Schwerbehindert bei der Einstellung ankreuzen?

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tawi

Schwerbehindert bei der Einstellung ankreuzen?

Beitrag von tawi »

Hallo,
ich hab mal eine Frage bzgl. der Angabe bei dem Arbeitgeber über die Schwerbehinderung bei der Einstellung. Wenn man nach 10 Jahren dem Arbeitgeber mitteilt das man Schwerbehindert ist, wie sieht es rechtlich aus. Kann der Arbeitgeber wegen einer falschen Angabe kündigen. Gibt es Urteile oder Gesetzestexte. Für eine konkrete Antwort wäre ich dankbar

Liebe Grüße
:?
valentin

AW: Schwerbehindert bei der Einstellung ankreuzen?

Beitrag von valentin »

Hallo,

nein sofern die Schwerbehinderung nicht dazu führte, dass man sein Tätigkeit lt. ArbV nicht wahrnehmen konnte. Aber man hat sich selbstverschuldet die 10 Jahre jährlich um 5 Tage Zusatzurlaub, sprich 50 Tage gebracht.

Der AG hätte zwar bei Wissen um die Schwerbehinderung ggf Ausgleichsabgaben sparen können doch dieses wurde noch nie rechtlich behandelt.
Tina99

AW: Schwerbehindert bei der Einstellung ankreuzen?

Beitrag von Tina99 »

Hallo,
eine Schwerbehinderung muss nur angegeben werden, wenn sie in Verbindung mit dem Arbeitsplatz steht (die Arbeit wegen der Einschränkung nur langsam oder gar nicht gemacht werden kann).
Es ist also eine Frage des Vertrauens - einige Arbeitgeber geben kurz vor Ablauf der Probezeit einen 2.Personalbogen heraus. In diesem muss dann die Einschränkung angegeben werden, sonst ist das ein Kündigungsgrund.

Ich kenne auch Arbeitgeber, die von einer Behinderung nichts wussten, jahrelang in die Ausgleichsabgabe eingezahlt haben (was sie sonst nicht gebraucht hätten) und dann sauer waren, wenn der Arbeitnehmer wegen einer Kündigung plötzlich den Schwerbehinderten - Ausweis gezückt hat..
Dann ist natürlich das Vertrauen weg, daran sollte man vielleicht auch denken. Aber die Entscheidung trägt letztendlich jeder für sich.
albin.göbel
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Registriert: Mittwoch 10. November 2010, 14:55

AW: Schwerbehindert bei der Einstellung ankreuzen? (BAG 2011)

Beitrag von albin.göbel »

tawi hat geschrieben:Gibt es Urteile zum Fragerecht des Arbeitgebers?
Hallo, hier gibt's die Rechtsprechung zu dieser schon wiederholt gestellten Rechtsfrage im Forum nach einer tätigkeitsneutralen Schwerbehinderung. Sie gilt jedoch nicht nur für Anbahnung einer Beschäftigung, sondern u.a. auch grds. während einer Probezeit.

Gegen ein generelles uneingeschränktes Fragerecht im Einstellungsverfahren jetzt auch Bundesarbeitsgericht 2011 und 2014 wie folgt:

BAG: "Eine Pflicht zur Offenbarung der Schwer­be­hin­de­rung schon bei einer Bewerbung besteht grundsätzlich nicht, ebenso wenig wie ein grundsätzliches Fragerecht des Arbeitgebers" (BAG vom 18.09.2014, 8 AZR 759/13 Rn. 40; ferner BAG, 26.06.2014, 8 AZR 547/13, Rn. 53).

Ebenso schon BAG, 13.10.2011, 8 AZR 608/10, Rn 43 mit weiteren Nachweisen, wonach gerade die Nachfrage nach einer tä­tig­keits­neu­tra­len Schwerbehinderung ein Indz für eine un­mit­tel­ba­re oder mittelbare Ver­fah­rens­dis­krimi­nie­rung sein könne im Einstellungsverfahren.
Tina hat geschrieben:Einige Arbeitgeber geben kurz vor Ablauf der Probezeit einen 2. Personalbogen heraus.
Gerade auch dann ist natürlich die Frage nach einer Schwerbehinderung diskriminierend und unzulässig!

Praxis-Studie
Siehe dazu auch Diskussion 2016 zum Feldexperiment mit Arbeitgebern (Studie zu möglicher Diskriminierung in Bewerbungsprozessen).

Viele Grüße
Albin Göbel
albarracin_01
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Registriert: Dienstag 25. Juni 2013, 10:43

AW: Schwerbehindert bei der Einstellung ankreuzen?

Beitrag von albarracin_01 »

Hallo Tina,
eine Schwerbehinderung muss nur angegeben werden, wenn sie in Verbindung mit dem Arbeitsplatz steht (die Arbeit wegen der Einschränkung nur langsam oder gar nicht gemacht werden kann).
Ergänzend zu Herrn Göbel:

Gesundheitliche Einschränkungen, die sich auf das Arbeitsverhältnis auswirken, müssen in ihren Auswirkungen (nicht aber mit Diagnosen) nach dem Grundsatz von "Treu und Glauben" grundsätzlich vom AN angegeben werden - unabhängig davon, ob dafür ein GdB zuerkannt wurde.
&Tschüß
Wolfgang
albin.göbel
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Registriert: Mittwoch 10. November 2010, 14:55

AW: Schwerbehindert bei der Einstellung ankreuzen? (ArbG Hamburg 2017)

Beitrag von albin.göbel »

tawi hat geschrieben:Gibt es Urteile oder Gesetzestexte?
Hallo, selbst dann, wenn bei Bewerbungen "lediglich" die Erklärung verlangt wird, dass eine Bewerberin "den Bestimmungen des Schwer­be­hin­der­ten­ge­setzes nicht un­ter­liegt", wäre dies dennoch diskriminierend, obgleich das Schwer­be­hin­der­ten­ge­setz (SchwbG) schon längst außer Kraft gesetzt worden ist. Denn diese Frage zielt letztlich ab auf eine unzulässige tätigkeitsneutrale Befragung nach einer Schwerbehinderung, ArbG Hamburg, 27.06.2017, 20 Ca 22/17. Näheres in jurisPR-ArbR 49/2017 Anm. 5

Leitsätze:
1. Die in einem vom Arbeitgeber vor­for­mu­lier­ten Ar­beits­ver­trag enthaltene Erklärung des Arbeitnehmers, nicht den Be­stim­mun­gen des Schwerbehindertengesetzes zu un­ter­lie­gen, indizier Benachteiligung wegen einer Behinderung.
2. Die tätigkeitsneutrale Frage nach einer Schwer­be­hin­de­rung bei einer Einstellung ist unzulässig.


Hier sind BR/PR sowie SBV gemeinsam gefordert,
dass derartige seit über 15 Jah­ren gemäß der h.M.
diskriminierende For­mu­la­re endlich entsorgt bzw.
geschreddert werden. Vgl auch ZB-Archiv 4/2017


Viele Grüße
Albin Göbel
albin.göbel
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Registriert: Mittwoch 10. November 2010, 14:55

AW: Schwerbehindert bei der Einstellung ankreuzen? (LAG Hamburg 2017)

Beitrag von albin.göbel »

Das LAG Hamburg hat am 30.11.2017 un­ter dem AZ.: 7 Sa 90/17 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen sowie der An­schluss­be­ru­fung des Klägers stattgegeben in vollem Umfang. Wäre der Bewerber zu­vor arbeitslos gewesen, so wäre nicht nur Ent­schä­di­gung – sondern vielmehr Scha­dens­er­satz­ in Betracht gekommen:

Leitsatz:
Enthält ein Arbeitsvertragsformular, das dem Bewerber nach einem Ein­stel­lungs­ge­spräch zur Unterzeichnung vorgelegt wird, die Formulierung "Der Mitarbeiter erklärt, dass er zum Zeitpunkt des Ver­trags­schlus­ses den Bestimmungen des Schwer­be­hin­der­ten­ge­setz­es nicht unterliegt.", so liegt allein hierin eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung nach § 3 Satz 1 AGG. Das gilt jedenfalls in den Fällen, in denen die Schwerbehinderung keinerlei Aus­wir­kun­gen auf die auszuübende Tä­tigkeit haben kann.


Anmerkung: Sebastian Busch,
jurisPR-ArbR 11/2018 Anm. 3

Viele Grüße
Albin Göbel
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