Telearbeit wird nach BEM nicht umgesetzt

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yafane

Telearbeit wird nach BEM nicht umgesetzt

Beitrag von yafane »

Sehr geehrte Damen und Herren,

es geht um eine schwerbehinderte Kollegin, die alleinerziehend ist (Kind im Kiga) und eine einfache Anfahrt zum Arbeitsplatz von 70 km hat. Sie arbeitet 15 Std/Woche, die sie aufgrund der weiten Anfahrt und Kindergartenzeiten auf 3-4 Tage pro Woche verteilen muss. Dies und zudem ihre mutliplen Erkrankungen bzw. Behinderungen setzt sie sehr unter Druck.

In unserem Unternehmen gibt es eine GBV zum Thema "Telearbeit", die diese Arbeitsform sehr unterstützt und wenn ein Vorgesetzter einen Antrag ablehnt, muss er dies schriftlich begründen. Es ist daher üblich, dass Arbeiten auch mit Laptop zu Hause verrichtet werden können und dies wird in allen Abteilungen praktiziert - mit Ausnahme der Abteilung, in der diese Kollegin beschäftigt ist.

In einem BEM-Gespräch am 12.03. wurde nun vereinbart, dass sie an einem Tag pro Woche Telearbeit machen darf, im August ev. sogar 100%, da der Kiga geschlossen hat und sie keine andere Betreuungsmöglichkeit für das Kind hat. Alle Anwesenden (BR-Vertreter, AG-Vertreter, SBV (ich) und BR-Mitglied des Vertrauens) unterstützten die Kollegin und dies wurde im Protokoll so festgehalten, nur die Vorgesetzten sehen dies als kritisch.
Da der Antrag auf Telearbeit bis 15.04. dem BR noch nicht vorgelegt wurde, fragte ich bei der Kollegin nach, die diesen ihrem Vorgesetzten inzwischen jeoch vorgelegt hat, dazu eine ärztliche Bescheinigung, in der ihr der Hausarzt dringend zu einem Telearbeitsplatz rät. Der Vorgesetzte berief sich dann auf das Protokoll, das noch nicht vorliege und er dieses abwarten wolle.
Daher bat ich die AG-Vertreterin, dieses fertigzustellen, was sie machte und allen Beteiligten am 23.04. zuschickte. Doch der Antrag auf Telearbeit liegt dem BR und der SBV immer noch nicht vor.

Bitte geben Sie mir einen Rat, wie ich weiter verfahren soll. Die Kollegin möchte nicht, dass "man" mit ihrem Vorgesetzten spricht, da sie Angst hat. Es gibt zwar einen SB-Beauftragten des Arbeitgebers, jedoch kenne ich ihn nicht persönlich und er ist an einem anderen Standort beschäftigt. Vielen Dank!

Viele Grüße
yafane
Ulrich.Römer
Beiträge: 621
Registriert: Mittwoch 29. September 2010, 12:51

AW: Telearbeit wird nach BEM nicht umgesetzt

Beitrag von Ulrich.Römer »

Hallo yafane,
ohne Gespräch mit dem Vorgesetzten wird sich wohl nie klären lassen, was mit dem Antrag ist. Als SBV oder BR braucht man jedoch ein klares Mandat, sonst ist man nicht handlungsfähig. Hier wird nur helfen, nochmals mit der Kollegin zu sprechen und ihr ein gemeinsames Gespräch mit dem Vorgesetzten und Arbeitgebervertreter anzubieten. Wenn sie das ablehnt, dann muss sie ihren Antrag alleine weiter verfolgen.

Nach der Darstellung des Sachverhaltes stellt sich für mich die Frage, ob die Telearbeit wirklich gemeinsam vereinbarte Maßnahme im BEM ist. Das Verhalten des Vorgesetzten spricht eher dafür, dass er verhindern will.
Ulrich Römer

Moderator der BIH-Foren
yafane

AW: Telearbeit wird nach BEM nicht umgesetzt

Beitrag von yafane »

Hallo Herr Römer,

danke für die schnelle Antwort!

Sie haben das gut erkannt: im Prinzip wollen alle, dass die Kollegin durch die Telearbeit entlastet wird. Sogar die Personalchefin, die als AG-Beauftragte Teil des Integrationsteams ist, machte beim BEM-Gespräch sehr deutlich, dass sogar in ihrer Abteilung, wo es großen Publikumsverkehr gibt, möglich ist, Telearbeit zu machen. Die anwesende Vorgesetzte, die zwar weisungsbefugt, aber keine disziplinarische Vorgesetzte ist, fand schließlich keine Argumente mehr, die gegen Telearbeit sprechen. Und jetzt wird versucht, dies mit allen Mitteln so lange wie möglich zu verzögern - warum auch immer.

Der disziplinarische Vorgesetzte war beim BEM-Gespräch nicht anwesend, da sein Dienstsitz in Köln ist. Die weisungsbefugte Vorgesetzte führte jedoch im Vorfeld ein Gespräch und vereinbarte mit der Kollegin, welche Arbeiten sie in Telearbeit verrichten kann. Dies sind im Prinzip alle gängigen Tätigkeiten, da man mit einem Laptop und VPN-Zugang die gleichen Möglichkeiten hat wie im Büro. Wieso sollte daher der naheliegende Wunsch nach einer Entlastung durch Telearbeit abgelehnt werden? An unserem Standort sind 1.700 Mitarbeiter beschäftigt und in allen Abteilungen ist es möglich - nur eben in dieser Abteilung nicht...

Ich habe dem Vorgesetzten per E-Mail eine Frist zur Vorlage des Antrags gestellt, nur wie gehe ich weiter vor? Gibt es ein Gesetz, auf das ich mich berufen kann, dass die Vereinbarungen vom BEM-Gespräch umgesetzt werden müssen? Und wenn ja, innerhalb welcher Zeitspanne? Ich habe ein mündliches Mandat von dieser Kollegin, die mich schon mehrmals heulend aufgesucht hat (was nicht gerade für ein starkes Nervenkostüm spricht) und von daher möchte ich alles versuchen, damit sie endlich eine deutliche Entlastung bekommt. Ich befürchte eine massive gesundheitliche Verschlechterung, wenn diese Telearbeit nicht bald umgesetzt wird.

Viele Grüße
yafane
Ulrich.Römer
Beiträge: 621
Registriert: Mittwoch 29. September 2010, 12:51

AW: Telearbeit wird nach BEM nicht umgesetzt

Beitrag von Ulrich.Römer »

Hallo yafane,
ja, das ist immer wieder ein leidvolles Thema, wenn Vorgesetzte in Ihrer Führungsposition völlig überfordert sind. So wie ich das sehe hilft da nur der Weg von oben, also über den Vorgesetzten des Vorgesetzten der hier bockt.
Nicht ganz klar ist mir die Rolle der Personalchefin. Als Vertreterin im BEM-Team sollte sie doch entsprechend auf den Vorgesetzten einwirken können.

Die Rechtsgrundlage ergibt sich direkt aus § 84 Absatz 2 SGB IX:
(2) Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung im Sinne des § 93, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann.

Das ist BEM! Der Arbeitgeber ist für die Umsetzung verantwortlich und muss notfalls gegen einen notorischen "Verhinderer" auch arbeitsrechtliche Schritte einleiten.
Ulrich Römer

Moderator der BIH-Foren
yafane

AW: Telearbeit wird nach BEM nicht umgesetzt

Beitrag von yafane »

Lieber Herr Römer,

herzlichen Dank für diese Antwort - das war auch meine Intension, war mir jedoch nicht ganz sicher, da ich neu in dem Amt bin... Ich melde mich ggf. wieder bzw. berichte über den Ausgang dieser Angelegenheit, vielleicht ist das für andere Forenleser nützlich.

Viele Grüße
yafane
yafane

AW: Telearbeit wird nach BEM nicht umgesetzt

Beitrag von yafane »

Lieber Herr Römer,

was ich vergessen hatte: in diesem Fall ist die Personalchefin nur für unseren Standort zuständig und somit nicht Chefin des "Verhinderers", der ja in Köln ist... (dann müsste ich eine Stufe höher oder zum SB-Beauftragten des Arbeitgebers gehen)

ABER:
Der Vorgesetzte hat sich heute schriftlich (fast 2 Seiten!) dahingehend geäußert, dass er zwar größte Bedenken in Bezug auf den Erfolg der Telearbeit hat, aber er stimmt dem jetzt befristet für 6 Monate zu. Und falls etwas schief gehen sollte, bin ich schuld, denn ich habe schließlich Druck gemacht, indem ich die Telearbeit für "zwingend erforderlich" halte und dies per E-Mail so kundgetan habe...

Aber damit kann ich leben und hoffe, dass alles gut klappt, damit die Kollegin entstresst wird und somit auch leistungsfähiger. In einigen Monaten sehen wir dann weiter.....

Herzlichen Dank nochmal!
yafane
Ulrich.Römer
Beiträge: 621
Registriert: Mittwoch 29. September 2010, 12:51

AW: Telearbeit wird nach BEM nicht umgesetzt

Beitrag von Ulrich.Römer »

Hallo yafane,
na also, es geht doch!
Wenn die Maßnahme geeignet ist, dann wird das Ergebnis in 6 Monaten für alle Beteiligten ein Erfolg sein.
Ulrich Römer

Moderator der BIH-Foren
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