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AW: Kündigung SB in der Probezeit - Beteiligung SchwBV.

Verfasst: Mittwoch 15. Februar 2017, 23:38
von valentin
Hallo Herr Römer,

die Antwort stimmt zwar. Doch Gleichstellungen wenn diese erfolgen gelten immer ab dem Tag der Antragstellung (Datum/Uhrzeit bei tel. Erstantrag). Wenn dann der AG das SGB IX nicht beachtet hatte, also auch die SBV nicht beteiligt hatte bekommt der AG sehr sehr große Probleme.

Denn mit der Änderung des SGB IX bzw der Einführung des BTHG MUSS der AG immer die SBV gem. § 95 SGB IX beteiligen oder aber eine Maßnahme ist ungültig/nichtig! Dieses gilt auch für Kündigungen in der Probezeit.

Verstöße gegen § 95,2 führen zur Unwirksamkeit führen durch den durch Art. 2 BTHG neu eingefügten Satz 3, der auf Satz 1 zur "unverzüglichen" Anhörung ausdrücklich verweist (vergl. z.B. Prof. Dr. Reufels, Cologne, Update ArbR Febr. 2017, zu Artikel 2 Bundesteilhabegesetz).

BTHG: Redaktionsversehen beim Fristverweis in § 90 Abs. 2a SGB IX

Verfasst: Donnerstag 16. Februar 2017, 11:17
von albin.göbel
Ulrich Römer hat geschrieben:§ 90 Abs. 2a ➔ § 69 Abs. 1 Satz 2
:shock: Ooops: Beim Artikel 2 des BTHG scheint BMAS wohl "gepatzt" zu haben, weil § 90 Abs. 2a SGB IX ab 30.12.2016 nicht mehr auf die Fristenregelung in § 69 Abs. 1 SGB IX n.F. verweist: Übersehen hat BMAS offenbar, dass in § 90 Abs. 2a SGB IX der Verweis auf die "Frist des § 69 Abs. 1 Satz 2" auf die nunmehr in § 69 Abs. 1 Satz 3 verschobene Fristenregelung hätte normtechnisch angepasst werden müssen als redaktionelle Folgeänderung, weil sonst "sinnentstellte" bzw. sinnfreie Verweisungsnorm seit dem 30.12.2016.
• Näheres vgl Fußnote*) mit Anm. d. Red.:

"Durch Artikel 2 G. v. 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234) wurde in § 69 Abs. 1 ein neuer Satz 2 eingefügt. Der Verweis wurde bislang nicht an die Änderung angepasst."

Vgl. dazu Handbuch Düwell/Beyer, Das neue Recht für behinderte Beschäftigte, Rn. 282, wie folgt: "Für das bis 31.12.2017 geltende Über­gangs­rechts ist der Fehler durch eine kor­ri­gie­ren­de Aus­le­gung zu berichtigen."

Weitere offenbare Redaktionsversehen z.B. in Artikel 1 § 173 Absatz 1 SGB IX. Diese offensichtlichen Formatierungs- und Übertragungsfehler des BMAS und weitere in Artikel 1 BTHG unendeckt gebliebene offensichtliche Fehler während des BTHG-Gesetzgebungsverfahrens wird nun der Gesetzgeber 2017 zu bereinigen haben (Handbuch zum BTHG, Düwell/Beyer, Das neue Recht für be­hin­der­te Be­schäf­ti­gte, 2017, Randnr. 13).
• Näheres vgl Fußnote*) mit Anm. d. Red:

"Vermutlich enthält Absatz 1 zwei Re­dak­ti­onsversehen. Ausweislich der Ge­set­zes­be­gründung soll § 173 dem alten § 90 SGB IX a.F. entsprechen. Im Vergleich zu § 90 SGB IX a.F. fehlt sowohl die Nummer 3 als auch die Einrückung des Abschlussatzes in die alte Nummer 3, hier Nummer 2."

Viele Grüße
Albin Göbel

Beteiligung SBV bei lfd. Gleichstellung?

Verfasst: Mittwoch 2. Januar 2019, 15:15
von albin.göbel
jada.wasi hat geschrieben:Muss auch dann, wenn Gleichstellung beantragt wurde, aber die Arbeitsagentur darüber noch nicht entschieden hat ... dennoch die SBV vom Arbeitgeber gehört werden, obwohl noch kein Gleichstellungsbescheid vorliegt?
Bei der generellen Rechtsfrage, ob SBV "vorsorglich" zu beteiligen ist, etwa auch bei der Umsetzung im ÖD oder z.B. bei Entlassung eines Beamten oder bei der Ru­he­stands­ver­set­zung im ÖD, ist arbeits- bzw. ver­wal­tungs­gerichtliche Rechtsprechung offenbar uneinheitlich:

Das ­ LAG Berlin-Bbg., 09.05.2018 – 23 TaBV 1699/17, verneinte eine SBV-Beteiligung bei einer "Umsetzung" in dem Jobcenter Berlin M.-H. entgegen ­­ Vorinstanz, dem ArbG Berlin Beschluss vom 17.10.2017, 16 BV 16895/15 ­­ (Rechts­be­schwer­de an­hän­gig unter 7 ABR 18/18 beim BAG) so­wie entgegen VGH Baden-Württemberg vom 22.02.1995, 4 S 2359/94 zur Umsetzung/Versetzung. Vergl. auch Joussen/Düwell LPK-SGB IX 2019 § 211 Randnummer 13, wonach die SBV-Be­tei­li­gung auch bereits dann in Betracht kom­me, wenn im Ver­wal­tungs­verfahren der "Be­amte auf das laufende Fest­stel­lungs­verfahren verweist".

Das LAG BB argumentiert mit dem streng formalisierten SBV-Wahlrecht, dass ohne den Gleichstellungsbescheid kein SBV-Wahlrecht besteht und folg­lich auch kein SBV-Beteiligungsrecht bestehen könne: Zwin­gend ist der Schluss vom Wahlrecht aufs SBV-Beteiligungsrecht wohl nicht, da bei lfd. Verfahren z.B. beim Ver­sor­gungs­amt nach drei Wochen rechtsvergleichend nach h.M. ggf. das besondere gesetzliche Kün­di­gungs­schutz­verfahren ­ ("zwingend" statt optional!) greift i.S. des § 173 Absatz 3 SGB IX - und sodann folglich gleichfalls zwingend ­ auch die SBV zu be­tei­li­gen ist vom InA gemäß ­ § 170 Absatz 2 SGB IX (vergl. BAG, 01.03.2007, 2 AZR 217/06). Unzutreffend ­ auch das von den Berliner Arbeitsrichtern zitierte ­ Aktenzeichen des BVerwG: richtig 2 B 79.10 sta­tt 2 B 79/10

Das BVerwG, 0­7.04.2011 - 2 B 79.10 - ­ Rn. 6/11, bejahte aber grundsätzlich die "vorsorgliche" SBV-Beteiligung z.B. bei Ruhestandsversetzung eines Beamten während des laufenden Gleich­stel­lungs­verfahrens in einer Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de, auszugsweise wie folgt:

Dies gilt nicht erst nach erfolgter Fest­stel­lung­ der Schwerbehinderteneigenschaft oder der Gleichstellung mit schwer­be­hin­der­ten Menschen, sondern bereits wäh­rend­­ eines laufenden Antragsverfahrens. Der Beamte muss den Dienstherrn von dem laufenden Antragsverfahren un­ter­rich­ten, wenn er den mit der Anhörung der SBV bezweckten Schutz in Anspruch neh­men­­ will. Für diese Fallgruppe besteht die Möglichkeit der vorsorglichen Anhörung der SBV auf Antrag des Betroffenen, der der Vor­be­halt im­ma­nent ist, dass das Verfahren vor der zu­stän­di­gen Stelle zu einer Fest­stel­lung der Schwer­be­hin­der­ten­ei­gen­schaft bzw. zu einer Gleichstellung führt. Vgl. für die Anhörung der Haupt­für­sor­ge­stelle, dem heutigen Integrationsamt: BVerwG, 15.12.1988, 5 C 67.85... (Rn. 6)
Wie bereits ausgeführt, hat der Dienstherr, so­bald­ ihn der Beamte über seine An­trag­stel­lung­­ unterrichtet, vorsorglich die SBV an­zu­hö­ren. ­ Ansonsten ­ besteht eine sol­che­­­­ Pflicht des Dienstherrn nicht (Rn 11)


Ebenso so schon OVG NRW 18.03.2010, 6 A 4435/06 (einstimmig) mit lesenswerter und ausführlicher Be­grün­dung, womit sich aber das LAG Berlin-Brandenburg gleich­falls­ nicht (näher) aus­einan­der­setz­te­, ob­gleich BVerwG mehrfach darauf verwies bzw. Beschwerde gegen Nichtzulassung der ­ Revision zurückwies; vgl. BVerwG, Be­schluss­­ vom 02.12.2010 - 2 B 41.10.

Ist der ­ Arbeitgeber aber der Ansicht, ein Beamter, der das Fest­stel­lungs­ver­fah­ren beantragte, sei gar nicht schwerbehindert, mag er ohne Beteiligung der SBV ent­schei­den, freilich auf sein Risiko hin, daß seine Entscheidung u.U. in einem Prozess für rechts­wid­rig erklärt wird, falls der Schwer­be­hin­der­ten­sta­tus zwi­schen­zeit­lich amtl. festgestellt und nachgewiesen wurde; so schon BVerwG 15.12.1988, 5 C 67.85 Rn 21, vor 30 Jahren zum früheren SchwbG 1979. Es dürfte dabei im Kern darum gehen, ­
­ ob nur von einer Option ("Möglichkeit") einer Anhörung auszugehen ist, wie der Fünfte Senat des ­ BVerwG 2008 meinte, oder
­ ob darüber hinausgehend ­ von einer Verpflichtung ("solche Pflicht"), wie der Zweite Senat des BVerwG 2011 meinte. Zum|Meinungsstreit in Rechtsprechung sowie Lehre grundlegend Düwell/Beyer, BTHG: "Das neue Recht für Behinderte Beschäftigte" - Rn. 145 bis 149, mit zahl­reichen­ Nachweisen. Und von teilweiser "Lü­cken­haf­tig­keit" des Schwer­be­hin­der­tenrechts sprach das BAG "wiederholt" ...

Landesrecht (Richtlinien)
In Ländern wie Brandenburg (4.2 SchwbRl 2005) und Niedersachsen (1.2 SchwbRl 2016) ist Beschluss von begrenzter Bedeutung: Denn dort ist für die staatlichen Dienststellen dieser Länder angeordnet, dass die An­trag­stel­ler bis zur Entscheidung über ihren Antrag unter Vor­be­halt als schwerbehinderte oder diesen gleich­ge­stell­te behinderte Beschäftigte „zu behandeln“ sind.

NB In der Rspr. wird pauschal davon ausgegangen, dass die bloße Anhörung des Arbeitgebers durch die Bun­des­agen­tur für Arbeit alleine nicht ausreichend sei zur Gel­tend­ma­chung des Gleichstellungsstatus. Insoweit wurde jedoch bei „Beweiswürdigung“ der Instanzengerichte nie die Tatsache gewürdigt, soweit ersichtlich, dass eine sol­che Anhörung nur mit Zustimmung der Antragsteller er­folgt und damit auf deren Veranlassung. Da aber diese „Beweiswürdigung“, die diesen Umstand ausblendete, niemals in Revisionen angegriffen wurde, hat das BAG bisher insoweit stets „durchgewunken“.

Viele Grüße
Albin Göbel

Re: Kündigung SB in der Probezeit - Beteiligung SchwBV.

Verfasst: Freitag 22. März 2024, 23:40
von Michael Karpf
Hallo zusammen,

den scheinbar bestehenden Dissens der Gerichtszweige (BAG, BVerwG) über die konstitutive Wirkung einer Geichstellung und Beteiligung der SBV relativiert das BAG im Urteil vom 23. November 2023 - 8 AZR 212/22 - mit folgender Begründung:

Rn. 41:
(4) Die Auffassung des Bundesarbeitsgerichts steht nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Soweit das Bundesverwaltungsgericht in den Entscheidungen vom 7. April 2011 (- 2 B 79.10 - Rn. 6) und 17. April 2020 (- 2 B 7.20 - Rn. 11) ausgeführt hat, der Dienstherr höre vorsorglich die Schwerbehindertenvertretung an, wenn ihn der Beamte über seinen Gleichstellungsantrag unterrichte, lagen dem andere Fallgestaltungen zugrunde. Die Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts betreffen die von der vorliegenden Bewerbungssituation zu unterscheidende Konstellation einer auf Dienstunfähigkeit gestützten Versetzung in den Ruhestand sowie einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. In beiden Entscheidungen des BVerwG handelt es sich im Übrigen um ein die jeweilige Entscheidung nicht tragendes obiter dictum (vgl. zu BVerwG 7. April 2011 - 2 B 79.10 -: BAG 22. Januar 2020 - 7 ABR 18/18 - Rn. 49, BAGE 169, 267).

https://www.bundesarbeitsgericht.de/ent ... azr-212-22

Viele Grüße
Dr. Michael Karpf