stellvertreter.
Gründe: Der aufgezeigte Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht bei der Wahl zum Bezirksvertrauensmann der Schwerbehinderten bewirkt ebenso die Ungültigkeit der Wahl seiner beiden Stellvertreter. Grundsätzlich zieht nämlich jeder erhebliche Wahlfehler
stets die Ungültigkeit der Wahl insgesamt nach sich, da die Wahl auch mehrerer Personen ein einheitlicher Vorgang ist, dessen rechtliches Schicksal nicht unterschiedlich verlaufen kann. Etwas anderes gilt lediglich, wenn eine Wahl mehrere selbständigeTeile umfaßt und ein Teil ohne Auswirkungen auf die übrigen Teile abtrennbar ist, wie es für die Wahl der Vertreter der einzelnen Gruppen zutrifft (vgl. Fischer/Goeres, Personalvertretungsrecht des Bundes und der Länder, § 25 BPersVG Rdnr. 7).
Die Wahl des Bezirksvertrauensmanns und seiner Stellvertreter ist indessen ein einheitlicher Vorgang, auch wenn der Vertrauensmann und die Vertreter nach Ämtern getrennt zu wählen sind (vgl. § 20 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 2 der Wahlordnung SchwbG). Zum einen findet die Wahl durch dieselben Wahlberechtigten in einem Wahlgang durch die Abgabe eines Stimmzettels, auf dem die Bewerber nach den beiden Ämtern getrennt aufgeführt sind, also schon als ein nach außen
einheitlicher Wahlvorgang statt. Zum anderen stehen die Ämter des Vertrauensmanns und der Stellvertreter in einem untrennbaren inneren Zusammenhang, indem die Stellvertreter keine eigenständige Funktion neben dem Vertrauensmann haben, sondern diesen gemäß § 24 Abs. 1 SchwbG lediglich im Fall der Verhinderung vertreten; die Wahl der Stellvertreter ist daher an die Wahl des Vertrauensmanns gebunden (vgl. auch Wilrodt/Neumann, SchwbG, 7. Aufl., § 27 Rn. 9).
[OVG Koblenz, 14.12.1988, 4 A 3/88, ZBR 1989, 182]
Eine „Wahl insgesamt“ gab‘s natürlich nicht entgegen den Koblenzer Verwaltungsrichtern, sondern vielmehr mehrere Wahlen beim BWB-Bundesamt der Bundeswehr:
Das ist komplett abzulehnen laut BAG, soweit es um die Stellvertretung geht, weil insoweit ja gar nicht gesondert angefochten, soweit ersichtlich. Zudem wurde Kausalität nicht überprüft - ob es auf die eine Stimme auch bei den beiden gewählten Stellv. ankam oder eben nicht. Beides hat
_das wahlrechtl. offenbar überforderte OVG Koblenz verkannt und nicht bedacht.
Dass die Wahl ein „einheitlicher Vorgang“ sei in „einem Wahlgang“ durch die Abgabe „eines Stimmzettels“, also als
_ein nach außen
„einheitlicher Wahlvorgang“ – diese Schlussfolgerung ist grundfalsch. Denn bei vereinfachter Wahl sind
rechtsvergleichend bekanntlich 2 Stimmzettel vorgeschrieben. Zudem steht in
§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SchwbVWO – ohnehin das genaue Gegenteil („in zwei getrennten Wahlgängen“) für die förmliche Wahl: Hier bestand offenbar bei diesen OVG-Richtern in Koblenz „Leseschwäche“? Diese OVG-RSpr. ist obsolet – weil zwischenzeitlich nur noch die Arbeitsgerichtbarkeit für Anfechtungen von SBV-Wahlen zuständig laut BAG.
Soweit OVG meint, dass gewählte Stellvertretung „keine eigenständige Funktion“ habe, ist das Fehleinschätzung: Denn Verhinderungsvertretung erfolgt bekanntlich kraft Gesetzes, ist eigenständig, weisungsfrei, kann sich ggf. hinziehen über mehrere Jahre.
Soweit das OVG pauschal meint, dass die Wahl der Stellvertretung an die Wahl einer Vertrauensperson „gebunden“ sei, ist auch das so nicht richtig, da bei Nachwahlen allein die Stellvertretung gewählt wird und
_niemand sonst.
Der OVG-Rechtsvergleich mit der Gruppenwahl beim Personalrat ist sinnlos, da es sich bei SBV-Wahlen um unterschiedliche Wahlen (und nicht nur um eine Wahl) handelt. Auch aus weiterer „Begründung“ dieses OVG, wonach es sich hier um
„dieselben Wahlberechtigten“ handelt, folgt nichts anderes – weil insoweit irrelevant.
Dass die Wahl der Stellvertretung eigenständig ist folgt beispw. auch daraus, wonach isolierte Nachwahl vorgeschrieben, nach
§§ 17 und 21 SchwbVWO. Keines der Argumente dieses OVG zur Stellvertretung sind folglich stichhaltig geschweige denn zwingend. Zudem bedarf es getrennter (doppelter) Kandidatur und Wahlvorschläge – sofern jemand als Bewerber für beide Wahlen antritt laut
§ 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 SchwbVWO. FAZIT demnach:
Wäre es nur eine Wahl, müsste man nicht doppelt
kandidieren schon nach den „Gesetzen der Logik“
Ebenso Hohmann in Wiegand/ Hohmann, SchwbVWO, Einleitung Rn. 48, wonach die Ungültigkeit der Wahl der Vertrauensperson
„nicht von vornherein Ungültigkeit der Wahl der stellvertretenden Mitglieder“ bewirkt.
Demnach sind solche (pauschalen) Rechtssätze von der Ungültigkeit der „Wahl insgesamt“ und vom „einheitlichen Wahlvorgang“ strikt abzulehnen.
OVG Koblenz hat geschrieben:Am 30. Januar 1987 wählten die Schwerbehindertenvertreter des BWB und dessen nachgeordneter Dienststellen den Bezirksvertrauensmann der Schwerbehinderten und zwei Stellvertreter; an der Wahl nahm auch Herr W. als Vertrauensmann der Schwerbehinderten beim Marinearsenal K., einer verselbständigten Außenstelle des Marinearsenals W. teil, der, wie
unstreitig ist, nicht wahlberechtigt war.
[OVG Koblenz, 14.12.1988, 4 A 3/88, Rn. 2]
Warum VP der
verselbstständigten und nachgeordneten Außenstelle
Marinearsenal im
BWB-Geschäftsbereich für Wahl der BSBV nicht wahlberechtigt gewesen sein soll – erschließt sich mir nicht? Zu verselbstständigten Dienststellen vgl. BIH-Wahlbroschüre, Kapitel 7.3.2,
Seite 87:
„Für Wahlrecht der SBV ist es
ohne Bedeutung, ob sie verselbstständigte Außen- oder Nebenstelle vertreten.“
(§ 180 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Zwar mag nach Personalverrtretungsrecht was anderes gelten: Für Wahl der SBV-Stufenvertretung lässt sich das aus § 180 Abs. 3 SGB IX jedenfalls nicht ableiten, da dort von
nachgeordneten und nicht von - unmittelbar - nachgeordneten Dienststellen die Rede ist.
Auf Differenzierung zwischen SBV der „unmittelbar“ nachgeordneten und weiterer (mittelbar) nachgeordneten Dienststellen kommt es nicht an lt.
§ 180 Abs. 3 SGB IX gemäß BIH. Wer kennt dazu neuere Fachliteratur oder Gerichtsentscheidungen zur Rechtsfrage – ob VP einer verselbstständigten Dienststelle bei der Wahl einer SBV-Stufenvertretung wahlberechtigt ist oder nicht? Wie ist aktuelle Verwaltungspraxis? Das OVG und das BVerwG haben lapidar angegeben, dass unstreitig keine Wahlberechtigung vorgelegen habe – ohne dieses sachlich zu begründen: Das ist wahlrechtlich äußerst dürftig!
Die Rechtsbeschwerde gg Nichtzulassung der Revision wurde zwar komplett zurückgewiesen laut
BVerwG vom 2.8.1989 - 6 PB 5.89. Die Begründung der Beschwerde war
_jedoch äußerst „dürftig“ bezügl. Stellvertretung und auch
_sonst – so dass sich das BVerwG damit inhaltlich überhaupt nicht zu befassen hatte …
Viele Grüße
Albin Göbel