Mitteilung über eine Schwerbehinderung

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durbin

Mitteilung über eine Schwerbehinderung

Beitrag von durbin »

Guten Tag zusammen,

ich habe eine Frage, welche derzeit bei Facebook heiß diskutiert wird.

Muss eine Schwerbehinderung schon im Bewerbungsanschreiben erwähnt werden, oder reicht das auch noch nach der Probezeit?
Ich arbeite im Sicherheitsdienst und möchte den Arbeitgeber wechseln. Es liegt ein Grad von 80 GdB vor, jedoch keine weiteren Buchstaben.
albarracin_01
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Registriert: Dienstag 25. Juni 2013, 10:43

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Beitrag von albarracin_01 »

Hallo,

unaufgefordert muß eine Schwerbehinderung nicht mitgeteilt werden. Rechte als sbM können aber natürlich nur geltend gemacht werden, wenn die Eigenschaft angegeben wurde.
Ob auf direkte Nachfrage wahrheitsgemäß geantwortet werden muß, ist aber in der Literatur umstritten und das BAG hat nur Einzelfallkonstellationen entschieden, aber allgemeine Aussagen vermieden.
Ich würde die Offenbarung davon abhängig machen, ob es im Betrieb eine SBV hat, da die SBV Möglichkeiten im Rahmen eines Bewerberverfahrens hat, auf eine diskriminierungsfreie Auswahl hinzuwirken.

Was aber gern übersehen wird, ist die Verpflichtung zur unaufgeforderten Offenbarung von Leistungseinschränkungen, die sich auf die geforderte Tätigkeit auswirken. Diese Verpflichtung besteht unabhängig davon, ob es dafür einen GdB gibt.
&Tschüß
Wolfgang
Ulrich.Römer
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Registriert: Mittwoch 29. September 2010, 12:51

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Beitrag von Ulrich.Römer »

Hallo Durbin,
der schwerbehinderte Mensch ist grundsätzlich nicht verpflichtet, von sich aus dem Arbeitgeber mitzuteilen, dass er schwerbehindert ist. Zur Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen (wie z.B. Zusatzurlaub) muss man dem AG die Schwerbehinderung nachweisen. Dies gilt auch beim Einstellungsverfahren. Die Frage nach einer Schwerbehinderung durch den Arbeitgeber ist hier unzulässig.
Anders sieht es aus, wenn sich die Schwerbehinderung auf die angestrebte Tätigkeit auswirkt. Mögliche Einschränkungen müssen dem Arbeitgeber angezeigt werden.
Ulrich Römer

Moderator der BIH-Foren
Ulrich.Römer
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Beitrag von Ulrich.Römer »

Oops, da war albarracin schneller.
;)
Ulrich Römer

Moderator der BIH-Foren
durbin

AW: Mitteilung über eine Schwerbehinderung

Beitrag von durbin »

Das heißt also, im Anschreiben muss es nicht erwähnt werden, aber im Vorstellungsgespräch sollte es erwähnt werden, auch wenn der Arbeitgeber nicht konkret danach fragt.
Ulrich.Römer
Beiträge: 621
Registriert: Mittwoch 29. September 2010, 12:51

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Beitrag von Ulrich.Römer »

So ist es sicher nicht falsch. Manche Arbeitgeber reagieren etwas verschnupft, wenn sie erst später von einer seit Jahren anerkannten Schwerbehinderung erfahren. Wenn Sie nicht möchten, dass der Arbeitgeber davon Kenntnis hat, behalten Sie es im Vorstellungsgespräch für sich - das ist auch okay.
Ulrich Römer

Moderator der BIH-Foren
matthias.günther
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Registriert: Mittwoch 2. Mai 2012, 14:41

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Beitrag von matthias.günther »

Hallo,

evtl. bezieht sich die Frage des TE auf folgendes Urteil: BAG vom 18.09.2014, 8 AZR 759/13

Demnach muss auf die Schwerbehinderteneigenschaft im Bewerbungsschreiben bzw. deutlich im Lebenslauf hingewiesen werden, wenn man als sbM in einem Bewerbungsverfahren den besonderen Schutz und die Förderung nach den Bestimmungen des SGB IX in Anspruch nehmen möchte. Eine Kopie des Schwerbehindertenausweises in den Bewerbungsunterlagen reicht nicht aus. Die Mitteilung hat bei jeder einzelnen Bewerbung erneut zu erfolgen. Entscheidend ist die Feststellung der SB - Eigenschaft im Zeitpunkt der Bewerbung, nicht zu einem früheren Zeitpunkt. Der schwerbehinderte Bewerber selbst entscheidet, ob er die Schwerbehinderung bei seiner Bewerbung berücksichtigt haben will oder nicht.

Das nur als Ergänzung wegen der Rechtsprechung.
durbin

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Beitrag von durbin »

Das Urteil kenne ich auch, deswegen habe ich hier nachgefragt. Bei dem Urteil handelt es sich um einen Arbeitgeber im Bereich des öffentlichen Dienstes.
albin.göbel
Beiträge: 701
Registriert: Mittwoch 10. November 2010, 14:55

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Beitrag von albin.göbel »

albarracin hat geschrieben:Ob auf direkte Nachfrage wahrheitsgemäß ge­ant­wor­tet werden muß, ist aber in Literatur umstritten
Falsch! Das ist zwischenzeitlich allgemeine Ansicht:
In der neueren Literatur ist das jedenfalls seit 2006 unumstritten. Ich kenne keinen gegenteiligen SGB IX-Kommentar neueren Datums, wonach wahrheitsgemäß auf die tätigkeitsneutrale "Nachfrage" nach einem Schwerbehindertenstatus bzw. nach einem Schwerbehindertenausweis anlässlich von Bewerbungen generell wahrheitsgemäß geantwortet werden müsste.

Ebenso z.B. ArbG Berlin, 07.10.2008 - 8 Ca 12611/08, und 8 Ca 15665/08, m.w.N., Behindertenrecht 4/2009:

ArbG Berlin: „Die tätigkeitsunabhängige generelle Frage eines Arbeitgebers nach dem Vorliegen einer Schwerbehinderteneigenschaft eines Stellenbewerbers ist gem. § 81 Abs. 2 SGB IX in Verbindung mit dem AGG nicht zulässig. Eine falsche Antwort auf eine solche Frage berechtigt den Arbeitgeber nicht zur Anfechtung und Kündigung des mit diesem Bewerber abgeschlossenen Arbeitsvertrages."
albarracin hat geschrieben:... und BAG hat nur Einzelfallkonstellationen ent­schie­den, aber allgemeine Aussagen vermieden.
Falsch! BAG hat folgende allg. Rechtssätze aufgestellt:
Gegen "allgemeines" uneingeschränktes Fragerecht im Einstellungsverfahren jetzt auch Bundesarbeitsgericht 2014 wie folgt etwas "versteckt" in Randnummer 40:

"Eine Pflicht zur Offenbarung der Schwerbehinderung schon bei einer Bewerbung besteht grundsätzlich nicht, ebenso wenig wie ein grds. Fragerecht des Arbeitgebers.
BAG, 18.09.2014, 8 AZR 759/13, Rn. 40

Ebenso schon BAG, 13.10.2011, 8 AZR 608/10, Rn. 43 mit weiteren Nachweisen, wonach gerade die Nachfrage nach einer tä­tig­keits­neu­tra­len Schwerbehinderung ein Indz für eine un­mit­tel­ba­re oder mittelbare Ver­fah­rens­dis­krimi­nie­rung sein könne; a.A. noch Rehadat-Lexikon, wonach schwerbehinderte „Bewerber verpflichtet“ seien, über ihre Schwerbehinderteneigenschaft Auskunft zu geben, wenn der Arbeitgeber ausdrücklich danach frage - entgegen ständ. Rspr. und herrschender Lehrmeinung.

Viele Grüße
Albin Göbel
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