BEM Datenschutz - Weitergabe von Daten bei laufenden Verfahren wg. Prüfung disziplinarischer Maßnahmen des AG

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green_penguin
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BEM Datenschutz - Weitergabe von Daten bei laufenden Verfahren wg. Prüfung disziplinarischer Maßnahmen des AG

Beitrag von green_penguin »

Liebes Forum,

ich habe Fragen zum Datenschutz im BEM. Ich arbeite im Bereich BEM Fallmanagement und betreue die BEM Verfahren bei uns.

Es geht darum, dass bei uns regelmäßig die Personalabteilung nachfragt, ob ein BEM eingeleitet wurde und welcher Status das BEM hat (bspw. in Bearbeitung, Abgeschlossen, das keine Rückmeldung erfolgte, oder das das Verfahren ausgesetzt wurde etc.). Diese Daten dürfen meiner Einschätzung nach auch ohne datenschutzrechtliche bedenken weitegegeben werden. Wie haben bei uns keine Betriebsvereinbarung zum BEM.

Nun möchte die Personalabteilung weiterführende Info zu den Inhalten des BEM Verfahrens. Die Personalabteilung möchte wissen, ob und welche Maßnahmen im Rahmen des BEM durchgeführt werden bzw. wurden, um ggf. eine disziplinarische Maßnahme gegen den BEM berechtigten einzuleiten.

Meine Fragen sind nun:

1. Welche Informationen darf ich ohne Einwilligung der Person an die Personalabteilung weitergeben?
2. Wie sollte die Weitergabe der Informationen im BEM idealerweise geregelt werden, so dass das für alle beteiligten transparent ist?
3. Existieren Vorlagen bzw. Datenschutzkonzepte für ein gesetzteskonformes Vorgehen?
4. Welche Gesetzte sind für eine Argumentation ggü. der Personalabteilung hilfreich?


Wenn ihr weitere Infos benötigt, schreibt mich bitte an :)

Vielen Dank für eure Unterstützung!

Liebe Grüße,
Daniel
jada.wasi
Beiträge: 395
Registriert: Freitag 30. März 2012, 16:30

BEM Datenschutz - Weitergabe von Daten bei laufenden Verfahren wg. Prüfung disziplinarischer Maßnahmen des AG

Beitrag von jada.wasi »

Die Personalabteilung möchte wissen, ob und welche Maßnahmen im Rahmen des BEM durchgeführt werden bzw. wurden, um ggf. eine disziplinarische Maßnahme gegen den BEM-Berechtigten einzuleiten.
Lieber Daniel,

gemäß dem Fachschrifttum kommen in die Personalakte Maßnahmen, die auch sonst in die Personalakte kommen wie Umsetzung + Versetzung. Aber welche Maßnahmen sind hier gemeint mit den "Maßnahmen des BEM"? Keine Mitwirkung am BEM oder etwaige Verzögerungen, was soll da disziplinarisch bewertet werden, ich verstehe es nicht? Zum Thema vgl. zum Beispiel auch Diskussion aus 2012. Nach BIH-Ansicht darf u.a. das Formular „Datenblatt zum Abschluss des BEM (geeignet für die Personalakte)“, das auch technische und organisatorische Maßnahmen enthält, der Personalakte beigefügt werden. Achtung: Nicht jede Maßnahme fällt darunter, nur diese beiden Kategorien wie bspw. technische Hilfsmittel oder auch Versetzung bzw. Eingliederungsplan Stufenweisen Wiedereingliederung.

Grundsätzlich gilt hier: Die herrschende Ansicht lehnt die Verwendung erhobener Gesundheitsdaten außerhalb des BEM mit der Begründung ab, dass die erhaltenen Daten ausdrücklich nur zum Zwecke des BEM genutzt werden dürfen. Dieser Zweck wird in der Datenschutzerklärung (Seite 73/74) vor Beginn des BEM benannt. Soweit diese erhobenen BEM-Daten darüber hinaus verwendet werden sollen (z.B. Kündigungsverfahren), liegt m.E. ein schwerer Verstoß gegen den Grundsatz der Zweckbindung gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. b DSGVO vor. Im Zweifel evtl. Ihren betrieblichen Datenschutzbeauftragten, sofern vorhanden, ggf. konkret befragen? Tipp: Halte die kostenfreie BEM-Handlungsempfehlungen aus NRW, 7. Auflage 2018, für recht gelungen 👍 – und eigentlich für unverzichtbar für jeden BEM-Beauftragten.

2. Wie sollte die Weitergabe der Informationen im BEM idealerweise geregelt werden, so dass das für alle Beteiligten transparent ist?
Hinweise zur Handhabung des Datenschutzes und auch „Regelungsempfehlung“ zu BEM-Vereinbarungen gibt es hier_ab Seite 34. Gruß Jada Wasi
CVedder
Beiträge: 347
Registriert: Dienstag 2. November 2010, 11:14

Re: BEM Datenschutz - Weitergabe von Daten bei laufenden Verfahren wg. Prüfung disziplinarischer Maßnahmen des AG

Beitrag von CVedder »

Hallo Daniel,

das mit den disziplinarischen Maßnahmen irritiert mich. In welcher Fallkonstellation sollen die denn eintreten? Achtung: Es kann nur von einem ordnungsgemäßen BEM ausgegangen werden, wenn dessen Ziele, sowie Art und gemäß Gesetz und Rechtsprechung Umfang der dabei erhobenen Daten vom Arbeitgeber oder dessen Beaufragten zuvor dem Beschäftigten erläutert wurden BAG, Urt. v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13.
Ist dies nicht sauber geschehen und stets ein ergebnisoffener Suchprozess nach Lösungen gewährleistet, ist es kein ordnungsgemäßes BEM.

Ich empfehle dringend der Abschluss eines BEM Vereinbarung.

Viele Grüße
Christian Vedder
green_penguin
Beiträge: 2
Registriert: Donnerstag 19. Januar 2023, 08:59

Re: BEM Datenschutz - Weitergabe von Daten bei laufenden Verfahren wg. Prüfung disziplinarischer Maßnahmen des AG

Beitrag von green_penguin »

Liebes Forum,

Danke für die hilfreichen Rückmeldungen auf meine Fragen. Ich bin beeindruckt von der schnellen Reaktion. :)

Das Datenblatt zum Abschluss des BEM (geeignet für die Personalakte) bietet eine gute Orientierung. Daraus ergeben sich für mich noch weitere Fragen zum Datenschutz und dem Umgang mit sensiblen Informationen. Nicht alle Maßnahmen im BEM müssen zwangsläufig durch den Arbeitgeber geprüft werden und müssten m.E. auch nicht unbedingt auf dem Datenblatt zum Abschluss des BEM (geeignet für die Personalakte) aufgenommen werden. Eine weitere Frage wäre auch, ob zum Beispiel Maßnahmen, von denen der Arbeitgeber nicht zwangsläufig erfahren soll, auch mit aufgenommen werden sollten. Beispielsweise, wenn ein Beschäftigter, bei dem noch abgeklärt wird, ob eine psychosomatische Erkrankung (fachärztliche Abklärung ohne Diagnose) vorliegt und dieser er nicht wünscht, dass die Information der Abklärung an die Personalabteilung weitergeben wird.

In einzelnen BEM Verfahren kann durchaus der Eindruck entstehen, dass Beschäftigte nicht voll motiviert sind bzw. sich nicht an Vereinbarungen halten (Rückmeldefristen zu Maßnahmen nicht einhalten o.ä.). Dies wären aus meiner Sicht sehr sensible Informationen, die objektiv schwierig wären für die Personalabteilung ohne Hintergründe alleine zu bewerten.

In dem konkreten Fall hat der Beschäftigte Fehlzeiten in den letzten 3 Jahren von über 50% (und mehr) und ist immer wieder mit neuen Diagnosen krank. Der Arbeitgeber prüft nun, ob eine Kündigung eine Möglichkeit ist und wünscht idealerweise den schnellen Abschluss des Verfahrens mit Einwilligung des Mitarbeitenden. Die von ihm im BEM Verfahren vorgeschlagenen Maßnahmen (Prüfung ob andere leidensgerechte Arbeitsplätze verfügbar wären mit konkreten Vorschlägen für einen Einsatz und die Wiederholung einer Arbeitserprobung in einem Bereich nach einer geplanten Reha) wurden seitens der Personalabteilung geprüft u. abgelehnt. Bei der Arbeitserprobung lagen über 60% Fehlzeitenquote vor. Der Beschäftige hat keinen GdB.

In unserer Einwilligungserklärung zum BEM und im ersten BEM-Gespräch wird auf den Datenschutz hingewiesen und darauf, dass keine Daten ohne Einwilligung des Beschäftigten weitergegeben werden, außer dem Datum des BEM-Angebots, Rückmeldung, Annahme, Ablehnung oder das Fehlen einer Rückmeldung.

Meine persönliche Meinung ist, dass eine Betriebsvereinbarung absolut erforderlich ist und dass in der Ausgestaltung des Datenschutzes auch der innerbetriebliche Datenschutz mitwirken sollte.
jada.wasi
Beiträge: 395
Registriert: Freitag 30. März 2012, 16:30

BEM Datenschutz - Weitergabe von Daten bei laufenden Verfahren wg. Prüfung disziplinarischer Maßnahmen des AG

Beitrag von jada.wasi »

green_penguin hat geschrieben: Donnerstag 19. Januar 2023, 18:59 Eine weitere Frage wäre auch, ob zum Beispiel Maßnahmen, von denen der Arbeitgeber nicht zwangsläufig erfahren soll, auch mit aufgenommen werden sollten. Beispielsweise, wenn ein Beschäftigter, bei dem noch abgeklärt wird, ob eine psychosomatische Erkrankung (fachärztliche Abklärung ohne Diagnose) vorliegt und dieser es nicht wünscht, dass die Information der Abklärung an die Personalabteilung weitergeben wird.
Nein, allenfalls mit ausdrücklicher Zustimmung des BEM-Berechtigten: Denn dieses ist weder eine technische noch organisatorische Maßnahme i.S.d. BEM-Datenblattes, die Arbeitgeber aber ja ohnehin in aller Regel kennen sollten.
Urteil: „Wird in dem Hinweis über die Datenerhebung und Datenverwendung der fälschliche Eindruck erweckt, dass Gesund­heits­daten an Vertreter des Arbeitgebers weiter­ge­geben werden können, die nicht am BEM-Verfahren beteiligt sind, geht dies zu Lasten des Arbeitgebers. Die vom Arbeit­geber verursachte Fehlvorstellung steht einer ordnungs­ge­mäßen Einleitung des BEM entgegen.“
(LAG BW, 20.10.2021, 4 Sa 70/20 ➔ BAG-Vergleich)

green_penguin hat geschrieben: Donnerstag 19. Januar 2023, 18:59 Der Arbeitgeber prüft nun, ob eine Kündigung eine Möglichkeit ist und wünscht idealerweise den schnellen Abschluss des Verfahrens mit Einwilligung des Mitarbeitenden.
Wenn „Abklärung“ geboten, so sollte das abgewartet werden. Wenn Reha-Maßnahme in Betracht kommt, dann muss auch der Reha-Träger regelmäßig hinzugezogen werden laut dem § 167 Abs. 2 Satz 5 SGB IX. Wurde denn eine „Stufenweise Wiedereingliederung“ sowie die Hinzuziehung des „Betriebs­arztes“ oder sonst erwogen? Gruß Jada Wasi
Spoler
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Registriert: Montag 8. April 2019, 12:00

Re: BEM Datenschutz - Weitergabe von Daten bei laufenden Verfahren wg. Prüfung disziplinarischer Maßnahmen des AG

Beitrag von Spoler »

Evtl. hilfreich:

Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 20.10.2021, 4 Sa 70/20.

Dort steht einiges zum Thema "Datenschutz pp. BEM"
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