Hallo zusammen,
wir hatten in der Dienststelle eine längere Besprechung zu unterschiedlichen Rechtsauffassungen bezüglich des SGB IX/Schwerbehindertenrechts, speziell des § 178 (2).
Die Dienststelle – vertreten durch den Personalchef und Inklusionsbeauftragten in Personalunion – hat hier eine sagen wir mal sehr konservative Position. Der Leiter des Rechtsamtes hat diese Position heute aus seiner Einschätzung heraus weitgehend bestätigt, wenn keine speziellen und in der Gesetzgebung ausdrücklich ausgeurteilten Belange Schwerbehinderten betroffen seien. So seien z. B. Entscheidungen, die in das Weisungsrecht des Arbeitgebers fallen, Belange, die alle Mitarbeitenden gleichermaßen betreffen würden, und deswegen keine Informationspflicht an die SBV nach sich ziehen.
Aus meiner Sicht entspricht das eben nicht dem Grundgedanken, der hinter dem 178 (2) steht, und insb. nicht der von Düwell interpretierten informationellen Allzuständigkeit der SBV. Aber auch 167 (1) nennt ja noch über 178 (2) hinweg eindeutige Situationen, wo die SBV zu beteiligen wäre.
Ich möchte daher mehrere praktische Beispiele von heute nennen und bitte um Eure Meinungen dazu zu einer Information/Beteiligung der SBV, idealerweise ob es vielleicht sogar schon genau zu ähnlichen Fällen schon explizite Rechtsprechungen gibt.In keiner der 8 geschilderten Situationen sieht unser Rechtsamts-Leiter übrigens eine Informations- oder Beteiligungpflicht der SBV gegenüber.
a) Mündliche Verwarnung eines Schwerbehinderten durch seine Teamleitung wg. Mobbings, ohne schriftliche Dokumentation und ohne Vermerk in der Personalakte
b) Ermahnung eines Schwerbehinderten durch seine Teamleitung wg. Mobbings, mit schriftlicher Dokumentation und Vermerk in der Personalakte
c) Handicap-bedingter einvernehmlicher Umzug eines Schwerbehinderten ohne Beteiligung der SBV – ist Information der SBV durch Dienststelle erforderlich?
d) Anordnung einer corona-bedingten Quarantäne für einen Schwerbehinderten wg Kontaktperson ersten Grades
e) Mitteilung eines schwerbehinderten Mitarbeitenden an die Dienststelle über bewilligte ReHa-Maßnahme und deren Zeitraum
f) Erfolgreiche ärztliche Wiedereingliederungsmaßnahme (ohne begleitendes BEM) – ist Information der SBV durch Dienststelle über Beginn, Dauer und Erfolg der Maßnahme erforderlich?
g) Erfolglose ärztliche Wiedereingliederungsmaßnahme/Abbruch am 1. Tag (ohne begleitendes BEM) – ist Information der SBV durch Dienststelle über Beginn und Nicht-Erfolg der Maßnahme erforderlich?
h) Schriftliche Gefährdungsanzeige (Überlastungsanzeige) eines Schwerbehinderten an seinen Vorgesetzten mit dem Ziel, innerhalb von 2 Wochen eine einvernehmliche Lösung zu finden; erst wenn dann kein Einvernehmen erzielt wird, Information der Dienststelle an die SBV.
Vielen Dank für Eure Unterstützung,
Mark
Information/Beteiligung der SBV oder nicht - 8 Beispiele aus der Praxis
Re: Information/Beteiligung der SBV oder nicht - 8 Beispiele aus der Praxis
Mag ja sein das ich den Gesetzestext falsch lese, aber da steht das alle Angelegenheiten die eine Gruppe oder einen einzelnen betreffen in das Aufgabengebiet der SBV fallen.
Schau einmal im Kommentar nach......
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Re: Information/Beteiligung der SBV oder nicht - 8 Beispiele aus der Praxis
Hallo Michael,
danke für Dein Feedback! (immerhin das erste, nachdem rund 50 Personen den Eitnrag schon gelesen haben ...)
Die mir bekannten Kommentare (Dau/Düwell, Knittel) klären meines Wissens nur ausgeurteilte - eindeutige - Fragen wie Kündigungen, Versetzungen oder Abmahnungen. Dem gegenüber stehen die für mich auch vollkommen logischen Überlegungen zur allg. Informationspflicht. Alles was es dazwischen gibt, ist aber nicht ausgeurteilt, weil wohl niemand deswegen klagen würde.
Nach 2 Jahren Amtszeit als SBV fühle ich mich hier aber auch allein gelassen, wenn ein Inkusionsbeauftragter speziell und die Dienststelle allgemein mit hilfe eienr großen Rechtsabteilung Controllign durch die SBVpartout verhindern wollen und in meinen Augen bewußt auch Fortbildungen etc. meiden, um im Notfall sagen zu können "haben wir nicht gewußt".
danke für Dein Feedback! (immerhin das erste, nachdem rund 50 Personen den Eitnrag schon gelesen haben ...)
Die mir bekannten Kommentare (Dau/Düwell, Knittel) klären meines Wissens nur ausgeurteilte - eindeutige - Fragen wie Kündigungen, Versetzungen oder Abmahnungen. Dem gegenüber stehen die für mich auch vollkommen logischen Überlegungen zur allg. Informationspflicht. Alles was es dazwischen gibt, ist aber nicht ausgeurteilt, weil wohl niemand deswegen klagen würde.
Nach 2 Jahren Amtszeit als SBV fühle ich mich hier aber auch allein gelassen, wenn ein Inkusionsbeauftragter speziell und die Dienststelle allgemein mit hilfe eienr großen Rechtsabteilung Controllign durch die SBVpartout verhindern wollen und in meinen Augen bewußt auch Fortbildungen etc. meiden, um im Notfall sagen zu können "haben wir nicht gewußt".
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Re: Information/Beteiligung der SBV oder nicht - 8 Beispiele aus der Praxis
Hallo,
die Literatur geht überwiegend davon aus, dass das Unterrichtungsrecht nach § 178 Abs. 2 S. 1 SGB IX sehr weit gefasst ist und auch bei einer lediglich mittelbaren Betroffenheit in Form einer Auswirkung oder Ausstrahlung auf schwerbehinderte Menschen ausgelöst wird (Feldes/Kohte/Stevens-Bartol zu § 95 Abs. 2 SGB IX). Damit sortieren sich die angefragten Sachverhalte alle entsprechend ein, wobei aus meiner Sicht Folgendes zu beachten wäre:
"Einvernehmliche Umzüge" sind trotzdem eine Ausübung des Direktionsrechts und fallen damit unter den Informationsanspruch. Eine Quarantäne eher nicht, wohl aber die vom AG deswegen ergriffenen Maßnahmen. e) ist nicht so einfach zu beurteilen, Reha während Arbeitsunfähigkeit? die Reha selber ist keine Entscheidung des AG... Für g): gibt es dazu Regelungen in einer Dienstvereinbarung zum BEM? fällt aber unter § 178 Abs. 2 S. 1 SGB IX.
Im Zweifelsfall bleibt nach erfolglosen Gesprächen mit dem AG dann noch der Gang zum Arbeitsgericht, was aber im Hinblick auf das Spannungsfeld zwischen rechtlichen Regelungen auf der einen Seite und Emotionen der Beteiligten auf der anderen Seite zwar eine Lösung nach dem Schema "Sieg der einen und Niederlage der anderen Seite" bedeutet, aber den offenbar bestehenden Grundkonflikt nicht löst. In dem Zusammenhang ist es nicht relevant, ob der AG die Regelungen kannte oder nicht. Das ist dem Gericht egal...
Was sagt denn der PR dazu? Wie handhabt der AG die Informationspflichten gegenüber dem PR...?
Wenn es der AG "verpasst" und es kommt hinsichtlich der Wirksamkeit einer (Personal-)"Entscheidung" iSv § 178 Abs. 2 mal auf eine Info an die SBV an, dann hat er im Zweifel eben Pech gehabt.
Es bleibt sonst noch die Aussetzung der Maßnahme für eine Woche seitens der SBV nach § 178 Abs. 2 S. 2 SGB IX, das kann - gerade wenn es auf Zeit ankommt - für den AG sehr lästig werden .
P. S. Viele der "50, die den Eintrag schon gelesen haben" dürften eher die stilleren Mitleser sein. Es kann durchaus vorkommen, dass nicht gleich eine Antwort im Forum kommt, viele sind hier nur "nebenbei" aktiv...
die Literatur geht überwiegend davon aus, dass das Unterrichtungsrecht nach § 178 Abs. 2 S. 1 SGB IX sehr weit gefasst ist und auch bei einer lediglich mittelbaren Betroffenheit in Form einer Auswirkung oder Ausstrahlung auf schwerbehinderte Menschen ausgelöst wird (Feldes/Kohte/Stevens-Bartol zu § 95 Abs. 2 SGB IX). Damit sortieren sich die angefragten Sachverhalte alle entsprechend ein, wobei aus meiner Sicht Folgendes zu beachten wäre:
"Einvernehmliche Umzüge" sind trotzdem eine Ausübung des Direktionsrechts und fallen damit unter den Informationsanspruch. Eine Quarantäne eher nicht, wohl aber die vom AG deswegen ergriffenen Maßnahmen. e) ist nicht so einfach zu beurteilen, Reha während Arbeitsunfähigkeit? die Reha selber ist keine Entscheidung des AG... Für g): gibt es dazu Regelungen in einer Dienstvereinbarung zum BEM? fällt aber unter § 178 Abs. 2 S. 1 SGB IX.
Im Zweifelsfall bleibt nach erfolglosen Gesprächen mit dem AG dann noch der Gang zum Arbeitsgericht, was aber im Hinblick auf das Spannungsfeld zwischen rechtlichen Regelungen auf der einen Seite und Emotionen der Beteiligten auf der anderen Seite zwar eine Lösung nach dem Schema "Sieg der einen und Niederlage der anderen Seite" bedeutet, aber den offenbar bestehenden Grundkonflikt nicht löst. In dem Zusammenhang ist es nicht relevant, ob der AG die Regelungen kannte oder nicht. Das ist dem Gericht egal...
Was sagt denn der PR dazu? Wie handhabt der AG die Informationspflichten gegenüber dem PR...?
Wenn es der AG "verpasst" und es kommt hinsichtlich der Wirksamkeit einer (Personal-)"Entscheidung" iSv § 178 Abs. 2 mal auf eine Info an die SBV an, dann hat er im Zweifel eben Pech gehabt.
Es bleibt sonst noch die Aussetzung der Maßnahme für eine Woche seitens der SBV nach § 178 Abs. 2 S. 2 SGB IX, das kann - gerade wenn es auf Zeit ankommt - für den AG sehr lästig werden .
P. S. Viele der "50, die den Eintrag schon gelesen haben" dürften eher die stilleren Mitleser sein. Es kann durchaus vorkommen, dass nicht gleich eine Antwort im Forum kommt, viele sind hier nur "nebenbei" aktiv...
Re: Information/Beteiligung der SBV oder nicht - 8 Beispiele aus der Praxis
Hi Matthias,
jetzt wird es interessant, danke
zu Deinen Fragen/Hinweisen:
zu e) hier geht es um eine Reha-Maßnahme, die der anwesende Mitarbeiter der Dienststelle im Vorwege mitgeteilt hat. Zufällig im Gespräch habe ich es dann auch vom Mitarbeiter erfahren. Hier kommt hinzu, dass der Mitarbeitender sich in einem BEM unter Beteiligung der SBV befindet, innerhalb des BEMs diese Maßnahme aber auch nicht bekannt gemacht oder besprochen worden ist, da es keine BEM-Besprechungen im fraglichen Zeitraum gab.
zu g) die ärztliche Wiedereingliederung läuft ja unabhängig von einem BEM. Für eine Regelung zur ärztlichen Wiedereingliederung in der (vorhandenen) DV BEM sehe ich gerade keinen Grund, da wir aber an der Überarbeitung sind, bin ich für jede Idee offen. Wenn der Mitarbeiter kein BEM will, nutzt eine Regelung dort ja nur allgemein etwas. Da wäre die Aufnahme in eine Inklusionsvereinbarung evtl. zielführender (die wir noch nicht haben).
Der PR hat sich um seine Rechte aus dem SGB IX 20 Jahre lang unter dem gleichen Vorsitzenden wenig interessiert. Die Dienststelle unterrichtet ihn in DER Hinsicht noch schlechter als die SBV, hält sich aber strikt ans Personalvertretungsgesetz, so dass de rPR zufrieden ist ...
Die Kollegin, die sich aus dem PR jetzt neu um inklusion kümmert, kommt aus dem Orga-Bereich der Dienststelle, und geht leider weitreichend mit der Einstellung der Dienststelle und Rechtsamt konform ...
Eine 2stündige Kurzschulung für alle PR-Mitglieder in Sachen SGB IX durch einen "alten Hasen" habe ich kürzlich bereits selbst organisiert, ich habe auch schon einen Beschluss des PR ausgesetzt und nun auch erstmalig einen Beschluss der Dienststelle.zu Fall a), wo die Dienststelle aber eine Information/Beteiligung der SBV komplett verneint.
Auch 2 OWIGs habe ich nun eingeläutet, u. a. weil die Dienststelle weiterhin der SBV keine freien Stellen gemäß § 164 SGB IX meldet.Trotz persönlichen Kontakts mit der dort zuständigen Sachbearbeiterin läuft das zäh wie Klebstoff, die Arbeitsagentur scheint nicht in der Lage zu sein, gravierende Missstände zügig zu bearbeiten.
jetzt wird es interessant, danke
zu Deinen Fragen/Hinweisen:
zu e) hier geht es um eine Reha-Maßnahme, die der anwesende Mitarbeiter der Dienststelle im Vorwege mitgeteilt hat. Zufällig im Gespräch habe ich es dann auch vom Mitarbeiter erfahren. Hier kommt hinzu, dass der Mitarbeitender sich in einem BEM unter Beteiligung der SBV befindet, innerhalb des BEMs diese Maßnahme aber auch nicht bekannt gemacht oder besprochen worden ist, da es keine BEM-Besprechungen im fraglichen Zeitraum gab.
zu g) die ärztliche Wiedereingliederung läuft ja unabhängig von einem BEM. Für eine Regelung zur ärztlichen Wiedereingliederung in der (vorhandenen) DV BEM sehe ich gerade keinen Grund, da wir aber an der Überarbeitung sind, bin ich für jede Idee offen. Wenn der Mitarbeiter kein BEM will, nutzt eine Regelung dort ja nur allgemein etwas. Da wäre die Aufnahme in eine Inklusionsvereinbarung evtl. zielführender (die wir noch nicht haben).
Der PR hat sich um seine Rechte aus dem SGB IX 20 Jahre lang unter dem gleichen Vorsitzenden wenig interessiert. Die Dienststelle unterrichtet ihn in DER Hinsicht noch schlechter als die SBV, hält sich aber strikt ans Personalvertretungsgesetz, so dass de rPR zufrieden ist ...
Die Kollegin, die sich aus dem PR jetzt neu um inklusion kümmert, kommt aus dem Orga-Bereich der Dienststelle, und geht leider weitreichend mit der Einstellung der Dienststelle und Rechtsamt konform ...
Eine 2stündige Kurzschulung für alle PR-Mitglieder in Sachen SGB IX durch einen "alten Hasen" habe ich kürzlich bereits selbst organisiert, ich habe auch schon einen Beschluss des PR ausgesetzt und nun auch erstmalig einen Beschluss der Dienststelle.zu Fall a), wo die Dienststelle aber eine Information/Beteiligung der SBV komplett verneint.
Auch 2 OWIGs habe ich nun eingeläutet, u. a. weil die Dienststelle weiterhin der SBV keine freien Stellen gemäß § 164 SGB IX meldet.Trotz persönlichen Kontakts mit der dort zuständigen Sachbearbeiterin läuft das zäh wie Klebstoff, die Arbeitsagentur scheint nicht in der Lage zu sein, gravierende Missstände zügig zu bearbeiten.
Re: Information/Beteiligung der SBV oder nicht - 8 Beispiele aus der Praxis
Hallo,
lange rede kurzer Sinn: Ich verlange über alle Probleme meiner schwerbehinderten Kollegen informiert zu werden. Ich nehme eigenständig Kontakt zum Integrationsamt auf, ziehe Fachdienste bei und lade mir einen Haufen Unmut auf.
Leider wirst du einmal den Weg zu Gericht gehen müssen, besser du beantragst dier >Kosten für die Übernahme einer rechtskundigen Person für Beratung und einer Klage, da lenken die fast immer ein.
lg
Micha
lange rede kurzer Sinn: Ich verlange über alle Probleme meiner schwerbehinderten Kollegen informiert zu werden. Ich nehme eigenständig Kontakt zum Integrationsamt auf, ziehe Fachdienste bei und lade mir einen Haufen Unmut auf.
Leider wirst du einmal den Weg zu Gericht gehen müssen, besser du beantragst dier >Kosten für die Übernahme einer rechtskundigen Person für Beratung und einer Klage, da lenken die fast immer ein.
lg
Micha