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Re: SBV - Datenschutz - Beschlussfassung PR - BW

Verfasst: Donnerstag 20. Januar 2022, 17:45
von Heidi Stuffer
Hallo zusammen,

auch das Fachschrifttum hält seit jeher nichts von dieser Einzelmeinung dieses Autors (RD Joachim Abel), der die entgegenstehende Literatur, die obergerichtliche Rspr. und h.M. einfach „ausblendet“. Das ist irreführend für den Leser, da so suggeriert wird, als gäbe es keine gegenteilige Rspr. aus den 70-er und 80-er und 90-er Jahren z.B. für Bayern, Niedersachsen und NRW und als gäbs keine gegenteilige Kommentare z.B. aus dem Kanzleramt (Dr. Arnim Ramm) und aus dem BMAS (Dr. Horst Cramer) wie folgt:

Anderer Ansicht bspw. Dr. Horst Cramer, Ministerialrat a.D. im BMAS, SchwbG, 5. Auflage 1998, § 25 Rn. 9, wie folgt: „Zur Sitzung, an der die SV teilnehmen kann, gehört auch der Teil, in dem abgestimmt wird. Die SV kann sich zwar mangels Stimmrecht nicht an der Abstimmung beteiligen. Sie kann aber während dieser Zeit nicht von der Teilnahme an der Sitzung ausgeschlossen werden (u.a. OVG Lüneburg v 29.1.1982 – BehindR 1982, 92; VG München v. 30.11.1976 – DRiZ 1977, 246; VG Oldenburg vom 24.2.1981 – PL 3/81 – Nds. Rpfl. 1981, 127; OVG Münster v. 15.5.1979 – VIII A 285/77 – BehindR 1981, 89)“. Zustimmend OVG Münster – Fachsenat für Landespersonalvertretungssachen – vom 02.10.1998, 1 A 905/97.PVL, mit mehrfacher Verweisung auf_Cramer. Zustimmend auch Ballerstedt / Schleicher / Faber, BayPVG, Art. 40 Rn. 26: „Zur Sitzung, an der die SchwbV teilnehmen kann, gehört auch der Teil, in dem abgestimmt wird.“ So auch Birkenfeld/ Schröder/ Theis, PersVG LSA, zu § 38 Rn. 1: „Sie sind an der Beratung beteiligt, auch durch Wortmeldungen und während der Beschlussfassung anwesend.“ Das o.g. OVG Lüneburg, 29.01.1982, P OVG L 3/81 (in Juris offenbar mit falschem Aktenzeichen zitiert „PL 3/81“), ist auszugsweise veröffentl. in: Die Personalvertretung, PersV 8/1985, Seite 343 - 346.

Ebenso Prof. Dr. Schnellenbach, Präsident a.D. des VG Gelsenkirchen, Konkurrenzen im öffentlichen Dienst (Recht in der Praxis), „Beteiligung der SBV“, Seite 290, Fußnote 71: „Die Schwerbehindertenvertretung kann auch während der Abstimmung anwesend sein“. So auch Dr. Arnim Ramm in Lorenzen u.a., BPersVG 2021, § 37 Rn. 17, wonach „die weitere Anwesenheit während der Abstimmung“ eben nicht ausgeschlossen ist für die SBV (Fischer/Goeres/ Gronimus, § 40 Rn. 10; Altvater/Kröll, § 40 Rn. 1c).

Ferner RA und Referent zum BetrVG Wolf-Dieter Rudolph (Berlin), AiB 6/2011 Seite 383, Fußnote 8, mit Verweis auf Neumann/ Pahlen, SGB IX, § 95 Rn. 14, zur Anwesenheit der SBV im Sitzungssaal während Abstimmungen. So auch Dr. Tobias Mushoff, Richter am LSG NRW, in Hauck/Noftz, SGB IX, 4. Erg.-Lfg. 2021, § 178 Rn. 98: „Sie ist berechtigt, der Sitzung auch während der Abstimmung des Gremiums beizuwohnen“.

Ebenso zuletzt Prof. Düwell, LPK-SGB IX, 6. Aufl. 2022, § 178 Rn. 113, zum bundesgesetzlichen Recht der SBV auf Anwesenheit während der Abstimmung m.w.N. Daran hat sich auch durch die DSGVO nichts geändert – so Franz Josef Düwell, Senatsvorsitzender am BAG a.D. Soweit die Gesetzesmaterialien zur Änderung des LPVG Ba-Wü aus Anlass der SARS-CoV-2-Pandemie (LT-Drs. BW 16/9088 vom 10.10.2020 auf Seite 26: „… noch hat sie ein Recht auf Anwesenheit während der Beschlussfassung“) offensichtlich ungeprüft bzw. unkritisch diese haltlose Ansicht von Abel übernehmen, ist das ohne Belang, da u.a. unvereinbar mit Bundesrecht laut § 178 Abs. 4 Satz 1 SGB IX und insoweit nichtig (Art. 31 GG).

albarracin_01 hat geschrieben: Mittwoch 24. Juni 2020, 22:09 Und die Arbeitsgerichtsbarkeit hat mit der Teilnahme der SBV an der Beschlußfassung überhaupt keine Schmerzen. Da die Teilnahme während der Beschlußfassung bei den Arbeitsgerichten völlig unstrittig ist, gibt es nur einige wenige Entscheidungen der untersten Instanzen.
@albarracin: Geht das evtl. etwas präziser? Mir ist keine derartige Rspr. der „untersten Instanzen“ bekannt. Ein einzelner Beschluss irgendeines ArbG mit Aktenzeichen wäre da schon hilfreich. Wo haben Sie das her? Danke!

Beste Grüße
Heidi Stuffer

Re: SBV - Datenschutz - Beschlussfassung PR - BW

Verfasst: Freitag 21. Januar 2022, 09:06
von albarracin
Hallo,

das Teilnahmerecht der SBV an der Beschlussfassung ist innerhalb der Betriebsverfassung derart unumstritten, daß es in der einschlägigen Fachkommentierung - wenn überhaupt - nur in Nebensätzen erwähnt wird.
So schweigt sich der ErfK dazu aus und der Fitting (§ 32 Rn 28) meint dazu lediglich lakonisch:
"Jedoch bestehen keine Bedenken dagegen, dass es bei der Abstimmung anwesend ist..." "es" bezieht sich dabei auf den vorherigen Satz, in dem vom "Mitgl. der SchwbVertr." die Rede ist.
Es gibt keine auffindbaren Entscheidungen auf Ebene der LAGs, einzelne nterinstanzliche Entscheidungen sind entweder nicht so ohne Weiteres auffindbar oder aber gar nicht elektronisch veröffentlicht.

Düwell bezieht sich aber im aktuellen LPK-SGB IX (6. Aufl. 2022) sehr ausführlich über 2,5 Seiten mit der Kommentierung von Abel (§ 178 Rn 113) und zerlegt sie nur anhand der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Nachsatz: Aus irgendeinem Grund komme ich (albarracin) jetzt auf einmal trotz Anmeldung mit einem völlig nichtssagenden User ???

Re: SBV - Datenschutz - Beschlussfassung PR - BW

Verfasst: Freitag 21. Januar 2022, 09:49
von Ulrich.Römer
@albarracin: Danke für den Hinweis. Sieht nach einem technischen Problem aus. Wir kümmern uns drum!

Re: SBV - Datenschutz - Beschlussfassung PR - BW

Verfasst: Freitag 21. Januar 2022, 18:50
von Michael Karpf
Hallo zusammen,

zugegebenermaßen ist es bisweilen nicht ganz so einfach, das Recht der Schwerbehindertenvertretungen auszulegen. Ein vergleichbares Ausmaß an wissenschaftlicher "Unredlichkeit" einer Kommentierung wie im Fall des Autors Abel, der sämtliche Fakten, die für ein Anwesenheitsrecht der SBV bei der Beschlussfassung des Personalrats sprechen, schlichtweg ignoriert, ist mir allerdings bislang noch nicht begegnet. Auf folgende Quellen wird ergänzend noch hingewiesen:

„Allerdings spricht nichts gegen die Anwesenheit der Schwerbehindertenvertretung während der Abstimmung.“
https://www.ifb.de/schwerbehindertenver ... srats.html

„Die Vertrauensperson braucht im Anschluss an die Beratung im Personalrat/Betriebsrat während der Abstimmung den Raum nicht zu verlassen.“ (Stand 9/2017)
https://www.dbb.de/fileadmin/user_uploa ... _pr_br.pdf

„Zur Gewährleistung des Rechts der Vertrauensperson auf Teilnahme an den Sitzungen kann eine einstweilige Verfügung ergehen, die auch das Ergebnis eines künftigen Hauptsacheverfahrens vorwegnehmen kann.“
https://www.haufe.de/personal/haufe-per ... 0171.html

Beste Grüße

Dr. Michael Karpf
Regierungsdirektor

SBV - Datenschutz - Beschlussfassung PR

Verfasst: Montag 24. Januar 2022, 12:34
von jada.wasi
Joachim Abel hat geschrieben: „Das fehlende Stimmrecht der SBV hat zur Folge, dass sie nur an der Beratung, nicht jedoch an der eigentlichen Beschlussfassung teilnehmen darf. Die Zulassung der Teilnahme der SBV an der Beschlussfassung des PR stellt eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht der Personalräte dar.“
Diesen frei erfundenen pauschalen Rechtssatz gibt‘s so nicht. Da hat dieser Autor Abel m.E. ziemlich geschlampt. Vgl. z.B. Lorenzen/ Ramm BPersVG, § 37 Rn. 17 m. w. N. zur fast inhaltsgleichen Regelung im BPersVG zum LPVG Baden-Württemberg, wonach gerade keine Bedenken:

• Niedersachsen
Vergl. z. B. sinngemäß § 9 Abs. 2 NPersVG, wonach eine solche „Schweigepflicht“ von Personalräten geradenicht gegenüber der zuständigen Schwerbehindertenvertretung besteht“. Die krasse Fehleinschätzung von Joachim Abel in Rooschüz/Bader LPVG BW, 16. Aufl. 2019, § 32 Rn. 32, ist daher auch deshalb klar abzulehnen. Von einem fehlenden Stimmrecht auf ein fehlendes „Anwesenheitsrecht“ bei der Abstimmung zu schließen – wie Abel meint, ist mitnichten zwingend lt. ständ. Rspr. der Verwaltungsgerichtsbarkeit gemäß obiger deklaratorischer Klarstellung im NPersVG. Dieser Rechtsgrundsatz gilt nicht nur für Niedersachsen, sondern (gleichermaßen) auch für Baden-Württemberg, entgegen oben zitierter LT-Drs. BW vom 10.10.2020.

Ferner § 30 Abs. 6 Satz 3 NPersVG, wonach eine SBV von dem Teil der PR-Sitzung nicht ausgeschlossen ist, in dem Beschlüsse des Personalrats gefasst werden, da § 178 Abs. 4 SGB IX „unberührt“ bleibt. So schon die Bundesleitung des dbb beamtenbund und tarifunion 2011 - auf der Seite 3: „Die Vertrauensperson braucht im Anschluss an die Beratung im Personalrat/Betriebsrat während der Abstimmung den Raum nicht zu verlassen.“ Bereits daraus wird klar, dass die SBV während der Beschlussfassung nicht des Raums verwiesen werden darf, und zwar für sämtliche 16 Bundesländer, nach BPersVG 2021, und selbstverständlich auch nach BetrVG.
Gegenteilige Rspr. gibt es nicht – soweit ersichtlich. Sonst wäre ein Eilantrag beim ArbG geboten, wie von Dr. Karpf erwähnt und verlinkt - da grobe Pflichtverletzung, und alle Rechtsfragen längst mehrfach obergerichtlich geklärt, wie von Heidi Stuffer oben zutreffend dargestellt. Hinzu kommt, dass auch laut allg. Sprachgebrauch unter einer Sitzung eine nicht in einen Beratungs- und einen Abstimmungsteil gegliederte Gesamtveranstaltung zu verstehen ist, so dass SBV die Anwesenheit bei der Abstimmung zu gestatten ist.

• Bayern
Auch das BayPVG enthält z.B. keine Bestimmung, wonach Beschlüsse des Personalrats grds in Abwesenheit der SBV (oder etwa einer JAV) erfolgen. Eine gesetzliche Vorschrift über die Nichtanwesenheit enthält lediglich Art. 37 Abs. 4 BayPVG nur für spezielle atyp. Ausnahmetatbestände.

Sofern sich der Personalrat trotz der Schweigepflicht der SBV jedoch allein schon durch deren Gegenwart in seiner Unabhängigkeit beeinträchtigt fühlen sollte, hätte er ohnehin noch die „Optionen“, sich – sei es von Fall zu Fall durch eine entsprechende besondere Beschlussfassung, sei es, worauf bereits das VG München in seinem Urteil vom 30.11.1976, M 87 V 75 = DRiZ 1977, 246, hingewiesen hat, generell durch eine entsprechende Regelung in der Geschäftsordnung, für eine geheime Abstimmung zu entscheiden (so schon OVG NRW, 15.05.1979, VIII A 285/77).

Konstituierende Sitzung
Gleiches gilt für konstituierende Sitzungen laut dbb: „Das Teilnahmerecht gilt wegen des weit gefassten Wortlautes auch für die konstituierende Sitzung.“ Ebenso auch die Fachanwältin für Verwaltungsrecht Frau Gabriele Heise: „Eingeschlossen ist auch das Recht, an der konstituierenden Sitzung von Betriebs- oder Personalrat teilzunehmen. Auch wenn auf dieser Sitzung nur der Vorsitzende gewählt wird, gibt es keine Gründe dafür, dass entgegen dem Wortlaut § 178 Abs. 4 Satz 1 SGB IX einschränkend auszulegen wäre. Zur Gewährleistung des Rechts der Vertrauensperson auf Teilnahme an den Sitzungen kann (auch) eine einstweilige Verfügung ergehen, die auch das Ergebnis eines künftigen Hauptsacheverfahrens vorwegnehmen kann.“

albarracin hat geschrieben: Freitag 21. Januar 2022, 09:06 Das Teilnahmerecht der SBV an der Beschluss­fassung ist innerhalb der Betriebsverfassung derart unumstritten, daß es in der einschlägigen Fachkommentierung - wenn überhaupt - nur in Nebensätzen erwähnt wird.
Darum gehts hier doch gerade nicht (BetrVG) – sondern vielmehr allein ums Landespersonalvertretungsrecht, wo nicht der Bund, sondern bekanntlich die 16 Bundesländer die_Gesetzesbefugnis haben. Die vormaligen Rahmen­vor­schrif­ten für Landesgesetzgebung sind durch Wegfall der Kompetenz des Bundes bereits im Zuge der Födera­lis­mus­reform I obsolet geworden und finden sich daher in der No­velle 2021 des BPersVG nicht mehr wieder (§§ 94 bis 106 BPersVG a.F.) Denn die früher dem Bund dafür zustehende Rahmengesetzgebungskompetenz ist mit dem Gesetz zur Änderung des GG vom 28.08.2006 („Föderalismusreform“; BGBl I, S. 2034) entfallen laut Online-Staatslexikon.

Landesdatenschutzbeauftragter BaWü

Verfasst: Samstag 22. April 2023, 14:11
von jada.wasi
Joachim Abel hat geschrieben: „Die Zulassung der Teilnahme der SBV an der Beschlussfassung des PR stellt eine Verletzung der Verschwiegenheit der Personalräte dar.“
Das sieht offenbar der Landesdatenschutzbeauftragte von Baden-Württemberg in der soeben erschienenen FAQ 10 völlig anders, auszugsweise wie folgt: „Keine Geheim­hal­tungs­pflicht besteht zudem … in der Zusammenarbeit mit dem Betriebs- bzw. Personalrat und Stufenvertretungen.“ Die Einzelmeinung von Abel und von Bader ist daher klar abzulehnen für BaWü. (Prof. Düwell, Senatsvorsitzender am_BAG aD, LPK-SGB IX, 6. Aufl­. 2022, § 178 Rn. 113)