Bestellung Wahlvorstand durch Arbeitsgericht?

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Heidi Stuffer
Beiträge: 132
Registriert: Dienstag 5. September 2017, 12:26

Bestellung Wahlvorstand durch Arbeitsgericht?

Beitrag von Heidi Stuffer »

Liebe BIH-Autoren,

in der BIH-Wahlbroschüre, Kapitel 6.4, steht geschrieben, dass die Bestellung eines SBV-Wahlvorstands auch „beim Arbeitsgericht“ beantragt werden könne. Ist das so? Bitte diesen Punkt mal kritisch prüfen, weil es wohl überholte Ansicht ist! Aber offenbar auch widersprüchlich zur BIH-Wahlbroschüre laut Kapitel 1.1.1: Denn danach scheidet immer „aufgrund des abschließenden Charakters des § 1 SchwbVWO“ die Bestellung des SBV-Wahlvorstands durch Arbeitsgerichte generell aus. Widersprüchlich aber auch zu dieser BIH-Meldung vom 08.02.2021 (am Ende) Ferner Wiegand/Hohmann 2014, SchwbVWO, § 1 Rn. 27, dass weder Bestellung durch Arbeitsgericht in Betrieben noch durch den Dienststellenleiter in Behörden in Frage kommt, da in § 177 Abs. 6 Satz 2 SGB IX die Vorschriften über das Wahlverfahren bei der Wahl des Betriebs- oder Personalrats – gerade nicht – für anwendbar erklärt sind mangels sinngemäßer Gesetzesverweisung im SGB IX.

Eine Regelung, wonach ein Wahlvorstand auch durch ein Arbeitsgericht bestellt werden kann, existiert zwar in § 17 Abs. 4 BetrVG, nicht jedoch im Schwerbehindertenrecht. Eine „analoge“ Anwendung ist ausgeschlossen; vgl. nur sinngemäß Franz Josef Düwell, Einleitung der Wahl bei Nichtvorhandensein einer SBV, Abschn. 7, zu analoger Rechtsfortbildung, Behinderung und Recht (br 1/2021).

Beste Grüße
Heidi Stuffer
annette.rosenberg
Beiträge: 104
Registriert: Montag 6. Februar 2012, 14:36

Bestellung Wahlvorstand durch Arbeitsgericht?

Beitrag von annette.rosenberg »

Das sehe ich genauso wie Heidi: Hier besteht klarer Korrekturbedarf dieser BIH-Wahlbroschüre 2022, da wahlrechtlich in keiner Konstellation begründbar; so auch Cramer, SchwbG, § 1 SchwbWO, Rn. 1/2; a.A. Sachadae, LPK-SGB IX, § 1 SchwbVWO Rn. 63/ 64, dessen_Gegenansicht aber klar abzulehnen ist, weil Voraussetzungen zur analogen Anwendung fehlen lt. Ministerialrat Dr. Cra­mer 1998 und Ministerialrat a.D. Hohman­n von 2014, sowie Prof. Düwell 2021, dass „7. Kein Auftrag zur analogen Rechtsfortbildung“.

Siehe dazu auch kritisch diese Diskussion 2023 zum vorgeblichen „Mainstream“ zur Bestellung eines SBV-Wahlvorstands in Betrieben durch „Arbeitsgerichte“. Hier_müsste daher Gesetz- bzw. Verordnungsgeber schon_selbst ran - falls er das denn so wollte - weil unbewusste Regelungslücke nicht mal ansatzweise erkennbar. Diese vergleichsweise eher sehr dürftig ausgestaltete SchwbVWO kann nicht mit Teilen des Wahlrechts zur BR-Wahl „garniert“ werden, nur weil Autor:innen das teils weiter für sinnvoll erachten.

Viele Grüße
Annette
annette.rosenberg
Beiträge: 104
Registriert: Montag 6. Februar 2012, 14:36

Keine analoge Anwendung des BetrVG

Beitrag von annette.rosenberg »

WAHLVERFAHREN
Gesetzesverweis bereits 1986 abgeschafft

Lt. Cramer, SchwbG, 5. Auflage 1998, § 24 Rn. 13, mit Verweis_auf Ge­set­zes­ma­te­rialien ist seit SchwbG-ÄndG 1986 die „sinngemäße Anwendung der Vorschriften über Wahl­ver­fah­ren“ für BR/PR-Wahl „nicht mehr vorgesehen“

Vgl. ausführlich Diskussion 2019 zur aufgehobenen Voll­verweisung im damaligen § 21 Abs. 5 SchwbG 1974 (zu Wahlverfahren in dem Betriebsverfassungs- sowie dem Personal­ver­tre­tungs­recht). Dafür, dass diese Aufhebung insoweit „unbeabsichtigt“ gewesen sei – gibt es keinerlei hinreichende Anhaltspunkte seit 1986 seit Jahrzehnten, demnach auch keine analoge Anwendung des BetrVG bzw._Personalvertretungsrechts insoweit. 1986 wurde Wahlverfahren (Abs.5) durch Wahlanfechtung (Abs. 6) durchgängig schon vor zig Jahren ersetzt bis heute.

Viele Grüße
Annette
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