Hallo zusammen,
jeder kennt mehr oder weniger das BEM-Verfahren nach § 167 Abs. 2 SGB IX. Aber vielen Arbeitgebern und auch teilweise den SBVs, Betriebs/Personalräte ist die "kleine" Schwester des BEM-Verfahrens nähmlich das Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX unbekannt.
Hier heißt es:
"(1) Der Arbeitgeber schaltet bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis, die zur Gefährdung dieses Verhältnisses führen können, möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung und die in § 176 genannten Vertretungen sowie das Integrationsamt ein, um mit ihnen alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanzielle Leistungen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden können und das Arbeits- oder sonstige Beschäftigungsverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann."
Was habt ihr für Erfahrungen gesammelt? Wie geht ihr damit um? Und was passiert, wenn das Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX vom Arbeitgeber missachtet wird? Und woran erkennt der Arbeitgeber, die SBV oder Betriebs/Personalrat ab wann Schwierigkeiten eingetreten sind? Gibt es Richtlinien, Erfahrungen, Gerichtsurteile? Manchmal können es auch nur "kleine" Schwierigkeiten sein.
Danke schonmal in Voraus! Gruß Ich.
Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX
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Re: Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX
Ich merke, dass das Thema anscheinend schwierig scheint. Vielleicht sollte es in die Kategorie "Betriebliches Eingliederungsmanagement" verschoben werden?
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Re: Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX
Hallo,
was "Schwierigkeiten" im Sinne des § 167 Abs. 1 sein können, wird in der Fachliteratur relativ breit abgehandelt. Vielleicht solltest Du erst mal einen Blick reinwerfen und dann evtl. konkreter nachfragen, falls dann noch was unklar ist.
Und wenn ein AG das Präventionsverfahren partout nicht durchführen will, hat er bei allen evtl. weiteren Schritten massive Darlegungsschwierigkeiten - erst recht dann, wenn die SBV ihren Aufgaben nachkommt und Maßnahmen sowie Beschäftigungsalternativen darlegen kann.
Gibt es konkrete Beschäftigungsalternativen, kann ein*e betroffene Beschäftigte auch die Zuweisung eines geeigneten Arbeitsplatzes unter Heranziehung des § 164 gerichtlich erzwingen.
was "Schwierigkeiten" im Sinne des § 167 Abs. 1 sein können, wird in der Fachliteratur relativ breit abgehandelt. Vielleicht solltest Du erst mal einen Blick reinwerfen und dann evtl. konkreter nachfragen, falls dann noch was unklar ist.
Und wenn ein AG das Präventionsverfahren partout nicht durchführen will, hat er bei allen evtl. weiteren Schritten massive Darlegungsschwierigkeiten - erst recht dann, wenn die SBV ihren Aufgaben nachkommt und Maßnahmen sowie Beschäftigungsalternativen darlegen kann.
Gibt es konkrete Beschäftigungsalternativen, kann ein*e betroffene Beschäftigte auch die Zuweisung eines geeigneten Arbeitsplatzes unter Heranziehung des § 164 gerichtlich erzwingen.
&tschüß
Wolfgang
Wolfgang
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Re: Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX
Danke für die Beantwortung. In der Fachliteratur habe ich die Vorgehensweise nachgelesen. Es ist bedauerlich, dass das Präventionsverfahren vielen unbekannt ist, obwohl es nur ein Absatz über den Absatz zum BEM-Verfahren steht im SGB IX.
Re: Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX
Auch wenn dieser Beitrag schon älter ist, würde ich hier gerne noch mal anschließen, weil ich jetzt erst bei uns darüber gestolpert bin, dass es bei uns im Betrieb (ÖD) Präventionsverfahren praktisch nicht gibt. Wir haben nicht viele Schwerbehinderte und die meisten davon haben wenig Probleme bei der Arbeit aufgrund ihrer Behinderung.
Wenn es mal ernsthaft Probleme mit Schwerbehinderten gibt, dann sind das meist eher psychische Probleme oder Probleme in der Zusammenarbeit mit den Vorgesetzten o.ä. In diesen Fällen ist es in der Vergangenheit meist so gelaufen, dass die direkten Vorgesetzten den Personalrat um Hilfe bitten und Gespräche eher auf die Schnelle zwischen wenigen Beteiligten laufen. Weder fühlt sich die Personalabteilung als "Dienststelle" berufen, die SBV einzubeziehen, noch die Vorgesetzten. Zum Glück ist der PR auf Zack und weist auf die Beteiligung der SBV hin.
Diese Gespräche laufen bisher immer eher als Krisengespräche. Von Prävention hat bei uns im Betrieb noch nie jemand etwas gehört. Ich bin aufgrund dieser bisherigen Vorgehensweise und weil mir da auch die Erfahrung fehlt, unsicher, wie ich als SBV zukünftig ein korrektes Präventionsverfahren einfordern soll.
Aktuell läuft noch ein "Problemfall" mit einer Kollegin, die meines Wissens nach immer noch krank geschrieben ist (erfahre ich leider nur auf Nachfrage bei einer Kollegin von ihr, die im PR sitzt). Dieser aus einem Krisengespräch entstandene Fall läuft mittlerweile als BEM-Verfahren. Auch hier war ich leider nicht involviert - vermutlich weil der sb Kollegin niemand erklärt hat, dass sie auf dem Formular mehr als 1 Person und 1 Gremium als Begleitung ankreuzen darf. Ich bin da vorsichtig, weil das Verfahren nun leider läuft und ich - rein offiziell - außen vor bin. Außerdem hat meine Stellvertreterin die Gespräche von Anfang an begleitet und ich würde das gerne so beibehalten.
Aber für zukünftige "Problemfälle" würde ich die Dienststelle gerne erziehen und schneller auf korrekte Durchführung eines Präventionsverfahrens hinweisen.
Wenn es mal ernsthaft Probleme mit Schwerbehinderten gibt, dann sind das meist eher psychische Probleme oder Probleme in der Zusammenarbeit mit den Vorgesetzten o.ä. In diesen Fällen ist es in der Vergangenheit meist so gelaufen, dass die direkten Vorgesetzten den Personalrat um Hilfe bitten und Gespräche eher auf die Schnelle zwischen wenigen Beteiligten laufen. Weder fühlt sich die Personalabteilung als "Dienststelle" berufen, die SBV einzubeziehen, noch die Vorgesetzten. Zum Glück ist der PR auf Zack und weist auf die Beteiligung der SBV hin.
Diese Gespräche laufen bisher immer eher als Krisengespräche. Von Prävention hat bei uns im Betrieb noch nie jemand etwas gehört. Ich bin aufgrund dieser bisherigen Vorgehensweise und weil mir da auch die Erfahrung fehlt, unsicher, wie ich als SBV zukünftig ein korrektes Präventionsverfahren einfordern soll.
Aktuell läuft noch ein "Problemfall" mit einer Kollegin, die meines Wissens nach immer noch krank geschrieben ist (erfahre ich leider nur auf Nachfrage bei einer Kollegin von ihr, die im PR sitzt). Dieser aus einem Krisengespräch entstandene Fall läuft mittlerweile als BEM-Verfahren. Auch hier war ich leider nicht involviert - vermutlich weil der sb Kollegin niemand erklärt hat, dass sie auf dem Formular mehr als 1 Person und 1 Gremium als Begleitung ankreuzen darf. Ich bin da vorsichtig, weil das Verfahren nun leider läuft und ich - rein offiziell - außen vor bin. Außerdem hat meine Stellvertreterin die Gespräche von Anfang an begleitet und ich würde das gerne so beibehalten.
Aber für zukünftige "Problemfälle" würde ich die Dienststelle gerne erziehen und schneller auf korrekte Durchführung eines Präventionsverfahrens hinweisen.
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Re: Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX
Hallo Trine,
der Europäische Gerichtshof hat sogar indirekt das Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX mit den Urteil v. 10.2.2022 (Az. C-485/20 HR Rail) gestärkt. Der EUGH hat festgestellt, dass die Kündigung von Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung auch in der Probezeit nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist. Kurzgesagt der Arbeitgeber muss auch während der Probezeit überprüfen, ob eine Beschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz möglich wäre. Und das funktioniert am besten, wenn er § 167 Abs. 1 SGB IX beachtet. Und das ArbG Köln, Urteil vom 20.12.2023 - 18 Ca 3954/23 hat in einen konkreten Fall bestätigt, dass ein Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX in der Probezeit hätte stattfinden müssen.
Das Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX wird neben den BEM-Verfahren immer mehr an Bedeutung gewinnen. Und der Arbeitgeber/Dienstherr ist gut beraten, das Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX ernst zu nehmen.
Und ganz wichtig: Das Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX ist nicht das Gleiche wie das Verfahren des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) nach § 167 Abs. 2 SGB IX. Es handelt sich um 2 unterschiedliche Verfahren.
Gruß Ich.
der Europäische Gerichtshof hat sogar indirekt das Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX mit den Urteil v. 10.2.2022 (Az. C-485/20 HR Rail) gestärkt. Der EUGH hat festgestellt, dass die Kündigung von Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung auch in der Probezeit nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist. Kurzgesagt der Arbeitgeber muss auch während der Probezeit überprüfen, ob eine Beschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz möglich wäre. Und das funktioniert am besten, wenn er § 167 Abs. 1 SGB IX beachtet. Und das ArbG Köln, Urteil vom 20.12.2023 - 18 Ca 3954/23 hat in einen konkreten Fall bestätigt, dass ein Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX in der Probezeit hätte stattfinden müssen.
Das Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX wird neben den BEM-Verfahren immer mehr an Bedeutung gewinnen. Und der Arbeitgeber/Dienstherr ist gut beraten, das Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX ernst zu nehmen.
Und ganz wichtig: Das Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX ist nicht das Gleiche wie das Verfahren des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) nach § 167 Abs. 2 SGB IX. Es handelt sich um 2 unterschiedliche Verfahren.
Gruß Ich.
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Re: Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX
Hallo Trine,
zu deinen Problem:
"Aber für zukünftige "Problemfälle" würde ich die Dienststelle gerne erziehen und schneller auf korrekte Durchführung eines Präventionsverfahrens hinweisen"
habe ich einen Vorschlag: Mache eine "Inklusionsvereinbarung"!
Als SBV hast du ein Initiativrecht nach § 166 SGB IX (Die Arbeitgeber treffen mit der Schwerbehindertenvertretung und den in § 176 genannten Vertretungen in Zusammenarbeit mit dem Inklusionsbeauftragten des Arbeitgebers (§ 181) eine verbindliche Inklusionsvereinbarung. Auf Antrag der Schwerbehindertenvertretung wird unter Beteiligung der in § 176 genannten Vertretungen hierüber verhandelt.)
In einer Inklusionsvereinbarung könnt ihr die Vorgehensweise, die Aufteilung von Aufgaben sowie die Zuständigkeiten über das Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX sowie das Verfahren des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) nach § 167 Abs. 2 SGB IX regeln. Ich empfehle auch ein Inklusionsteam einzurichten bestehend aus je ein Vertreter folgender Bereiche: Schwerbehindertenvertretung, Betriebsrat/Personalrat, Arbeitgeber/Dienstherr und Inklusionsbeauftragte/r des Arbeitgebers.
Sinn einer Inklusionsvereinbarung ist es auch die Angst der Arbeitnehmer zunehmen, wenn im Präventionsverfahren Arbeitnehmervertretungen von vornherein involviert sind und als Ansprechpartner dienen.
Gruß Ich.
zu deinen Problem:
"Aber für zukünftige "Problemfälle" würde ich die Dienststelle gerne erziehen und schneller auf korrekte Durchführung eines Präventionsverfahrens hinweisen"
habe ich einen Vorschlag: Mache eine "Inklusionsvereinbarung"!
Als SBV hast du ein Initiativrecht nach § 166 SGB IX (Die Arbeitgeber treffen mit der Schwerbehindertenvertretung und den in § 176 genannten Vertretungen in Zusammenarbeit mit dem Inklusionsbeauftragten des Arbeitgebers (§ 181) eine verbindliche Inklusionsvereinbarung. Auf Antrag der Schwerbehindertenvertretung wird unter Beteiligung der in § 176 genannten Vertretungen hierüber verhandelt.)
In einer Inklusionsvereinbarung könnt ihr die Vorgehensweise, die Aufteilung von Aufgaben sowie die Zuständigkeiten über das Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX sowie das Verfahren des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) nach § 167 Abs. 2 SGB IX regeln. Ich empfehle auch ein Inklusionsteam einzurichten bestehend aus je ein Vertreter folgender Bereiche: Schwerbehindertenvertretung, Betriebsrat/Personalrat, Arbeitgeber/Dienstherr und Inklusionsbeauftragte/r des Arbeitgebers.
Sinn einer Inklusionsvereinbarung ist es auch die Angst der Arbeitnehmer zunehmen, wenn im Präventionsverfahren Arbeitnehmervertretungen von vornherein involviert sind und als Ansprechpartner dienen.
Gruß Ich.
Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX
Das ist zwar richtig, aber vorschnell:Die-Super-VP hat geschrieben: ↑Mittwoch 7. Februar 2024, 21:27 Und das ArbG Köln, Urteil vom 20.12.2023 - 18 Ca 3954/23 hat in einen konkreten Fall bestätigt, dass ein Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX in Probezeit hätte stattfinden müssen.
Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig, weil Berufung anhängig ist beim LAG Köln – 6 SLa 76/24 Voraussichtlicher Termin in Köln am 12.09.2024.
Ob LAG Köln diese Rechtsfrage dem EuGH gemäß Art. 267 AEUV vorlegt, um etwaige bestehende Unsicherheiten unionsrechtlich abzuklären, das bleibt abzuwarten. Sollte das LAG Köln die Revision nicht zulassen, dann besteht unter der Voraussetzung des Art. 267 Abs. 3 AEUV ggf. Vorlagepflicht an EuGH.
Gruß Jada Wasi
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Re: Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX
Inzwischen gab es ein Urteil.
Und es wurde erwartungsgemäß Revision eingelegt. Anhängig beim BAG - 2 AZR 271/24
Weitere Details zum Urteil ArbG Köln, 20.12.2023 - 18 Ca 3954/23 wurden/werden ausführlich gerade hier im Forum diskutiert/beschrieben:
https://www.bih.de/integrationsaemter/f ... 7013#p7013
Aktuell gibt es keine Rechtssicherheit, ob der Arbeitgeber ein Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX in der Probezeit einleiten muss oder nicht. Ich kann nur empfehlen ein solches Verfahren einzuleiten.
Gruß Ich
Und es wurde erwartungsgemäß Revision eingelegt. Anhängig beim BAG - 2 AZR 271/24
Weitere Details zum Urteil ArbG Köln, 20.12.2023 - 18 Ca 3954/23 wurden/werden ausführlich gerade hier im Forum diskutiert/beschrieben:
https://www.bih.de/integrationsaemter/f ... 7013#p7013
Aktuell gibt es keine Rechtssicherheit, ob der Arbeitgeber ein Präventionsverfahren nach § 167 Abs. 1 SGB IX in der Probezeit einleiten muss oder nicht. Ich kann nur empfehlen ein solches Verfahren einzuleiten.
Gruß Ich