Hallo,
stehen den betrieblichen Interessensvertretungen neben den gesetzlichen Unterrichtungs- und Mitwirkungsrechten auch echte Mitbestimmungsrechte zur Ausgestaltung und zur Durchführung des BEM-Verfahrens sowie bei Maßnahmen des Gesundheitsschutzes zu, oder kann der Arbeitgeber solche Verfahrensregelungen beim BEM auch ohne irgendeine Zustimmung des Betriebs- oder Personalrats einseitig erlassen?
Viele Grüße
Magdalena Mayer
Bestehen Mitbestimmungsrechte beim BEM-Verfahren?
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Bestehen Mitbestimmungsrechte beim BEM-Verfahren?
Hallo Frau Mayer,
soweit der Arbeitgeber das BEM in einem formalisierten bzw. systematischen Verfahren durchführen will, dann kommen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Ausgestaltung konkreter betrieblicher Verfahrensregelungen in Betracht (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG). Darüber hinaus kommen aber auch Mitbestimmungsrechte bezüglich Nutzung und Verarbeitung von Gesundheitsdaten einschließlich der elektronischen Erfassung und Auswertung von AU-Zeiten (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG) sowie bezüglich der Ausgestaltung des Gesundheitsschutzes nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG in Betracht nach Maßgabe der folgenden weitreichenden Grundsatzentscheidung des BAG, wonach die lange Zeit strittige Frage der Mitbestimmungspflichtigkeit beim Klärungsverfahren nach § 84 Absatz 2 SGB IX nunmehr höchstrichterlich geklärt ist (Knittel SGB IX § 84 Rn 124 ff)
Orientierungssatz: Bei der Ausgestaltung des BEM ist für jede Regelung zu prüfen,
ob Mitbestimmungsrecht besteht. Es kann sich bei allgemeinen Verfahrensfragen aus
• § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, bei Nutzung / Verarbeitung von Gesundheitsdaten aus
• § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, bei der Ausgestaltung des Gesundheitsschutzes aus
• § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ergeben.
(BAG vom 13.03.2012, 1 ABR 78/10)
Ebenso Düwell in LPK-SGB IX, § 84 Rdnr. 72, wonach "in Ausübung des aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 7 BetrVG abgeleiteten Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats viele Fragen des BEM durch Betriebsvereinbarung geregelt werden" können.
Die gegenteilige Meinung einzelner Instanzengerichte, wonach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG generell nicht anwendbar sein soll, wurde vom BAG abgelehnt (BAG, Beschluss vom 13.03.2012, 1 ABR 78/10), und damit der jahrelange Meinungsstreit in der Fachliteratur zur Mitbestimmung zugunsten des BR höchstrichterlich entschieden.
Daher sind die beiden gegenteiligen obergerichtlichen Fehlentscheidungen (LAG Hamburg vom 21.05.2008, H 3 TaBV 1/08, und LAG Berlin-Brandenburg vom 23.09.2010, 25 TaBV 1155/10), welche jegliches Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beim BEM nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG kategorisch ausschlossen, insoweit hinfällig.
Viele Grüße
Albin Göbel
soweit der Arbeitgeber das BEM in einem formalisierten bzw. systematischen Verfahren durchführen will, dann kommen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Ausgestaltung konkreter betrieblicher Verfahrensregelungen in Betracht (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG). Darüber hinaus kommen aber auch Mitbestimmungsrechte bezüglich Nutzung und Verarbeitung von Gesundheitsdaten einschließlich der elektronischen Erfassung und Auswertung von AU-Zeiten (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG) sowie bezüglich der Ausgestaltung des Gesundheitsschutzes nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG in Betracht nach Maßgabe der folgenden weitreichenden Grundsatzentscheidung des BAG, wonach die lange Zeit strittige Frage der Mitbestimmungspflichtigkeit beim Klärungsverfahren nach § 84 Absatz 2 SGB IX nunmehr höchstrichterlich geklärt ist (Knittel SGB IX § 84 Rn 124 ff)
Orientierungssatz: Bei der Ausgestaltung des BEM ist für jede Regelung zu prüfen,
ob Mitbestimmungsrecht besteht. Es kann sich bei allgemeinen Verfahrensfragen aus
• § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, bei Nutzung / Verarbeitung von Gesundheitsdaten aus
• § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, bei der Ausgestaltung des Gesundheitsschutzes aus
• § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG ergeben.
(BAG vom 13.03.2012, 1 ABR 78/10)
Ebenso Düwell in LPK-SGB IX, § 84 Rdnr. 72, wonach "in Ausübung des aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 7 BetrVG abgeleiteten Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats viele Fragen des BEM durch Betriebsvereinbarung geregelt werden" können.
Die gegenteilige Meinung einzelner Instanzengerichte, wonach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG generell nicht anwendbar sein soll, wurde vom BAG abgelehnt (BAG, Beschluss vom 13.03.2012, 1 ABR 78/10), und damit der jahrelange Meinungsstreit in der Fachliteratur zur Mitbestimmung zugunsten des BR höchstrichterlich entschieden.
Daher sind die beiden gegenteiligen obergerichtlichen Fehlentscheidungen (LAG Hamburg vom 21.05.2008, H 3 TaBV 1/08, und LAG Berlin-Brandenburg vom 23.09.2010, 25 TaBV 1155/10), welche jegliches Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats beim BEM nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG kategorisch ausschlossen, insoweit hinfällig.
Viele Grüße
Albin Göbel
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Bestehen Mitbestimmungsrechte beim BEM-Verfahren?
Danke für die Info,
habe dazu noch eine Nachfrage: Ist dieser weitreichende Grundsatzbeschluss des Bundesarbeitsgerichts auch im öffentlichen Dienst auf Personalräte und damit auf Dienstvereinbarungen zum Eingliederungsmanagement übertragbar?
Viele Grüße
Magdalena Mayer
habe dazu noch eine Nachfrage: Ist dieser weitreichende Grundsatzbeschluss des Bundesarbeitsgerichts auch im öffentlichen Dienst auf Personalräte und damit auf Dienstvereinbarungen zum Eingliederungsmanagement übertragbar?
Viele Grüße
Magdalena Mayer
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Bestehen Mitbestimmungsrechte beim BEM-Verfahren?
Hallo Frau Mayer,magdalena.mayer hat geschrieben:... auch auf Personalräte und damit Dienstvereinbarungen übertragbar?
ja, dieser grundlegende BAG-Beschluss ist m.E. bedeutsam auch für Personalräte, soweit vergleichbare personalvertretungsrechtliche Mitbestimmungsrechte des Bundes oder der Länder bestehen wie § 75 Abs. 3 Nr. 15 BPersVG oder z.B. § 66 Abs. 1 Nr. 10 NPersVG oder § 65 Abs. 1 Nr. 12 PersVG LSA zum BEM-Mitbestimmungsrecht als
• "Regelung der Ordnung in der Dienststelle und des Verhaltens der Beschäftigten..."
(identischer Gesetzeswortlaut des erwähnten Personalvertretungsrechts)
• "Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb"
(vergleichbarer Gesetzeswortlaut des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG)
Allerdings ist bei der Einzelprüfung beispielsweise genau zu unterscheiden, dass teils "Mitbestimmungsrechte" des Betriebsverfassungsrechts lediglich als landesgesetzliche "Mitwirkungsrechte" in einzelnen Bundesländern gelten wie etwa nach Art. 76 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayPVG, und jedenfalls im öffentlichen Dienst dieser Bundesländer bei solchen Mitwirkungsrechten insoweit keine Mitbestimmungsrechte der Personalräte bestehen.
Viele Grüße
Albin Göbel
BEM-Verfahren
Hallo Zusammen,
ich habe mal Fragen in Zusammenhang mit einem beginnenden BEM bei Bundesbeamten, da es in der Vergangenheit mit der Beauftragung und Durchführung wegen einer Verweigerung Probleme gibt:
1. der Beauftragte des AG nach § 98 SGB IX soll hinzugezogen werden. Der Name wurde mir vom AG nach langer Verweigerungstaktik genannt - jetzt soll aber nur ein Vertreter des Beauftragten am BEM teilnehmen.
Ist das rechtens oder muss der bestellte Beauftragte am BEM teilnehmen?
2. Ich habe aktuell keinen unmittelbaren Vorgesetzten - der mittelbare wurde mir genannt, obwohl ich hier niemals eine rechtsverbindliche Antwort bekommen habe.
Jetzt kommt von der Personalabteilung der Hinweis, dass die verantwortliche Mitarbeiterin für Versetzungen/Zuweisungen und sonstige beamtenrechtliche Dinge als Führungskraft am BEM teilnehmen wird.
Es kann doch nicht sein, dass irgendeine Personalsachbearbeiterin als Vorgesetzte an dieser sensiblen und sehr wichtigen Bereich wie das BEM als Vorgesetzter fungieren will - oder?
3. Das BEM wurde kurzfristig begonnen und der Personalbereich argumentiert jetzt, dass wegen des Zeitdrucks nicht alle teilnehmen können bzw. nur Vertreter entsendet werden.
Z. B. soll der IFD das Intergrationsamt vertreten und dieses im Nachgang informieren..
Weiterhin wollte die Personalsachbearbeiterin ggf. das Intergrationsamt ein einem Folgegespräch nach dem Erstgespräch informieren...
- Welche Vorgaben gibt es beim BEM und was ist, wenn einzelne Personenkreis nicht teilnehmen können?
- Kann der Personalbereich einfach die Personenkreise ohne mein Einverständnis informieren?
4. Kann ich ein BEM erst einmal ablehnen, wenn nur der Vertreter vom Vertreter dabei sein soll, der Beauftragte des AG nicht persönlich anwesend ist und das Integrationsamt an diesem Termin nicht kann?
Vielen Dank
ich habe mal Fragen in Zusammenhang mit einem beginnenden BEM bei Bundesbeamten, da es in der Vergangenheit mit der Beauftragung und Durchführung wegen einer Verweigerung Probleme gibt:
1. der Beauftragte des AG nach § 98 SGB IX soll hinzugezogen werden. Der Name wurde mir vom AG nach langer Verweigerungstaktik genannt - jetzt soll aber nur ein Vertreter des Beauftragten am BEM teilnehmen.
Ist das rechtens oder muss der bestellte Beauftragte am BEM teilnehmen?
2. Ich habe aktuell keinen unmittelbaren Vorgesetzten - der mittelbare wurde mir genannt, obwohl ich hier niemals eine rechtsverbindliche Antwort bekommen habe.
Jetzt kommt von der Personalabteilung der Hinweis, dass die verantwortliche Mitarbeiterin für Versetzungen/Zuweisungen und sonstige beamtenrechtliche Dinge als Führungskraft am BEM teilnehmen wird.
Es kann doch nicht sein, dass irgendeine Personalsachbearbeiterin als Vorgesetzte an dieser sensiblen und sehr wichtigen Bereich wie das BEM als Vorgesetzter fungieren will - oder?
3. Das BEM wurde kurzfristig begonnen und der Personalbereich argumentiert jetzt, dass wegen des Zeitdrucks nicht alle teilnehmen können bzw. nur Vertreter entsendet werden.
Z. B. soll der IFD das Intergrationsamt vertreten und dieses im Nachgang informieren..
Weiterhin wollte die Personalsachbearbeiterin ggf. das Intergrationsamt ein einem Folgegespräch nach dem Erstgespräch informieren...
- Welche Vorgaben gibt es beim BEM und was ist, wenn einzelne Personenkreis nicht teilnehmen können?
- Kann der Personalbereich einfach die Personenkreise ohne mein Einverständnis informieren?
4. Kann ich ein BEM erst einmal ablehnen, wenn nur der Vertreter vom Vertreter dabei sein soll, der Beauftragte des AG nicht persönlich anwesend ist und das Integrationsamt an diesem Termin nicht kann?
Vielen Dank