Abbruch BEM durch Arbeitgeber

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Anonyme

Abbruch BEM durch Arbeitgeber

Beitrag von Anonyme »

Hallo!
Kurze Schilderung der Situation. Mein Vater ist bereits seit annähernd 30 Jahren in einem größeren Unternehmen beschäftigt. Aufgrund von verschiedenen Erkrankungen kam es in den letzten 10 Jahren zu 3 länger andauernden Arbeitsunfähigkeiteiten. Nach den ersten 2 war die Wiedereingliederung völlig problemlos. Dieses Mal ist es leider ganz anders. Aufgrund der körperlichen Beeinträchtigungen ist er nun an einer neuen Stelle eingesetzt. Da seine „Stückzahlen“ nach 5 Wochen Wiedereingliederung laut Vorgesetzten bei lediglich 50% der anderen Arbeitern liegt wurde zunächst die BEM verlängert. Zu erwähnen ist das eine Behinderung von 100% vorliegt. Es wurden weitere 2 Wochen als Frist gesetzte wo er mindestens 80% der Leistung erbringen sollte. Da er aber als „Höchstleistung“ bei ca 70% lag wurde er einfach nach Hause geschickt mit der Aussage das die BEM nun abgebrochen wird. Er hatte keine körperlichen Beschwerden und keine Fehlzeiten während der BEM. Kann einfach mit der Begründung der Fehlenden Leistung abgebrochen werden? Es wird nun in Abstimmung mit dem integrationsamt eine weitere BEM angestrebt, die Frage ist ob diese nicht zum selben Ende führt und ob das Unternehmen hier nicht andere Ziele verfolgt und eine krankheitsbedingte Kündigung anstrebt. Da auch sehr un-korporativ vorgegangen wird.
Habe ein schlechtes Gefühl bei der ganzen Sache!
Danke im Voraus für Einschätzungen!
Mit freundlichen Grüßen H.
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Ulrich.Römer
Beiträge: 621
Registriert: Mittwoch 29. September 2010, 12:51

Re: Abbruch BEM durch Arbeitgeber

Beitrag von Ulrich.Römer »

Hallo Anonyme,
ein Abbruch des Arbeitsversuches durch den Arbeitgeber ist nicht grundsätzlich als schlecht zu werten. Im Gegenteil: wenn der Arbeitgeber durch den Arbeitsversuch an der Eignung des Arbeitsplatzes in Zweifel gerät und diese Zweifel begründet sind, dann ist es besser die Notbremse zu ziehen.
Nun geht es darum, einen geeigneten Arbeitsplatz im Betrieb zu finden. Mit Beteiligung des Integrationsamtes kann das Leistungsprofil des Arbeitnehmers mit den Anforderungsprofilen der Arbeitsplätze im Betrieb abgeglichen werden. Zur fachlichen Unterstützung hat das Integrationsamt seinen Technischen Beratungsdienst. Dieser klärt, ob technische Maßnahmen zur Beschäftigungssicherung erforderlich sind.
Bei dauerhaften Leistungseinschränkungen durch die Behinderung kann das Integrationsamt auch einen Lohnkostenzuschuss an den Arbeitgeber gewähren.
Beispiele und einen Überblick über mögliche Leistungen gibt es im Leistungs-NAVI.
Ulrich Römer

Moderator der BIH-Foren
Anonyme

Re: Abbruch BEM durch Arbeitgeber

Beitrag von Anonyme »

Danke zunächst für Ihre Einschätzung.

Es soll nun eine zweite BEM durchgeführt werden, an der selben Arbeitsstelle. Es wurden keine Anpassungen vorgenommen. Ein anderer Lösungsansatz konnte uns nicht angeboten werden, weder von AG Seite noch vom Sachbearbeiter des integrationsamts. nach Auskunft des AG wäre im UN keine andere stelle die in frage kommen würde vorhanden.

Mir stellt sich hier die Frage in wiefern sich unter diesen Umständen ein Erfolg einstellen soll wenn doch die Gegebenheiten die selben sind?
Ulrich.Römer
Beiträge: 621
Registriert: Mittwoch 29. September 2010, 12:51

Re: Abbruch BEM durch Arbeitgeber

Beitrag von Ulrich.Römer »

Hallo,
wenn es im gesamten Unternehmen tatsächlich keinen anderen (geeigneten) Arbeitsplatz gibt, dann wird nun alles vom Erfolg dieses Arbeitsversuches abhängen. Mit Beteiligung des Integrationsamtes werden normalerweise alle Leistungs- und sonstige Unterstützungsmöglichkeiten abgeklärt. Einen erneuten Arbeitsversuch mit den gleichen Rahmenbedingungen kann es eigentlich nur dann geben, wenn es keine weiteren Möglichkeiten gibt.
Ulrich Römer

Moderator der BIH-Foren
Anonyme

Re: Abbruch BEM durch Arbeitgeber

Beitrag von Anonyme »

An der Aussage das es im Unternehmen keine andere Einsatzmöglichkeit gibt ist allein aufgrund der Betriebsgröße Zweifel begründet als das es sich um ein wirtschaftlich sehr erfolgreiches UN mit vielen hundert Angestellten handelt.
Es ist vielleicht noch zu erwähnen das es sich nicht um einen neu gestalten Arbeitsplatz handelt der hier angeboten wird sondern um einen regulären Arbeitsplatz der so schon bestand. Der Aufwand den das UN bisher betrieben hat ist also entsprechend gering.

Es scheint sich bei dieser zweiten BEM eher um eine Schein Initiative zu handeln als um eine faire Möglichkeit sich wieder einzugliedern. Sehr schade das so was unter den Augen des Integrationsamts geduldet wird.
matthias.günther
Beiträge: 279
Registriert: Mittwoch 2. Mai 2012, 14:41

Re: Abbruch BEM durch Arbeitgeber

Beitrag von matthias.günther »

Was sagt denn der Betriebsrat des Unternehmens dazu? Gibt es eine Schwerbehindertenvertretung? BR und SBV müssten beim BEM eingebunden werden. Wenn nicht, sollten diese auch ihre "Hausaufgaben" machen. Welche Lösungsvorschläge hat das BEM-Team erarbeitet, vorausgesetzt es gibt ein solches? Wurde vom BEM-Team nur die eine Lösung als realistisch angesehen, wie wurde die betroffene Person beteiligt?
Wurde der Betriebsarzt beteiligt?
Wie sieht das Anforderungsprofil für den Arbeitsplatz aus, gibt es eine Gefährdungsbeurteilung?
Sehr schade das so was unter den Augen des Integrationsamts geduldet wird.
Ggf. liegt hier ein falsches Verständnis von der Rolle des Integrationsamtes im BEM vor? Das Integrationsamt ist kein Teil des betrieblichen BEM-Teams, sonder lediglich als externer Berater anzusehen. Es hat weder Prozess- noch Entscheidungsverantwortung, hilft aber dem Arbeitgeber eine Lösung zu finden.
Möglich Maßnahmen im Rahmen des BEM zum Erhalt des Beschäftigungsverhältnisses:
- Änderung der Arbeitszeiten
- Änderung des Aufgabenzuschnitts
- Änderung von Arbeitsabläufen
- wodurch könnten insofern Arbeitsbelastungen reduziert werden?
- behinderungsgerechte Anpassung des Arbeitsplatzes
- Teilzeit, wenn stufenweise Wiedereingliederung eine dauerhaft verminderte Belastbarkeit ergibt
- Umsetzung auf einen anderen (geeigneten) Arbeitsplatz
- finanzielle Leistungen, wenn andere Unterstützungsmöglichkeiten nicht greifen
- eine gewisse Leistungseinbuße muss der Arbeitgeber beim schwerbehinderten Beschäftigten gegenüber einem vergleichbaren nicht behinderten Beschäftigten auch ohne Ausgleich hinnehmen
BEM-Koordinationsmanagement

Re: Abbruch BEM durch Arbeitgeber

Beitrag von BEM-Koordinationsmanagement »

Hallo Anonymer,

Auch mir stellt sich die Frage hat der Arbeitgeber überhaupt ein BEM Team bzw. ein BEM Verfahren?
Ist das BEM überhaupt richtig eröffnet worden? Wenn ja ist denn schon alles an Möglichkeiten ausgeschöpft? (und ich meine wirklich alles
Einbezug sämtlicher Reha Träger)
Die Zeiten der Probe phasen erscheinen mir doch schon sehr kurz?
Wieviel Gespräche sind den überhaupt mit Deinem Vater geführt worden?
Wo werden die BEM Unterlagen aufbewahrt? Oder gibt es keine?
Ist ein Betriebsrat und eine Schwerbehindertenvertretung in dem Betrieb?
Ist das Integrationsamt überhaupt eingeschaltet?
Es sieht mir so aus das man deinen Vater billig loswerden möchte.

mit freundlichen Grüßen Andreas D.
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