Pahlen § 94 (Rn 12) hat geschrieben: “Maßgeblich ist also nur, dass einer der Betriebe, eine der Dienststellen oder eines der Gerichte die Voraussetzung des Satzes 1 nicht erfüllt.“ (Bihr u.a./Hoff, SGB IX, § 94 Rn 6)
Teile die Ansicht von Ulrich Römer, auch wenn
das Schrifttum das großteils anders sieht oder
teilweise höchst missverständlich darstellt.
Der Gegenansicht von MinR Kossens und MinR a.D. Hohmann sowie Dr. Isenhardt/Esser ist energisch zu widersprechen, da durch nichts zu rechtfertigen, weil komplett sinnfreie bzw objekt. willkürliche Auslegung sowie klar falsch nach
BVerwG: Wird aber dennoch verbreitet unkritisch „nachgeplappert“, wonach auch „mehrere große Betriebe zusammengefasst werden“ könnten, „die jeweils für sich genommen bereits die Voraussetzungen für die Wahl einer SBV nach § 177 Abs 1 Satz 1 SGB IX erfüllen“ (so aber z.B. JurisPK-SGB IX, § 177 Rn. 15 u.v.a. – obwohl Ergebnis
blanker Unsinn!)
Die Rn. 12 zu § 94 bezieht sich auf zwei Betriebe oder Dienststellen – und genau für diesen und nur für diesen Sonderfall stimmt diese Aussage auch: Wenn es aber um mehr als zwei Betriebe geht wie so oft in der Wahlpraxis, dann ist eben die Rn.
13 einschlägig
("aber auch einem größeren Betrieb zugeschlagen werden"); a.A. Kossens in Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 4. Auflage 2015, § 94 Rn. 11;
Hohmann in Wiegand, SGB IX, § 94 SGB IX Rn. 90; sowie
Esser/Isenhardt in Kreitner/Luthe, 3. Aufl., JurisPK-SGB IX, § 177 Rn. 15: "Es kann auch ein kleiner mit einem großen Betrieb oder auch
mehrere große Betriebe zusammengefasst werden, die jeweils für sich genommen bereits die Voraussetzungen für die Wahl einer SBV nach § 177 Abs. 1 S. 1 SGB IX erfüllen." Einen derart weitreichenden bzw
"schrägen" Rechtssatz am Gesetz vorbei hat das Bundesverwaltungsgericht so niemals formuliert. Diese vier Autoren u.a.
verkennen offenbar, dass lediglich solche Dienststellen zu einem Wahlbezirk zusammengefasst werden dürfen, von denen maximal eine wahlfähig ist mit ≥ 5 sbM, jedoch niemals mehrere lt.
BVerwG, 08.12.1999, 6 P 11.98, Rn. 27, und die die missverständlich formulierte Rn. 12 von
Pahlen fehlinterpretierten statt auf die Rn. 13 abzustellen: Danach müssen zwar nicht alle unter fünf sbM haben, aber nur eine der Dienststellen darf im Höchstfall 5 oder mehr sbM haben: Denn das BVerwG hat insoweit formuliert:
"die andere Dienststelle" (
Singular) und eben nicht "die anderen Dienststellen" (im Plural) – im Unterschied zu weiten Teilen des Schrifttums, das aus unerfindlichen Gründen aus dem Singular einen Plural machte:
BVerwG, 08.12.1999, hat geschrieben:Da der Gesetzgeber durch die Möglichkeit der Zusammenfassung erreichen will, dass möglichst weitgehend örtliche Schwerbehindertenvertretungen gebildet werden, ist nicht zu verlangen, dass die andere Dienststelle, mit der die Zusammenfassung erfolgt, ebenfalls die Mindestvoraussetzungen für die Wahl einer SBV nicht erfüllt...
• Ebenso
Düwell, LPK-SGB IX, Rn 41 zu § 94 SGB IX a.F. –
Zusammenfassung auch mit "einem wahlfähigen Betrieb", wonach Zusammenfassung von zwei wahlfähigen Betrieben miteinander ausgeschlossen ist.
• Ebenso
Ritz/Dobatka in
Cramer u.a, 6. Auflage 2011, mit zutreffendem Verweis auf
Pahlen, NPM-SGB IX, § 94 Rn. 13, in der von einer Zusammenfassung mit genau
"einem größeren Betrieb" und nicht mit mehreren größeren Betrieben die Rede ist.
• So schon
Cramer, SchwbG, 5. Aufl. 1998, § 24 Rn. 4:
„wenn auf diese Weise die Mindestzahl erreicht werden kann“ durch die Zusammenfassung. Denn durch eine solche Zusammenfassung von zwei schon wahlfähigen Betrieben würde gerade nicht die Mindestzahl erreicht (weil ja schon jeweils vorhanden), sondern einzig eine unzulässige Reduzierung der Zahl der Wahlbezirke.
• Ebenso
Kohte im DVfR-Wahlforum auf reha-recht.de
• Ferner
BIH-Wahlbroschüre, Abschnitt 1.3, Seite 25, wonach eine Zusammenfassung von zwei wahlfähigen Betrieben wahlrechtlich unzulässig ist, wie folgt:
"Eine erneute Zusammenfassung kommt beispielsweise nicht mehr in Betracht, wenn in wenigstens zwei der zusammengefassten Betriebe inzwischen jeweils so viele schwerbehinderte Menschen beschäftigt werden, dass nunmehr mehrere Schwerbehindertenvertretungen gewählt werden können."
• Ferner
WahlNavi, wonach
ein wahlfähiger Betrieb nur mit nicht wahlfähigen Betrieben zusammengefasst werden kann.
Voraussetzung sei zwar nicht, dass jeweils alle Betriebe die Mindestvoraussetzungen erfüllen. Voraussetzung ist aber, dass (
1) nicht mehr als ein Betrieb die Mindestvoraussetzung erfüllt und (
2) dessen Einbeziehung wahlrechtlich erforderlich ist.
Die völlig haltlose bzw. durch nichts zu rechtfertigende Ansicht von MinR aD Hohmann, Dr. Isenhardt/Esser, MinR Kossens u.a, die zu abwegigen Ergebnissen führt und Wahlen angreifbar macht, ist abzulehnen laut Cramer, Düwell, Pahlen und BIH. Entgegen Esser/Isenhardt folgt deren Ansicht mitnichten aus BVerwG und Pahlen, sondern das genaue Gegenteil, nämlich dass
niemals mehrere wahlfähige Betriebe zusammengefasst werden können zu einem Wahlbezirk, weils im Gesetz nicht vorgesehen und weil das im Übrigen wahlrechtlich völlig sinnfrei bzw. zweckfrei wäre. Das hat entgegen dem
Denkfehler von Hohmann mit der "gesetzlichen Intention" nichts zu tun, "die Wahl in allen Betrieben zu ermöglichen", weil das
nie die Zusammenfassung mit zwei oder mehr wahlfähigen Betrieben erfordert – sondern denklogisch
allenfalls mit einem wahlfähigen Betrieb in der Nähe. Das hat nichts mit dem Regelungszweck zu tun, "die zahlenmäßigen Voraussetzungen für die Wahl einer SBV zu schaffen" laut BVerwG. Die Zusammenfassung
muss erforderlich sein, damit in allen betroffenen Organisationseinheiten eine SBV-Wahl durchgeführt werden kann (
Sachadae, Die Wahl der SBV, Dissertation 2013, Seite 103), wofür jedoch bei zwei wahlfähigen Betrieben gerade kein Bedarf besteht: Es ist nicht erlaubt, einen nicht wahlfähiger Betrieb mit zwei wahlfähigen oder gar einer Vielzahl von wahlfähigen Betrieben zusammenzufassen! Ebenso zu Recht Dr. Till
Sachadae, Seite 104, zur
"Mindestzahlerfüllung in maximal einem Betrieb". Eine Zusammenfassung hingegen mit mehreren, die Wahlvoraussetzungen erfüllenden Betrieben, ist demnach nicht möglich! Eine wahlrechtlich stichhaltige Begründung zur Gegenposition der Literatur findet sich nirgends.
MERKSATZ: Eine Zusammenfassung von Betrieben (unter fünf sbM) mit mehreren wahlfähigen Betrieben zu einem Wahlbezirk ist unzulässig und würde solche Wahlen generell angreifbar machen!
Viele Grüße
Albin Göbel