Freistellung mit Verdienstausfall

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sonn

Freistellung mit Verdienstausfall

Beitrag von sonn »

Ich arbeite seit tüber 3 Jahren als Erzieherin bei meinem jetzigen Arbeitgeber. Ich bin Diabetikerin Typ 1 seit Ende Mai 1996 (Schwerbehindertenausweis 50 %).
Ich habe wegen der Coronakrise auf meinem Zeitkonto jetzt ca. 270 Stunden minus. Anfang Juni wurde ich von meinem Arbeitgeber zur Mitbbeurteilung meiner Gefährdung durch Corona zum BAD geschickt.
Während meines Urlaubs habe ich folgende Nachricht erhalten:

Sie haben uns ein Schreiben des BAD vom 09.06.2020 vorgelegt. Gemäß diesem sollen Sie ohne direktem Kontakt zu Kindern oder Jugendlichen im Rahmen Ihrer Tätigkeit eingesetzt werden. Sie sind bei uns als Erzieherin eingestellt. Hierausfolgend können wir Ihnen einen Arbeitsplatz, gemäß dem vorgenannten Schreiben (kein direkter Kontakt zu Kindern), nicht zur Verfügung stellen. Soweit Sie aus personenbedingten Gründen Ihrer Tätigkeit als Erzieherin bei uns nicht nachgehen können, müssen Sie sich selbst erkundigen, ob Dritte für Ihren eintretenden Verdienstausfall - durch Fernbleiben von der Arbeit - eintreten. (Originale sinnd als Pdf vorhanden.)

Problem: Freistellung mit Verdienstausfall,, keine Sozialversicherung und schwierige Kommunikation mit Arbeitgeber.
Fragen: Was müß ich jetzt unternehmen ? An wen kann ich mich wenden?
albarracin_01
Beiträge: 572
Registriert: Dienstag 25. Juni 2013, 10:43

Re: Freistellung mit Verdienstausfall

Beitrag von albarracin_01 »

Guten Tag,

Sie sollten sofort fachanwaltlichen Rat einholen, da unter den geschilderten Umständen der Arbeitgeber evtl. trotzdem zur Lohnzahlung verpflichtet war wegen sog. "Annahmeverzug" bzw "Betriebsrisiko" gem. § 615 BGB oder aber Anspruch auf Entgeltfortzahlung bzw. Krankengeld wegen Arbeitsunfähigkeit bestand.
&Tschüß
Wolfgang
jutta.za

Re: Freistellung mit Verdienstausfall

Beitrag von jutta.za »

Hallo Alle zusammen :)

Als SBV in einer Einrichtung der Behindertenhilfe habe ich bei zwei meiner Kolleg*innen das gleiche Problem. Als Menschen die unter Autoimmunerkrankungen mit Organbeteiligung leiden gehören sie zu den absoluten Risikopatienten in der Coronakrise. Unsere Betriebsärztin ist ebenfalls der Meinung, dass diese Kolleg*innen zur Zeit ihre Tätigkeiten bei uns nicht ausführen dürfen.

Das LJSV RLP hat allerdings am 21.07.20 folgendes Trägeranschreiben an die Kitaträger in RLP geschickt.

https://corona.rlp.de/fileadmin/corona/ ... weisen.pdf

Hier weist das LJSV explizit daraufhin dass der Personaleinsatz von Mitarbeitern mit erhöhten Risikofaktoren keinerlei Einschränkungen unterliegt. Somit haben Mitarbeiter mit erhöhten Risikofaktoren im Regelfall keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung.
Und dies auch wenn sich in einer Gefährdungsbeurteilung bestätigt, dass ein Arbeiten unter den zur Zeit herrschenden Bedingungen nicht möglich ist.

Da mir das Problem schon zu Beginn der Pandemie aufgefallen war, hatte ich Anfang April eine Mail an unseren Landesbehindertenbeauftragten sowie an Frau Bätzing-Lichtenthäler und Frau Malu Dreyer gesendet. Mir wurden in den Antworten ebenfalls nur die §§ 615/616 BGB genannt, welche eventuell zur Anwendung kommen könnten.

„In dieser Ausnahmesituation appelliert das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie an alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer, pragmatische Maßnahmen zu vereinbaren. „ (Originalwortlaut aus der Rückantwort)

Soweit so gut. Nur hilft uns das erst einmal nicht weiter

Dies wäre wahrscheinlich nur in einer arbeitsgerichtlichen Verhandlung zu klären. Leider habe ich bisher kein Urteil oder Ähnliches zu diesem Thema im Netz gefunden.

Die Nachfrage bei unserem zuständigen Integrationsamt ergab leider keine anderen Erkenntnisse. Auch hier wurde mir bestätigt, dass es kein Gesetz gibt, welches zur Zeit Personen mit Risikofaktoren schützt. Dieser Fall ist wohl bisher in der Rechtsprechung sowie in den Gesetzen nicht aufgeführt.

Somit bin ich jetzt auch ratlos wie es weiter gehen kann. Falls jemand von Euch etwas erfährt, was uns in der Diskussion mit der Geschäftsführung und/oder der Personalabteilung weiterhelfen könnte wäre ich euch sehr zu Dank verpflichtet wenn ihr dies hier veröffentlicht.

Liebe Grüße Jutta
downunder
Beiträge: 62
Registriert: Sonntag 26. April 2015, 08:28

Re: Freistellung mit Verdienstausfall

Beitrag von downunder »

Hallo,

wie schon von albarachin erwähnt scheint mir hier dringend juristische Beratung erforderlich!

Die Auffassung des Kostenträgers halte ich im Ergebnis nicht haltbar. In unserem Unternehmen ist folgendes kommuniziert:

“... Dies kann bei Arbeitnehmern, die einer Risikogruppe angehören, bedeuten, dass der Arbeitgeber sie - auf Empfehlung des Betriebsarztes hin - von der Arbeit freistellt. Auch eine teilweise Freistellung kann erfolgen. Ein ärztliches Attest eines Fach- oder Hausarztes ist insoweit nicht ausreichend.
Der Betriebsarzt sollte in seiner Empfehlung zur Freistellung des Arbeitnehmers sowohl die notwendigen Feststellungen zum Sachverhalt, d.h. die in Bezug auf den Arbeitnehmer bestehenden gesundheitlichen Risiken, darstellen, als auch die aus medizinischer Sicht daraus abzuleitenden Schlussfolgerungen für die Fähigkeit des Arbeitnehmers, seinen beruflichen Anforderungen weiter zu genügen. Eine Empfehlung zur Freistellung darf sich daher nicht darauf beschränken, nur die Empfehlung selber auszusprechen.
Sollte der Arbeitnehmer einer vom RKI genannten Risikogruppe angehören und ist es dem
Arbeitgeber nicht möglich, den Arbeitnehmer so einzusetzen, dass kein gesundheitliches
Risiko für ihn besteht (kein [anderweitiger] geeigneter Arbeitsplatz im Unternehmen, kein Mobiles Arbeiten möglich), dann bleibt der Arbeitgeber nach § 615 S. 1 BGB zur Lohnfortzahlung verpflichtet. Denn die Mitarbeiter bleiben grundsätzlich weiter arbeitsfähig und arbeitsbereit, der fürsorgliche Arbeitgeber nimmt die Arbeitsleistung aber nicht an, so dass er mit der Annahme der Arbeitsleistung seines Arbeitnehmers in Verzug gerät.


Das erscheint mir schlüssig, ist aber auch nur eine Rechtsauffassung.
jutta.za

Re: Freistellung mit Verdienstausfall

Beitrag von jutta.za »

Hallo Downunder,

das Problem ist ja, dass es nicht der Kostenträger ist. In RLP wird die Eingliederungshilfe für unter 18-jährige von den Kommunen geleistet, somit auch die Kosten für die Förderkindergärten bzw. integrativen Kindergärten. Es ist die Landesregierung, die in ihrem Schreiben vom 21.07.20 explizit erwähnt, dass Mitarbeiter mit Risikofaktoren wieder arbeiten müssen, da ab 01.08. der Regelbetrieb beginnt. (siehe Link zum Schreiben).

Und natürlich sollte man da einen Anwalt hinzuziehen. Nur habe ich bisher keine Rechtssprechung für diesen Fall im Netz gefunden.

Aber was passiert, wenn die klagende Mitarbeiterin vorm Arbeitsgericht verliert. Ich denke, dass es durchaus sein kann, dass sie ihren Arbeitsplatz verliert, wie es der Mitarbeiter vom Integrationsamt ebenfalls befürchtet.

Liebe Grüße

Jutta
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