Hallo!
Vielleicht können Sie mir helfen?
Ich habe eine Frage zur Wahlberechtigung für die SBV-Wahl in einigen Monaten:
1. Haben auch Beschäftigte in einer Behindertenwerkstatt (in Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber FSU Jena) ein Wahlrecht?
2. Personen, die aktuell eine Gleichstellung beantragt, aber noch kein Ergebnis haben?
3. Personen, die gegen eine Absenkung des GdBs Widerspruch eingelegt, aber noch keinen Bescheid haben?
Herzlichen Dank und viele Grüße
Ruth
Wahlberechtigung SBV-Wahl?
Re: Wahlberechtigung SBV-Wahl?
Hallo ruth.esser,
ein Blick in die Wahlbroschüre kann nicht schaden.
1) siehe Tabelle auf Seite 43: Weder aktives noch passives Wahlrecht
2) Seite 34: Nein
3) Seite 34: Ja
ein Blick in die Wahlbroschüre kann nicht schaden.
1) siehe Tabelle auf Seite 43: Weder aktives noch passives Wahlrecht
2) Seite 34: Nein
3) Seite 34: Ja
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Re: Wahlberechtigung SBV-Wahl?
Hallo Ruth, die Fragen werden alle in der Wahlbroschüre beantwortet:
zu 1. S. 17
Die in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) als Rehabilitanden im Eingangsverfahren, im Berufsbildungs- und Arbeitsbereich tätigen behinderten Menschen gehören nicht zu den Beschäftigten im Sinne des § 177 Absatz 1 Satz 1 SGB IX. Sie wählen nach dem Schwerbehindertenrecht ihre eigene, besondere Interessenvertretung, den Werkstattrat.
Dies gilt auch, wenn die Werkstattbeschäftigten auf ausgelagerten Arbeitsplätzen in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes beschäftigt werden. Sie sind in diesem Fall zwar räumlich in den Betrieb des allgemeinen Arbeitsmarktes eingegliedert, behalten aber ihren Status als WfbM-Beschäftigte.
zu 2. und 3. S 13
Ist die Schwerbehinderung offensichtlich (zum Beispiel Kleinwuchs bei einer Körpergröße von weniger als 130 cm = GdB 50), ist der schwerbehinderte Beschäftigte bei der Wahl auch ohne Schwerbehindertenausweis zu berücksichtigen. Ist die Schwerbehinderung hingegen nicht offensichtlich, kommt eine Berücksichtigung ohne Schwerbehindertenausweis wegen der strengen Förmlichkeit des gesamten Wahlverfahrens nicht in Betracht. Mitgezählt werden auch behinderte Menschen, deren Grad der Behinderung sich auf weniger als 50 verringert hat, wenn der Bescheid, der die Verringerung des Grades der Behinderung feststellt, noch nicht bestandskräftig ist. Mitgezählt werden darüber hinaus behinderte Menschen in der Nachwirkungszeit des § 199 Absatz 1 SGB IX, das heißt, wenn nach Bestandskraft des Widerrufsbescheids der Tag der Einleitung der Wahl noch in die dreimonatige Nachwirkungszeit des § 199 SGB IX fällt. Mitgezählt werden auch gleichgestellte behinderte Menschen, deren Gleichstellung widerrufen wurde, wenn der Widerrufsbescheid der Arbeitsagentur noch nicht bestandskräftig ist.
Nicht mitgezählt werden behinderte Menschen, die einen Gleichstellungsantrag bei der Agentur für Arbeit gestellt haben, über den aber noch nicht entschieden ist. Denn die Gleichstellung wird erst mit der positiven Entscheidung der Agentur für Arbeit wirksam.
Gruß
Rolf Gollnick
zu 1. S. 17
Die in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) als Rehabilitanden im Eingangsverfahren, im Berufsbildungs- und Arbeitsbereich tätigen behinderten Menschen gehören nicht zu den Beschäftigten im Sinne des § 177 Absatz 1 Satz 1 SGB IX. Sie wählen nach dem Schwerbehindertenrecht ihre eigene, besondere Interessenvertretung, den Werkstattrat.
Dies gilt auch, wenn die Werkstattbeschäftigten auf ausgelagerten Arbeitsplätzen in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes beschäftigt werden. Sie sind in diesem Fall zwar räumlich in den Betrieb des allgemeinen Arbeitsmarktes eingegliedert, behalten aber ihren Status als WfbM-Beschäftigte.
zu 2. und 3. S 13
Ist die Schwerbehinderung offensichtlich (zum Beispiel Kleinwuchs bei einer Körpergröße von weniger als 130 cm = GdB 50), ist der schwerbehinderte Beschäftigte bei der Wahl auch ohne Schwerbehindertenausweis zu berücksichtigen. Ist die Schwerbehinderung hingegen nicht offensichtlich, kommt eine Berücksichtigung ohne Schwerbehindertenausweis wegen der strengen Förmlichkeit des gesamten Wahlverfahrens nicht in Betracht. Mitgezählt werden auch behinderte Menschen, deren Grad der Behinderung sich auf weniger als 50 verringert hat, wenn der Bescheid, der die Verringerung des Grades der Behinderung feststellt, noch nicht bestandskräftig ist. Mitgezählt werden darüber hinaus behinderte Menschen in der Nachwirkungszeit des § 199 Absatz 1 SGB IX, das heißt, wenn nach Bestandskraft des Widerrufsbescheids der Tag der Einleitung der Wahl noch in die dreimonatige Nachwirkungszeit des § 199 SGB IX fällt. Mitgezählt werden auch gleichgestellte behinderte Menschen, deren Gleichstellung widerrufen wurde, wenn der Widerrufsbescheid der Arbeitsagentur noch nicht bestandskräftig ist.
Nicht mitgezählt werden behinderte Menschen, die einen Gleichstellungsantrag bei der Agentur für Arbeit gestellt haben, über den aber noch nicht entschieden ist. Denn die Gleichstellung wird erst mit der positiven Entscheidung der Agentur für Arbeit wirksam.
Gruß
Rolf Gollnick
Re: Wahlberechtigung SBV-Wahl?
Lieber Rolf, lieber Norbert!
Super. Vielen herzlichen Dank!
Viele Grüße
Ruth
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Ruth
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WfbM: Wahlberechtigung bei "Beschäftigung" auf BiAP-Außenarbeitsplatz in Dienststelle / Betrieb?
»Betriebsintegrierte Außenarbeitsplätze (BiAP)«
Diese höchstrichterlich noch nicht geklärte spannende Rechtsfrage ist umstritten, soweit es um ausgelagerte Arbeitsplätze, also idR. den betriebsintegrierten Gruppen- bzw. Einzelarbeitsplätzen auf dem ersten Arbeitsmarkt geht. Die betriebsintegrierten Außenarbeitsplätze haben eine gewisse Scharnierfunktion für eine Übernahme auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, da sie Betrieb und Beschäftigten ermöglichen, die Leistungsfähigkeit unter "normalen" betrieblichen Bedingungen incl. Zusammenarbeit mit Stammpersonal kennenzulernen. Gewollt ist, dass dort Bedingungen herrschen, die im allgemeinen Arbeitsmarkt üblich sind nach dem Fachschrifttum, dokumentiert im Web mit zahlreichen Praxisbeispielen einer Zusammenarbeit zwischen den Menschen mit und ohne SB in Unternehmen des ersten Arbeitsmarktes. Ausgelagert seien gemäß § 219 Absatz 1 SGB IX aktuell über 15.000 Arbeitsplätze, d.h. 5 Prozent aller WfbM-Beschäftigten, darunter Hamburg und Bremen mit jeweils über 10 Prozent ihrer WfbM-Beschäftigten (ISB-Forschungsbericht 2008, FB383-2008, 53).
Das BAG, Beschluss vom 17.12.2014, 7 ABR 53/14, hat die Rechtsbeschwerde (BMW München) eingestellt gegen LAG München, 28.05.2014, 8 TaBV 34/12, allein aus rein formal-prozessualen Gründen wegen Ablauf der SBV-Wahlperiode 2014, ohne in der Sache zu entscheiden. Fachbeitrag dazu von Prof. Dr. Kohte auf reha-recht.de und Adlhoch, Beitrag Vertrauenspersonen fragen – Behindertenrecht, br 3/2017, Seite 63, mit Beispielen. Danach können nicht „pauschal“ Werkverträge oder Dienstverträge unterstellt werden, so aber wohl BIH-Wahlbroschüre S. 17, 37/38 für zeitweilige oder dauerhafte „Beschäftigung“ auf ausgelagerten Einzel- bzw. Gruppenarbeitsplätzen in Betrieben oder Dienststellen. Immerhin spricht § 5 Abs. 4 Satz 1 WVO ausdrücklich von „Beschäftigung“ auf „Arbeitsplätzen“ (BiAP).
Das LAG München hat leider nicht näher untersucht, ob es sich tatsächlich um bloße Werkverträge handelt für die 123 Beschäftigten aus WfbM, wie ja behauptet, oder aber um Beschäftigung i.S.d. § 177 Absatz 2 SGB IX n.F. Laut einer Definition von Dr. Sachadae, Seite 170 / 171, werde vom wahlrechtlichen Beschäftigungsbegriff umfasst, soweit jmd. "persönlich abhängige, fremdbestimmte Dienste zu erbringen" habe – zentrales Merkmal und Abgrenzungskriterien des wahlrechtlichen Beschäftigungsbegriffs wie folgt:
Laut BAG vom 27.06.2001, 7 ABR 50/99, Rn 22, ist u.U. "Beschäftigung von Rehabilitanden sogar ausreichend zur Erfüllung der Beschäftigungspflicht" (§ 158 Abs 3 SGB IX)
• wobei "ohne sonstige Voraussetzungen" nach einhelliger Auffassung im Schrifttum sämtliche im Betrieb beschäftigten sbM wahlberechtigt sind (Rn. 17 m.w.N.), und
• "aus Gründen demokrat. Legitimation" angezeigt ist, Rehabilitanden das aktive Wahlrecht zuzuerkennen zu dem Organ, welches ihre besonderen Interessen im Betrieb wahrzunehmen hat (Rn. 24*),
• sowie ua. § 5 Abs. 4 WVO wortwörtlich von ➔"Beschäftigung auf ausgelagerten Arbeitsplätzen" spricht. Für mich laut alledem nicht plausibel, warum das generell keine Beschäftigung lt. § 177 Abs 2 SGB IX bzw § 1 Abs. 2 SchwbVWO sein soll - so aber BIH-Wahlbroschüre Seite 17/37 (pauschal).
Übergangsgruppe
Das insbesondere dann, "wenn sie quasi wie Leiharbeiter" eingebunden sind (vgl. Ritz, Gutachten zur "Teilhabe von Menschen mit wesentlichen Behinderungen am Arbeitsmarkt" 2015, in Abschnitt 4.5 WfbM-Außenarbeitsplätze, S. 40), wenn es um eine Übergangsgruppe geht i.S.d. § 5 Absatz 4 WVO (privilegiert laut § 158 Absatz 3 SGB IX) bzw wenn es sich um Einzelarbeitsplätze handelt. Denn diese sind nicht nur "räumlich" in den Betrieb, sondern auch organisatorisch in die Betriebsabläufe bzw. „Arbeits- und Produktionsabläufe eingebunden“ nach dem Konzept der Außenarbeitsplätze (so zu Recht Adlhoch, "Vertrauenspersonen fragen", Behindertenrecht, br 3/2017, 63, mit Beispielen sowie mit Verweis auf Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, Rn. 29 zu § 94 a.F.) Der Ansicht der BIH-Wahlbroschüre, dass auch diese im Verzeichnis zur Ausgleichsabgabe namentlich eingetragen Beschäftigten (pauschal) nicht als Beschäftigte i.S.d. SBV-Wahlrechts anzusehen seien, steht klar die h.M. laut Rspr. und Literatur entgegen.
Für aktives Wahlrecht daher grds. Krämer/Gün, in: FKS-SGB IX, 4. Auflage 2018, § 177 Rn. 26, für schwerbehinderte Werkstattbeschäftigte, welche auf sogenannten Außenarbeitsplätzen nach § 219 Abs. 1 Satz 5 SGB IX in einem anderen Betrieb oder einer Dienststelle beschäftigt sind; a.A. BIH-Wahlbroschüre, Seite 17/37, die ein aktives SBV-Wahlrecht wohl von vornherein ganz pauschal und apodiktisch ablehnt. ABER: Bei dieser Rechtsfrage ist auch bedeutsam, dass die Beschäftigten aus WfbM auf diesen sog. Außenarbeitsplätzen des allgemeinen ersten Arbeitsmarktes
"in der Regel in den Arbeitsprozess beim
jeweiligen Betriebsinhaber integriert sind"
Fachschrifttum (BiAP)
So Prof. Dr. Kohte/Ritz, FKS-SGB IX, § 219 Rn. 13; ebenso Kohte, Beitrag B17-2014 m.w.N. auf reha-recht.de; ebenso Adlhoch, br 3/2017, Seite 63/64; ebenso Prof. Düwell, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2018, Kap 1.2.7, zu verbreiteten Fehlern durch Verkennung der Wahlberechtigung*); HaKo-BetrVG § 32 Rn 10, zu aus WfbM ausgelagerten Arbeitsplätzen (Betriebsintegrierte Beschäftigung); ferner LPK-SGB IX, § 177 Rn. 13, unter Verweis auf LAG München, Grundsatzbeschluss vom 28.05.2014, Az: 8 TaBV 34/12, und GK-SGB IX/Wendt, Rn. 34 zu § 136 a.F, wonach es auf ein Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber bzw. auf den Status als WfbM-Angehöriger nicht ankomme, und das Wahlrecht sofort und nicht erst nach drei Monaten einsetze.
Ausschlusskriterien?
• Auch stehe nicht zwingend dem entgegen, dass es in der WfbM den gewählten Werkstattrat gibt nach § 222 Abs. 2 SGB IX, weil nicht gesetzliches Ausschlusskriterium für SBV-Wahlen im Einsatzbetrieb oder Dienststelle laut Wortlaut des § 177 Abs. 2 SGB IX, und nach "ministerieller" Definition in § 1 Absatz 2 SchwbVWO. In dem Sinne auch BAG 16.04.2003, 7 ABR 27/02, für SBV-Wahl für Rehabilitanden (unter Aufhebung des ArbG Mannheim in einer Sprungrechtsbeschwerde). Viel zu eng folglich die rein formale Sicht, dass es in der WfbM einen Werkstattrat für die Werkstattbeschäftigten gebe laut WMVO. Denn dieser hat ohnehin keinerlei Beteiligungsrechte, soweit es um (konkrete) Beschäftigungs-Modalitäten außerhalb der WfbM auf Arbeitsplätzen in anderen Unternehmem gemäß deren Vorgaben geht. Alles andere wäre sonst eine durch nichts zu rechtfertigende (wahlrechtliche) Benachteiligung dieser Rehabilitanden ggü. sb Leiharbeitern, welche dort gleichfalls wie diese (gemeinsam) betriebsintegriert eingesetzt sind. Zudem behalten beide ihren Status: Der eine als Werkstattbeschäftigter, der andere als Arbeitnehmer des Verleihers.
• Es stehe nicht zwingend entgegen, dass Fachpersonal der Werkstatt bei der Einarbeitung im Betrieb und auch im weiteren Verlauf die benötigte (individuelle) Unterstützung gebe bzw. i.d.R. „partiell-zeitlich“ betreue; gleichwohl unterliegen sie den Bedingungen des ersten Arbeitsmarktes „weitestgehend eigenständig“, wie andere; eine "ständige" Vor-Ort-Betreung finde dort regelmäßig durch die WfbM nicht statt laut LAG:WfbM Thüringen 2013, Seite 11/12.
Daraus lässt sich m.E. zwingend nichts gegen das SBV-Wahlrecht ableiten: Der WfbM-Status steht grds. so wenig dem SBV-Wahlrecht im Einsatzbetrieb entgegen wie die Tatsache, dass ein als Leiharbeitnehmer eingesetzter Beschäftigter im Einsatzbetrieb seinen Rechts-Status als Arbeitnehmer des Verleihers beibehält und dennoch sofort wahlberechtigt wird für die SBV in seinem Entleiherbetrieb.
Arbeitsabläufe / Produktionsabläufe
Das Arbeiten in einem solchen Unternehmen vermittelt berufliche Realität. Die dort Beschäftigten bleiben zwar Beschäftigte der WfbM, sind aber „in die Arbeits- und Produktionsabläufe der Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes eingebunden“ laut frax.de
Kann daher nicht die Ansicht teilen von Ulrich Römer und Rolf Gollnick und der BIH zur Frage 1 zum akt. Wahlrecht. Zuständig für das Betriebsverhältnis ist die SBV, und für‘s Grundverhältnis der Werkstattrat. Die BIH-Wahlbroschüre, Seite 17, 37/38, die akt. Wahlrecht pauschal ablehnt, dabei aber übersieht, dass diese Beschäftigten aus WfbM auf ausgelagerten Arbeitsplätzen des allgemeinen ersten Arbeitsmarkts "in der Regel in den Arbeitsprozess beim jeweiligen Betriebsinhaber integriert sind" (so Prof. Dr. Kohte, FKS-SGB IX, § 219 Rn. 13; ebenso Kohte, Fachbeitrag B17-2014 m.w.N. auf reha-recht.de; ferner Adlhoch, br 3/2017, Seite 63/64). Die nächste Auflage der BIH-Wahlbroschüren sollten daher auch in diesem Punkt kritisch hinterfragt und bereinigt werden, aber auch der nachfolgend beschriebene offensichtliche Redaktionsfehler - da anfechtungsrelevant.
„Noch Fragen?“
Entgegen der viel zu engen BIH-Ansicht in ZB info 1 I 2018, Seite 6, zur Organisation der Wahl, sind laut h.M. nicht nur schwerbehinderte Leiharbeitnehmer, welche „länger als drei Monate“ im Entleiherbetrieb eingesetzt werden, wahlberechtigt – da es solche Einschränkung nicht gibt für SBV-Wahlen laut § 177 Abs. 2 SGB IX: In diesem Absatz 2 steht nichts von drei Monaten. Dieser offensichtliche Fehler führt in die Irre und sollte unbedingt mal von BIH bereinigt werden
Kennt evt. jemand dazu noch weitere Literatur pro oder contra, oder anhängige Anfechtungen wegen "fehlerhafter Wählerliste" bzw. wegen dieser sog. „betriebsintegrierten“ Beschäftigung“ von sbM.
Viele Grüße
Albin Göbel
_________
*) Düwell, Wahl der SBV, Kapitel 1.2.7:
"So werden von der SBV auch vertreten: die in den Betriebsablauf eingegliederten schwerbehinderten Rehabilitanden der WfbM, die auf ausgelagerten Arbeitsplätzen (sog. „Betriebsintegrierte Beschäftigung“) tätig sind;22"
Hallo zusammen, kann die zwei pauschalen Antworten zu der Frage 1, welche auf die BIH-Wahlbroschüre 2018 verweisen, nicht nachvollziehen lt. Rspr. und Literatur.ruth.esser hat geschrieben:Haben auch Beschäftigte einer Behindertenwerkstatt (in Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber FSU Jena) ein Wahlrecht?
Diese höchstrichterlich noch nicht geklärte spannende Rechtsfrage ist umstritten, soweit es um ausgelagerte Arbeitsplätze, also idR. den betriebsintegrierten Gruppen- bzw. Einzelarbeitsplätzen auf dem ersten Arbeitsmarkt geht. Die betriebsintegrierten Außenarbeitsplätze haben eine gewisse Scharnierfunktion für eine Übernahme auf den allgemeinen Arbeitsmarkt, da sie Betrieb und Beschäftigten ermöglichen, die Leistungsfähigkeit unter "normalen" betrieblichen Bedingungen incl. Zusammenarbeit mit Stammpersonal kennenzulernen. Gewollt ist, dass dort Bedingungen herrschen, die im allgemeinen Arbeitsmarkt üblich sind nach dem Fachschrifttum, dokumentiert im Web mit zahlreichen Praxisbeispielen einer Zusammenarbeit zwischen den Menschen mit und ohne SB in Unternehmen des ersten Arbeitsmarktes. Ausgelagert seien gemäß § 219 Absatz 1 SGB IX aktuell über 15.000 Arbeitsplätze, d.h. 5 Prozent aller WfbM-Beschäftigten, darunter Hamburg und Bremen mit jeweils über 10 Prozent ihrer WfbM-Beschäftigten (ISB-Forschungsbericht 2008, FB383-2008, 53).
Das BAG, Beschluss vom 17.12.2014, 7 ABR 53/14, hat die Rechtsbeschwerde (BMW München) eingestellt gegen LAG München, 28.05.2014, 8 TaBV 34/12, allein aus rein formal-prozessualen Gründen wegen Ablauf der SBV-Wahlperiode 2014, ohne in der Sache zu entscheiden. Fachbeitrag dazu von Prof. Dr. Kohte auf reha-recht.de und Adlhoch, Beitrag Vertrauenspersonen fragen – Behindertenrecht, br 3/2017, Seite 63, mit Beispielen. Danach können nicht „pauschal“ Werkverträge oder Dienstverträge unterstellt werden, so aber wohl BIH-Wahlbroschüre S. 17, 37/38 für zeitweilige oder dauerhafte „Beschäftigung“ auf ausgelagerten Einzel- bzw. Gruppenarbeitsplätzen in Betrieben oder Dienststellen. Immerhin spricht § 5 Abs. 4 Satz 1 WVO ausdrücklich von „Beschäftigung“ auf „Arbeitsplätzen“ (BiAP).
Die nicht begründbare und viel zu pauschale apodiktische BIH-Ansicht ist strikt abzulehnen: Es kann jedenfalls nicht unterstellt werden, wonach das alles per Werkvertrag oder Dienstvertrag erfolge Diese BIH-Kriterien sind weder zwingend noch relevant laut § 177 Abs. 2 SGB IX sowie § 1 Abs. 2 SchwbVWO für das Wahlrecht laut h.M.BIH, Seite 37/38 hat geschrieben:Nicht wahlberechtigt sind … wenn Werkstattbeschftigte auf ausgelagerten Arbeitsplätzen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beschäftigt werden .… Durch die zeitweise Beschäftigung auf einem ausgelagerten Arbeitsplatz wird die Verantwortlichkeit der Werkstatt gegenüber dem Beschäftigten nicht eingeschränkt …
Das LAG München hat leider nicht näher untersucht, ob es sich tatsächlich um bloße Werkverträge handelt für die 123 Beschäftigten aus WfbM, wie ja behauptet, oder aber um Beschäftigung i.S.d. § 177 Absatz 2 SGB IX n.F. Laut einer Definition von Dr. Sachadae, Seite 170 / 171, werde vom wahlrechtlichen Beschäftigungsbegriff umfasst, soweit jmd. "persönlich abhängige, fremdbestimmte Dienste zu erbringen" habe – zentrales Merkmal und Abgrenzungskriterien des wahlrechtlichen Beschäftigungsbegriffs wie folgt:
BundesarbeitsgerichtDr. Sachadae hat geschrieben:Im Sinne des § 94 SGB IX beschäftigt ist, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags, auf Grund eines freiwillig eingegangenen Sonderstatusverhältnisses oder auf Grund eines diesen beiden Formen gleichgestellten Rechtsverhältnisses verpflichtet ist, persönlich abhängige, fremdbestimmte Dienste zu erbringen. (Dissertation 2013, Seite 171) rehadat-forschung.de
Laut BAG vom 27.06.2001, 7 ABR 50/99, Rn 22, ist u.U. "Beschäftigung von Rehabilitanden sogar ausreichend zur Erfüllung der Beschäftigungspflicht" (§ 158 Abs 3 SGB IX)
• wobei "ohne sonstige Voraussetzungen" nach einhelliger Auffassung im Schrifttum sämtliche im Betrieb beschäftigten sbM wahlberechtigt sind (Rn. 17 m.w.N.), und
• "aus Gründen demokrat. Legitimation" angezeigt ist, Rehabilitanden das aktive Wahlrecht zuzuerkennen zu dem Organ, welches ihre besonderen Interessen im Betrieb wahrzunehmen hat (Rn. 24*),
• sowie ua. § 5 Abs. 4 WVO wortwörtlich von ➔"Beschäftigung auf ausgelagerten Arbeitsplätzen" spricht. Für mich laut alledem nicht plausibel, warum das generell keine Beschäftigung lt. § 177 Abs 2 SGB IX bzw § 1 Abs. 2 SchwbVWO sein soll - so aber BIH-Wahlbroschüre Seite 17/37 (pauschal).
Übergangsgruppe
Das insbesondere dann, "wenn sie quasi wie Leiharbeiter" eingebunden sind (vgl. Ritz, Gutachten zur "Teilhabe von Menschen mit wesentlichen Behinderungen am Arbeitsmarkt" 2015, in Abschnitt 4.5 WfbM-Außenarbeitsplätze, S. 40), wenn es um eine Übergangsgruppe geht i.S.d. § 5 Absatz 4 WVO (privilegiert laut § 158 Absatz 3 SGB IX) bzw wenn es sich um Einzelarbeitsplätze handelt. Denn diese sind nicht nur "räumlich" in den Betrieb, sondern auch organisatorisch in die Betriebsabläufe bzw. „Arbeits- und Produktionsabläufe eingebunden“ nach dem Konzept der Außenarbeitsplätze (so zu Recht Adlhoch, "Vertrauenspersonen fragen", Behindertenrecht, br 3/2017, 63, mit Beispielen sowie mit Verweis auf Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, Rn. 29 zu § 94 a.F.) Der Ansicht der BIH-Wahlbroschüre, dass auch diese im Verzeichnis zur Ausgleichsabgabe namentlich eingetragen Beschäftigten (pauschal) nicht als Beschäftigte i.S.d. SBV-Wahlrechts anzusehen seien, steht klar die h.M. laut Rspr. und Literatur entgegen.
Für aktives Wahlrecht daher grds. Krämer/Gün, in: FKS-SGB IX, 4. Auflage 2018, § 177 Rn. 26, für schwerbehinderte Werkstattbeschäftigte, welche auf sogenannten Außenarbeitsplätzen nach § 219 Abs. 1 Satz 5 SGB IX in einem anderen Betrieb oder einer Dienststelle beschäftigt sind; a.A. BIH-Wahlbroschüre, Seite 17/37, die ein aktives SBV-Wahlrecht wohl von vornherein ganz pauschal und apodiktisch ablehnt. ABER: Bei dieser Rechtsfrage ist auch bedeutsam, dass die Beschäftigten aus WfbM auf diesen sog. Außenarbeitsplätzen des allgemeinen ersten Arbeitsmarktes
"in der Regel in den Arbeitsprozess beim
jeweiligen Betriebsinhaber integriert sind"
Fachschrifttum (BiAP)
So Prof. Dr. Kohte/Ritz, FKS-SGB IX, § 219 Rn. 13; ebenso Kohte, Beitrag B17-2014 m.w.N. auf reha-recht.de; ebenso Adlhoch, br 3/2017, Seite 63/64; ebenso Prof. Düwell, Wahl der Schwerbehindertenvertretung 2018, Kap 1.2.7, zu verbreiteten Fehlern durch Verkennung der Wahlberechtigung*); HaKo-BetrVG § 32 Rn 10, zu aus WfbM ausgelagerten Arbeitsplätzen (Betriebsintegrierte Beschäftigung); ferner LPK-SGB IX, § 177 Rn. 13, unter Verweis auf LAG München, Grundsatzbeschluss vom 28.05.2014, Az: 8 TaBV 34/12, und GK-SGB IX/Wendt, Rn. 34 zu § 136 a.F, wonach es auf ein Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber bzw. auf den Status als WfbM-Angehöriger nicht ankomme, und das Wahlrecht sofort und nicht erst nach drei Monaten einsetze.
Ausschlusskriterien?
• Auch stehe nicht zwingend dem entgegen, dass es in der WfbM den gewählten Werkstattrat gibt nach § 222 Abs. 2 SGB IX, weil nicht gesetzliches Ausschlusskriterium für SBV-Wahlen im Einsatzbetrieb oder Dienststelle laut Wortlaut des § 177 Abs. 2 SGB IX, und nach "ministerieller" Definition in § 1 Absatz 2 SchwbVWO. In dem Sinne auch BAG 16.04.2003, 7 ABR 27/02, für SBV-Wahl für Rehabilitanden (unter Aufhebung des ArbG Mannheim in einer Sprungrechtsbeschwerde). Viel zu eng folglich die rein formale Sicht, dass es in der WfbM einen Werkstattrat für die Werkstattbeschäftigten gebe laut WMVO. Denn dieser hat ohnehin keinerlei Beteiligungsrechte, soweit es um (konkrete) Beschäftigungs-Modalitäten außerhalb der WfbM auf Arbeitsplätzen in anderen Unternehmem gemäß deren Vorgaben geht. Alles andere wäre sonst eine durch nichts zu rechtfertigende (wahlrechtliche) Benachteiligung dieser Rehabilitanden ggü. sb Leiharbeitern, welche dort gleichfalls wie diese (gemeinsam) betriebsintegriert eingesetzt sind. Zudem behalten beide ihren Status: Der eine als Werkstattbeschäftigter, der andere als Arbeitnehmer des Verleihers.
• Es stehe nicht zwingend entgegen, dass Fachpersonal der Werkstatt bei der Einarbeitung im Betrieb und auch im weiteren Verlauf die benötigte (individuelle) Unterstützung gebe bzw. i.d.R. „partiell-zeitlich“ betreue; gleichwohl unterliegen sie den Bedingungen des ersten Arbeitsmarktes „weitestgehend eigenständig“, wie andere; eine "ständige" Vor-Ort-Betreung finde dort regelmäßig durch die WfbM nicht statt laut LAG:WfbM Thüringen 2013, Seite 11/12.
• Sollte Schell, SGB IX, § 55 Rz. 47, mit seiner (missverständlichen) Online-Kommentierung, wonach ein sbM "erst mit der Begründung des Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitgeber ... wahlberechtigt zu der Schwerbehindertenvertretung" sei, gemeint haben, dass das aktive SBV-Wahlrecht ein Arbeitsverhältnis voraussetze, so wäre das "kapitaler Fehlgriff" bzw. Verkennung des Beschäftigtenbegriffs nach § 177 SGB IX: Dieses ist eben nicht Voraussetzung, um wählen zu dürfen – laut allg. Ansicht und ständiger Rechtsprechung – zuletzt BAG vom 25.10.2017, 7 ABR 2/16, B I 2 b aa. Diese BMAS-Kommentierung von Schell erscheint zudem höchst kontraproduktiv, was den Erfolg des Budgets für Arbeit betrifft, dem ja vielfach solche Außenarbeitsplätze vorgelagert sind.LAG:WfbM Thüringen hat geschrieben:Bei Außenarbeitsplätzen wird regelmäßig keine ständige Vor-Ort-Betreuung von Fachpersonal, jedoch regelmäßige Gespräche und Abstimmung durch Fachpersonal mit den Menschen mit Behinderungen und den Partnerunernehmen gestaltet. Einzelarbeitsplätze erfordern und verlangen von den tätigen Menschen mit Behinderungen neben fachlicher Kompetenz auch ein hohes Maß an Sozialkompetenz, da sie den Bedingungen des Arbeitsmarktes weitestgehend eigenständig unterliegen. WfbM schließen dazu mit ihren Partnern Vereinbarungen ab, die die Rahmenbedingungen vereinbaren.
Rechtsvergleichrolf.gollnick hat geschrieben: Dies gilt auch, wenn die Werkstattbeschäftigten auf ausgelagerten Arbeitsplätzen in Betrieben des allgemeinen ersten Arbeitsmarktes beschäftigt werden. Sie sind in diesem Fall zwar räumlich in den Betrieb des allgemeinen Arbeitsmarktes eingegliedert, behalten aber ihren Status als WfbM-Beschäftigte.
Daraus lässt sich m.E. zwingend nichts gegen das SBV-Wahlrecht ableiten: Der WfbM-Status steht grds. so wenig dem SBV-Wahlrecht im Einsatzbetrieb entgegen wie die Tatsache, dass ein als Leiharbeitnehmer eingesetzter Beschäftigter im Einsatzbetrieb seinen Rechts-Status als Arbeitnehmer des Verleihers beibehält und dennoch sofort wahlberechtigt wird für die SBV in seinem Entleiherbetrieb.
Arbeitsabläufe / Produktionsabläufe
Das Arbeiten in einem solchen Unternehmen vermittelt berufliche Realität. Die dort Beschäftigten bleiben zwar Beschäftigte der WfbM, sind aber „in die Arbeits- und Produktionsabläufe der Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes eingebunden“ laut frax.de
Kann daher nicht die Ansicht teilen von Ulrich Römer und Rolf Gollnick und der BIH zur Frage 1 zum akt. Wahlrecht. Zuständig für das Betriebsverhältnis ist die SBV, und für‘s Grundverhältnis der Werkstattrat. Die BIH-Wahlbroschüre, Seite 17, 37/38, die akt. Wahlrecht pauschal ablehnt, dabei aber übersieht, dass diese Beschäftigten aus WfbM auf ausgelagerten Arbeitsplätzen des allgemeinen ersten Arbeitsmarkts "in der Regel in den Arbeitsprozess beim jeweiligen Betriebsinhaber integriert sind" (so Prof. Dr. Kohte, FKS-SGB IX, § 219 Rn. 13; ebenso Kohte, Fachbeitrag B17-2014 m.w.N. auf reha-recht.de; ferner Adlhoch, br 3/2017, Seite 63/64). Die nächste Auflage der BIH-Wahlbroschüren sollten daher auch in diesem Punkt kritisch hinterfragt und bereinigt werden, aber auch der nachfolgend beschriebene offensichtliche Redaktionsfehler - da anfechtungsrelevant.
„Noch Fragen?“
Entgegen der viel zu engen BIH-Ansicht in ZB info 1 I 2018, Seite 6, zur Organisation der Wahl, sind laut h.M. nicht nur schwerbehinderte Leiharbeitnehmer, welche „länger als drei Monate“ im Entleiherbetrieb eingesetzt werden, wahlberechtigt – da es solche Einschränkung nicht gibt für SBV-Wahlen laut § 177 Abs. 2 SGB IX: In diesem Absatz 2 steht nichts von drei Monaten. Dieser offensichtliche Fehler führt in die Irre und sollte unbedingt mal von BIH bereinigt werden
Kennt evt. jemand dazu noch weitere Literatur pro oder contra, oder anhängige Anfechtungen wegen "fehlerhafter Wählerliste" bzw. wegen dieser sog. „betriebsintegrierten“ Beschäftigung“ von sbM.
Viele Grüße
Albin Göbel
_________
*) Düwell, Wahl der SBV, Kapitel 1.2.7:
"So werden von der SBV auch vertreten: die in den Betriebsablauf eingegliederten schwerbehinderten Rehabilitanden der WfbM, die auf ausgelagerten Arbeitsplätzen (sog. „Betriebsintegrierte Beschäftigung“) tätig sind;22"
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- Registriert: Dienstag 5. September 2017, 12:26
WfbM: Wer hat wo SBV-Wahlrecht?
I. SBV-Wahlrecht bei ausgelagerter Arbeit?
I. LAG München, 28.05.2014 – 8 TaBV 34/12
ich kenne keine Literatur – die ein derartiges Wahlrecht kategorisch ausschließt, auch nicht Sachadae in jurisPR-ArbR 43/2014 Anm. 3, der allein SBV-Wahlrecht für die Konstellation Dienstvertrag bzw. Werkvertrag ablehnt. In Fachliteratur findet sich also hierzu gerade keine andere „Rechtsauslegung“ entgegen BIH-Wahlbroschüre 2022, Seite 39/66, oder? Welche Quelle soll das denn sein?
Quelle wurde nirgends zitiert in Wahlbroschüre!
Dieses „Argument“ mit einem „Werkstattrat“ sieht die obergerichtliche Rspr. jedenfalls nicht als zwingendes Ausschlusskriterium an (so schon das ArbG München, 02.03.2012 – 37 BV 427/10, sowie das LAG München, 28.05.2014, 8 TaBV 34/12, rkr) entgegen der BIH-Wahlbroschüre 2022, S. 39/66, wonach es vorgeblich keine Rechtsprechung gäbe: „Rechtsprechung dazu ist bis Redaktionsschluss nicht ergangen.“ Diese (pauschale) Behauptung ist doppelt falsch, erschließt sich nicht mit Verweis auf die oben schon 2018 zitierten ExpertInnen Adlhoch, Krämer/ Gün, Dr. Wendt, Prof. Dr. Kohte/ Ritz, sowie Prof. Düwell, Vorsitzender Richter am BAG a.D. - welche sich teils ausgiebig damit befassten - teilweise frei zugänglich (Fachbeitrag B17-2014) im Internet und Erdmann/Jarosch, Behinderung und Recht, Fachzeitschrift für Inklusion, Teilhabe und Rehabilitation, br 6/2021 Seite 150-155, m.w.N. in der Endnote 9: „Die auf ausgelagerten Arbeitsplätzen beschäftigten sbM sind sowohl für die SBV des Beschäftigungsbetriebs als für die Wahl des Werkstattrats der Stamm-WfbM berechtigt.9“
Kein einziger dieser Experten teilt diese apodiktische
Einzelmeinung in BIH-Wahlbroschüre 2018 und 2022
Bundesweit sind „rund 20.000 ausgelagerte Arbeitsplätze“ gemeldet nach Erdmann/Jarosch, br 6/2021.
II. NEU: SBV-Wahlrecht in der WfbM?
LAG Hessen vom 13.11.2023, 16 TaBV 72/23, mit Anmerkung Düwell, in jurisPR-ArbR 6/2024 Anm. 7. Rechtsbeschwerde anhängig beim BAG unter dem Aktenzeichen: 7 ABR 36/23 wegen grundsätzlicher Bedeutung – ob Doppelwahlrecht oder eben nicht.
Leitsatz:
1. Anders als § 5 BetrVG knüpft § 177 Absatz 2 SGB IX nicht an den Arbeitnehmerbegriff, sondern an den Begriff des "Beschäftigten" an. Eine Beschäftigung setzt ein Arbeitsverhältnis nicht zwingend voraus.
2. Behinderte Menschen im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten, die gemäß § 221 Absatz 1 SGB IX, wenn sie nicht Arbeitnehmer sind, zu diesem in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis stehen, sind damit - auch wenn sie einen Werkstattrat wählen - gleichwohl im Betrieb beschäftigte schwerbehinderte Menschen im Sinne von § 177 Absatz 2 SGB IX.
3. Der Umstand, dass behinderte Menschen im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten durch Werkstatträte mitbestimmen, macht eine Interessenwahrnehmung durch die Schwerbehindertenvertretung nicht entbehrlich.
Hinweis: Nach Kirchenrecht, welches nicht auf § 177 Abs. 2 SGB IX verweist, kann aber durchaus etwas anderes gelten (soweit nur Mitarbeitende statt Beschäftige wahlberechtigt) Vergl. dazu aber auch die Einschätzung des Ministeriums 2004 zu der Frage der „Eingliederung“ der „Teilnehmenden“ in den Betrieb (§ 52 Satz 1 Halbsatz 2 SGB IX) ; darauf ist das Hess LAG nicht näher eingegangen. Kommentare von 1994 (zum SchwbG) und 2021 (SGB IX) scheinen da wohl uneinheitlich zu sein.
sinngemäße Anwendung des § 19 Abs. 3 BetrVG,
da kein Hinweis dazu im SBV-Wahlausschreiben
auf solche sog. Anfechtungsausschlussgründe:
Diese Feststellung des LAG Hessen zum „Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste“ ist m.E. „überflüssig wie ein Kropf“ – weil ein derartiger Einspruch (wahlrechtlich) nicht Voraussetzung für eine SBV-Wahlanfechtung ist! Das mag zwar gelten für BR-Wahlen seit 18.06.2021, nicht aber für SBV-Wahlen. Ausführlich dazu z.B. Diskussion von 2022, wonach insoweit eben nicht „sinngemäß anzuwenden“, da kein Hinweis im Wahlausschreiben wahlordnungsrechtlich vorgesehen – im Unterschied zu BR-Wahlen! Wäre dieses anders gewollt, hätte der Gesetzgeber das SGB IX und die Bundesregierung die SchwbVWO entspr. ändern müssen: Beides wurde aus unerfindlichen Gründen unterlassen was aber offenbar diesem Hessischen LAG entgangen ist („verbunden mit einem Hinweis auf die Anfechtungsausschlussgründe nach § 19 Abs. 3 Satz 1 und 2“ BetrVG im Wahlausschreiben). Wie sehen das die BIH-Experten, da „juristisches Neuland“ seit Rechtsänderung 2021?
Rechtsvergleich
In § 5 Abs. 1 Nr. 5 SchwbVWO oder sonst steht jedenfalls nach wie vor nichts von einem derartigen Anfechtungsausschlussgrund im Gegensatz zum BR-Wahlordnungsrecht.
Beste Grüße
Heidi Stuffer
I. LAG München, 28.05.2014 – 8 TaBV 34/12
Hallo zusammen,rolf.gollnick hat geschrieben: ↑Montag 16. Juli 2018, 13:10 Die in einer Werkstatt für behinderte Menschen als Rehabilitanden im Eingangsverfahren, im Berufsbildungs- und Arbeitsbereich tätigen behinderten Menschen gehören nicht zu den Beschäftigten im Sinne des § 177 Absatz 1 Satz 1 SGB IX. Sie wählen ihre eigene, besondere Interessenvertretung, den Werkstattrat.
ich kenne keine Literatur – die ein derartiges Wahlrecht kategorisch ausschließt, auch nicht Sachadae in jurisPR-ArbR 43/2014 Anm. 3, der allein SBV-Wahlrecht für die Konstellation Dienstvertrag bzw. Werkvertrag ablehnt. In Fachliteratur findet sich also hierzu gerade keine andere „Rechtsauslegung“ entgegen BIH-Wahlbroschüre 2022, Seite 39/66, oder? Welche Quelle soll das denn sein?
Quelle wurde nirgends zitiert in Wahlbroschüre!
Dieses „Argument“ mit einem „Werkstattrat“ sieht die obergerichtliche Rspr. jedenfalls nicht als zwingendes Ausschlusskriterium an (so schon das ArbG München, 02.03.2012 – 37 BV 427/10, sowie das LAG München, 28.05.2014, 8 TaBV 34/12, rkr) entgegen der BIH-Wahlbroschüre 2022, S. 39/66, wonach es vorgeblich keine Rechtsprechung gäbe: „Rechtsprechung dazu ist bis Redaktionsschluss nicht ergangen.“ Diese (pauschale) Behauptung ist doppelt falsch, erschließt sich nicht mit Verweis auf die oben schon 2018 zitierten ExpertInnen Adlhoch, Krämer/ Gün, Dr. Wendt, Prof. Dr. Kohte/ Ritz, sowie Prof. Düwell, Vorsitzender Richter am BAG a.D. - welche sich teils ausgiebig damit befassten - teilweise frei zugänglich (Fachbeitrag B17-2014) im Internet und Erdmann/Jarosch, Behinderung und Recht, Fachzeitschrift für Inklusion, Teilhabe und Rehabilitation, br 6/2021 Seite 150-155, m.w.N. in der Endnote 9: „Die auf ausgelagerten Arbeitsplätzen beschäftigten sbM sind sowohl für die SBV des Beschäftigungsbetriebs als für die Wahl des Werkstattrats der Stamm-WfbM berechtigt.9“
Kein einziger dieser Experten teilt diese apodiktische
Einzelmeinung in BIH-Wahlbroschüre 2018 und 2022
Bundesweit sind „rund 20.000 ausgelagerte Arbeitsplätze“ gemeldet nach Erdmann/Jarosch, br 6/2021.
II. NEU: SBV-Wahlrecht in der WfbM?
LAG Hessen vom 13.11.2023, 16 TaBV 72/23, mit Anmerkung Düwell, in jurisPR-ArbR 6/2024 Anm. 7. Rechtsbeschwerde anhängig beim BAG unter dem Aktenzeichen: 7 ABR 36/23 wegen grundsätzlicher Bedeutung – ob Doppelwahlrecht oder eben nicht.
Leitsatz:
1. Anders als § 5 BetrVG knüpft § 177 Absatz 2 SGB IX nicht an den Arbeitnehmerbegriff, sondern an den Begriff des "Beschäftigten" an. Eine Beschäftigung setzt ein Arbeitsverhältnis nicht zwingend voraus.
2. Behinderte Menschen im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten, die gemäß § 221 Absatz 1 SGB IX, wenn sie nicht Arbeitnehmer sind, zu diesem in einem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis stehen, sind damit - auch wenn sie einen Werkstattrat wählen - gleichwohl im Betrieb beschäftigte schwerbehinderte Menschen im Sinne von § 177 Absatz 2 SGB IX.
3. Der Umstand, dass behinderte Menschen im Arbeitsbereich anerkannter Werkstätten durch Werkstatträte mitbestimmen, macht eine Interessenwahrnehmung durch die Schwerbehindertenvertretung nicht entbehrlich.
Hinweis: Nach Kirchenrecht, welches nicht auf § 177 Abs. 2 SGB IX verweist, kann aber durchaus etwas anderes gelten (soweit nur Mitarbeitende statt Beschäftige wahlberechtigt) Vergl. dazu aber auch die Einschätzung des Ministeriums 2004 zu der Frage der „Eingliederung“ der „Teilnehmenden“ in den Betrieb (§ 52 Satz 1 Halbsatz 2 SGB IX) ; darauf ist das Hess LAG nicht näher eingegangen. Kommentare von 1994 (zum SchwbG) und 2021 (SGB IX) scheinen da wohl uneinheitlich zu sein.
Das ist offenbar fehlerhafte Auslegung, da keineLAG Hessen hat geschrieben:Die Antragsteller haben auch gemäß § 177 Abs. 6 Satz 2 SGB IX i.V.m. § 19 Abs. 3 S. 1 BetrVG Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste eingelegt (Bl. 10-12 der Akte).
sinngemäße Anwendung des § 19 Abs. 3 BetrVG,
da kein Hinweis dazu im SBV-Wahlausschreiben
auf solche sog. Anfechtungsausschlussgründe:
Diese Feststellung des LAG Hessen zum „Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste“ ist m.E. „überflüssig wie ein Kropf“ – weil ein derartiger Einspruch (wahlrechtlich) nicht Voraussetzung für eine SBV-Wahlanfechtung ist! Das mag zwar gelten für BR-Wahlen seit 18.06.2021, nicht aber für SBV-Wahlen. Ausführlich dazu z.B. Diskussion von 2022, wonach insoweit eben nicht „sinngemäß anzuwenden“, da kein Hinweis im Wahlausschreiben wahlordnungsrechtlich vorgesehen – im Unterschied zu BR-Wahlen! Wäre dieses anders gewollt, hätte der Gesetzgeber das SGB IX und die Bundesregierung die SchwbVWO entspr. ändern müssen: Beides wurde aus unerfindlichen Gründen unterlassen was aber offenbar diesem Hessischen LAG entgangen ist („verbunden mit einem Hinweis auf die Anfechtungsausschlussgründe nach § 19 Abs. 3 Satz 1 und 2“ BetrVG im Wahlausschreiben). Wie sehen das die BIH-Experten, da „juristisches Neuland“ seit Rechtsänderung 2021?
Rechtsvergleich
In § 5 Abs. 1 Nr. 5 SchwbVWO oder sonst steht jedenfalls nach wie vor nichts von einem derartigen Anfechtungsausschlussgrund im Gegensatz zum BR-Wahlordnungsrecht.
Beste Grüße
Heidi Stuffer
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Re: Wahlberechtigung SBV-Wahl?
Hallo Heidi Stuffer,Heidi Stuffer hat geschrieben: ↑Samstag 17. Februar 2024, 21:17 Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste
ich sehe das genauso, dass es für förmliche SBV-Wahlen keine solchen zwingenden Anfechtungsausschlussgründe gibt (a. A. offenbar LAG Hessen) – und zwar allein schon deshalb, weil es an einer entsprechenden „Hinweispflicht“ mangelt im SBV-Wahlausschreiben laut § 5 SchwbVWO.
Viele Grüße
Dr. Michael Karpf
Anfechtungsausschlussgründe bei SBV-Wahl?
LAG Hessen, 13.11.2023, 16 TaBV 72/23
Richtig: Denn dieses LAG Hessen hat wortwörtlich anstatt sinngemäß das BetrVG n.F. angewendet. Womöglich geht der Siebte Senat des BAG – 7 ABR 36/23, auch auf diese Rechtsfrage ein – auch wenn dieser Punkt nicht entscheidungserheblich sein dürfte in dort anhängiger „Rechtsbeschwerde“. Diese Anwendung ist nicht „sinngemäß“ - sondern sinnfrei, weil das so nicht im SBV-Wahlausschreiben steht im Gegensatz zu BR-Wahlausschreiben – demnach höchst intransparent für wahlberechtigte sbM. Auch kein wahlordnungsrechtlicher Ausschluss der Anfechtung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SchwbVWO im Gegensatz zur BR-Wahl nach § 3 Absatz 2 Nr. 3 Wahlordnung-BetrVG. Ein Einspruch gegen Richtigkeit der Wählerliste während des Wahlverfahrens ist keine „formelle“ Voraussetzung für die Anfechtungsberechtigung wegen falscher Wählerliste bei SBV-Wahlen. Es geht vielmehr alleine darum, das aktive Wahlrecht ausüben zu dürfen laut § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SchwbVWO oder eben nicht und nichts sonst.
BPersVG
Für Bereich des BPersVG n.F. gilt das mE. ohnehin nicht, weil dort im Wahlausschreiben für PR-Wahl keine solche Hinweispflicht vorgesehen gemäß § 6 BPersVWO Grüße Jada Wasi
BetrVGMichael Karpf hat geschrieben: ↑Donnerstag 22. Februar 2024, 20:08 keine zwingenden Anfechtungsausschlussgründe
Richtig: Denn dieses LAG Hessen hat wortwörtlich anstatt sinngemäß das BetrVG n.F. angewendet. Womöglich geht der Siebte Senat des BAG – 7 ABR 36/23, auch auf diese Rechtsfrage ein – auch wenn dieser Punkt nicht entscheidungserheblich sein dürfte in dort anhängiger „Rechtsbeschwerde“. Diese Anwendung ist nicht „sinngemäß“ - sondern sinnfrei, weil das so nicht im SBV-Wahlausschreiben steht im Gegensatz zu BR-Wahlausschreiben – demnach höchst intransparent für wahlberechtigte sbM. Auch kein wahlordnungsrechtlicher Ausschluss der Anfechtung nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SchwbVWO im Gegensatz zur BR-Wahl nach § 3 Absatz 2 Nr. 3 Wahlordnung-BetrVG. Ein Einspruch gegen Richtigkeit der Wählerliste während des Wahlverfahrens ist keine „formelle“ Voraussetzung für die Anfechtungsberechtigung wegen falscher Wählerliste bei SBV-Wahlen. Es geht vielmehr alleine darum, das aktive Wahlrecht ausüben zu dürfen laut § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SchwbVWO oder eben nicht und nichts sonst.
BPersVG
Für Bereich des BPersVG n.F. gilt das mE. ohnehin nicht, weil dort im Wahlausschreiben für PR-Wahl keine solche Hinweispflicht vorgesehen gemäß § 6 BPersVWO Grüße Jada Wasi
Anfechtung wegen falscher Wählerliste
LAG Nürnberg, 31.05.2012, 5 TaBV 36/11
dieser Leitsatz ist doppelt falsch:
Die „entscheidenden“ Überlegungen aus Sicht des LAG Nürnberg zu missbräuchlichem Verhalten beruhen auf sachfremden Erwägungen am Gesetz vorbei: Zu Recht Liebsch, Fachbeitrag B1-2019 auf reha-recht.de sowie ausführlich auch Diskussion 2018 mwN. seit den 60-er Jahren. Im Übrigen geht es nicht nur um Arbeitnehmer, sondern um Beschäftigte bei SBV-Wahlen.
Kritisch zu sehen sowie klar abzulehnen aber auch BIH-Wahlbroschüre 2022, Seite 92, und LAG Nürnberg vom 31.5.2012, 5 TaBV 36/11, zum ggf vermeintl. Verlust des Anfechtungsrechts bei Verzicht auf Einspruch gegen die fehlerhafte Wählerliste (a.A. zu Recht Düwell, Handbuch zur_Wahl der SBV, 3. Aufl. 2022, Abschnitt 10.3.2). Der Fehlbeschluss des LAG Nürnberg ist verbreitet in RSpr. sowie Literatur zu Recht auf Kritik gestoßen – darunter LAG München (II.1.2.4), LAG Hamm (jew. SBV) sowie
BAG, 02.08.2017, 7 ABR 42/15 - zur WahlO-BetrVG a.F.
Leitsatz Ein Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste nach § 4 Abs. 1 WO ist nicht Voraussetzung dafür, in einem späteren Wahlanfechtungsverfahren die Aufnahme nicht Wahlberechtigter in die Wählerliste rügen zu können.
Mit „Arglist“ hat das nichts zu tun nach BVerwG – wonach „zentraler“ Schutzzweck der Wahlanfechtungsnorm „die im allgemeinen Interesse“ liegende Prüfung der Ordnungsmäßigkeit einer Wahl. Auch geht Anfechtungsrecht „weit über die Interessen eines Einzelnen hinaus“ laut LAG München, 27.09.2005 - 8 TaBV 29/05 (II.3) - zu der Rechtsfrage der „Verwirkung“. Leider hat dieses LAG München 12x vom Wahlvorstand statt richtig von „Wahlleitung“ gesprochen, obwohl es natürlich keinen Wahlvorstand gab – da SBV-Wahlversammlung, also insoweit grob in die Irre führend Gruß Jada Wasi
Hallo zusammen,LAG Nürnberg hat geschrieben:Leitsatz: 3. Ein Arbeitnehmer verliert seine Anfechtungsberechtigung im Zusammenhang mit Mängeln, die die Richtigkeit der Wählerliste betreffen, wenn er berechtigt und in der Lage war, Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste einzulegen, hiervon jedoch keinen Gebrauch gemacht hat.
dieser Leitsatz ist doppelt falsch:
Die „entscheidenden“ Überlegungen aus Sicht des LAG Nürnberg zu missbräuchlichem Verhalten beruhen auf sachfremden Erwägungen am Gesetz vorbei: Zu Recht Liebsch, Fachbeitrag B1-2019 auf reha-recht.de sowie ausführlich auch Diskussion 2018 mwN. seit den 60-er Jahren. Im Übrigen geht es nicht nur um Arbeitnehmer, sondern um Beschäftigte bei SBV-Wahlen.
Kritisch zu sehen sowie klar abzulehnen aber auch BIH-Wahlbroschüre 2022, Seite 92, und LAG Nürnberg vom 31.5.2012, 5 TaBV 36/11, zum ggf vermeintl. Verlust des Anfechtungsrechts bei Verzicht auf Einspruch gegen die fehlerhafte Wählerliste (a.A. zu Recht Düwell, Handbuch zur_Wahl der SBV, 3. Aufl. 2022, Abschnitt 10.3.2). Der Fehlbeschluss des LAG Nürnberg ist verbreitet in RSpr. sowie Literatur zu Recht auf Kritik gestoßen – darunter LAG München (II.1.2.4), LAG Hamm (jew. SBV) sowie
BAG, 02.08.2017, 7 ABR 42/15 - zur WahlO-BetrVG a.F.
Leitsatz Ein Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste nach § 4 Abs. 1 WO ist nicht Voraussetzung dafür, in einem späteren Wahlanfechtungsverfahren die Aufnahme nicht Wahlberechtigter in die Wählerliste rügen zu können.
Mit „Arglist“ hat das nichts zu tun nach BVerwG – wonach „zentraler“ Schutzzweck der Wahlanfechtungsnorm „die im allgemeinen Interesse“ liegende Prüfung der Ordnungsmäßigkeit einer Wahl. Auch geht Anfechtungsrecht „weit über die Interessen eines Einzelnen hinaus“ laut LAG München, 27.09.2005 - 8 TaBV 29/05 (II.3) - zu der Rechtsfrage der „Verwirkung“. Leider hat dieses LAG München 12x vom Wahlvorstand statt richtig von „Wahlleitung“ gesprochen, obwohl es natürlich keinen Wahlvorstand gab – da SBV-Wahlversammlung, also insoweit grob in die Irre führend Gruß Jada Wasi
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- Registriert: Montag 6. Februar 2012, 14:36
BAG: Wer hat SBV-Wahlrecht in WfbM?
BAG vom 23.10.2024, 7 ABR 36/23
Düwell, jurisPR-ArbR 6/2024 Anm. 7
Demnach gilt der Leitsatz des LAG Hessen für das aktive Wahlrecht (§ 177 II SGB IX). Anders laut Kirchenrecht für WfbM im Bereich des MVG-EKD laut „Kirchengerichtshof“ vom 07.04.2008, KGH.EKD I-0124/N81-07, da MVG-EKD grade nicht auf diesen staatlichen Beschäftigtenbegriff im § 177 Abs. 2 SGB IX verweist (§ 50 Abs. 3 MVG-EKD).
Viele Grüße
Annette
Düwell, jurisPR-ArbR 6/2024 Anm. 7
Bahnbrechender BAG-Beschluss zu dem aktiven SBV-Wahlrecht schwerbehinderter Rehabilitanden in WfbM. Kurzbericht einer Verfahrensbeteiligten zum BAG:BAG hat geschrieben:Tenor: Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluss des Hessischen LAG vom 13. November 2023 – 16 TaBV 72/23 – wird zurückgewiesen.
Demnach gilt der Leitsatz des LAG Hessen für das aktive Wahlrecht (§ 177 II SGB IX). Anders laut Kirchenrecht für WfbM im Bereich des MVG-EKD laut „Kirchengerichtshof“ vom 07.04.2008, KGH.EKD I-0124/N81-07, da MVG-EKD grade nicht auf diesen staatlichen Beschäftigtenbegriff im § 177 Abs. 2 SGB IX verweist (§ 50 Abs. 3 MVG-EKD).
Viele Grüße
Annette
Zuletzt geändert von annette.rosenberg am Donnerstag 31. Oktober 2024, 17:09, insgesamt 1-mal geändert.