Neuwahl nach erfolgreicher Wahlanfechtung

Vaiana
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Neuwahl nach erfolgreicher Wahlanfechtung

Beitrag von Vaiana »

Hallo,

wir hatten nach der Wahl 2022 eine erfolgreiche Wahlanfechtung der Wahl nur der Vertrauensperson mit gültigem Beschluss des LAG zum 15.02.2024. Danach hat sich die Vertrauensperson mit dem AG geeinigt und verlässt mit einer Kündigungsfrist von 7 Monaten zu ende September das Unternehmen. Seit dem 01.03.2024 ist sie vom AG von der Arbeit freigestellt. Der 1. Stellvertreter ist auf unbestimmte Zeit arbeitsunfähig. Nun bin ich als 2. Stellvertretung die aktuelle Ansprechpartnerin.

Wann muss ich mir einen Wahlvorstand zusammensuchen und wann muss spätestens neu gewählt werden?
jada.wasi
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Nachwahl nach erfolgreicher Wahlanfechtung?

Beitrag von jada.wasi »

Vaiana hat geschrieben: Dienstag 5. März 2024, 18:46 Wann muss ich mir einen Wahlvorstand zusammensuchen und wann muss spätestens neu gewählt werden?
Hallo Vaiana,

würde zunächst sondieren nach geeigneten Bewerbern, die kandidieren würden und dann zügig Wahlvorstand bestellen Grundvoraussetzung für Stelli-Nachwahl wäre aber – dass zuvor z.B. die zur VP „nachgerückte“ erste Stellvertretung zurücktritt und kein weiterer gewählter Stellvertreter mehr existiert. Einen Fachbeitrag B4-2017 von Prof. Dr. Kohte / Liebsch zu einer Nachwahl (§ 17 SchwbVWO) gibt’s auf reha-recht.de

Vaiana hat geschrieben: Dienstag 5. März 2024, 18:46 Nun bin ich als 2. Stellvertretung …
Nein, weil m.E. nachgerückt zur 1. Stellvertretung, oder? Siehe auch hier zur Nachrückung: John Sheridan hat das völlig richtig erkannt – und auch in jeder Hinsicht fundiert begründet👍 Das folgt aus § 177 Abs 5 Satz 2 Nr. 1 und § 177 Abs. 7 Satz 4 SGB IX.

Es ließe sich sachlich schlicht nicht rechtfertigen, dass bei vorzeitigem Erlöschen des Mandats der VP, sei es zB durch Rücktritt, durch Versetzung, durch Kündigung, durch Verlust der Wählbarkeit, durch sein Ableben, durch „Aberkennung“ oder sonst jeweils die erste Stellvertretung nachrückt, nicht aber bei isolierter rkr. erfolgreicher „Wahlanfechtung“ dieser Wahl der VP. Denn andere Auslegung wäre m.E. nur reine Willkür so wie hier.

Gesetzgeber hat geschrieben:Außerhalb dieser Zeit finden Wahlen statt, wenn
2. die Wahl mit Erfolg angefochten worden ist,
[§ 177 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 SGB IX]
Womöglich hat sich Bundesgesetzgeber am „Wortlaut“ des § 13 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG orientiert und bei Ausformulierung des § 177 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 SGB IX (bzw seiner Vorgänger § 94 SGB IX 2001 sowie § 24 SchwbG 1996) nicht bedacht, dass es sich bei Wahl(en) einer SBV gerade nicht um eine, sondern in aller Regel um mehrere und demnach um isoliert anfechtbare Wahlen handelt. Hier zum Vergleich his­to­ri­sche Vorversion des § 21 SchwbG 1974 damals noch mit Voll­ver­wei­sung in Absatz 5 auf die Wahlverfahren für BR/PR-Wah­len „sinngemäß“ (BGBl I 1974, Nr. 46, Seite 1005, 1012).

Frag den Staat
Insoweit wurde da offenbar unbedacht Regelung aus § 13 BetrVG in der Einzahl 1:1 wörtlich übernommen, obwohl es dort immer nur eine Wahl gibt („die Betriebsratswahl“), nicht mehrere so wie hier - daher „redaktioneller Fehler“ Würde demnach das BMAS evtl. auf diesen „Patzer“ hinweisen so­wie um seine Einschätzung bitten und uns die Antwort hier mitteilen, da wohl von allg. Interesse? Danke! Jada Wasi
CVedder
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Re: Neuwahl nach erfolgreicher Wahlanfechtung

Beitrag von CVedder »

Hallo,

ich sehe das auch so, dass Sie mindestens an die Position 1. Stellvertreter treten. Durch die Freistellung der VP im Zuge der einvernehmlichen Trennung ist er m.E, in Analogie zur Freistellungsphase im Altersteilzeitmodell zu betrachten und hat damit das passive Wahlrecht verloren, sprich ist aus dem Amt. Für Neuwahlen müssten tatsächlich die beiden Stellvertreter mittels Rücktritt den Weg frei machen oder sich auf eine Nachwahl beschränken. Bedingt durch die möglicherweise unbestimmte AU wäre eine Neuwahl vermutlich sinnvoller. Aber wie jada.wasi schon schreibt - es braucht auch Kandidaten.

Viele Grüße
Christian Vedder
jada.wasi
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Neuwahl nach erfolgreicher Wahlanfechtung?

Beitrag von jada.wasi »

Vaiana hat geschrieben: Dienstag 5. März 2024, 18:46 wir hatten nach der Wahl 2022 eine erfolgreiche Wahlanfechtung der Wahl nur der VP mit gül­ti­gem Beschluss des LAG zum 15.02.2024.
Welches LAG und welches Aktenzeichen? Geh ich recht in der Annahme, dass dieser LAG-Beschluss rechtskräftig ist und nicht beim BAG angegriffen wurde?

Eine vorzeitige Neuwahl dürfte hier klar ausgeschlossen sein und geradewegs in die Nichtigkeit führen lt. RSpr. Vergleiche sinngemäß Diskussion 2018 mit Verweis auf das BAG vom 11.04.1978, 6 ABR 22/77, zur Nichtigkeit – was aber beide Vorinstanzen nicht gecheckt haben – obwohl offensichtlich und „einleuchtend“. Gruß Jada Wasi
Vaiana
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Re: Neuwahl nach erfolgreicher Wahlanfechtung

Beitrag von Vaiana »

LAG Köln 9 TaBV 31/23
Rechtsmittelbeschwerde wurde nicht zugelassen, Nichtzulassungsbeschwerde wurde nicht eingereicht
jada.wasi
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Nachwahl nach rkr VP-Wahlanfechtung?

Beitrag von jada.wasi »

Zu LAG Köln, 17.11.2023 - 9 TaBV 31/23


Hallo Vaiana,

sollten noch weitere Stellis gewählt worden sein und noch im Amt sein, so wäre Nachwahl ausgeschlossen. Soweit teils in IFB-Foren pauschal behauptet wird, dass hier unverzüglich Wahlvorstand bestellt werden müsse, ist das nur wirres Zeug ohne Rechtsgrundlage. Das wäre offensichtlich nichtig! Eine „Wiederholungswahl“ gibt es ohnehin nicht bei SBV-Wahlen, sondern lediglich Neuwahl oder Nachwahl. Eine sogenannte Wiederholungswahl nach dem Stand der letzten Regelwahl von 2022 ist dem SBV-Wahlrecht völlig fremd, das ist reiner Unfug, was Fried dazu postet: Das ist Mischmasch aus PR- und SBV-Wahl führt nur doppelt und dreifach in die Irre, da nicht erneut zu wählen ist und schon gar nicht „Wieder­ho­lungs­wahl“ – und weil es natürlich kein „vorübergehendes“ Nachrücken gibt und selbstverständlich auch kein Hin- und Herrücken: Da wird mir ganz schwindlig beim Lesen!
Fried hat geschrieben:…... dann ist m.E. zwingend unverzüglich die ungültige Wahl zu wiederholen. D.h. die Stellis rücken nach, aber nur vorübergehend bis zum Ausgang der Neuwahl der Vertrauensperson.
BEGRIFFLICHES
Soweit in § 177 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 SGB IX davon die Rede ist, dass Zwischenwahlen zu erfolgen haben und zulässig sind, wenn „die Wahl mit Erfolg angefochten worden ist“, ist das missverständlich und unpräzise formuliert, weil Einzahl („Wahl“) statt richtig Mehrzahl („Wahlen“). Gemeint sind also alle Wahlen der SBV, welche aus einer Vertrauensperson und einer oder mehreren Stellvertretung(en) besteht laut Legaldefinition in § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX (also einem ordentlich. und stellvertretend. Mitgliedern). Dann und nur dann kommt also VP-Neuwahl in Betracht, sonst stets nur Nachrücken gemäß § 177 Abs. 7 Satz 4 SGB IX kraft Gesetzes - soweit nicht aus­nahms­los sämtliche Wahlen aller_Mitgl. (komplett) mit Erfolg rkr. an­ge­foch­ten wurden. Vergleiche Düwell, LPK-SGB IX, § 177 Rn. 6 zu dem ge­setzlichen Begriff „Schwerbehindertenvertretung“

:idea: Anfechtung – ohne Erstreckung auf Stellv.
Entgegen einzelnen obergerichtlichen Fehlentscheidungen der Verwaltungs- und Arbeitsgerichtsbarkeit (OVG Koblenz vom 14.12.1988, 4 A 3/88 = ZBR 1989, 182; ArbG Bonn vom 04.05.2011, 5 BV 51/11, Rn. 50, und nachfolgend LAG Köln vom 19.10.2011, 3 TaBV 51/11, Rn. 5 und 34) wirkt sich eine erfolgreiche Anfechtung der Wahl einer VP nicht automatisch auch auf die Stellvertreterwahl aus (ebenso Hohmann in Wiegand/ Hohmann, SchwbVWO, Einleitung Rn. 48, wonach die Ungültigkeit der Wahl der VP „nicht von vornherein die Ungültigkeit der Wahl der stellvertretenden Mitglieder“ bewirkt). Siehe ausführlich auch Diskussion 2014 zur Rechtsfrage Kausalität und Erstreckung auf Stellv. und Diskussion 2018.

ArbG Bonn hat geschrieben:Auch der Antrag zu 2) ist unbegründet. Dies folgt schon aus der Erfolglosigkeit des Antrags zu 1). Denn die Antragsteller stützen die Anfechtung der Stellvertreterwahl auf dieselben Gründe wie für die Wahl der Hauptvertrauensperson. Ge­son­der­te Anfechtungs- oder Nichtigkeitsgründe ….. sind auch nicht ersichtlich. Daher bleibt auch der Antrag zu 2) ohne Erfolg.
[ArbG Bonn, 19.10.2011 - 3 TaBV 51/11]
Das ArbG Bonn, 19.10.2011 - 3 TaBV 51/11, hat sich zu der unfassbaren Aussage verstiegen, dass die Anfechtung der Wahl der sieben Stellvertreter (teils lediglich eine Stimme Differenz oder Stimmengleichheit) grds. vom Ergebnis der Anfechtung der Haupt-VP (zwei Stimmen Differenz) abhinge. Einen solchen Automatismus gibt es natürlich nicht. Das ist falsch und irreführend, soweit es hier auf die Differenz der Stimmen ankommt, nämlich Kausalität. Das hat das ArbG Bonn in seinem irreführenden Rechtssatz verkannt: Ein und derselbe Wahlfahler kann bei der einen Wahl relevant sein, bei der anderen aber nicht – je nach Stimmendifferenz.

Cramer (BMAS) hat geschrieben:… auch nicht mit der erfolgreichen Anfechtung der Wahl – sie erfaßt auch das Amt des Stellvertreters; es muß neu gewählt werden (OVG Rheinland-Pfalz v. 14. 12. 1988 - 4 A 3/88 - ZBR 1989, 181; OVG Münster v. 19.4.1993 - 1 A 3466/91.PVL - br 1993, 172).
Das mag damals im letzten Jahrhundert so vertreten worden sein, ist aber laut BAG so nicht mehr haltbar, soweit Stellvertr. nicht angefochten bzw nicht kausal, daher m.E. OVG Rheinland-Pfalz 1988 klar übergriffig
Wiegand/Hohmann 2014, SchwbVWO, Einleitung Rn 48

Soweit in den 80-er und 90-er Jahren noch (pauschal) die Ansicht vertreten wurde, dass die rkr Anfechtung der Wahl der VP automatisch auch die Wahl sämtlicher Stellvertreter erfasse und daher neu gewählt werden müsse (so Cramer, SchwbG, 5. Auflage 1998, § 24 SchwbG Rn. 16), ist diese Ansicht unvereinbar mit BAG-Rechtsprechung zum SGB IX, wonach getrennte SBV-Wahlen (vgl. auch § 5 Abs. 1 und § 20 Abs. 2 SchwbVWO) von Gesetzes wegen laut § 177 Absatz 1 Satz 1 sowie Absatz 6 Satz 1 SGB IX.
Dass sich das geradezu aufdrängt folgt aus ständ. Rspr. spätestens seit BAG, 29.07. 2009, 7 ABR 91/07, wonach keine „einheitliche Wahl“ - sondern „mehrere Wahlen“ im Gegensatz zu BR-/PR-Wahlen: Demnach hat das eine mit dem anderen nichts zu tun, nichts bei der Wahl und nichts bei der Anfechtung. Und selbst die Anfechtungsfrist kann unterschiedlich enden, wenn das Ergebnis der Wahl der Stellvertreter später ausgehängt werden sollte als der VP (Sachadae, LPK-SGB IX, § 15 SchwbVWO, Rn. 6 – zur „gespaltenen“ Bekanntgabe mit Bsp.)

:idea: Nichtigkeit – mit Erstreckung auf Stellv.
Etwas anderes mag zwar bei Nichtigkeit gelten, nicht aber bei bloßer Anfechtung der Wahl (so zu Recht fundiert und lehrbuchartig die „Hinweise“ zur materiell. Rechtslage zur Nichtigkeit des OVG NRW, 07.04.2004, 1 A 4778/03.PVL, Rn. 40 und Rn. 53. TIPP: Äußerst lesenswerte Hinweise: Danach kommts bei der Nichtigkeitsfeststellung nicht auf Kausalitätsprüfung an – im Unterschied zu einer bloßen Anfechtung laut § 177 Abs. 6 SGB IX i.V.m. § 19 Abs. 1 BetrVG „sinngemäß“.
OVG NRW hat geschrieben:3. Nichtigkeit der Wahl der Vertrauensperson erstreckt sich auch auf die von dem Nichtigkeitsgrund nicht erfassten Wahl der Stellvertreter. Ein Nachrücken gemäß § 94 Abs 7 Satz 4 SGB IX findet nicht statt, da das Amt der Vertrauensperson zu keinem Zeitpunkt wirksam bestanden hat, also nicht (nur) vorzeitig endete.
Hinweis zu Gesetzeslücken
Nicht ausdrücklich in dem Gesetz und daher lückenhaft gesetzlich geregelt in § 177 Abs. 5 S. 2 SGB IX sind noch immer die Fälle, ob eine gesonderte isolierte Nachwahl der SBV-Stellvertretung erfolgt, wenn das Amt der einzigen Stellvertretung 1. vorzeitig erlischt oder 2. mit Erfolg rkr. angefochten wurde oder 3. dieses Amt nicht angenommen wurde oder 4. noch gar keine Stellvertretung gewählt wurde. Solche Nachwahlen sind in sinngemäßer Anwendung des § 177 Abs. 5 Satz 2 SGB IX zulässig und geboten, wenn nicht ein einziger Stellvertreter vorhanden ist – oder „nicht mehr“ vorhanden ist. Denn das Gesetz sieht wahlrechtlich in § 177 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vor, dass wenigstens ein Stellvertreter zu wählen ist (so schon Ministerialrat Cramer, SchwbG, 5. Auflage 1998, Rn. 12d zum vormaligen § 24 SchwbG). Vgl. dazu wahlordnungsrechtlich §§ 17 sowie 21 SchwbVWO). Gruß Jada Wasi
Heidi Stuffer
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Zwischenwahl nach rkr. VP-Wahlanfechtung?

Beitrag von Heidi Stuffer »

Hallo zusammen,

wie schon geschrieben ist die Nachwahl ausgeschlossen, solange noch eine gewählte Stellvertretung als solche im Mandat ist. Der Ansicht von SBVler in dem ifb-Fachforum steht § 17 SchwbVWO diametral entgegen – weil es noch mehrere gewählte stellvertretende Mitglieder gibt. Eine Be­stel­lung des Wahlvorstandes und Wahl wären klar nichtig! Nachwahlen „weiterer“ Stellis quasi per Ergänzungswahl gibt es nicht und sind generell strikt verboten! Warum ?? Schon deshalb, da völlig unklar, welche Rangfolge dann gelten würde bei Stellvertretung

Solange es zB. noch gewählte Stellvertretung gibt, kommt niemals „Neuwahl“ einer VP in Betracht entgegen Fried – weils eben keine gesetzliche Befugnis gibt für eine solche Zwischenwahl der VP. Dies ist hier vielmehr (kategorisch) ausgeschlossen gemäß § 177 Abs 5 Satz 2 Nr. 1 SGB IX, weil 1. Stelli zur VP nachgerückt kraft Gesetzes! Eine Be­stellung des Wahlvorstands und Wahl wären klar nichtig gemäß BIH-Wahlbroschüre (Seite 48 oben). Ausführlich Diskussion 2018. Wenn es eine „nachgerückte“ VP gibt, besteht natürlich keinerlei Bedarf, eine VP zu wählen, da schon eine existiert – von Gesetzes wegen lt. BAG vom 11.04.1978 - 6 ABR 22/77, Gründe II.2. Vergl. Pahlen in Neumann/Pahlen, SGB IX, 13. Aufl. 2018, § 177 Rn. 47, wonach Nachrücken bei „rechtskräftiger Aberkennung“ oder sonst. Ebenso auch BIH-Fachlexikon 2022

So nun auch BIH-Wahlbroschüre 2022, Seite 88, unter Aufgabe der (früheren) durch nichts zu rechtfertigenden damaligen Ansicht in „Vorauflage“ 2018 – wonach bei erfolgreicher Anfechtung der Wahl der VP angebl. auch immer die Ämter aller Stellvertreter automatisch enden würden. Das ist schon deswegen falsch - weil diese u.a. gesondert und fristgemäß angefochten werden müssten gemäß ständiger BAG-Rechtspr. zum SGB IX, da diese sonst nach 2 Wochen in Betrieben unanfechtbar wären. Wurden diese nicht gesondert fristgerecht angefochten - dann werden diese bestandskräftig - selbst wenn diese fehlerbehaftet sein sollten: Dann tritt Rechtsfrieden ein!
BIH-Broschüre 2022 hat geschrieben:Eine erfolgreiche Anfechtung der Wahl der Vertrauensperson führt nicht automatisch zur Neuwahl. Vielmehr rückt das mit der höchsten Stimmzahl gewählte stellvertretende Mitglied für den Rest der Amtszeit nach ... [Kapitel 8]
Dem ist voll zuzustimmen: Aus BAG, 29.07.2009, 7 ABR 91/07, folgt entgegen vormaliger BIH-Ansicht 2018 nichts anderes: Der rechtswidrige Beschl. der Vorinstanz wurde völlig zu Recht aufgehoben, wonach isolierte Anfechtung lediglich einer Wahl vorgeblich „nicht zulässig“ sei. Dazu Fachbeitrag B1/2011, Abschn. II, Seite 6, auf reha-recht, wonach „sinngemäße" Anwendung der Vorschriften über Wahlanfechtung der Betriebsratswahl und demnach den Besonderheiten der Wahl der SBV „Rechnung getragen werden müsse“. Das LAG München 25.10.2007, 4 TaBV 38/07, hat nicht sinngemäß, sondern wörtlich (und damit sinnfrei) das BetrVG angewendet – und wurde daher zu Recht vom BAG aufgehoben.

Beste Grüße
Heidi Stuffer
Michael Karpf
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Re: Zwischenwahl nach rkr. VP-Wahlanfechtung?

Beitrag von Michael Karpf »

Heidi Stuffer hat geschrieben: Donnerstag 14. März 2024, 21:45 Dies ist hier vielmehr (kategorisch) ausgeschlossen gemäß § 177 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 SGB IX, weil 1. Stelli zur VP nachgerückt kraft Gesetzes!
Hallo zusammen,

dem Beitrag von Heidi Stuffer kann nicht zugestimmt werden. Denn die Voraussetzungen für das Nachrücken des stellvertretenden Mitglieds gemäß § 177 Abs. 7 Satz 4 SGB IX sind im Falle einer für ungültig erklärten VP-Wahl nicht erfüllt. § 177 Abs. 7 Satz 3 SGB IX erfasst als vorzeitiges Ausscheiden abschließend nur die drei Konstellationen
1.) Niederlegung des Wahlamtes,
2.) Ausscheiden aus dem Arbeits- oder Dienstverhältnis und
3.) Verlust der Wählbarkeit.

(Worlaut § 177 Abs. 7 Satz 3 SGB IX: "Das Amt erlischt vorzeitig, wenn die Vertrauensperson es niederlegt, aus dem Arbeits-, Dienst- oder Richterverhältnis ausscheidet oder die Wählbarkeit verliert.")

Der Fall einer durch Gerichtsbeschluss unwirksamen VP-Wahl führt daher nicht zu einem Nachrücken des stellvertretenden Mitglieds kraft Gesetzes. Die Voraussetzungen für eine Neuwahl der VP gemäß § 177 Abs. 5 Satz 2 SGB IX sind erfüllt.

Viele Grüße
Dr. Michael Karpf
jada.wasi
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Neuwahl nach erfolgreicher Anfechtung?

Beitrag von jada.wasi »

Michael Karpf hat geschrieben: Mittwoch 22. Mai 2024, 11:51 § 177 Abs. 7 Satz 3 SGB IX erfasst als
vorzeitiges Ausscheiden abschließend
1. Niederlegung des Wahlamtes,
2. Ausscheiden aus Arbeitsverhältnis …
3. Verlust der Wählbarkeit.
Hallo zusammen,

darüber lässt sich hier trefflich streiten. Davon erfasst ist jedenfalls z.B. auch der „Tod“ einer VP, auch wenn nicht eigens „ausdrücklich“ erwähnt. Dass auch Amt einer VP „vorzeitig erlischt“, wenn ihre angefocht. Wahl erfolgreich gerichtlich rechtskr. für ungültig erklärt wird, auch das ist Binsenweisheit sowie Selbst­ver­ständ­lich­keit gemäß den Gesetzen der Logik. Auch Widerspruchsausschuss zum Erlöschen des Amts. Nur bei der seltenen Nichtigkeit der Wahl der VP gibts kein Nachrücken, da dann rück­wir­kend von vornherein alle Wahlen unwirksam wären, diese also folglich recht­lich niemals existiert hätten – d.h. zu keinem Augenblick im Gegensatz zur Anfechtung, bei welcher es bekanntlich keine Rückwirkung gibt; ausführl. OVG NRW, 07.04.2004, 1 A 4778/03.PVL, wonach Amtszeit nicht nur vorzeitig endete, da sie nie begonnen hat zu Laufen. Vgl. dazu ausführlich schon Diskussion 2018 zu dem obiter dictum des OVG NRW 2004.
BIH hat geschrieben:Vorzeitig“ im Sinne des § 177 Absatz 7 Satz 3 SGB IX meint das Erlöschen des Amts der SBV vor Ablauf von vier Jahren.
[BIH-Wahlbroschüre 2022, Kap. 3.2, Seite 48]
Was anderes würde allenfalls dann gelten, wenn man rein hypothetisch z.B. mal dem LAG Rheinland-Pfalz (Koblenz), 1.4.2008 - 3 TaBV 1/08, folgen würde, wonach Anfechtung nur der Wahl der VP automatisch auch Wahlen sämtlicher Stellvertreter er­fas­sen würde (auch ohne ge­son­der­ten An­fech­tungs­an­trag für einen oder für mehrere oder für alle Stellvertreter). Dieses LAG hat verkannt, dass die Wahlen der stellvertretenden Bezirksvertrauenspersonen nicht zur Entscheidung anstanden, da Anfechtung insoweit zu­rück­ge­nom­men wurde. Einer sol­chen „Auslegung“ hat schon BAG u.a. am 20.1.2010, 7 ABR 39/08, Gründe B.II.3, Rn. 19, in­soweit klar wi­der­spro­chen, weil „von­einander unabhängige Wahlen“ (Mehrzahl), also rechtlich nicht bloß eine einzige „Wahl“: Genau das wird grob ir­re­führend suggeriert vom Wortlaut des § 177 Abs 5 Satz 2 Nr. 2 SGB IX per Einzahl („die Wahl“); anders die Grundsatzentscheidung des BAG, 29.07.2009 – 7 ABR 91/07 – wonach „mehrere Wahlen“: Folglich muss diese Norm BAG-konform so ausgelegt werden, dass Neuwahl nur dann zulässig ist, wenn alle Wahlen erfolgreich rkr. angefochten wurden und daher Nachrücken unmöglich wird; a.A. wohl FKS-SGB IX, 3. Auflage 2015 § 94 Rn. 33, aber ohne Begründung und zudem auch keinerlei Belege, wonach kein Nachrücken; Schubert in Knittel, SGB IX, § 177 Rn. 237 mit Verweis auf Gün in FKS-SGB IX und Adlhoch, allerdings jeweils ohne Berücksichtigung der einschlägigen BAG-Rechtsprechung 2009, Rn. 22, zur getrennten Wahl von Vertrauensperson und Stellvertretung. Laut Schubert sei laut dem „Sinn und Zweck“ der Wahl­an­fech­tung allein die für ungültig erklärte Wahl der Vertrauensperson „zu wie­der­ho­len“, obwohl das SBV-Wahlrecht – keine Wiederholungswahl – vorsieht im Gegensatz etwa zu PR-Wahlen (vgl. Diskussion 2016).

Vor allem aber irrt Schubert, soweit er in Rn. 82 meint, dass es beim Fehlbeschluss bezüglich Stellvertretung des OVG Rheinland-Pfalz, 14.12.1988, 4 A 3/88, ZBR 1989, 182, um den Fall der Nichtigkeit aufgrund Teilnahme eines nicht Wahlberechtigten an der BSBV-Wahl gegangen sei, bei der zwischen zwei Kandidaten ein Unterschied von nur einer Stimme bestand: Da gings gerade nicht um rückwirkende Nichtigkeit, sondern um bloße Anfechtung für die Zukunft. Eine Nichtigkeitsfeststellung wurde weder beantragt noch festgestellt und ist ganz offensichtlich nicht feststellbar‼️ Fehlerhafte Wählerliste führt regelmäßig gerade nicht zur Nichtigkeit nach ständiger RSpr. – sondern allenfalls zur Anfechtbarkeit – und das auch nur, soweit kausal für die Wahlergebnisse – wofür ohnehin jegliche „Feststellung“ bezüglich Stelli-Wahlergebnisse fehlt.

BESTANDSKRAFT
An einer unanfechtbaren Wahl darf sich ein LAG nicht „vergreifen“: Macht ein Gericht das dennoch (nur) in den „Entscheidungsgründen“ wie dieses LAG Koblenz 2008, erwachsen sie m.E. ohnehin nicht in Rechtskraft, sondern sind vielmehr wohl insoweit prozessrechtlich unbeachtlich

Daher darf mE nicht am Gesetzeswortlaut („die Wahl mit Erfolg angefochten“) klebend des § 177 Abs. 5 S. 2 Nr. 2 SGB IX regelm. keine Neuwahl gestartet werden, solange Stellvertretung „existiert“. Anders noch Cramer 1998 zum SchwbG, dass erfolgr. Anfechtung der Wahl [der VP] stets „auch das Amt des Stellvertreters“ erfasse; das ist 2-fach falsch, da es 1. alleine Sache der Wahlberechtigten ist lt. BAG, darüber zu befinden – ob und welche fehlerhaften Wahlen diese anfechten und welche nicht, weil 2. bloße Anfechtung der Wahl der VP gerade nicht „auch das Amt des_Stellvertreters erfasst“ laut BAG – und 3. umgekehrt entgegen Fehlbeschluss des LAG München 2007 – weil keine einheitliche Wahl. Es kann wohlerwogene Gründe geben, lediglich eine und nicht alle fehlerhaften Wahlen anzufechten; das haben Arbeitsgerichte zu respektieren, dürfen also nicht wie das LAG Rheinland-Pfalz 2008 in seiner Begründung anderweitiges feststellen – wonach „die_Wahl insgesamt für ungültig zu erklären“ sei – im Bereich des „Sanitätsführungskommandos“: Ist weite Überschreitung der Befugnisse dieses LAG und grob irreführend, derartige Feststellungen zu treffen, wenn Stelliwahlen nicht angefochten, da Beschränkung der Anfechtung auf „Wahl der Bezirksvertrauensperson“ - demnach Stelliwahlen längst unanfechtbar waren - also_selbstverständlich nicht einfach „insgesamt“ für ungültig_erklärt werden durften – an dem Willen der anfechtenden Vertrauenspersonen vorbei. Vgl. schon Ulrich Römer und hier und hier zu Bestandskraft und Nachrücken zu dpolg-bayer. Ferner Ministerialrat a.D.
Hohmann 2014 hat geschrieben:…Ungültigkeit der Wahl der SBV bewirkt nicht „von vornherein“ die Ungültigkeit der Wahl der stellvertretenden Mitglieder (a.A. OVG Rhein­land-Pfalz, Beschl. vom 14.12.1988, 4 A 3/88)
[Wiegand/Hohmann, SchwbVWO, Einl. Rn. 48]
Wollte man hier von der Variante VP-Neuwahl ausgehen, würde das zwangsläufig vertretungslose Zeit bedeuten bis zur Neuwahl, denn ohne die Existenz von einer VP läuft bekanntlich nichts. Vertretung ginge nur dann, wenn nach Fried die 1. Stellvertretung „vorübergehend“ nachrücken würde. Ein solches nur zeitweiliges Nachrücken ist aber kategorisch ausgeschlossen mangels Rechtsgrundlage. Wiederholungswahl ist (entgegen Fried – wonach Wahl „zu wiederholen“ sei) ohnehin dem Wahlrecht im SGB IX fremd und völlig sinn- und zweckfrei für SBV-Wahlen, da strukturell unterschiedlich bspw. zur PR-Wahl. Demnach keine_Neuwahl der VP bei isolierter Anfechtung laut BIH-Wahlbroschüre 2022, Seite 88, sondern Nachrücken bei bestandskräftiger Wahl der Stellvertretung – auch wenn diese gleichfalls fehlerbehaftet sein sollte – jedoch nicht fristgerecht angefochten wurde: Zu dem SBV-Wahlrecht gehört es frei auszuwählen, welche fehlerhaften Wahlen angefochten werden – und welche nicht: Das dürfen die Arbeitsrichter nicht vereiteln und nicht den Wählerwillen aushebeln wie vormals LAG Koblenz 2008 lt. BAG. SBV-Wahlen sind nie eine „Listenwahl“ (wie z.B. für PR-Wahl zugelassen), sondern ausschl. reine „Personenwahlen“. Dieser Begriff „Wiederholungswahl“ kommt zudem im Schwerbehindertenrecht an keiner Stelle vor, also frei erfundenes Konstrukt von Fried. Anfechtung der Wahl einer_VP ersetzt und umfasst nicht die Anfechtung der Stelliwahlen nach Ansicht des BAG.
Ich bin gespannt, ob es auch andere Meinungen gibt.

:?: UMFRAGE
Gibt‘s noch andere Meinungen da­zu, gern auch neuere Fachliteratur - evtl. auch anhängige Gerichtsverfahren? Wie_wird das andernorts praktiziert? Danke Jada Wasi
matthias.günther
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Re: Neuwahl nach erfolgreicher Wahlanfechtung

Beitrag von matthias.günther »

Düwell geht in "Wahl der Schwerbehindertenvertretung", 3. Aufl. Mai 2022, Rieder-Verlag Münster, davon aus, dass "beide Wahlen zwei voneinander unabhängige Wahlen [sind], die getrennt angefochten werden können." (S. 135). Auch die Wahl der Stellvertreter müsse demzufolge innerhalb der Anfechtungsfrist angefochten werden. "Bei einer erfolgreichen Anfechtung [beider Wahlen] wird deshalb der Betrieb bzw. die Dienststelle vertretungslos."
Hingegen äußert Düwell sich nicht zu der angesprochenen Konstellation und lässt damit offen, ob Stellvertreter nachrücken.
Für das vorzeitige Erlöschen des Amtes empfiehlt er (S. 28): "Sind die Wahlen der Vertrauensperson und der stellvertretenden Mitglieder angefochten worden, kann eine kollektive Amtsniederlegung für eine rasche Neuwahl eingesetzt werden. [...] Haben die SBV [er meint hier wohl die Vertrauensperson] und alle stellvertretenden Mitglieder mit der Rechtskraft einer Wahlanfechtungsentscheidung ihre Ämter vorzeitig beendet, kann nach § 177 Abs. 4 S. 2 SGB IX außerhalb der Regelwahlzeit neu gewählt werden." (". 29)
Kann daraus im Umkehrschluss gefolgert werden, es müsse im Fall einer isolierten Anfechtung der Wahl der Vertrauensperson nur diese neu gewählt werden und die Stellvertreter bleiben im Amt? Rechtssicher erscheint mir das nicht.
Für die Praxis wäre aus meiner Sicht der von Düwell aufgezeigte Weg, dass sowohl die Vertrauensperson und auch die Stellvertreter zurücktreten, der sicherste Weg für eine Neuwahl zu sein, zumal Düwell explizit darauf hinweist, dass es "um eine vertretungslose Zeit zu vermeiden" eines kalendermäßigen Hinausschiebens des Wirksamwerdens der Niederlegung bedarf".
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