Wahlvorstand und Kandidatur

Antworten
wvmarc

Wahlvorstand und Kandidatur

Beitrag von wvmarc »

Hallo,

folgende Problematik ist bei uns aufgetaucht:

Eine Kollegin ist Mitglied des Wahlvorstandes und hat sich für eine Kandidatur als stv. Vertrauensperson entschlossen. Jetzt stellt sich mir die Frage, ob sie am Wahltag als Mitglied des Wahlvorstandes "Dienst" im Wahllokal machen darf, da sie dort ja Einsicht in die Wähleriste mit Stimmvermerken haben könnte (was aufgrund eines möglichen Vorteils, den sie sich daraus erwerben könnte ja nicht zulässig ist).

Reicht es aus, wenn sie eine Funktion einnimmt, bei der Sie keine Einsicht in die Wählerliste hat oder ist sie grundsätzlich vom Dienst im Wahllokal auszuschließen?
arcus
Beiträge: 78
Registriert: Freitag 7. November 2014, 15:26

AW: Wahlvorstand und Kandidatur

Beitrag von arcus »

Die ganze Wahlerei bei den Schwerbehidertenvertretern hat für mich ein Geschmäckchen. Der jetzige Schwerbehindertenvertreter kennt die wahlberechtigten Schwerbehinderten. Der Rest nicht. Zumindest ist das beim vereinfachten Wahlverfahren der Fall.
Ulrich.Römer

AW: Wahlvorstand und Kandidatur

Beitrag von Ulrich.Römer »

Hallo wvmarc,
da die Kollegin Mitglied des Wahlvorstandes ist, findet bei Ihnen das förmliche Wahlverfahren statt. Der Wahlvorstand hat lediglich für eine ordnungsgemäße Durchführung und Leitung der Wahl zu sorgen. Ich sehe da eigentlich kein Problem der Befangenheit wenn diese Aufgaben ordnungsgemäß wahrgenommen werden. Eine Beeinflußung der Wähler muss natürlich unterbleiben. Da eine Mitgliedschaft der Kandidaten im Wahlvorstand aber immer ein "Gschmäckle" hat, raten auch wir eher davon ab. Rein rechtlich wäre es möglich.
albin.göbel
Beiträge: 701
Registriert: Mittwoch 10. November 2010, 14:55

AW: Wahlvorstand und Kandidatur - Befangenheit?

Beitrag von albin.göbel »

wvmarc hat geschrieben:... da sie dort ja Einsicht in die Wählerliste mit Stimmvermerken haben könnte
Hallo wvmarc, klar hat diese Kandidatin zwangsläufig Einsicht in die Wählerliste mit Stimmabgabevermerken, wenn sie als Mitglied des Wahlvorstands "Dienst" im Wahllokal macht. Das darf sie aber wegen strikter wahlrechtlicher Neutralitätspflicht des Wahlvorstands nicht verwerten und nicht weitergeben an Dritte, besonders nicht für Wahlwerbung für sich und andere.

Rechtlich angreifbar wäre dies dann, wenn sie z.B. nur zeitweilig Dienst im Wahllokal machen würde und dann gegen Ende der Wahl diejenigen Wahlberechtigten gezielt ansprechen bzw. zur Wahl animieren würde, die noch nicht gewählt haben, von denen sie sich noch eine ihr günstige Stimmabgabe verspricht. Denn hierdurch würden die Chancen dieser Bewerberin gegenüber den Chancen der übrigen Wahlbewerber objektiv verbessert.

Das wäre ein schwerer Wahlfehler, würde gegen das Neutralitätsgebot sowie gegen die Chancengleichheit verstoßen. Die Verletzung dieser wesentlichen Grundsätze des Wahlrechts, die der "Integrität einer demokratischen Wahl dienen", wäre daher geeignet, eine Wahlanfechtung zu rechtfertigen (BAG vom 06.12.2000, 7 ABR 34/99, Rn. 26/29).

Mitglieder eines Wahlvorstands, die gleichzeitig für die SBV kandidieren, müssen allerdings nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG strengstens darauf achten, dass jeder Eindruck einer auch nur theoretischen Manipulationsmöglichkeit seitens des Wahlvorstands zugunsten eines Kandidaten, also bereits der Anschein der Parteilichkeit vermieden wird (BVerwG vom 12.01.1962, VII P 10.60).

Ein Verstoß gegen diese wahlrechtliche Geheimhaltungspflicht dürfte ggf. auch Pflichtverletzung aus dem Arbeitsverhältnis darstellen, zu dessen Erfüllung im weiteren Sinne auch die Rechte aus der Wahl der Schwerbehindertenvertretung gehören nach der Fachliteratur.

... oder ist sie grundsätzlich vom Dienst im Wahllokal auszuschließen?

Nein, kein Ausschluss vom Dienst im Wahllokal. Bei den Sitzungen des Wahlvorstands ist allerdings wegen möglicher Interessenkollision nach der Fachliteratur und Rechtsprechung zu beachten, dass ein Wahlbewerber als Mitglied des Wahlvorstands bei sog. individueller, gerade seine Person betreffende Angelegenheit, an der Beratung und Beschlussfassung des Wahlvorstands gehindert und ausgeschlossen ist, da befangen. Es gilt der allgemeine verfahrensrechtliche Grundsatz, wonach niemand im Wahlvorstand "in eigener Angelegenheit" bzw. nicht als "Richter in eigener Sache" tätig werden darf wegen individueller Betroffenheit.

Da müsste dann ausnahmsweise das von der SBV bestellte Ersatzmitglied des Wahlvorstands ran, also für diesen und nur für diesen Punkt geladen werden. Danach ginge dann die Sitzung weiter mit dem ordentlichen Mitglied des Wahlvorstands. Vgl. dazu VG Mainz vom 19.06.2012, 2 K 473/11.MZ, für BR-Wahlen mit Anmerkung von Ilbertz in ZfPR online 5/2013, Seite 16, und folgendem Leitsatz:

"Wahlbewerber können auch Mitglieder des Wahlvorstands sein und sind nur bei individueller, gerade ihre Person be­tref­fen­den Entscheidungen verhindert."

Allerdings dürften meines Erachtens solche wahlrechtlich relevante Aus­nah­me­fälle jedenfalls für eine örtliche SBV-Wahl in keiner denkbaren Konstellation eintreten.

Viele Grüße
Albin Göbel
albin.göbel
Beiträge: 701
Registriert: Mittwoch 10. November 2010, 14:55

AW: Wahlvorstand und Kandidatur - Befangenheit?

Beitrag von albin.göbel »

Ulrich Römer hat geschrieben:Da eine Mitgliedschaft der Kandidaten im Wahlvorstand aber immer ein "Gschmäckle" hat, raten auch wir eher davon ab.
Ich teile die Auffassung von Ulrich Römer.

1. Niedersachsen (PR)
Besonders kritisch / regelungsbedürftig für die Personalratswahlen sieht das der Landesgesetzgeber von Niedersachsen, der per Landesgesetz alle Mitglieder des Wahlvorstands ausschließt von der Wählbarkeit nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 NPersVG wie nachfolgend zitiert. Lediglich für Kleinstdienststellen bis 20 Wahlberechtigte, wo es schwierig sein kann, geeignete Mitglieder und Ersatz-Mitglieder für Wahlvorstände zu finden, lässt Nie­der­sach­sen Ausnahmen zu.
"Für den Personalrat ihrer Dienststelle sind nicht wählbar... Beschäftigte, die dem Wahlvorstand angehören, wenn der zu wählende Personalrat aus mehreren Mitgliedern besteht..."

Vgl. dazu OVG Niedersachsen, 19.10.1960, P OVG 3/60 („Bedienstete, die dem Wahlvorstand angehören, können nicht in Personalvertretung gewählt werden, deren Wahl sie durchführen ...“)

2. Berlin
Ebenso im Land Berlin für die Wahl der Frauenvertreterinnen, wo Mitglieder des Wahlvorstands als Frauenvertreterin "nicht wählbar sind" nach § 16a Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Landesgleichstellungsgesetz wie folgt:
"Nicht wählbar sind ... die Mitglieder des Wahlvorstands."

3. Evang. Kirche (MAV)
Ähnliches gilt auch für alle Mitglieder und Ersatzmitglieder des Wahlvorstands nach ­ § 1 Abs. 3 Wahlordnung zum MVG-EKD wie folgt im Wortlaut:
"2Mitglieder und ­ Ersatzmitglieder dürfen ­ der bestehenden ­ Mitarbeitervertretung ­ der Dienststelle nicht angehören. 3Wird ­ ein Mitglied oder Ersatzmitglied zur Wahl aufgestellt, so scheidet es aus dem Wahlvorstand aus ..."

Viele Grüße
Albin Göbel
Antworten