Hallo allerseits,
bei einem Personalgespräch eines langjährigen (und gleichgestellten) Mitarbeiters mit seinem neuen Vorgesetzten versuchte letzterer, wirklich alles gegen ihn zu verwenden, was eventuell gegen ihn sprechen könnte.
So erhält er einerseits als Nachteilsausgleich lt. Inklusionsvereinbarung eine Arbeitszeitermäßigung von 4%, was bei seiner Vollzeitbeschäftigung einer Stunde pro Woche entspricht. Andererseits ist der Mitarbeiter Hobby-DJ, der hin und wieder mal bei Stadtteilfesten, Betriebsfesten (!) usw. moderiert und über seine Anlage Musik laufen lässt. Er lässt sich das nach eigener Aussage auch (sehr unterschiedlich) vergüten, schließlich hat er ja auch Ausgaben für die Technik, deren Wartung und auch den Transport. Diese Tätigkeit bereitet ihm viel Spaß und ist v.a. Hobby, das Finanzielle steht nicht im Vordergrund. Es geht wohl um durchschnittlich 8-10 Veranstaltungen im Jahr, meist auf Zuruf und per Handschlag vereinbart.
Trotzdem meinte sein Chef, dass der Kollege ja nicht eine Ermäßigung der Arbeitszeit dazu ausnutzen könne, um in der gewonnenen Zeit zusätzlich Geld zu verdienen. Als Vertrauensperson widersprach ich sofort, schließlich gelte die Ermäßigungsstunde als Nachteilsausgleich für den Arbeitsplatz und nicht für den Freizeitbereich. Andernfalls wären ja schwerbehinderte KollegInnen prinzipiell von Nebentätigkeiten ausgeschlossen und dadurch diskriminiert. Letztendlich kam der Chef in diesem Gespräch nicht mehr auf das Thema zurück und beließ es dabei, für die Zukunft zu prüfen, ob die Nebentätigkeit nicht doch die Arbeitsleistung des Kollegen negativ beeinflusse.
Für mich war an dieser Stelle das Thema noch nicht "durch", sondern beschäftigt mich schon weiter. Zuerst: Ich war natürlich nicht auf die m.E. schon etwas freche Attacke vorbereitet und musste spontan reagieren - lag ich wirklich richtig?
Und dann die Frage, wie es sich bei schwerbehinderten und gleichgestellten Teilzeitkräften verhält: Da wäre ja das Argument des AG nicht so einfach von der Hand zu weisen. Und es gibt bei uns etliche AN, die nebenbei z.B. in einer Rockband oder in einer Theatergruppe spielen, Kulturveranstaltungen organisieren oder als Schriftsteller hin und wieder ein Buch oder Zeitschriftenartikel herausbringen. Ich weiß ja nicht automatisch, ob sie nicht doch mal eine Gage, Aufwandsentschädigung oder Kulturförderung o.ä. erhalten...
Durch den Fachkräftemangel müssen unsere AN wirklich für ihre Teilzeitverträge kämpfen, es wurden auch von ihnen ärztliche Atteste verlangt, um " Art oder Schwere der Behinderung" nach § 81 Abs. 5 SGB IX nachzuweisen.
Können solche Nebentätigkeiten da negativ bewertet werden?
PS. Gerade für die "Hobbykünstler" im Kollegenkreis ist das Musizieren, Malen, Auftreten, Ausstellen wirklich ein wunderbarer Ausgleich zur Berufstätigkeit, die ich absolut begrüße. Hier erholen sie sich, schalten ab, entschleunigen sich... Ich fände es wirklich furchtbar, wenn sie das einschränken müssten.
Nachteilsausgleiche vs. Nebentätigkeit
Re: Nachteilsausgleiche vs. Nebentätigkeit
Weil ich von niemandem eine Antwort erhalten habe:
Werden noch Informationen benötigt? Oder ist die Fragestellung "doof"?
Jedenfalls geistert der erwähnte Fall nicht nur in der SBV herum, sondern wurde inzwischen auch von einem Personalrat erwähnt.
Der war aber ebenso im Zweifel, wie man da dem AG entgegentritt und welche Rechtsgrundlage man bemühen kann.
Ich freue mich über jeden gedanklichen Ansatz!
Werden noch Informationen benötigt? Oder ist die Fragestellung "doof"?
Jedenfalls geistert der erwähnte Fall nicht nur in der SBV herum, sondern wurde inzwischen auch von einem Personalrat erwähnt.
Der war aber ebenso im Zweifel, wie man da dem AG entgegentritt und welche Rechtsgrundlage man bemühen kann.
Ich freue mich über jeden gedanklichen Ansatz!
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Re: Nachteilsausgleiche vs. Nebentätigkeit
Hallo,
a) die Ermäßigung per Inklusionsvereinbarung ist also für alle Beschäftigten pauschal, wenn ich das richtig verstanden habe?
b) sind die Nebentätigkeiten für die betr. Kollegen vom Arbeitgeber genehmigt worden? (grds. kann der Arbeitgeber diese nicht einfach verbieten!)
c) wirken sich diese Nebentätigkeiten nachweislich negativ auf das Hauptarbeitsverhältnis aus? Bzw. werden "berechtigte Interessen" des Arbeitgebers verletzt?
d) was ist im Arbeitsvertrag/Tarifvertrag dazu geregelt? Z. B. enthält § 3 Abs. 3 TVöD Regelungen zu Nebentätigkeiten
e) der Arbeitgeber darf einen Nachweis verlangen, wenn der Arbeitnehmer auf der Grundlage des § 164 Abs. 5 SGB IX einen Anspruch auf Teilzeit wegen Art und Schwere der Behinderung geltend macht.
Es kommt immer auf den Einzelfall an.
a) die Ermäßigung per Inklusionsvereinbarung ist also für alle Beschäftigten pauschal, wenn ich das richtig verstanden habe?
b) sind die Nebentätigkeiten für die betr. Kollegen vom Arbeitgeber genehmigt worden? (grds. kann der Arbeitgeber diese nicht einfach verbieten!)
c) wirken sich diese Nebentätigkeiten nachweislich negativ auf das Hauptarbeitsverhältnis aus? Bzw. werden "berechtigte Interessen" des Arbeitgebers verletzt?
d) was ist im Arbeitsvertrag/Tarifvertrag dazu geregelt? Z. B. enthält § 3 Abs. 3 TVöD Regelungen zu Nebentätigkeiten
e) der Arbeitgeber darf einen Nachweis verlangen, wenn der Arbeitnehmer auf der Grundlage des § 164 Abs. 5 SGB IX einen Anspruch auf Teilzeit wegen Art und Schwere der Behinderung geltend macht.
Es kommt immer auf den Einzelfall an.
Re: Nachteilsausgleiche vs. Nebentätigkeit
Vielen Dank, Herr Günther!
Zu Ihren Fragen:
a) Die Ermäßigung ist gestaffelt je nach GdB, beim betreffenden Kollegen beträgt sie eine Stunde pro Woche.
b) Es ist etwas undurchsichtig: Er hat wohl das betreffende Formular ausgefüllt und dem alten Chef gegeben, der nun in Rente ist. Allerdings findet das niemand... Aber wenigstens DAS wirft man nicht dem Kollegen vor.
c) Weder "berechtigte Interessen" des Arbeitgebers werden verletzt noch konnte man dem Kollegen wirklich nachweisen, dass er seine Arbeit nicht ordentlich verrichtet. Das wurde im Gespräch zwar angedeutet, aber auf meine Nachfrage kam dann nichts.
d) Im Arbeitsvertrag ist es analog zum § 3 Abs. 3 TVöD, also Anzeigepflicht von Nebentätigkeiten. Das lief während der letzten Jahre nie irgendwo problematisch.
e) Der Kollege arbeitet in Vollzeit.
Zu den Vorwürfen ist nie etwas nachgekommen, also scheint der Verweis auf die Nebentätigkeit ein netter Versuch des AG gewesen zu sein, dem Kollegen "am Zeug zu flicken".
Interessant wird es vielleicht, wenn ein schwerbehinderter AN in Teilzeit arbeitet und auch ein Attest vorlegt, aber eine Nebentätigkeit anzeigt. Einige meiner Kollegin "werkeln" nebenbei, wie gesagt, als Buchautor oder künstlerisch, also als Musiker o.ä.
Zu Ihren Fragen:
a) Die Ermäßigung ist gestaffelt je nach GdB, beim betreffenden Kollegen beträgt sie eine Stunde pro Woche.
b) Es ist etwas undurchsichtig: Er hat wohl das betreffende Formular ausgefüllt und dem alten Chef gegeben, der nun in Rente ist. Allerdings findet das niemand... Aber wenigstens DAS wirft man nicht dem Kollegen vor.
c) Weder "berechtigte Interessen" des Arbeitgebers werden verletzt noch konnte man dem Kollegen wirklich nachweisen, dass er seine Arbeit nicht ordentlich verrichtet. Das wurde im Gespräch zwar angedeutet, aber auf meine Nachfrage kam dann nichts.
d) Im Arbeitsvertrag ist es analog zum § 3 Abs. 3 TVöD, also Anzeigepflicht von Nebentätigkeiten. Das lief während der letzten Jahre nie irgendwo problematisch.
e) Der Kollege arbeitet in Vollzeit.
Zu den Vorwürfen ist nie etwas nachgekommen, also scheint der Verweis auf die Nebentätigkeit ein netter Versuch des AG gewesen zu sein, dem Kollegen "am Zeug zu flicken".
Interessant wird es vielleicht, wenn ein schwerbehinderter AN in Teilzeit arbeitet und auch ein Attest vorlegt, aber eine Nebentätigkeit anzeigt. Einige meiner Kollegin "werkeln" nebenbei, wie gesagt, als Buchautor oder künstlerisch, also als Musiker o.ä.
Re: Nachteilsausgleiche vs. Nebentätigkeit
Hallo,
neben dem SGB IX sollte auch § 8 Absatz 4 des TzBfG https://www.gesetze-im-internet.de/tzbf ... 10000.html in den Blick genommen werden. Unabhängig von der Behinderung kann der AG die Teilzeit nur ablehnen, wenn "Ein betrieblicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht" . Mir scheint das der AG bzw. der Vorgesetzter hier eher tatsächlich händeringend nach möglichen Verstößen sucht. Was für ein Charakter muss das sein?
Viele Grüße
Christian Vedder
neben dem SGB IX sollte auch § 8 Absatz 4 des TzBfG https://www.gesetze-im-internet.de/tzbf ... 10000.html in den Blick genommen werden. Unabhängig von der Behinderung kann der AG die Teilzeit nur ablehnen, wenn "Ein betrieblicher Grund liegt insbesondere vor, wenn die Verringerung der Arbeitszeit die Organisation, den Arbeitsablauf oder die Sicherheit im Betrieb wesentlich beeinträchtigt oder unverhältnismäßige Kosten verursacht" . Mir scheint das der AG bzw. der Vorgesetzter hier eher tatsächlich händeringend nach möglichen Verstößen sucht. Was für ein Charakter muss das sein?
Viele Grüße
Christian Vedder
Re: Nachteilsausgleiche vs. Nebentätigkeit
Vielen Dank für den wertvollen Hinweis, Herr Vedder!
Es ist in Zeiten des Fachkräftemangels wirklich so, dass Teilzeitanträge gern mal abgelehnt werden. Das hatte dann zur Folge, dass der eine oder andere AN dann lieber mit Abschlägen seinen Rentenbeginn vorgezogen hat... Und der AG letztendlich noch schlechter dastand als vorher.
Ihr Verdacht, vor allem IRGENDWAS zu finden, ist auch meiner. Leider wurde er bestätigt, denn nun sind gegenüber dem Kollegen neue Vorwürfe aufgetaucht, die aber nicht hierher gehören.
Trotzdem ist es gut, wenn man als SBV auch auf solche Nebelkerzen souverän reagieren kann. Mir hilft da in der Vorbereitung oft das worst case scenario, sich also die schwersten Vorwürfe auszumalen, die kommen könnten - und sich eine Reaktion zurechtzulegen. Leider war das manchmal schon hilfreich...
Herzliche Grüße
aus dem
Deep Sky
Es ist in Zeiten des Fachkräftemangels wirklich so, dass Teilzeitanträge gern mal abgelehnt werden. Das hatte dann zur Folge, dass der eine oder andere AN dann lieber mit Abschlägen seinen Rentenbeginn vorgezogen hat... Und der AG letztendlich noch schlechter dastand als vorher.
Ihr Verdacht, vor allem IRGENDWAS zu finden, ist auch meiner. Leider wurde er bestätigt, denn nun sind gegenüber dem Kollegen neue Vorwürfe aufgetaucht, die aber nicht hierher gehören.
Trotzdem ist es gut, wenn man als SBV auch auf solche Nebelkerzen souverän reagieren kann. Mir hilft da in der Vorbereitung oft das worst case scenario, sich also die schwersten Vorwürfe auszumalen, die kommen könnten - und sich eine Reaktion zurechtzulegen. Leider war das manchmal schon hilfreich...
Herzliche Grüße
aus dem
Deep Sky