Informationspflicht nach §178 Abs. 2 durch Teilnahme an der BR-Sitzung

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Bodie
Beiträge: 16
Registriert: Montag 9. Januar 2023, 16:14

Informationspflicht nach §178 Abs. 2 durch Teilnahme an der BR-Sitzung

Beitrag von Bodie »

Hallo allerseits!

Nachdem ich die Suche bemüht, aber nichts direkt passendes gefunden habe, stelle ich folgende Frage:

In einer Stellungnahme zu einem von SBV (mir) vorgebrachten Fall der nicht erfolgten Information/Anhörung der SBV vertritt der Arbeitgeber die Ansicht, dass er durch die Vorstellung bestimmter Aspekte des strittigen Themas in einer Sitzung des Betriebsrat, bei der die SBV anwesend war, seine Informations- und Anhörungspflicht erfüllt hat.

Das sehe ich schon grundsätzlich nicht so, und im konkreten erst recht nicht, weil in der Sitzung nur Ausschnitte des Gesamtthemas besprochen wurden. Die unmittelbare Betroffenheit schwerb. Mitarbeitender wurde insgesamt zu keinem Zeitpunkt thematisiert.

Wie sehen das die Experten?

Dank vorab!

Grüße, Bodie
matthias.günther
Beiträge: 300
Registriert: Mittwoch 2. Mai 2012, 14:41

Re: Informationspflicht nach §178 Abs. 2 durch Teilnahme an der BR-Sitzung

Beitrag von matthias.günther »

Hallo,

der AG muss seiner Pflicht nach § 178 Abs. 2 SGB IX so nachkommen, dass sich die SBV ohne weitere Nachforschungen eine Meinung zu der beabsichtigten Entscheidung bilden kann ("umfassend zu unterrichten") und im Wege einer Stellungnahme noch Einfluss auf die Meinungsbildung des Arbeitgebers nehmen kann. In welcher Form der AG dieser Pflicht nachkommt, ist nicht festgelegt. Er sollte dies jedoch nachweissicher tun. Die SBV ist als eigenständiges Organ der Betriebsverfassung auch eigenständig zu unterrichten und bei behinderungsspezifischen Belangen anzuhören (BAG vom 24.09.2021, 7 ABR 9/20).
So wie Sie den Sachverhalt darstellen, kann wohl von einer umfassenden Information nicht ausgegangen werden. Dazu hätte es in der BR-Sitzung vollständiger Informationen bedurft. Diese sollte der AG schriftlich nachliefern, bevor er die Entscheidung trifft.
Der SBV bleibt die Aussetzung der Maßnahme nach § 178 Abs. 2 S. 2 SGB IX unbenommen, sofern sie die Informationen nicht bekommt.
Unberührt davon bleibt die Möglichkeit des BR, wegen Gesetzesverstoß die Zustimmung zu verweigern.

VG aus dem Integrationsamt
Meggie
Beiträge: 10
Registriert: Samstag 5. Oktober 2024, 18:38

Re: Informationspflicht nach § 178 Abs. 2 SGB IX durch Teilnahme an der BR-Sitzung

Beitrag von Meggie »

Hallo zusammen,

Matthias Günther ist in allen Punkten zuzustimmen. Dass die Praxis dieses Arbeitgebers rechtswidrig ist folgt auch daraus, wonach die Information der SBV über den BR schon deshalb gesetzwidrig bzw ordnungswidrig ist, da dieser Umweg über Betriebsrat keine „unverzügliche“ Unterrichtung ist, sondern erst verzögert in BR-Sitzung (§ 238 Abs. 1 Nr. 8 SGB IX)

matthias.günther hat geschrieben: Donnerstag 23. Januar 2025, 08:03 Unberührt davon bleibt die Möglichkeit des BR, wegen Gesetzesverstoß die Zustimmung zu verweigern.
Darüber, ob Zustimmungsverweigerung wegen Verletzung von Rechten der SBV, ist die Rechtsbeschwerde anhängig beim BAG – 1 ABR 29/24 – u.a. wegen Divergenz zu LAG Rheinland-Pfalz vom 05.10.2011, 8 TaBV 9/11, Rn. 23, 25, mit Fachbeitrag B8-2012 von Porsche auf reha-recht. Vgl. dazu entsprechend auch hier und hier zu BAG Urteil vom 15.02.2005, 9 AZR 635/03, Rn. 45: „Personalrat ist nicht zuständig für den Empfang von Mitteilungen, die an die Schwerbehindertenvertretung zu richten sind“. Vgl dazu schon Diskussion 2013. Manche Personaler sind halt arg „begriffsstutzig“, da schon längst vor 20 Jahren vom BAG 2005 ausgeurteilt.

Zu der gegen LAG Düsseldorf, 14.05.2024 - 3 TaBV 37/23 beim BAG – 1 ABR 29/24 anhängigen Rechtsbeschwerde vgl. auch Prof. Dr. Kohte, jurisPR-ArbR 7/2025 Anm. 3.

Viele Grüße
Meggie
Bodie
Beiträge: 16
Registriert: Montag 9. Januar 2023, 16:14

Re: Informationspflicht nach §178 Abs. 2 durch Teilnahme an der BR-Sitzung

Beitrag von Bodie »

Hallo Experten,

vielen Dank für die Antworten! Sehr aufschlussreich.

Das Verständnisproblem mit meinem Arbeitgeber wurde einvernehmlich, und ohne Eskalation gelöst. :)
annette.rosenberg
Beiträge: 156
Registriert: Montag 6. Februar 2012, 14:36

NEU: BAG, 11.06.2025 – 1 ABR 29/24

Beitrag von annette.rosenberg »

Das BAG (Beschluss v. 11.06.2025, 1 ABR 29/24) hat o.g. Rechtsbeschwerde des Betriebsrats – aus rein formalen – Gründen als unzulässig verworfen, weil aus Sicht des BAG die Rechtsbeschwerde den Prozessstoff nicht durchdrungen habe bzw. sich nicht nicht intensiv genug mit den tragenden Gründen des LAG Düsseldorf, 14.05.2024 - 3 TaBV 37/23, auseinandergesetzt habe. Divergenz: LAG Rheinland-Pf. vom 05.10.2011 - 8 TaBV 9/11, mit fundiertem Fachbeitrag B8-2012 auf reha-recht.de (Behindertenrecht 6/2012). Zur ordnungsgemäßen Beteiligung einer SBV vgl auch diesen Fachbeitrag sinngemäß auf komsem.de Durch den Ausweg zur Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde konnte der Senat es vermeiden, zum Inhalt Stellung zu nehmen.

Zur Sache selbst hat sich dieses BAG leider komplett ausgeschwiegen, also völlig unergiebig für die Praxis und alles offen. (Prof. Dr. Kohte, jurisPR-ArbR 7/2025 Anm. 3, und Dr. von Roetteken, jurisPR-ArbR 27/2025 Anm. 3)

In der Sache selbst erscheint LAG Düsseldorf 2024 wenig überzeugend laut Porsche 2012 zu LAG Mainz und Kohte 2025 sowie von Roetteken 2025 zum Fehlbeschluss LAG Düsseldorf.

Viele Grüße
Annette
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