- »Die undemokratische Wahl«
LAG Stuttgart 2017 hat geschrieben:zum Gebot der Chancengleichheit von Wahlbewerbern für SBV-Wahl in "Verleiherbetrieben" (Leiharbeit) bei AÜG-Arbeitnehmerüberlassung
[LAG Stuttgart vom 28.11.2017, 9 TaBV 4/17]
• Beschäftigungsbetrieb:
... und wenn es externe "Arbeitsstätten" gibt, in denen sbM im Einsatz sind, dann müssen ggf. auch die jeweiligen externen
Einsatzbetriebe in anderen Unternehmen (also hier die jeweiligen "Betriebsstätten" der
Entleiherbetriebe) mitgeteilt bzw. in die Wählerliste eingetragen werden, schreibt
LAG Stuttgart vom 28.11.2017 - 9 TaBV 4/17 - Rn. 30-
32, von grundsätzlicher Bedeutung für gesamte Zeitarbeitsbranche. Dem ist zuzustimmen nach den wahlübergreifenden Grundsätzen einer fairen und demokratischen Wahl (Art.
3 und
38 GG) unter Beachtung der Chancen-Gleichheit:
LAG Stuttgart hat geschrieben:Aus diesem Grunde hat der Antragsteller vom Wahlvorstand zu Recht verlangt, dass dieser ihm die entsprechenden Einsatzorte der anderen wahlberechtigten schwerbehinderten Mitarbeiter mitteilt." [Rn. 32]
• Zeitarbeitsunternehmen:
Dies besonders dann, wenn es im täglichen Arbeitseinsatz keine festen Betriebsstrukturen gibt, sondern die schwerbehinderten Beschäftigten überwiegend etwa bei Kunden im "Außendienst" arbeiten, um so passives Wahlrecht abzusichern, so dass
wenigstens Kontakte herstellbar sind zu sbM bzw. untereinander. Faktische "Kontaktsperren" wie in dem Fall, mit dem sich LAG Stuttgart kürzlich zu befassen hatte, sind wahlrechtlich illegal und durchsichtige bzw. plumpe Verstöße des Wahlvorstands, welcher passives Wahlrecht vereitelte ua. durch systematisch "unterdrückte" bzw. durch unterlassene Information der Wahlbewerber. Hierbei gehts um Kernelemente demokratischer Wahlen, da ohne solche Angaben Kandidaturen und damit die Ausübung des gesetzlich verbürgten passiven Wahlrechts idR.
objektiv unmöglich sind. Was weiter verwerflich erscheint ist der Umstand, dass durch fehlende Angaben zu allen Entleiherbetrieben zwangsläufig auch Anfechtungen (mit zwei weiteren sbM) faktisch vereitelt wurden und damit ja die Rechtswegsgarantie unterlaufen wurde. Alles grobe objektive Wahlbehinderung!
• Adressen der Einsatzbetriebe?
Da hat das ArbG Freiburg im Eilbeschluss, 02.06.2017, 1 BVGa 2/17,
kläglich versagt: Dem sich eigentlich jeden Laien geradezu sofort aufdrängenden Gedanken, dass halt ohne jegliche Kontaktdaten kein Kontakt zu Wahlberechtigten herstellbar ist und so keine Stützunterschriften gesammelt werden können, sind die Freiburger Richter nicht gehörig nachgegangen. Wahlberechtigte zu Wahlvorschlägen aufzufordern, gleichzeitig aber diesen jede erdenkliche Möglichkeit zu nehmen, Vorschläge einzureichen, halte ich für widersprüchliches Verhalten bzw. rechtsmissbräuchlich. Das ist grobes Justizversagen, dass sie dem Gebaren des Vorsitzenden dieses Wahlvorstands nichts entgegenzusetzen wusste trotz klarer Vorgaben von BVerfG, BAG, BVerwG & Literatur zu
Mindeststandards demokratischer Wahlen, und sein durchsichtiges beziehungsweise plumpes Gebaren nicht durchschaute, zumal diese Wahlberechtigten auch nicht durch ein besonderes Kommunikationsnetz miteinander verknüpft sind.
"Blind-Dates" ohne Daten - wie soll das gehen? Ich weiß es nicht, und diese Freiburger Arbeitsrichter bzw. die Laienrichter hat das nicht interessiert. Das erscheint lebensfremd:
[ironie=ein]Sollen Kandidaten hier etwa Detektive beauftragen, um die Einsatzbetriebe sbM ausfindig zu machen?
[/ironie=aus]
Woher sollen diese denn sonst wissen, in welchen Betriebsstätten die anzutreffen sind, um Stützunterschriften gemäß Wahlausschreiben sammeln zu können ??? Im Übrigen soll der "Betrieb" in die Wählerliste eingetragen werden, und das umfasst m.E. in Fällen wie hier nach einer verfassungs- bzw.
gesetzeskonformer Auslegung auch externe Einsatz-Betriebe (
§ 3 SchwbVWO).
Die Arbeitsrichter begnügten sich letztlich mit der lapidaren Feststellung, dass sich eine Kontaktaufnahme "
schwierig" gestalte. Tatsächlich war es dem schwerbehinderten Antragsteller aber von vornherein unmöglich, ohne die verlangten "
geschäftlichen Kontaktdaten" einen Wahlvorschlag einzureichen. Das ist bei einer demokratischen Wahl nicht hinnehmbar entgegen dem Eilbeschluss des ArbG Freiburg. Das kommt unterm Strich faktisch einem Ausschluss des Vorschlagsrechts bzw. des passiven Wahlrechts gleich = grobe Wahlbehinderung!
Anmerkung:
Man darf gespannt sein, wie die Literatur diesen Fall bewertet sowie die Tatsache, dass dieser Vorstand die Wahlvorschlagsfrist mehr als verdoppelte von zwei auf über vier Wochen (04.05. bis 02.06.2017 = 4 Wochen + 1 Tag) - eigenmächtig sowie ohne jede wahlrechtliche Befugnisnorm -
also reine Willkür, so als wäre der Betrieb
wahlordnungsfreie Zone: Das ist offenbarer sowie besonders krasser Verstoß und für jeden Laien durch einen
Blick in die Wahlordnung sofort erkennbar. Es ist wahlordnungsrechtlich völlig ausgeschlossen, einen Vorschlag nach vier Wochen zuzulassen – wie hier: In der Wahlordnung steht mitnichten vier Wochen, sondern vielmehr exakt
"zwei Wochen" – und das nicht nur 1x, sondern mehrfach (Wiegend/Hohmann, SchwbVWO, § 6 Rn. 36/37, wonach der Wahlvorstand bei dieser "Ausschlussfrist" keinerlei Entscheidungsspielraum habe). Der Wahlvorstand hat die Wahlordnung umzusetzen und nicht zu umgehen!
Der Wahlvorstand muss und darf lediglich auf die Vorschlagsfrist laut Wahlordnung
hinweisen, aber keine davon abweichende Frist festsetzen, sonst ua Amtsmissbrauch (
§ 5 Abs. 1 und
§ 6 Abs. 1 SchwbVWO). Wenn der Verordnungsgeber wie hier die Vorschlagsfrist selbst verbindlich geregelt hat, steht nun mal in einem Rechtsstaat einem Wahlvorstand keine eigene und insbesondere keine davon abweichende Entscheidung mehr zu.
Es ist noch viel offensichtlicher, da ja im
Ausschreiben selbst anzugeben ist, dass nur binnen
"zwei Wochen" vorgeschlagen werden kann und dass nur fristgerecht eingereichte Wahlvorschläge
"berücksichtigt werden dürfen" (§ 5 Abs 1 Satz 2
Nr 9 und
Nr 11 SchwbVWO) von Rechts wegen! Bis 18.05.2017 ist jedoch kein Vorschlag eingegangen – erst zwei Wochen später am 1.6.2017 – also längst verfristet. Und der vollkommen
sinnfreie und alberne "Infotag" für
ausländische und deutsche sbM am 30.05.2017 kann wahlrechtlich per se als "Farce" angesehen werden, da (entgegen ArbG Freiburg, 20.9.2017, 1 BV 6/17, und LAG Stuttgart, 28.11.2017, 9 TaBV 4/17) lange
nach Ablauf der zwei-wöchigen Vorschlagsfrist und eben nicht zuvor, was von beiden
Instanzen verkannt wurde! Zu der rechtzeitigen Unterrichtung ausländischer Wahlberechtigter siehe
Diskussion vom Januar 2018.
Sollten hingegen die obligatorischen Angaben zur "Zwei-Wochen-Frist" im Ausschreiben gefehlt haben, könnte dies als Wählertäuschung angesehen werden zum Zweck der Verschleierung des groben Rechtsbruches wegen der massiven willkürlichen und eigenmächtigen Überlänge von
4 Wochen + 1 Tag statt richtig: 2 Wochen!
Denn ein Wahlvorstand hat keinerlei Ermessen, keinerlei Spielraum und keinerlei Befugnis, diese Einreichungsfrist auch nur um einen einzigen Tag eigenmächtig und damit willkürlich zu verlängern! (
BAG vom 09.12.1992, 7 ABR 27/92 - zur unzulässigen Verlängerung der Frist zur Einreichung von Wahlvorschlägen und Überschreitung der Befugnisse eines Wahlvorstands).
Viele Grüße
Albin Göbel