Wer ist wahlberechtigt, wer nicht?

Meggie
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Re: Wer ist wahlberechtigt, wer nicht?

Beitrag von Meggie »

Guten Abend,

Fachschrifttum
So auch Düwell, Wahl der SBV, Handbuch, Kapitel 1.2.7:
"So werden von der SBV auch vertreten: die in den Betriebsablauf eingegliederten schwerbehinderten Rehabilitanden der WfbM, die auf ausgelagerten Arbeitsplätzen (sogenannte „Betriebsintegrierte Beschäftigung“) tätig sind“ mit Verweis auf LAG München, Adlhoch, Wendt, Kohte zum Wahlrecht. Ebenso LPK-SGB IX, 3. Aufl. 2022, § 177 Rn. 13, S. 1452.
Dem steht auch nicht Sachadae in jurisPR-ArbR 43/2014 Anm. 3 generell entgegen. Denn es kann nicht pauschal unterstellt werden, wonach diese alle generell per Dienst- und Werkverträge eingesetzt würden, was ohnehin dann kontraproduktiv wäre und nicht der Praxis entspricht. Das hat_Sachadae auch nie so pauschal gesagt – jedenfalls nicht_für einen „Wechsel auf einen betriebsintegrierten Einzelarbeitsplatz“. Die pauschale BIH-Gegenansicht ist demnach abzulehnen, weil ihr h.M. entgegensteht sowie die (allzu pauschale) Schlussfolgerung der BIH zudem weder schlüssig noch zwingend ist: Sachadae hat lediglich klargestellt, dass kein Wahlrecht besteht, soweit Einsatz per Dienstvertrag (§ 611 BGB) oder Werkvertrag (§ 631 BGB) erfolgen sollte – mitnichten aber sonst!

Doppelwahlrecht
Vergl. auch Erdmann/Jarosch, Behinderung und Recht, Fachzeitschrift für Inklusion, Teilhabe und Rehabilitation, br 6/2021 Seite 150-155, m.w.N. in der Endnote 9: „Die auf ausgelagerten Arbeitsplätzen beschäftigten sbM sind sowohl für die SBV des Beschäftigungsbetriebs als für die Wahl des Werkstattrats der Stamm-WfbM berechtigt.9)“
9) Düwell, in Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, 5. Aufl. 2019, § 177, Rn. 13; LAG München, Beschl. v. 28.5.2014 – 8 TaBV 34/12; dazu: Kohte, Neuer Beschluss zum Wahlrecht bei der SBV-Wahl – Wahlrecht von Werkstattbeschäftigten an ausgelagerten Arbeitsplätzen anerkannt; Forum B, Beitrag B17-2014 unter www.reha-recht.de mwN, zuletzt abgerufen am 14.6.2021“ Bundesweit solls „rund 20.000 ausgelagerte Arbeitsplätze“ geben nach Erdmann/Jarosch, br 6/2021.

Viele Grüße
Meggie
jada.wasi
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BAG, 23.10.2024 - 7 ABR 36/23

Beitrag von jada.wasi »

SBV-Wahlrecht in Behindertenwerkstätten

BAG hat geschrieben:Tenor: Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluss des Hessischen LAG vom 13.11.2023, 16 TaBV 72/23 wird zurück­ge­wie­sen
[BAG vom 23.10.2024 – 7 ABR 36/23]
Das aktive SBV-Wahlrecht aller schwerbehinderten Reha­bilitanden in WfbM wurde in allen drei Instanzen bejaht. Die gegenteilige Ansicht in BIH-Wahlbroschüre, Seite 39/44, ist damit hinfällig – jedenfalls soweit das staatliche Wahlrecht einschlägig laut § 177 Abs. 2 SGB IX für schwerbehinderte „Beschäftigte“; a.A. für den Bereich des MVG-EKD jedoch KGH.EKD vom 07.04.2008 - KGH.EKD I-0124/N81-07, da dort nur „Mitarbeitende“ wahlberechtigt; a.A. noch für das staatliche Wahlrecht vor 20 Jahren Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung vom 5.4.2004 zu SBV-Wahlen in WfbM. Ausführlich Prof. Düwell, jurisPR-ArbR 6/2024 Anm. 7, zum LAG Hessen, 13.11.2023 - 16 TaBV 72/23 (rkr). Vgl. auch Diskussion 2023. Gruß Jada Wasi

Soweit im BIH-Fachlexikon, Stichwort Mitarbeitervertretung, insoweit ganz pauschal von den „Beschäftigten“ die Rede ist („In jeder Dienststelle oder Einrichtung mit 5 oder mehr wahlberechtigten Beschäftigten, von denen mindestens 3 wählbar sind, ist eine Mitarbeitervertretung zu wählen“), ist das – viel zu weitgehend – jedenfalls für den Bereich des § 50 MVG-EKD, weil eigenständiges kirchliches aktives Wahlrecht („schwerbehinderte Mitarbeitende“). Sachadae, LPK-SGB IX, Seite 2382 Rn. 21 („ausschließl. Mitarbeiter wahlberechtigt“)

Demnach zählen und wählen die schwerbehinderten Rehabilitanden in WfbM lt § 177 Abs 1 und 2 SGB IX entgegen SBV-Wahl, Kurs 1 – in BIH-Akademie 2025 (BIH-Wahlbroschüre, Kapitel 4.3, Seite 60 oben (anders jedoch noch Seite 62, wonach sie nicht zählen würden)
jada.wasi
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BAG, 23.10.2024 – 7 ABR 36/23

Beitrag von jada.wasi »

Werkstattbeschäftigte - aktives SBV-Wahlrecht

Der Volltext der Begründung des Grundsatzbeschlusses des BAG vom 23.10.2024 – 7 ABR 36/23, wurde nunmehr online veröffentlicht im Internet zu dem aktiven SBV-Wahlrecht von schwerbehinderten Rehabilitanden in WfbM nach § 177 Abs. 2 SGB IX. Damit ist auch folgende Ansicht des vormaligen Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) von 2004 hinfällig und überholt:
Diese (nicht näher begründete) Aussage des BMGS 2004, wonach ausgeschlossen sei, daß Werkstattbeschäftigte an Wahl zur Schwerbehindertenvertretung beteiligt seien - ist abzulehnen laut Rspr. aller Instanzen, zuletzt BAG, Rn. 48. Demnach ist u.a. auch die BIH-Wahlbroschüre 2022, Seite 39/44 sowie Seite 66 (am Ende) zu WfbM insoweit obsolet. Gruß Jada Wasi

Leitsatz
Schwerbehinderte Werkstattbeschäftigte sind bei der Wahl der Schwerbehindertenvertretung wahlberechtigt.
jada.wasi
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Anfechtungsausschlussgründe?

Beitrag von jada.wasi »

BAG hat geschrieben:(3) Die Antragsteller sind nicht entsprechend § 19 Abs. 3 Satz 1 BetrVG mit ihrem einzig gerügten Verstoß der Unrichtigkeit der Wählerliste ausgeschlossen. Sie haben zuvor jeweils einzeln schriftlich Einspruch gegen die Wählerliste eingelegt, welche sämtlich unter dem 12. Oktober 2022 zurückgewiesen wurden.
[BAG, 23.10.2024 – 7 ABR 36/23, Rn. 21]
Das BAG meint lapidar (wie schon Vorinstanz), dass die schwer­be­hin­der­ten Kläger – deshalb – nicht von ihrem Anfechtungsrecht ausgeschlossen seien, da diese zuvor jeweils einzeln „schriftlich Einspruch“ gegen die Richtigkeit der Wählerliste eingelegt haben. Zwar verweist der § 177 Abs. 6 Satz 2 SGB IX ausdrücklich auf die „Vorschriften über_die Wahl­an­fech­tung“ der BR-Wahl „sinngemäß“.

Ob dieser pauschale BAG-Rechts­satz aber auch 1:1 für SBV-Wahlen in Betrieben „entsprechend“ gilt, so wie BAG (ohne nähere Begründung) meint, erscheint mir zweifelhaft. Denn laut § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SchwbVWO ist im Wahl­aus­schrei­ben für die SBV-Wahlen eben kein gesonderter Hinweis zum Verlust des Anfechtungsrechts auf­zu­neh­men – im Gegensatz zu dem § 3 Abs. 2 Nr. 3 WahlO-BetrVG n.F. („verbunden mit einem Hinweis auf die An­fech­tungs­­aus­schluss­grün­de nach § 19 Absatz 3 Satz 1 und 2 BetrVG“) Demnach ist auch zu Recht kein derartiger „Hin­weis“ im BIH-Muster enthalten. Siehe dazu u.a. schon Diskussion 2024 und z.B. auch hier.

Hätten der Gesetz- und Verordnungsgeber was anderes gewollt, hätten sie § 177 Abs. 6 SGB IX bzw. § 5 Abs. 1 SchwbVWO 2021 entsprechend § 19 Abs. 3 BetrVG n.F. sowie § 3 Abs. 2 Nr. 3 WahlO-BetrVG nF. ändern müssen. Beides haben sie nicht getan, weder für Betriebe noch für Behörden und Gerichte. Bin gespannt, ob es noch andere Meinungen zu dieser Rechtsfrage gibt. Was meinen SBV-Wahlexperten zu der BAG-Auslegung? Gruß Jada Wasi
Heidi Stuffer
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Kein passives Wahlrecht

Beitrag von Heidi Stuffer »

Guten Abend zusammen,

soweit im IFB-Forum pauschal auch von einem passiven SBV-Wahlrecht ausgegangen wird, halte ich das insoweit offensichtlich für verfehlt, da kein Fall des § 177 Absatz 3 Satz 2 SGB IX, weil nicht wählbar für Betriebsrat, da nicht „Arbeitnehmer des Betriebs“ i.S. des § 7 BetrVG.

Beste Grüße
Heidi Stuffer
jada.wasi
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WfbM: Kein passives Wahlrecht

Beitrag von jada.wasi »

BAG hat geschrieben:Bei den streitbefangenen Wahlen ist gegen eine wesentliche Vorschrift über die Wählbarkeit ver­stoßen worden …
Das ist sprachliche Fehlleistung des BAG –
da es überhaupt nicht um Wählbarkeit ging


Das sehe ich genauso wie Heidi Stuffer. Dieses BAG vom 23.10.2024 – 7 ABR 36/23, hat zwar explizit „Wählbarkeit“ geschrieben in Rn. 23. Das ist aber offenbar falsch, da das aktive Wahlrecht gemeint ist gemäß dem dort ja gleichfalls erwähnten § 177 Absatz 2 SGB IX - daher widersprüchlich zur vorgeblichen SBV-Wählbarkeit. Entgegen dem Siebten Senat des BAG wurde eben nicht gegen die „Wählbarkeit“ verstoßen, sondern allein gegen „Wahlberechtigung“, also verwirrende Verwechselung des aktiven und des passiven Wahlrechts in BAG-Begründung, Rn. 23. Der § 177 Abs. 3 SGB IX zur „Wählbarkeit“ kommt dort zu Recht überhaupt nicht vor.

Da haben alle 5 Bundesrichter leider irreführend gepatzt - und im Web wird das teils völlig „unkritisch“ so zitiert von Advokaten, obwohl offensichtlicher „grober Unfug“. Gruß Jada Wasi
jada.wasi
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MVG-EKD: Wer ist in WfbM wahlberechtigt?

Beitrag von jada.wasi »

Kirchengerichtshof
KGH.EKD, 07.04.2008 – I-0124/N81-07
KGH.EKD, 08.03.2019 – II-0124/58-2018

Kirchengerichtshof hat geschrieben:Im Bereich des MVG-EKD sind die in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) beschäftigten Schwerbehinderten zur Wahl der Schwerbehinderten-VP nicht wahlberechtigt.
[KGH.EKD, 07.04.2008, I-0124/N81-07]
Danach zählen die schwerbehinderten Rehabilitanden in WfbM nicht zu den wahlberechtigten Mitarbeitenden i.S.d. § 2 MVG-EKD und § 50 Abs. 3 MVG-EKD (Dr. Sachadae, LPK-SGB IX, S. 2382, Rn. 21 („ausschließlich Mitarbeiter wahlberechtigt“, also nicht Beschäftigte) Der gegenteilige „Fehlbeschluss“ eines Kirchengerichts im Hamburg 2007 wurde vom o.g. Kirchengerichtshof 2008 aufgehoben.
Vergl. auch Kommentar, Stand 2018, der Rechtsanwältin Henrike Busse aus Bremen sowie Redaktionsleitung von „Arbeitsrecht und Kirche“ (4/2018, Seite 126 - 128) Vergl. auch ArbG Kiel, 29.06.2017, 5 BV 57 e/16, Rn. 15, zum verfassungsrechtlich verbürgten kirchl. Selbstordnungs-, Selbstbestimmungs- und Selbstverwaltungsrecht; dazu Mestwerdt, jurisPR-ArbR 39/2018 Anm. 6. Ebenso auch KGH.EKD, 05.08.2004 – KGH.EKD I-0124/H43-03 – mit weiteren drei Nachweisen. Demnach gilt auch staatliche SchwbVWO nicht – sondern vielmehr § 15 WahlO-MVG, wonach zwingend Briefwahlverfahren mit Wahlvorstand gemäß Kirchengerichtshof v. 08.03.2019 – KGH.EKD II-0124/58-2018, in ständiger Rechtsprechung, welche die Wahlen im vereinfachten Wahlverfahren nicht zulässt:
Kirchengerichtshof hat geschrieben:Die Bestimmungen des SGB IX über die SBV sind auf Kirchen und deren Einrichtungen unanwendbar (vgl. Richardi, Arbeitsrecht in der Kirche, 4. Aufl. 2003 § 18 Rz. 99; Fey/Rehren, MVG.EKD § 50 Rz. 1a; Baumann-Czichon, MVG.EKD § 50 Rz. 1a. Zwar nimmt das SGB IX Kirchen und Religionsgesellschaften nicht aus­drücklich aus seinem Geltungsbereich aus.

Einer ausdrücklichen Ausnahme bedarf es indessen nicht. Kirchen und Religions­ge­sell­schaf­ten ordnen ihre Angelegenheiten im Rahmen der für alle geltenden Gesetze selbst (Art. 140 GG, Art. 137 Abs. 3 WRV). Zum Inhalt des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts gehört auch die Regelung über die SBV, hier über die Vertrauensperson der schwerbehinderten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
[KGH.EKD, 05.08.2004, I-0124/H43-03]
Die „Fakten“ von Pfried im ifb-Forum zu dem angeblichen pauschalen Vorrang des SGB IX sind insoweit irreführend bzw. irrelevant und gehen völlig am Thema vorbei, da § 50 MVG-EKD an keiner Stelle auf Wahlrecht in § 177 SGB IX verweist. Seine Formulierung ist im Stil ggü. dem Neuling Felix völlig deplatziert und auch inhaltlich unprofessionell sowie weit daneben..…. Seinen „Umgangston“ halte ich in einem Fachforum für eher abschreckend. Das schätze ich sachlich völlig anders ein, weil wenig mehr als heiße Luft. Gruß Jada Wasi
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