Anspruch auf "leidensgerechten Arbeitsplatz"?

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Gejami

Anspruch auf "leidensgerechten Arbeitsplatz"?

Beitrag von Gejami »

Guten Tag liebe Damen und Herren,

zu meiner Situation:

ich habe einen GdB von 30% und bin gleichstellt.

Ich arbeite bei einer großen Versicherung im Großraumbüro.

Ich habe eine Sozialphobie und eine Angststörung mit Panikattacken.

Ich war über ein Jahr arbeitsunfähig, 10 Wochen davon in einer psychosomatischen Klinik.

Seit einem Jahr arbeite ich wieder.

Ich habe eine 6-wöchige Wiedereingliederung gemacht und bekam vorerst ein Einzelbüro.
Ziel war es aber, mich wieder ins Großraumbüro zu setzen.
Atteste vom Klinikum und Therapeuten, dass die Arbeit im Großraumbüro nicht mehr für mich geeignet ist
liegen dem Arbeitgeber vor.

Gespräche mit Personalabteilung, Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung fanden statt. Ich äußerte
jedes Mal meine Bedenken bezüglich des Großraumes.
Aber laut Personalabteilung kann ich entweder wieder ins Großraumbüro oder ich bin eben wieder krank.

Das möchte ich aber auf keinen Fall. Ich kann meinen Job machen und möchte es auch. Aber ich kann es
nicht mehr in diesem Umfeld.

Seit Anfang des Jahres sitze ich nun wieder im Großraum, aber ich merke, wie es mir wieder schlechter geht.

Seit Jahren gibt es bei uns Heimarbeitsplätze. So einer wäre für mich ideal, da dann auch die Bahnfahrt größtenteils
wegfallen würde, die für mich als Sozialphobiker sehr anstrengend ist. Meine Therapeutin unterstützt diesen
Vorschlag.

Aber die Personalabteilung sagt, sie könne nicht jedem einen Heimarbeitsplatz genehmigen, der sich im Großraumbüro
unwohl fühle. Um einen zu bekommen, müsse ich vorerst gesundheitlich stabil sein und das wäre ich nur, wenn ich
wieder im Großraumbüro sitzen kann.

Ich bin mit der Situation langsam überfordert. Was kann ich machen?

Ich möchte mich nicht wieder krankschreiben lassen. Ich will arbeiten.
Aber auf ein Entgegenkommen meines Arbeitgebers kann ich wohl nicht hoffen.

Vielen Dank schonmal fürs Lesen
elschwoabos

AW: Anspruch auf "leidensgerechten Arbeitsplatz"?

Beitrag von elschwoabos »

Hi Gejami,

wurde ein strukturiertes BEM-Verfahren nach § 84 Abs. 2 SGB IX durchgeführt? Scheint mir nicht so.
Wurde der Betriebsarzt hinzugezogen? Wohl auch nicht.
Gibt es eine Personalvertretung? Was sagt die dazu?
Gibt es eine Schwerbehindertenvertretung? Was sagt die dazu?
Ist der Integrationsfachdienst im Boot? Wenn nicht, Kontakt aufnehmen: Einfach nach ifd und Deinem Wohnort googlen.

elschwoabos
Gejami

AW: Anspruch auf "leidensgerechten Arbeitsplatz"?

Beitrag von Gejami »

Danke für deine Antwort,

ich glaube ein BEM-Verfahren wurde nicht gemacht...

Betriebsarzt wurde nicht hinzugezogen.

Die Personalvertretung für Langzeiterkrankte sagt, entweder Großraum oder eben wieder krank.

Die Schwerbehindertenvertretung macht nicht wirklich viel. Hat viel versprochen und nichts gehalten.
Am Ende riet sie mir, über ein Adfindungsangebot nachzudenken, wenn ich nicht wieder zurück ins Großraumbüro möchte.
Na vielen Dank auch...

Integrationsfachdienst ist bisher noch nicht informiert. Werde ich aber morgen tun.
Heute war der zuständige Sachbearbeiter nicht mehr erreichbar.
Danke für den Tip.
ted

AW: Anspruch auf "leidensgerechten Arbeitsplatz"?

Beitrag von ted »

Hallo zusammen,

obwohl ich erst seit weniger als zwei Jahren Vertrauensperson der Schwerbehinderten bin, kenne ich dieses Problem und es kommt immer wieder zu unterschiedlichen Auffassungen, da der Arbeitgeber meint, keinen leidensgerechten Arbeitsplatz zur Verfügung stellen zu müssen, der nicht bzw nicht ganz den Tätigkeiten im Arbeitsvertrag entspricht.
Hier greifen aber die besonderen Fürsorgepflichten des Arbeitgebers auch insofern, dass er auch einen Arbeitsplatz in einem anderen Tätigkeitsfeld suchen muss. Ich stützte meiner Auffassung durch dieses Urteil:

Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung


Kann ein Schwerbehinderter die arbeitsvertraglich vereinbarte, ihm zugewiesene Arbeit wegen seiner Behinderung nicht mehr wahrnehmen, führt dies nicht ohne Weiteres zum Wegfall des Beschäftigungsanspruchs.

Der Schwerbehinderte kann dann vielmehr Anspruch auf eine anderweitige Beschäftigung haben.
Hat der Arbeitgeber in der Vergangenheit bei der Rekrutierung von Arbeitnehmern für ein bestimmtes Tätigkeitsfeld keine allzu strengen Anforderungen an die Art der Berufsausbildung gestellt und diese längerfristig eingearbeitet, so kommt es nicht darauf an, ob die Einarbeitung eines schwerbehinderten Mitarbeiters innerhalb von drei Monaten zu bewältigen ist. Dies gilt umso mehr, wenn der Arbeitnehmer dem Betrieb inzwischen mehr als 25 Jahre angehört und dem Arbeitgeber daher gesteigerte Bemühungen im Hinblick auf eine Einarbeitung abverlangt werden können.

Hessisches LAG Urteil vom 02.11.2015 - 16 Sa 473/15


Ich rate zunächst davon ab. Aufhebungsverträge oder Abfindungen anzunehmen.
Ich hoffe, ich konnte weiterhelfen und bin an der Meinung von erfahrenen Kollegen sehr interessiert.

Steffi
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