albarracin hat geschrieben:jeder Beschäftigte aus der Einheit ist wählbar...
"Entsprechende" sowie "sinngemäße"
Auslegung statt wörtliche Auslegung!
Nein, nicht jeder! Auch nicht jede örtl SBV ist wählbar entgegen Einzelmeinungen im Fachschrifttum. Diese viel zu pauschale Aussage von albarracin ist so nicht ganz korrekt, weil viel zu weitgehend. Ebenso unzutreffend auch die
viel zu pauschale Kommentierung zum Beispiel von
Pahlen, NPM-SGB IX, § 97 Rn. 4, zur Wählbarkeit einer Gesamt-SBV im öffentlichen Dienst, da zu weitgehend, wie folgt:
"Wählbar als Gesamtschwerbehindertenvertretung ist nicht nur eine Vertrauensperson, sondern jeder Angehöriger... einer Dienststelle, der zur Schwerbehindertenvertretung gewählt werden kann (§ 94 Abs. 3)".
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Ferner gleichfalls zu weitgehend BIH-Wahlbroschüre, Abschnitt 7.1. Dem ist zu widersprechen, da sich nichts davon aus § 94 Abs. 3 SGB IX ableiten lässt, da nicht wörtliche Auslegung, sondern weil hier vielmehr
"entsprechend" auszulegen ist: Diese Fehleinschätzung beruht auf einer bloßen wörtlichen Auslegung:
• Maßgeblich ist zum einen
nie die Dienststelle als Wahlbezirk, sondern einzig und allein
Geschäftsbereich (Satz 1) bei
entsprechender Auslegung des Gesetzes und
sinngemäßer Auslegung der Wahlordnung. Gründe: Gebote der Verweisungsnormen.
• Maßgeblich ist zum anderen mitnichten die Wählbarkeit als örtl. PR bzw SBV - entgegen Pahlen - sondern einzig und allein
nur Wählbarkeit zum
GPR (Satz 2) bei entsprechender bzw sinngemäßer Auslegung. Gründe: Gebote der Verweisungsnormen.
• Beides folgt aus der Anordnung des Gesetzgebers zur entsprechenden statt zur wörtlichen Anwendung des § 94 Absatz 3 SGB IX für
alle überörtl. Wahlen. Ein klassischer sowie in der Praxis bzw in der Justiz leider weit verbreiteter Irrtum in Wahlausschreiben:
Nicht jeder und
nicht alle "Beschäftigte" in den Dienststellen sind zur (überörtlichen) SBV im öffentlichen Dienst wählbar. Dazu exemplarisch einige Praxisbeispiele beim Bund bzw. einzelnen Ländern, da in der Literatur zum SchwbR idR. nur punktuell, ganz allgemein bzw. allenfalls am Rande konkret behandelt, da ja 34x
verzahnt mit eigenständigen und teils ganz unterschiedlichen Bundes- und Landesgesetzen zum Personalvertretungs- und Gleichstellungsrecht der Geschlechter, das sich zudem in ständigem Wandel befindet:
1. Geringfügig Beschäftigte:
In den Personalvertretungsgesetzen einzelner Länder gelten z.B.
geringfügig Beschäftigte nicht als Beschäftigte i.S.d. Personalvertretungsrechts und sind daher nicht zum Personalrat wählbar, etwa in
Hessen nach § 3 Abs. 3 Nr. 6 HPVG (vgl.
Düwell in LPK-SGB IX, § 94 Rn. 19). Daher sind diese auch als SBV dort nicht wählbar wegen der Verweisungsvorschrift des § 94 Abs. 3 Satz 2 SGB IX, wonach zur SBV "nicht wählbar ist", wer kraft Gesetzes dem örtlichen Personalrat nicht angehören kann!
2. Personalverantwortliche:
Nach dem Personalvertretungsrecht z.B. des Landes
Bayern sind zum örtlichen Personalrat
Personalverantwortliche nicht wählbar, die an ihrer Dienststelle zu selbständigen Personalentscheidungen befugt sind im Sinne des Art. 14 Abs. 3 BayPVG, jedoch wählbar zu allen PR-Stufenvertretungen nach
Art. 53 Abs. 3 Satz 2 BayPVG (Bezirks-PR + Haupt-PR) sowie zum Gesamt-PR nach
Art. 56 BayPVG, sofern sie nicht der Dienststelle angehören, bei der der überörtliche Personalrat zu errichten ist. In anderen
Personalvertretungsgesetzen gelten teils ähnliche oder abweichende Normen, die die Wählbarkeit zur örtlichen und/oder überörtlichen SBV begrenzen.
3. Frauenbeauftragte ua:
Keiner Personalvertretung angehören dürfen außerdem teilweise Beschäftigte z.B. als
Gleichstellungsbeauftragte und ihre Stellvertreterin bei
Bundesbehörden nach § 20 BGleiG n.F. (Wahlbroschüre, S. 29) oder als
Frauenbeauftragte und ihre Stellvertreterin im
Saarland nach § 22 Abs. 4 LGG n.F. In anderen Bundesländern gelten teilweise ähnliche landesrechtliche Beschränkungen der Wählbarkeit nach ➔
Gleichstellungsrecht etwa in
Rheinland-Pfalz, § 20 Abs. 5 LGG n.F., in
Thüringen nach § 15 Abs. 8 ThürGleichG, in
Hamburg nach § 19 Abs. 1 HmbGleiG und in
Niedersachsen nach § 22 Abs. 1 NGG, sowie als
Soll-Vorschrift in
Schleswig-Holstein nach § 18 Abs. 2 GstG und in
Mecklenburg-Vorpommern nach § 21 Abs. 4 GlG M-V n.F. In
Hessen dürfen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte nach § 15 Abs. 2 Satz 4 HGlG n.F. keiner Personalvertretung angehören
In anderen Ländern gelten teils ähnliche Beschränkungen nach ➔
LPVG, zum Beispiel für
Beauftragte für Chancengleichheit und für deren Stellvertreterin in
Baden-Württemberg nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 LPVG n.F. Dagegen bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (
VGH Baden-Württemberg, 20.01.2015, PL 15 S 1102/14;
BVerwG, 09.06.2017, 5 PB 16.16, für die Stufenvertretung). Nicht wählbar als Mitglied der SBV ist, wer nach der Wahl die Aufgaben einer Gleichstellungsbeauftragten der Dienststelle in
NRW wahrnimmt nach § 11 Abs. 2 Buchst. d LPVG NRW.
In den übrigen sechs Ländern gibt es aktuell keine derartigen Beschränkungen der Wählbarkeit von
Frauenvertreterinnen in Berlin, oder von Frauenbeauftragten in Bremen und Sachsen, oder von Gleichstellungsbeauftragten in Bayern, in Brandenburg sowie in Sachsen-Anhalt, soweit ersichtlich. Etwas unübersichtlich:
2x im
Personalvertretungsrecht geregelt
9x im
Gleichstellungsrecht geregelt, und
6x ungeregelt in den übrigen Ländern.
4. Mindestdauer:
Auch ist die in § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB IX genannte kurze
Mindestdauer der Zugehörigkeit zur Dienststelle von sechs Monaten regelmäßig nicht ausreichend für die Wählbarkeit zur SBV, was in der Fachliteratur jedoch teils übersehen wird, soweit überhaupt thematisiert.
Denn nach Personalvertretungsrecht, auf das
§ 94 Abs. 3 Satz 2 SGB IX verweist, wird regelmäßig eine
wesentlich längere Mindestzeit verlangt, etwa in
Sachsen-Anhalt grundsätzlich eine Beschäftigung
"seit einem Jahr im öffentlichen Dienst" nach § 14 Abs. 1 PersVG LSA. Näheres vgl. auch
hier im Forum.
5. Alter:
Anmerkung: Soweit zB in einzelnen Bundesändern auch
Minderjährige für den Personalrat wählbar sind (z.B.
§ 13 i.V. mit
§ 12 des HmbPersVG), sind diese gleichwohl nicht für die SBV wählbar wegen § 94 Absatz 3
Satz 1 SGB IX, weil dieser Volljährigkeit voraussetzt.
MERKE: Nicht jeder, der einer örtlichen SchwbV angehören kann, kann auch der überörtlichen SchwbV angehören, und nicht jeder, der einer überörtlichen SchwbV angehören kann, kann auch einer örtlichen SchwbV angehören!
Viele Grüße
Albin Göbel