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Neuwahlen kurz vor Betriebsumwandlung

Verfasst: Donnerstag 15. Februar 2018, 07:15
von Zini
Hallo zusammen,

ich bin örtliche SBV in einer Bundesanstalt. Bei uns wirft sich folgendes Problem auf. Die nächsten Wahlen zur Schwerbehindertenvertretung sind im November 18 durch zu führen. Voraussichtlich wird unsere Anstalt aber zum 1.1.19 umstrukturiert, d.h. , wir sollen einstufig werden. Also mir ist das gesamte Prozedere schon klar, allerdings sehe ich den Aufwand der Neuwahlen für gerade mal einen Monat schon krass, vor allem vor dem Hintergrund, nach der Umstrukturierung im Jahre 2019 ja wieder Neuwahlen durch zu führen. Müssen die Wahlen hier tatsächlich durchgeführt werden? Eine Übergangslösung ist meines Wissens ja hier nicht vorgesehen.... ???
Hat hier schon mal jemand Erfahrungen gemacht?

Re: Neuwahlen kurz vor Betriebsumwandlung

Verfasst: Donnerstag 22. Februar 2018, 13:48
von albarracin_01
Hallo,

ohne Neuwahl endet das Mandat aller SBVen mit dem Ende der jeweiligen Amtszeit. Auch eine evtl. vorhandene Stufenvertretung hört auf zu existieren, da es ja keine einzige örtliche SBV gibt, die für eine Stufenvertretung Voraussetzung ist.

Für eine Verlängerung der Amtszeit fehlt es an jeglicher gesetzlicher Grundlage.

Re: Neuwahlen kurz vor Betriebsumwandlung

Verfasst: Donnerstag 22. Februar 2018, 14:45
von SchmeixFliege
Da es sich um eine Bundesanstalt handelt, muss vermutlich aufgrund von mehr als 50 Wahlberechtigten oder räumlich weit auseinanderliegender Teile der Dienststelle nach dem förmlichen Wahlverfahren gewählt werden. Somit müsste ja spätestens acht Wochen vor dem Ablauf der Amtszeit durch die noch bestehende Schwerbehindertenvertretung der Wahlvorstand bestellt werden.

Als ziemlich unschöne , aber prinzipiell auch mögliche Alternative stellt sich für mich jetzt die folgende Frage:
Macht sich die bestehende SBV evtl. nun haftbar, wenn sie die Bestellung des Wahlvorstandes mutwillig versäumt und aufgrund dieses Vorsatzes nun für eine gewisse Zeit keine SBV in der Dienststelle vorhanden ist?
Und wenn ja, bis wann müsste sie ihren Rücktritt erklären, damit sie hier aus dem Schneider wäre?

Re: Neuwahlen kurz vor Betriebsumwandlung

Verfasst: Donnerstag 22. Februar 2018, 17:07
von albarracin_01
hallo,

es tut mir leid, aber das hier
Als ziemlich unschöne , aber prinzipiell auch mögliche Alternative stellt sich für mich jetzt die folgende Frage:
Macht sich die bestehende SBV evtl. nun haftbar, wenn sie die Bestellung des Wahlvorstandes mutwillig versäumt und aufgrund dieses Vorsatzes nun für eine gewisse Zeit keine SBV in der Dienststelle vorhanden ist?
Und wenn ja, bis wann müsste sie ihren Rücktritt erklären, damit sie hier aus dem Schneider wäre?
ist schon ziemlich schräg.

Die SBV muß nicht "zurücktreten", weil das Amt mit Ablauf der Amtszeit einfach kraft Gesetzes "untergeht", also beendet ist.

Allein die Tatsache, keine Neuwahl eingeleitet zu haben, begründet noch keinen irgendwie gearteten Schadensersatzanspruch.
Sollte die SBV aber auch nach Ablauf der Amtszeit als SBV auftreten und die aufgewendete Zeit beim AG geltend machen, wäre dies Arbeitszeitbetrug.
Genauso wäre es Arbeitszeitbetrug, wenn ein AN die Zeit einer Beratung bei einer nicht mehr amtierenden SBV geltend machen würde.

Re: Neuwahlen kurz vor Betriebsumwandlung

Verfasst: Freitag 23. Februar 2018, 07:34
von SchmeixFliege
Natürlich ist das in keinster Weise eine Lösung, die ich für richtig und zweckmäßig halte, dass sollte durch das Attribut "ziemlich unschön" eigentlich doch auch deutlich genug geworden sein.
Und es steht auch außer Frage, dass das Amt der Schwerbehindertenvertretung mit Ablauf der Amtszeit von vier Jahren endet, wenn keine Neuwahlen durchgeführt worden sind.

Allerdings halte ich es durchaus für interessant auch mal die Konsequenzen einer solchen Vorgehensweise hier zu erörtern, denn es gehört zu den Aufgaben der amtierenden Schwerbehindertenvertretung dafür Sorge zu tragen, dass rechtzeitig die Wahl der nächsten Schwerbehindertenvertretung stattfindet, weil sie im Falle des förmlichen Wahlverfahrens hierfür den Wahlvorstand zu bestellen hat oder im Falle des vereinfachten Wahlverfahrens zur Wahlversammlung einladen muss.
Insofern würde Sie ihre Aufgabe nicht pflichtgemäß wahrnehmen!

Warum sollte also dann nicht eine Haftung bestehen, wenn den schwerbehinderten Beschäftigten möglicherweise dadurch Nachteile entstehen, weil für einen gewissen Zeitraum dann keine SBV vorhanden ist und ihre Interessen dadurch auch nicht wahrgenommen werden? Ich halte dies für gegeben und würde deshalb nur einen Rücktritt zur Vermeidung einer solchen Konsequenz als Ausweg sehen.
Vielleicht gibt es ja hierzu noch Informationen oder Urteile, bei der eine SBV vorsätzlich gegen ihre Pflichten verstoßen hat und dadurch schwerbehinderten Menschen Nachteile entstanden sind.
Unabhängig davon, ob man das persönlich jetzt als "ziemlich unschön" oder gar "ziemlich schräg" findet. ;)

Re: Neuwahlen kurz vor Betriebsumwandlung

Verfasst: Freitag 23. Februar 2018, 08:05
von matthias.günther
DIe SBV haftet nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit nach § 823 BGB. Die Nichteinleitung der Wahl dürfte keine Anspruchsgrundlage für Schadensersatzansprüche nach § 823 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB sein. Bei falscher Auskunftserteilung kommt allenfalls ein Vermögensschaden in Betracht (§ 826 BGB, bei einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung), also z. B. SBV berät individuell zu Rentenfragen (was nicht ihre Aufgabe ist), erzählt was falsches und dem AN entsteht dadurch ein Schaden (wegen verspätetem Rentenantrag usw.). Zwischen der Nichteinleitung der SBV-Wahl und einem Schaden für den sbM eine haftungsbegründende Kausalität herzustellen dürfte in der Praxis kaum möglich sein, da es einen Zusammenhang zwischen dem Nichtvorhandensein einer SBV, der Rechtsgutverletzung und den Folgen der Verletzung absoluter Rechtsgüter (haftungsausfüllende Kausalität) des sbM geben müsste.
Es wäre bei Versäumnis der SBV Aufgabe des Personalrats auf die Wahl hinzuwirken, oder es finden sich drei Wahlberechtigte oder das Integrationsamt lädt zur Wahl ein. In einer "SBV-losen" Zeit ist ein sbM ja nicht vollkommen schutzlos oder ohne Ansprechperson, da es einen PR gibt, der nach § 176 SGB IX ebenfalls die Eingliederung von sbM fördert. Also wäre eine Beratung dort möglich. Oder der sbM wendet sich an den IFD, oder ans Integrationsamt, oder an den Inklusionsbeauftragten des AG...

Re: Neuwahlen kurz vor Betriebsumwandlung

Verfasst: Freitag 23. Februar 2018, 18:20
von albin.göbel
Zini hat geschrieben:Voraussichtlich wird unsere Anstalt aber zum 1.1.19 umstrukturiert, d.h. wir sollen einstufig werden.
Es ist hier etwas schwie­rig, ohne prä­zi­se­re An­ga­ben überhaupt kon­kret was sa­gen zu können zum Thema "Übergangsregelung". Das Timing für die SBV könnte hier ja un­gün­sti­ger kaum sein. Ich gehe mal da­von aus, dass es eine SBV-Stu­fen­ver­tre­tung gibt (welche?), dass keine HSBV exis­tiert, dass es sich nicht um einen "Betrieb" han­delt (abweichend vom Betreff), und dass das BPersVG gilt mit PR-Re­gel­wah­len 2020. Ist das je­weils so? Ein Über­gangs­man­dat für 2019 ist m.E. überhaupt nur dann denkbar, wenn zumindest eine der amtierenden SBVen am Tag vor dieser Strukturänderung (noch) im Amt wäre am Sylvester 2018. Vor­ab folgende vier Ver­ständ­nis­fra­gen, um evtl. gezielter ant­wor­ten bzw. auf Fol­ge­fragen für 2019 ein­ge­hen zu kön­nen:

1. Wie viele örtlichen SBVen sind aktuell in diesem "Geschäftsbereich" von dieser Um­struk­tu­rie­rung betroffen? Hatten diese alle förmliche oder ver­ein­fach­te Wahlen?

2. Gibts darunter evtl. örtliche SBVen mit verlängerter Amtszeit (ggf wie viele?), bei denen also die Regelwahl 2018 von vorn­he­rein ausfällt bzw. "über­sprun­gen" wird nach § 177 Abs. 5 Satz 4 SGB IX, weil Zwischenwahl und Beginn der Amtszeit erst nach dem 01.10.2017 (Stichtag), und diese für ein Übergangsmandat 2019 in Betracht kämen – auch ohne Regelwahl 2018.

3. Sofern eine SBV-Stufenvertretung exis­tie­ren sollte: An welchem Tag exakt be­gann deren Amts­zeit? Evtl. erst 2015, so dass u.U. wenigstens insoweit ein Über­gangs­man­dat­ 2019 denkbar wäre - auch ohne erneute Regelwahl? Oder liegt gar ein Fall verlängerter Amtszeit vor, wie im neuen WahlNavi beschrieben?

4. Ist hier mit Ver­selb­stän­di­gungs­be­schlüs­sen nach § 6 Absatz 3 BPersVG nach der Um­struk­tu­rie­rung Anfang 2019 zu rech­nen, so dass nach dieser Verwaltungsreform im Prinzip alles beim Alten bleibt, d.h. wieder die gleichen per­so­nal­ver­tre­tungs­recht­li­chen Wahlbezirke gelten, denen dann die SBV-Wahlbezirke zwingend folgen laut Li­te­ratur­ und Rechtsprechung!

Zini hat geschrieben:2019 ja wieder Neu­wah­len... Über­gangs­lö­sung ist meines Wis­sens ja hier nicht vor­ge­­se­­­­hen... ???
Richtig: Im SGB IX und im BPersVG gibts keine allgemeine Übergangsregelungen für Ver­tre­tun­gen­ im Unterschied zu den meis­ten ➔Bundesländern (vgl. VG Potsdam, 09.10.2012, VG 20 L 633/12.PVB, PersV 2013, 136-137). Da "hinkt" das BPersVG weit hinter den meisten Ländern und dem BetrVG her. Denn das BPersVG kennt - im Gegensatz zu den meisten in jüngerer Zeit novellierten Lan­des­per­so­nal­ver­tre­tungs­ge­set­zen­­ - für den Fall der Umstrukturierung von Dienststellen gerade keine ge­setz­li­chen Übergangs-Per­so­nal­ver­tre­tun­gen.

Prinzipiell hat es der Gesetzgeber (wie im Charité-Fall) in der Hand, Über­gangs­man­da­te so zu bestimmen, dass Mandate zum Beispiel bis zur nächsten Regelwahl be­ste­hen bleiben (BAG vom 07.04.2004, 7 ABR 35/03, Rn. 17-18).

Zini hat geschrieben:Hat hier schon jemand Erfahrungen?
Übergangsschwerbehindertenvertretung?
Gibts zur Umstrukturierung evtl. schon ir­gend­wel­che (an­ge­­dachten) Rechtsnormen und steht da­rin was von ei­nem Über­gangs­man­dat für Per­so­nal­rä­te bzw. für Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tun­gen etwa im Sinne der "Über­gangs­re­ge­lung" des § 16 BImAG? Vergleiche auch das gelungene "Mus­ter­­bei­­­­spiel" nach Art. 4 PolRG aus Baden-Württemberg (Düwell, LPK-SGB IX, Rn. 105 zu § 94 SGB IX a.F.) sowie Wahl­bro­schü­re, Abschnitt 2.3, Seite 29/30. Wich­tig ist es, gerade in prekären Pha­sen sol­cher Um­struk­tie­rungen nicht oh­ne Über­gangs­­schwer­­­­be­hin­der­ten­ver­tre­tung dazustehen nach dem Rechtsgedanken des Artikels 6 der Richtlinie 2001/23/EG:

"Das BPersVG kennt kein Über­gangs­man­dat im Fall einer Verwaltungsreform", sagt das Fachschrifttum 2018 (Ilbertz/Wid­ma­i­er/Som­mer, BPersVG, § 26 Rn 12a mwN). Dieses ist "infolge der Untätigkeit des Bun­des­ge­setz­ge­bers nicht gelöst worden". Nun hat die GroKo Gelegenheit, diese Lücke zu schließen. Im Koalitionsvertrag 2018 steht: "Das Bundespersonalvertretungsrecht wird novelliert."

Viele Grüße
Albin Göbel

AW: Neuwahlen kurz vor Betriebsumwandlung

Verfasst: Sonntag 25. Februar 2018, 16:30
von albin.göbel
albarracin hat geschrieben:... Auch eine evtl. Stufenvertretung hört auf zu existieren, da es ja keine einzige örtliche SBV gibt, die für Stufenvertretung Voraussetzung ist.
Das ist so pauschal definitiv falsch! Eine derartige
gesetzliche Voraussetzung gibt’s nicht im SGB IX!


Hallo, diese Aussage erscheint mir ziem­lich "gewagt" und wahlrechtlich komplett daneben. Ich kenne jedenfalls keinen sol­chen gesetzlichen Erlöschenstatbestand für SBV-Stufe. Einen solchen Rechtssatz gibt es nicht in § 180 Abs. 7 SGB IX. Wo­raus soll sich das denn ergeben ???

Und sollte eine solche überörtliche SBV existieren, würde ihr die Ersatzvertretung ggf. zufallen, soweit bzw. solange keine örtl. SBVen im Geschäftsbereich (mehr) existieren.

Viele Grüße
Albin Göbel