Gleichstellung und Mehrarbeit
Gleichstellung und Mehrarbeit
Schwerbehinderte müssen ja keine Mehrarbeit (mehr als 8 Stunden täglich) und Wochenendarbeit leisten. Bislang war ich der Meinung, dass das auch für Gleichgestellte (in diesem Fall Beamte) gilt. Mein Arbeitgeber hat mir nun ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes aus 2010 vorgelegt, in dem gesagt wird, dass das für Gleichgestellte nicht gilt. Im SGB IX steht doch, dass eine Gleichstellung alle Regelungen des SGB IX mit Ausnahme der §§ über Zusatzurlaub und unentgeltliche Beförderung (oder ähnlich) gilt. Das Bundesverwaltungsgericht bezieht sich auf die Arbeitszeitverordnung (AZVo). Was ist jetzt richtig. Ich bin verwirrt.
-
- Beiträge: 701
- Registriert: Mittwoch 10. November 2010, 14:55
AW: Beamte: Gleichstellung und Mehrarbeit
Hallo, geht's evtl. etwas präziser?Urteil des BVerwG aus 2010
• Welche Verordnung zur Arbeitszeit?
• Welches Aktenzeichen des Gerichts?
• Davon ist mir nichts bekannt: Quelle?Keine Wochenendarbeit leisten
• Welche konkrete Rechtsgrundlage?
AW: Gleichstellung und Mehrarbeit
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes hat das AZ 2 C 17.09 und ist vom 29.07.2010.
Der Arbeitgeber bezieht sich auf § 3 Abs. 1 Satz 2 der AZVO für DO-Angestellte (Dienstordnungsangestellte, vgl. Beamte)
Bei der Wochenendarbeit hab ich mich etwas vertan. Ich hatte gedacht, dass alles über 40 Stunden (5 x 8) Mehrarbeit ist und deswegen Samstags und Sonntags keine Mehrarbeit geleistet werden muss.
Mein Problem ist: Gibt es Gleichgestellte 2. Klasse, d.h. bei Angestellten müssen auch Gleichgestellte keine Mehrarbeit leisten, bei Beamten jedoch wohl, oder wo ist mein Gedankenfehler.
Bei den Bescheiden zur Gleichstellung, egal ob bei Angestellten oder bei Beamten steht immer die Information drin, dass nun das gesamte SGB IX für die Gleichgestellten anzuwenden ist, mit Ausnahme des § über den Zusatzurlaub und dem Kapitel über unentgeltliche Beförderung, also auch der § über die nicht zu leistende Mehrarbeit.
Im Anhang habe ich den Bescheid des Arbeitgebers beigefügt.
Der Arbeitgeber bezieht sich auf § 3 Abs. 1 Satz 2 der AZVO für DO-Angestellte (Dienstordnungsangestellte, vgl. Beamte)
Bei der Wochenendarbeit hab ich mich etwas vertan. Ich hatte gedacht, dass alles über 40 Stunden (5 x 8) Mehrarbeit ist und deswegen Samstags und Sonntags keine Mehrarbeit geleistet werden muss.
Mein Problem ist: Gibt es Gleichgestellte 2. Klasse, d.h. bei Angestellten müssen auch Gleichgestellte keine Mehrarbeit leisten, bei Beamten jedoch wohl, oder wo ist mein Gedankenfehler.
Bei den Bescheiden zur Gleichstellung, egal ob bei Angestellten oder bei Beamten steht immer die Information drin, dass nun das gesamte SGB IX für die Gleichgestellten anzuwenden ist, mit Ausnahme des § über den Zusatzurlaub und dem Kapitel über unentgeltliche Beförderung, also auch der § über die nicht zu leistende Mehrarbeit.
Im Anhang habe ich den Bescheid des Arbeitgebers beigefügt.
- Dateianhänge
-
- Bescheid des Arbeitgebers
- Mehrarbeit.jpg (119.16 KiB) 12355 mal betrachtet
-
- Beiträge: 701
- Registriert: Mittwoch 10. November 2010, 14:55
AW: Beamte: Gleichstellung und Mehrarbeit
Hallo, mir ist leider immer noch nicht klar, um welche Arbeitszeitverordnung es sich denn hier genau handelt. Bitte die genaue Langbezeichnung der Rechtsverordnung angeben bzw. besser noch verlinken nach Möglichkeit, um so gezielte Kurzantwort zu ermöglichen. Weitere Nachfrage:Clara hat geschrieben:AZVO für DO-Angestellte
Handelt es sich um einen Beamten oder DO-Angestellten in Teilzeit oder Vollzeit? Welche regelmäßige Wochenarbeitszeit?
Viele Grüße
Albin Göbel
AW: Gleichstellung und Mehrarbeit
Verordnung über die Arbeitszeit der Beamtinnen und Beamten des Bundes (Arbeitszeitverordnung - AZV
Der Arbeitgeber bezieht sich auf Paragraph 3.
Es handelt sich um eine DO-Angestellte in Teilzeit. Arbeitszeit soviel ich weiss 20.5 Stunden.
Der Arbeitgeber bezieht sich auf Paragraph 3.
Es handelt sich um eine DO-Angestellte in Teilzeit. Arbeitszeit soviel ich weiss 20.5 Stunden.
AW: Gleichstellung und Mehrarbeit
Hallo Clara,
der Gesetzgeber unterscheidet auch im SGB IX zwischen "schwerbehinderten Menschen" und "den schwerbehinderten gleichgestellten Menschen".
Die Regelungen für schwerbehinderte Menschen werden nur deshalb analog auch für Gleichgestellte angewandt, weil dies in § 68 Absatz 1 SGB IX geregelt ist (Ausnahmen: Zusatzurlaub und Freifahrten im ÖPNV).
der Gesetzgeber unterscheidet auch im SGB IX zwischen "schwerbehinderten Menschen" und "den schwerbehinderten gleichgestellten Menschen".
Die Regelungen für schwerbehinderte Menschen werden nur deshalb analog auch für Gleichgestellte angewandt, weil dies in § 68 Absatz 1 SGB IX geregelt ist (Ausnahmen: Zusatzurlaub und Freifahrten im ÖPNV).
Dieser Verweis fehlt in der AZV-Verordnung, deshalb fallen die Gleichgestellten nicht unter den Personenkreis des § 3 Absatz 1 AZV.Sozialgesetzbuch (SGB) Neuntes Buch (IX) - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (Artikel 1 des Gesetzes v. 19.6.2001, BGBl. I S. 1046)
§ 68 Geltungsbereich
(1) Die Regelungen dieses Teils gelten für schwerbehinderte und diesen gleichgestellte behinderte Menschen.
(2).....
(3) Auf gleichgestellte behinderte Menschen werden die besonderen Regelungen für schwerbehinderte Menschen mit Ausnahme des § 125 und des Kapitels 13 angewendet.
-
- Beiträge: 701
- Registriert: Mittwoch 10. November 2010, 14:55
AW: Beamte: Gleichstellung und Mehrarbeit
Richtig, gilt so für schwerbehinderte und gleichgestellte "Arbeitnehmer" mit 8 Std. werktäglich, für die das Arbeitszeitgesetz gilt, sagen die Broschüren des BMAS.Clara hat geschrieben:Schwerbehinderte müssen ja keine Mehrarbeit (mehr als 8 Stunden täglich) leisten
Der § 3 ArbZG spricht aber, was öfters überlesen wird, nicht von Beschäftigten, sondern nur von Arbeitnehmern, und der Begriff umfasst eben nicht Beamte. Ihre Annahme ist folglich zu pauschal, soweit es um Beschäftigte wie zum Bsp. Beamte geht, da deren Regelarbeitszeit eigenständig, abweichend bzw. höchst unterschiedlich im Beamtenrecht des Bundes und der Länder normiert, auch nicht unbedingt "werktäglich" (Düwell in: LPK-SGB IX, § 124 Rn. 6). Das ist nicht einheitlich gesetzlich geregelt, sondern vielmehr beamtenrechtlich verordnet, und kann daher bei den schwerbehinderten sowie den gleichgestellten Beamten diese acht Stunden übersteigen. Die regelmäßige tägliche Arbeitszeit ist nach § 4 AZV für Beamte festzulegen. Teils gegenteilige pauschale Darstellungen im Web und im Schrifttum, welche eine Acht-Stunden-Grenze undifferenziert für "Beschäftigte" annehmen, halte ich für irreführend und wenig hilfreich (vgl. grundlegend BVerwG, Beschluss vom 30.01.2008, 2 B 59.07, zur 42-Stunden-Woche in Hessen).
Mehrarbeit ist, was über Regelarbeitszeit hinausgeht gemäß der Legaldefinition des § 88 BBG. Und diese Regelarbeitszeit ist halt unterschiedlich. Was also in einem Fall (bei Arbeitnehmern) schon Mehrarbeit ist, kann im anderen Fall (bei Beamten) noch Regelarbeit sein. Insoweit kommen dann Beamte mit Schwerbehinderung oder mit Gleichstellung im Ergebnis teils schlechter weg als Arbeitnehmer mit Gleichstellung oder Schwerbehinderung nach § 124 SGB IX. Nichts anderes gilt für DO-Angestellte, sofern für diese der § 3 ArbZG nicht gilt, sondern beamtenrechtliche Verordnungen zur Regel-Arbeitszeit gelten.Clara hat geschrieben:Gibt es Gleichgestellte 2. Klasse, d.h. bei Angestellten müssen Gleichgestellte keine Mehrarbeit leisten, bei Beamten jedoch?
Viele Grüße
Albin Göbel
-
- Beiträge: 701
- Registriert: Mittwoch 10. November 2010, 14:55
AW: Beamte:Gleichstellung und Mehrarbeit
Der § 124 SGB IX zur Mehrarbeit steht im Teil 2 des SGB IX (gilt also kraft Gesetzes auch für Gleichgestellte unmittelbar), der § 3 AZV hingegen nicht. Und da geht's um REGELARBEITSZEIT und gerade nicht um darüber hinausgehende MEHRARBEIT. Diese Arbeitszeitverkürzung ist nach BAG und nach BVerwG nicht anwendbar auf gleichgestellte Beamte (Düwell, LPK-SGB IX, § 124, Rn. 10; Kalina, B11/2011, auf reha-recht.de). Die regelmäßige tägliche Arbeitszeit wird nach § 4 AZV festgelegt.Clara hat geschrieben:BVerwG, 29.07.2010, 2 C 17.09; Wo ist mein Gedankenfehler?
Zu kritisieren ist in jedem Fall die Wortwahl des BVerwG und der Vorinstanz: Die zwei Gerichte schreiben entgegen langjähriger gesetzlicher Rechtssprache gedankenlos immer noch von "Vergünstigung" statt von Nachteilausgleichen und suggerieren damit, als würde es sich um "Privilegien" sbM handeln bzw. als wüssten es diese Verwaltungsrichter nicht besser: Da steht für die SBVen in Leipzig und München bei solchen Richterinnen und Richtern wohl noch einiges an interner Aufklärung an. Denn: "Nachteilsausgleiche sind keine Vergünstigungen".
VdK: Wer nicht zu den Berechtigten gehört, sollte sich bewusst werden, dass Nachteilsausgleiche "keine Vorteile oder Vergünstigungen" für schwerbehinderte Menschen sind. Denn die Gesundheit ist das höchste Gut eines jeden Menschen. Anspruchsberechtigte Personen profitieren nicht von Nachteilsausgleichen, sondern mindern damit lediglich ihre viel höhere behinderungsbedingte Mehraufwendung.
Viele Grüße
Albin Göbel