Abmahnung und Versetzung mit Runtergruppierung

berliner

Abmahnung und Versetzung mit Runtergruppierung

Beitrag von berliner »

Ich habe einen 80% Schwerbehinderten, den man versucht über eine Versetzung (die Arbeit wird schon seit fast 2 Jahren ausgeführt) und über eine neue Eingruppierung ,weniger Geld zu zahlen. Zu dieser Versetzung wurde ich angehört und habe nur eine Stellungnahme zum Arbeitsplatz abgegeben. Zur Umgruppierung muss meiner Meinung nach noch der Betriebsrat angehört werden. Heute rief mich der Kollege an und erzählte mir, dass man ihm heute sein Vorgesetzter eine Abmahnung übergeben hat, wegen angebl. Nichterfüllung seiner Arbeit. Zu dieser Abmahnung wurde ich nicht angehört.

Wie gehe ich am besten vor, da ich nun von der Abmahnung unterrichtete wurde.

Jetzt wurde ich nachträglich,nämlich 4 Wochen nach Übergabe der Abmahnung angehört.

Ich bin nicht sicher wie ich jetzt Stellung nehmen soll.?
berliner

AW: Abmahnung und Versetzung mit Runtergruppierung

Beitrag von berliner »

Jetzt habe ich plötzlich nachträglich , nämlich 4 Wochen nachdem die Abmahnung dem Schwerbehinderten übergeben wurde, eine Anhörung bekommen. Ich frage mich jetzt ob ich überhaupt noch Stellung nehmen sollte/muss.
matthias.günther
Beiträge: 280
Registriert: Mittwoch 2. Mai 2012, 14:41

AW: Abmahnung und Versetzung mit Runtergruppierung

Beitrag von matthias.günther »

Hallo,

vielleicht wäre es angebracht, den Arbeitgeber auf seine Verpflichtung nach § 95 Abs. 2 SGB IX gegenüber der SBV hinzuweisen und ggf. dann auch die Konsequenzen anzudrohen.

Oder man spart sich das und wartet, ob die ganze Sache beim Arbeitsgericht landet, dann haben wir schon mal eine Reihe formeller Fehler seitens des AG... Abgesehen davon hätte hier durch den Arbeitgeber nach § 84 Abs. 1 SGB IX ein Präventionsverfahren eingeleitet werden müssen. Zur Erinnerung, wenn der AG hier untätig bleibt: Die SBV hat hier ein Initiativrecht nach § 95 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB IX und in das Präventionsverfahren sollte das Integrationsamt schon mit eingebunden werden, ehe der Arbeitgeber die Kündigung vorbereitet (wozu er auch die Zustimmung des Integrationsamtes braucht).
berliner

AW: Abmahnung und Versetzung mit Runtergruppierung

Beitrag von berliner »

Das habe ich ja beim Vorgesetzen angesprochen, deshalb habe ich ja bestimmt nach 4 Wochen die "nachgeholte" Anhörung bekommen.
matthias.günther
Beiträge: 280
Registriert: Mittwoch 2. Mai 2012, 14:41

AW: Abmahnung und Versetzung mit Runtergruppierung

Beitrag von matthias.günther »

Die Abmahnung ist ja nun einmal in der Welt. Hoffen wir dass der AG zukünftig den gesetzeskonformen Weg einhält. Ob der AN unabhängig davon gegen die Abmahnung vorgehen will, ist seine Entscheidung.

Rechtsprechung zum Thema:

1. Rechtzeitige Beteiligung der SBV bei Abmahnungen

Der AG hat die SBV gem. § 95 Abs. 2 und § 84 Abs. 1 SGB IX zu beteiligen, bevor er Schwerbehinderte im Betrieb abmahnt.

ArbG Bochum, Beschluss vom 23.10.2014, AZ: 3 BV 1/14


2. Bleiben Abmahnungen ewig in der Personalakte?

Es gibt keine feste Frist für den Verbleib einer Abmahnung in der Personalakte. Es herrsche in der Arbeitswelt fälschlicherweise die Vorstellung, dass es eine Verfallsfrist für Abmahnungen (2 – 3 Jahre) gebe. Dem sei aber nicht so. Vielmehr müsse der AG in jedem Einzelfall eine individuelle Prüfung vornehmen, wie lange eine Abmahnung in der Personalakte verbleiben solle. Kriterium dabei sei die Schwere des Pflichtverstoßes (BAG, 13.07.2012, 2 AZR 782/11).

Daher kann es durchaus sein, dass es AG gibt, welche alle Abmahnungen grds. während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses in der Personalakte aufbewahren, damit sie nicht in Beweisnot kommen und bei evtl. Kündigungen auf der sicheren Seite sind.
berliner

AW: Abmahnung und Versetzung mit Runtergruppierung

Beitrag von berliner »

Soll / muss ich jetzt noch Stellung nehmen oder ist es taktisch klüger nichts dazu zu sagen?
Ulrich.Römer
Beiträge: 621
Registriert: Mittwoch 29. September 2010, 12:51

AW: Abmahnung und Versetzung mit Runtergruppierung

Beitrag von Ulrich.Römer »

Hallo berliner,
ich würde die Gelegenheit nutzen und in der Stellungnahme den AG auf seine Versäumnisse -bezogen auf diesen konkreten Fall- hinweisen.
Ulrich Römer

Moderator der BIH-Foren
matthias.günther
Beiträge: 280
Registriert: Mittwoch 2. Mai 2012, 14:41

AW: Abmahnung und Versetzung mit Runtergruppierung

Beitrag von matthias.günther »

Nur wegen mangelnder Beteiligung der SBV ist die Abmahnung ja nicht unwirksam. Da müsste der betroffene AN schon selbst entscheiden, ob er dies gerichtlich klären lassen will. Evtl. mit Anwalt.
Ob der AG hier tatsächlich guten Willen gezeigt hat für eine zukünftige Besserung hinsichtlich einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der SBV (§ 99 SGB IX), indem er noch eine Anhörung "nachgeschoben" hat, oder ob dies nur ein Versuch war, noch den Anschein eines rechtmäßigen Verfahrens zu erwecken, kann nicht durch eine wertende Einschätzung hier im Forum quasi stellvertretend für die SBV geklärt werden. Maßstab für eine Ordnungswidrigkeit im Sinne von § 156 Abs. 1 Nr. 9 SGB IX (falls die SBV die Einleitung eines OWi-Verfahrens in Erwägung zieht) wäre jedenfalls Vorsatz oder Fahrlässigkeit. Alternativ käme das Beschlussverfahren beim Arbeitsgericht in Betracht. Eine gütliche Einigung wäre natürlich vorzuziehen. Der Nutzen für den AG, das vorgeschriebene Verfahren einzuhalten, besteht schon darin, dass mögliche (erfolgreiche) Klagen von sbM verbunden mit Schadensersatzforderungen wegen Diskrminierung (in Form von unterlassener Beteiligung der SBV) von vornherein keine großen Erfolgsaussichten haben. Macht der AG weiter wie bisher (was auch aus Unkenntnis geschehen kann), kann es irgendwann teuer werden. Insofern sollte der AG ein solches Gesprächsangebot oder eine Stellungnahme der SBV als Unterstützung verstehen.
magdalena.mayer
Beiträge: 88
Registriert: Dienstag 2. November 2010, 11:14

AW: Keine Anhörung der SchwbV vor Entscheidungen

Beitrag von magdalena.mayer »

Jetzt hab ich plötzlich nachträglich eine Anhörung bekommen nach vier Wochen...
Hallo Berliner, hier gibt es nichts mehr anzuhören, da die Entscheidung ja schon längst getroffen und zugestellt ist. Deshalb auch keine Aussetzung. Anhörungen gibt's begrifflich nur VOR Entscheidungen und nicht danach !!!

Genau wegen solchen Arbeitgebern, die zwingendes Sozialrecht seit vielen Jahren ignorieren nach "Gutsherrenart" bzw. sich darüber vorsätzlich hinwegsetzen, haben z.B. weit über 100 Organisationen und Verbände einschließl. DGB/Bentele sowie DBB/Tarifunion und Badura/Bayern mit allen Behindertenbeauftragten Bayerns u. allen Landesbehindertenbeauftragten mit stichhaltiger Begründung gefordert, endlich eine Klausel in § 95 SGB IX aufzunehmen, dass eine Entscheidung bzw. Maßnahme erst nach erfolgter Anhörung der SchwbV wirksam wird, um genau solche objektiv grobe und verbreitete Rechtsbrüche wie hier in Wirtschaft und Verwaltung wirksam einzudämmen. Hier muss nachgebessert werden, um die tatsächliche praktische Rechtsdurchsetzung in den Betrieben zu gewährleisteten. Ansonsten, so der DGB, gleicht die SchwbV-Beteiligung der "Fabel vom Hase und Igel": Sie kommt wie der Hase immer zu spät.

:( BMAS blockiert
Die NAHLES-Bürokratie ist dem bisher im BTHG-Referentenentwurf vom 24.04.2016 nicht ansatzweise nachgekommen, blockt beziehungsweise schaut nur untätig zu, statt dem Recht Geltung zu verschaffen. Eine SchwbV, die nicht vom Arbeitgeber unterrichtet ist, kann nicht entsprechend ihrem Gesetzesauftrag tätig werden. Diese Kernforderung muss bei der Überarbeitung des BMAS-Referentenentwurfs umgesetzt werden, so Irmgard BADURA, Beauftragte der Bayer. Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung, in ihrer heutigen Pressemitteilung. Da besteht eine Rechtsschutzlücke! Insbesondere dann, wenn der Arbeitgeber gegen seine Anhörungspflicht verstößt, kann die Schwerbehindertenvertretung die ihr gesetzlich zugewiesene Funktion nicht erfüllen.

Die Anhörung der SchwbV in Betrieben und Dienststellen bei Entscheidungen und Maßnahmen erfolgt weit verbreitet nicht annähernd so, wie im Gesetz vorgesehen. Der aktuell geltende § 95 Abs. 2 SGB IX hat seinen Zweck in der Praxis weitgehend verfehlt bzw. wird tausendfach ignoriert z.B. laut amtlicher Umfrage 2012. Ebenso die BbSD-Umfrage 2016 zur Beteiligung der SchwbV. Diese Beteiligung ist zwar rechtlich bindend, aber niemand kann sie faktisch durchsetzen. Wir brauchen folglich eine Formulierung, die diese Rechtsnorm verbindlicher gestaltet. Für die Forderung, so die Staatssekretärin Lösekrug-Möller am 11.11.2015 in Berlin, fänden sich im BMAS keine Befürworter.

Vor einer solchen Beteiligungssicherung hat sich die BMAS-Ministerialbürokratie von Anfang an gedrückt im BTHG-Entwurf, was besonders zu kritisieren ist. Auch geht es entgegen ständiger irreführender „Desinformation“ des BMAS beim BTHG an keiner einzigen Stelle um irgendwelche „Mitbestimmungsrechte“ der SBV.
kobinet-nachrichten.org

:( BMAS desinformiert?
Das ist aus meiner Sicht und tausenden von Schwerbehindertenvertretungen ein unhaltbarer Zustand. Hierbei geht es entgegen höchst irreführenden amtlichen Verlautbarungen von BMAS-Beamten bzw. gleichlautenden Falschbehauptungen des BDA mitnichten um eine "Mitbestimmung" geschweige neue "Mitbestimmungsrechte", so als würden sie es nicht besser wissen, sondern vielmehr um reine eh schwache SchwbV-Anhörungsrechte, die es gegen tausendfachen Rechtsbruch abzusichern gilt: Die SchwbV will nicht mitbestimmen und hat das auch nie gefordert, will aber angehört werden, so ua. DPolG und GdP. Kritisch zu Recht Dr. Michael KARPF vom 29.06.2016 auf facebook. Ebenso SNOBO zur Sicherung der SchwbV-Anhörung im
suedkurier.de Ist es denn so schwierig, den Unterschied zwischen mitbestimmen und angehört werden zu verstehen ???

:idea: Schreiben sie ihren Abgeordneten, Andrea Nahles bzw. Angela Merkel und berichten von so groben Rechtsbrüchen aus ihrer erlebten Praxis in den Betrieben und den Behörden, damit sich da endlich was ändert und dass dieses Unrecht bzw. diese unerträglichen Zustände abgestellt werden. Und unterstützen Sie die Petition online an den Deutschen Bundestag.

Grüße,
Magdalena Mayer
albin.göbel
Beiträge: 701
Registriert: Mittwoch 10. November 2010, 14:55

AW: Nichtanhörung der SBV

Beitrag von albin.göbel »

matthias.günther hat geschrieben:Käme das Beschlussverfahren
beim Arbeitsgericht in Betracht.
ArbG Bochum, Beschluss vom
23.10.2014, AZ: 3 BV 1/14
Beim Beschluss des ArbG Bochum vom 02.07.2014, 3 BV 1/14 (gemeint wohl 02.07.2014 statt 23.10.2014?) dürfte es sich um eine Fehlentscheidung handeln. Das folgt vor allem aus der gutachtlichen Stellungnahme des Sachverständigen Dr. Oliver TOLMEIN vom 07.11. 2016 m.w.N. für den Bundestags-Ausschuss für Arbeit und Soziales, Drs. 18(11)803, Seite 13, am Beispiel der "Abmahnung", weil hierfür eine Rechtsgrundlage im SGB IX fehle. Damit fehle hier der SBV ein wichtiges präventiv wirkendes Instrument.

Die breite Expertenkritik dazu am Entwurf zum BTHG ist an den Verantwortlichen im BMAS bisher nur abgeprallt. Aber wirklich ernst wird es morgen, wenn die BTHG-Arbeitsgruppe der Großen Koalition tagt und darüber erste Vorentscheidungen fallen sollten über die Schließung dieser seit 30 Jahren im Schwerbehindertenrecht klaffenden Lücke (ebenso Prof. Dr. Felix WELTI, Drs. 18(11)801, Seite 215).

Viele Grüße
Albin Göbel
Antworten