michael.berkemeyer hat geschrieben:auch kein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des Vierten Buches
Das ist nicht zwingend fürs SBV-Wahlrecht!
Hallo zusammen, allein mit dem Argument, dass z.B. in anderen Gesetzen in anderem Zusammenhang zum Teil was anderes normiert ist, kann m.E. grundsätzlich ein Ausschluss des aktiven Wahlrechts nicht zwingend begründet werden, zumal ja § 177
Abs. 2 SGB IX nirgends auf anderes Bundes- und Landesrecht verweist – also eine insoweit
abschließende Norm. Dem folgend "Legaldefinition" in § 1 Abs. 2
Satz 1 SchwbVWO. Somit kommts mE auch nicht etwa auf den Begriff "Beschäftigte" i.S.d.
§ 4 BPersVG an und natürlich auch nicht auf die Definitionen in den 16 eigenständigen Landespersonalvertretungsgesetzen an für den ÖD. (vgl. zur "Beschäftigung"
LAG München vom 28.05.2014 - 8 TaBV 34/12 - II.2.1). Dafür bedürfte es nach rechtsstaatlichen Grundsätzen eines Ausschlusses in § 177 Abs. 2 SGB IX, an welchem es hier fehlt. Abgesehen davon sind Ein-Euro-Jobber teilweise
explizit als Beschäftigte nach reformiertem Personalvertretungsrecht von einigen Ländern anzusehen wie etwa Baden-Württemberg, Niedersachsen, NRW, Sachsen und andere, in
Thüringen künftig wohl wahlberechtigt ab dem ersten Tag:
„Sofort wahlberechtigt ist zukünftig auch, wer die Beschäftigung an der Dienststelle angetreten hat (bisher länger als drei Monate)“. Folglich
immerhin über ein halbes Dutzend Bundesländer, in denen Ein-Euro-Jobber als „Beschäftigte“ kraft Landesrechts sind oder gelten!
Einem schwerbehinderten Ein-Euro-Jobber bei der PR-Wahl das aktive Wahlrecht zuzugestehen und in die PR-Wählerliste einzutragen als Beschäftigter, ihm jedoch bei der SBV-Wahl in diesen Ländern das Wahlrecht generell abzusprechen, leuchtet wohl niemandem ein.
Rechtsvergleich Leiharbeit
Beispiel zur Verdeutlichung ist der
§ 7 BetrVG: Danach sind Leiharbeitnehmer bei BR-Wahlen nur wahlberechtigt, "wenn sie länger als drei Monate im Betrieb eingesetzt werden". Diese Einschränkung bzw. Wahlvoraussetzung gilt aber nicht für SBV-Wahlen, da eben
nicht darauf verwiesen in Grundnorm des § 177 Abs 2 SGB IX (so im Ergebnis nun auch BIH-Wahlbroschüre, S. 15/35, jedoch
mit verfehlter Begründung, wonach dies auf der AÜG-Änderung 2017 beruhen soll (BIH-Broschüre, Seite 35/36); mit der
AÜG-Änderung 2017 hat das definitiv nichts zu tun, denn das galt alles schon lange vor den AÜG-Änderungen von 2017;
a.A. jedoch offenbar noch für den ÖD in Hessen auf Seite 39, wonach dort eine Drei-Monats-Frist gelten soll laut BIH. Die Landesgesetzgeber sind
von Verfassungs wegen nicht befugt, Regelungen zum aktiven SBV-Wahlrecht zu erlassen, m.E. auch nicht befugt, irgendeine Einschränkung der bundesrechtl. Regelung der Wahlberechtigung in § 177 Absatz 2 SGB IX zu treffen. Die Ansicht, dass in Hessen erst nach drei Monaten Wahlrecht bei
Leiharbeit bestünde, ist nach alledem nicht nachvollziehbar. Vgl. dazu exemplarisch auch Anmerkung von Prof.
Düwell im DVfR-Fachforum zur Abordnung im öff. Dienst zur unzulässigen Beschränkung des SBV-Wahlrechts durch LPVG aus Verfassungsgründen.
a.A. und widersprüchlich und zu eng BIH in
ZB info 1 I 2018, Seite 6, zur Organisation der Wahl, wonach nur schwerbehinderte Leiharbeitnehmer, welche
„länger als drei Monate“ im Entleiherbetrieb eingesetzt werden, wahlberechtigt seien. Das wird zu Recht im Fachschrifttum klar abgelehnt, weil es eine derartige Einschränkung nicht gibt für SBV-Wahlen nach § 177 Absatz 2 SGB IX.
michael.berkemeyer hat geschrieben:Die Arbeiten begründen kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts
Das ist nicht zwingend fürs SBV-Wahlrecht!
Gleiches wird nach diesem Wahlrechtsgrundsatz aber regelmäßig auch bei nicht sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung anzunehmen sein nach dem SGB IV bzw. anderen Sozialgesetzbüchern, weil gleichfalls
nicht darauf verwiesen wird. Aus den gleichen Gründen kommts auch nicht auf einen Arbeitsvertrag*) mit Betriebsinhaber an. Das Gesetz stellt in § 177 Absatz 2 SGB IX ausdrücklich auf das Beschäftigungs- und nicht etwa auf das Arbeirsverhältnis ab; ebenso Dr.
Pahlen in NPM-SGB IX, Rn. 23/24 zu § 94 a.F. wie folgt: "Die SBV soll
alle sbM betreuen, ohne Rücksicht auf Beschäftigung im Rahmen eines
Arbeitsverhältnisses oder auf andere Weise, auch ohne Rücksicht darauf, ob die Beschäftigung auf einem
Arbeitsplatz i.S. des § 73 erfolgt."; ferner unter anderem auch BIH-Wahlbroschüre 2018, Kapitel 1.2.3, Seite 14, wie folgt:
"Die Art des Beschäftigungsverhältnisses ist unerheblich. Entscheidend ist nach dem Wortlaut des § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nur tatsächliche Beschäftigung." Vergleiche auch
Verdi Nr. 8 zu der
Eingliederung von Ein-Euro-Jobbern in die Betriebsorganisation mit Aufnahme der ihnen zugewiesenen "
Arbeiten", die im Vordergrund stehen.
Zusammengefasst
Es darf also nicht einfach eine dieser Definitionen der Beschäftigung aus einem der anderen Bücher des SGB oder etwa aus dem
BDSG auf diesen § 177 SGB IX übertragen werden: Das führt sonst vielfach in die Irre. Zu eng selbstverständlich auch § 611a Abs.1
BGB 2017 n.F. Vgl. dazu ausführlich auch
Diskussion von vorletzter Woche.
Viele Grüße
Albin Göbel
*) so zuletzt BAG, 25.10.2017, 7 ABR 2/16