marien hat geschrieben:Ich gehe davon aus: "vollständig" bedeutet: Vorsitzender plus 3 ordentliche Mitglieder?
NEIN Korrekte Zahl =
3 Mitglieder, darunter der Vorsitzende. Folgt aus
§ 1 SchwbVWO ("einen oder eine von ihnen als Vorsitzenden oder Vorsitzende"), also
aus ihrer Mitte dieser drei Mitglieder, wonach eine/r von den dreien den Vorsitz hat. Ein SBV-Wahlvorstand besteht immer genau aus drei (ordentlichen) Mitgliedern einschließlich dem Vorsitz, aber niemals mehr. Bei Beschlüssen gibt's max. 3 Stimmen (BIH-Broschüre, Kap. 4.1 Seite 47, Stichwort: "Zusammensetzung des Wahlvorstandes", unter Hinweis in Endnote 130 auf Düwell/Sachadae,
NZA 2014, 1241-1245, Thema:
"Häufige Fehler bei der Wahl der SBV"). Der Wahlvorstand ist immer ein
dreiköpfiges Gremium (Prof.
Düwell, Wahl der SBV, 2. Auflage 2018, Abschnitt 10.3.1). Ersatzmitglieder kommen nur als stimmberechtigte Mitglieder in dieses Amt, wenn und solange ein ordentliches Mitglied
verhindert ist etwa durch Krankheit oder durch Urlaub oder durch eine Dienstreise.
Sofern aber ein ordentliches Mitglied nicht verhindert ist und dennoch nicht erscheint, so darf in diesem Fall auch „kein Ersatzmitglied geladen“ werden. Dann wäre dieser SBV-Wahlvorstand m.E. „nicht ordnungsgemäß besetzt“.
TIPP: Alle Ersatzmitglieder als Wahlhelfer bestellen gemäß
§ 2 SchwbVWO für die Stimmenzählung. Zur Rolle und Bedeutung von Ersatzmitgliedern für den Fortgang der Wahlen vgl. auch
Diskussion vom Juni.
Vorsitzender plus drei Ordentliche geht gar nicht - das würde diese Wahlen mE sonst generell angreifbar machen !! Dieses wurde sehr klar und verständlich in dem lesenswerten o.g.
NZA-Aufsatz schon 2014
- von den zwei ausgewiesenen Wahlrechtsexperten Düwell/Sachadae systematisch herausgearbeitet wie folgt: Für die Wahl des Betriebsrats ist vorgesehen, dass u.U. mehr als drei Wahlvorstandsmitglieder ernannt werden können. Für die SBV-Wahl ist hingegen keine Erweiterungsmöglichkeit vorgesehen mit der Folge, dass einem Wahlvorstand für die SBV-Wahl zwingend
nur drei Personen angehören können. Zulässig sei demgegenüber jedoch auch die Bestellung von Ersatzmitgliedern.
Wenn auch der Verordnungsgeber eine Ersatzmitgliedschaft in der Wahlordnung nicht geregelt hat, ist es doch statthaft, Ersatzmitglieder für den SBV-Wahlvorstand zu bestellen, die im Fall der „Verhinderung“ eines Vorstandsmitglieds dessen Aufgaben und Befugnisse übernehmen, um vorsorglich die Handlungsfähigkeit zu sichern. Vergl. entsprechend bspw.
VGH Hessen, 10.01.1990 - BPV TK 3028/89, Rn. 24 (am Ende) für PR nach BPersVG.
BIH hat geschrieben:Wahlvorstand ist nur handlungsfähig, wenn er vollständig besetzt ist.
Diese sehr undifferenzierte These des VG Köln aus dem letzten Jahrhundert, der die BIH gefolgt ist, halte ich für falsch, für missverständlich und für viel zu weitgehend.
Diese Aussage in der BIH-Wahlbroschüre auf Seite 47 (unten) und Seite 48 (oben) mit Verweis auf Beschluss des
VG Köln, 17.12.1984, PVL 14/84 (n.v.) in der
Fußnote 134) der BIH-Wahlbroschüre halte ich so für viel zu weitgehend und zu pauschal: Zielführender wäre hier begrifflich der ordnungsgemäß geladene und beschlussfähige Wahlvorstand. Geht wohl über die Wahlordnung hinaus laut Fachschrifttum. Aus gleichem Grund (eher) irritierend die BIH-Wahlbroschüre auf Seite 60 die Nrn. 8.2 bis 8.4. Kann das jedenfalls so nicht aus der Wahlordnung ableiten, in der es solche Begriffe wie vollständiger, vollzähliger oder gesamter WV nicht gibt. Mehr zur Handlungs- und Beschlussfähigkeit sowie zur nötigen 'qualifizierten' bzw. absoluten Mehrheit der Mitglieder = LAG Nürnberg, 23.11.1999, 6 TaBV 37/98, sowie unten. Ohne den Vorsitzenden des Wahlvorstands oder seiner Stellvertretung geht allerdings nichts.
Die voreilige Schlussfolgerung des VG Köln, wonach ein nicht komplett besetzter Wahlvorstand
("unvollständige und damit fehlerhafte Besetzung") ein "schwerwiegender Verfahrensmangel" sei, war schon damals eine voreilige Fehleinschätzung nach der seinerzeit geltenden
SchwbWO vom 22.07.1975: Es hat sich nicht mal die Mühe gemacht nachzufassen bzw. festzustellen, ob das nicht erschienene Ersatzmitglied (für ein erkranktes Wahlvorstandsmitglied) ordnungsgemäß geladen bzw. verhindert war (vgl. dazu
LAG Hamm, Beschluss vom 08.12.2017, 13 TaBV 72/17, zur Verhinderung, wann Ersatzmitglied geladen werden darf und muss), sondern hat nur lapidar laut Sachverhalt gemeint:
"Die zur Vertretung in diesem Fall benannte ... nahm jedoch die Aufgaben eines Mitglieds des Wahlvorstands aus unbekannten Gründen nicht wahr." Dem hätte das Gericht aber nachgehen müssen, ob verhindert oder nicht. Dazu hätte es Feststellungen treffen müssen. Zudem haben diese Verwaltungsrichter verkannt, dass die Niederschrift eben nicht zwingend von "sämtlichen" Mitgliedern unterzeichnet sein muss (im Unterschied etwa zu u.g. PR-Wahlen). Ein Wahlvorstand ist ausnahmsweise auch dann handlungsfähig, wenn z.B. eines seiner ordentlichen Mitglieder verhindert ist (z.B. erkrankt) und kein Ersatzmitglied bestellt ist.
marien hat geschrieben:Das BIH-Formular sieht Unterschriften des Vorsitzenden und zweier Mitglieder vor.
JA Dritte Unterschrift ist zweckmäßig, aber nicht zwingend nötig. Der Wahlvorstand ist grundsätzlich auch dann
uneingeschränkt handlungsfähig sowie "beschlussfähig", sofern trotz ordnungsgemäßer Ladungen nur zwei seiner Mitglieder erscheinen sollten wegen Verhinderung eines Mitglieds ➔
und auch kein Ersatzmitglied (kurzfristig) verfügbar sein sollte; in einem derartigen atyp. Ausnahmefall würden und könnten dann natürlich nur zwei unterschreiben, was wahlordnungsrechtlich genügt bei SBV-Wahlen.
Ebenso Prof.
Düwell, "Wahl der SBV", S. 142 in Fußnote **), wonach der Wahlvorstand "
auch handlungsfähig" ist, falls zB. wegen Krankheit
"nur zwei Mitglieder zur Sitzung erscheinen" und diese zwei dann 'einstimmig' dafür mit 2:0 stimmen und keine Ersatzmitglieder bestellt wurden. Ferner sieht das auch und völlig zu Recht Ulrich
Römer so in
Diskussion vom Juni 2018, wonach es auf Beschlussfähigkeit sowie Mehrheitsbeschluss der Mitglieder nach ordnungsgemäßen Ladungen ankomme. Ebenso Wiegand/Hohmann, SchwbVWO, 2. Aufl. 2014, § 12 Rn. 10 m.w.N.
Rechtsvergleich:
Anders als punktuell oder teilweise bei PR-Wahlen müssen bei den SBV-Wahlen eben nicht bestimmte
Niederschriften oder das
Wahlausschreiben oder etwa Wahlniederschriften "von sämtlichen Mitgliedern des Wahlvorstands" unterschrieben werden.
TIPP: Erfahrene Vorsitzende lassen etwa das Ausschreiben stets von allen dreien unterschreiben: Erstens ist das quasi wie ein von allen abgesegnetes Protokoll in allen Details, zweitens fühlt sich dann niemand zurückgesetzt, drittens macht's womöglich mehr her, u.v.a. wie Transparenz. Und wer schreibt schon gern Protokolle?
marien hat geschrieben:Aber was wäre bei 1 Zustimmung und 2 Enthaltungen - dann wäre doch ebenfalls kein Mehrheitsbeschluss erreichbar?
JA Völlig korrekt! Das ist zwar zweifellos beschlussfähig und auch "einstimmig" im Wortsinne,
jedoch nicht genug: Nötig und ausreichend sind immer Minimum zwei Dafür-Stimmen laut Fachschrifttum. Denn die Stimmenmehrheit der drei Mitglieder sind ja
≥ 2 Stimmen laut dem klaren Wortlaut des § 2 Abs 2 Satz
1 SchwbVWO: Eine/r alleine kann nichts beschließen. Nötig ist also faktisch 'unter dem Strich' stets eine
⅔-Mehrheit der Mitglieder – und das sind mind. zwei Stimmen pro: Eine Enthaltung wirkt sich hier letztlich stimmenmäßig genauso aus wie eine Ablehnung! Ebenso Wiegand/Hohmann, SchwbVWO, § 2 Rn. 18/19, zur Enthaltung und zur Beschlussfäigkeit. Abweichend von anderen Wahlordnungen ist eine Enthaltung hier nicht ausgeschlossen.
Viele Grüße
Albin Göbel