Vertretungsrecht SBV

cw

Vertretungsrecht SBV

Beitrag von cw »

Ich bin Gesamtschwerbehindertenvertreterin in einem Unternehmen mit 5 Standorten. Es gibt an jedem Standort einen SBV. Einmal monatlich nehme ich an der Gesamtbetriebsratssitzung teil. Morgen wäre wieder eine Sitzung, an der ich jedoch nicht teilnehmen kann, weil ich an meinem Standort andere wichtige Aufgaben zu erledigen habe. Ich habe meinen Stellvertreter gebeten, mich in der Sitzung zu vertreten. Dieser hat zugesagt. Jetzt hat er mir mitgeteilt, dass er von der Sitzung ausgeladen wurde, will ich weder krank noch urlaubsbedingt abwesend bin. Meine Frage: Ist das rechtens?
matthias.günther
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AW: Vertretungsrecht SBV

Beitrag von matthias.günther »

Das Gesetz räumt der Erfüllung der SBV-Tätigkeit den Vorrang ein, § 96 Abs. 4 SGB IX. Die Unabkömmlichkeit der SBV wegen betrieblicher Notwendigkeiten müsste der AG geltend machen (BAG Beschluss v. 13.05.1997). Dann ist die SBV analog zu BR-Mitgliedern gehalten, zu prüfen ob unter dem Gesichtspunkt der vertrauensvollen Zusammenarbeit eine zeitliche Verschiebung der beabsichtigten SBV-Tätigkeit möglich ist. Da hier der Termin feststeht und nicht von der SBV selbst geplant wurde, gibt es wohl nichts zu verschieben. Im Verneinungsfall hat dann die SBV dem AG unter stichwortartiger Angabe der Gründe dies mitzuteilen. Ansprechperson ist der AG, nicht der GBR. Wenn sich die SBV nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls für verhindert erklärt und einen entsprechenden Beschluss fasst, muss das der BR akzeptieren. Es ist nicht seine Aufgabe, die Verhinderung der SBV zu überprüfen. Die ja nur beratend teilnimmt und kein Stimmrecht hat. Es sollte aber geprüft werden, ob die Aufgaben wirklich so wichtig sind, dass man nicht an der Sitzung teilnehmen kann. Mandatstätigkeit geht idR vor.
valentin

AW: Vertretungsrecht SBV

Beitrag von valentin »

Hallo,

WER HAT AUSGELADEN? GBR oder AG?

Grundsätzlich stellt die SBV/GSBV ihre Verhinderung fest und nicht Dritte, auch nicht der GBR. Der GBR wie auch AG sind NICHT weisungsbefugt.

Das Teilnahnerecht ergibt sich aus dem Gesetz, daher bedarf es auch keiner Einladung.

Verhinderung kann sich ergeben zB durch gleichzeitige Mandatstermine.

Hier liegt nun ggf des Problem. Du bist SBV und GSBV, nun möchtest Du wohl eine Termin der zeitgleich örtl., also in der Tätigkeit als SBV stattfindet wahrnehmen. Damit bist Du faktisch NICHT als GSBV verhindert.

Die GSBV kann wie auch die SBV Beschlüsse des GBR/BR sofern sie Schwerbehinderte / Gleichgestellte betreffen aussetzen § 95 Abs. 4 SGB IX "Erachtet sie einen Beschluss des Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- oder Präsidialrates als eine erhebliche Beeinträchtigung wichtiger Interessen schwerbehinderter Menschen oder ist sie entgegen Absatz 2 Satz 1 nicht beteiligt worden, wird auf ihren Antrag der Beschluss für die Dauer von einer Woche vom Zeitpunkt der Beschlussfassung an ausgesetzt; die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes und des Personalvertretungsrechtes über die Aussetzung von Beschlüssen gelten entsprechend."

Darauf sollte man den GBR ggf hinweisen.
cw

AW: Vertretungsrecht SBV

Beitrag von cw »

Vielen Dank für die schnellen Antworten. Die Absage erfolgte durch die GBR-Vorsitzende, die ich von meinem Fernbleiben unterrichtet hatte. Verhindert an der Teilnahme bin ich wegen einer Urlaubsvertretung. Auch wenn "Amt vor Dienst" geht, was ich immer beherzige, so muss ich in diesem Fall die Belange der Firma berücksichtigen. Die GBR-Sitzung findet an einem Standort statt, der 160 km von meinem Standort entfernt ist, so dass es sich um einen ganzen Tag Abwesenheit handelt. Würde ich an diesem Tag die Sitzung besuchen, würde ich an meinem Standort den Geschäftsablauf komplett stören, da kein anderer Mitarbeiter einspringen kann, immerhin ist derzeit Urlaubszeit. Es handelt sich bei meiner Firma um einen Großhandelsbetrieb, bei dem tagesfertig kommissioniert und fakturiert werden muss. Meine Unabkömmlichkeit an diesem Tag muss nicht vom AG geltend gemacht werden, denn ich weiß schon selbst, dass ich damit meinem Arbeitgeber schaden würde. Ich habe unter Abwägung der Umstände den Beschluss gefasst, dass mein Stellvertreter, der schon bereits am entsprechenden Standort vor Ort ist, die Vertretung übernimmt. Wieso jetzt der GBR dessen Teilnahme ablehnt, ist mir nicht verständlich, zumal er ja kein Stimmrecht, sondern nur eine beratende Funktion hat. Ich werde jetzt den GBR entsprechend darauf hinweisen, dass ich Wert darauf lege, dass die GSBV in der GBR-Sitzung vertreten ist. Vielen Dank!
albin.göbel
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Registriert: Mittwoch 10. November 2010, 14:55

AW: Verhinderungsvertretung SBV

Beitrag von albin.göbel »

cw hat geschrieben:Jetzt hat er mir mitgeteilt, dass er von der Sitzung ausgeladen wurde, weil ich weder krank noch ur­laubs­be­ding­t abwesend bin.
Hallo, ist "glasklare" Amtsanmaßung der GBR-Vorsitzenden: Diese ist "nicht zu einer Prüfung des Verhinderungsgrundes befugt". Die Gesamt-VP und das stell­ver­tre­ten­de Mitglied "sind keine Mitglieder" des GBR, oder? Die Mitglieder der GSBV unterliegen als solche natürlich nicht deren "Geschäftsordnungsgewalt". Die Frage des "Vorliegens von Hin­de­rungs­gründen und der Gewichtung ist interne Angelegenheit" der GSBV als eigenständiges Organ des Unternehmens laut ständiger BAG-Recht­spre­chung und Fachliteratur. Diese GBR-Vorsitzende ist deshalb "nicht berechtigt, ein zur Sitzung erscheinendes stell­ver­tre­ten­des Mitglied" der GSBV zurück­zu­wei­sen, "weil der Verhin­de­rungs­fall nicht nachgewiesen sei". Und für eine solche Zurückweisung gibt's ohnehin keinerlei Rechtsgrundlage (vgl. z.B. Düwell, LPK-SGB IX, § 95 Rn. 80).

Rechtsprechung
Zur Verhinderungsvertretung einer SBV vergl. ständige Rechtsprechung (L­AG Berlin 2005 und ­ L­AG Düsseldorf 2010, sowie BAG 2011; ArbG Cottbus 2012).

cw hat geschrieben:... weder krank noch abwesend.
Das ist grobe Behinderung der GSBV

Abgesehen davon, dass diese Vorsitzende des GBR darüber nicht zu befinden hat, da klare Überschreitung ihrer Kompetenzen, ist deren Aufzählung der gesetzlichen Ver­hin­de­rungsfälle einer GSBV ohnehin le­dig­lich punktuell und nicht mal ansatzweise komplett i.S.d. § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX. Die GSBV muss einer GBR-Vorsitzenden keinen Vertretungsfall "beweisen". Diesen stellt - wie hier - allein die Gesamt-VP fest, was dann von Gesetzes wegen den Ver­tre­tungsfall auslöst. Die Ver­hin­de­rungsre­ge­lun­g im jetzigen § 94 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist so neu nicht: Sie entspricht inhaltlich ge­nau den frühe­ren Ver­hin­de­rungsnormen in
§ 21 Abs. 1 SchwbG (1974 bis 1986)
- BGBl I 1974 Nr. 46 vom 30.04.1974
§ 24 Abs. 1 SchwbG (1986 bis 2000).
- BGBl. I 1986 Nr. 45 vom 02.09.1986

cw hat geschrieben:Wieso der GBR dessen Teilnahme ablehnt, ist mir nicht verständlich.
Mir auch nicht, da fehlt's am Basiswissen: Gehe mal eher davon aus, dass wohl reine unprofessionelle Eigenmächtigkeit dieser Vorsitzenden nach ihrem eigenen Be­fin­den. Das geht völlig an dem vorbei, was ständige Rechtsprechung ist, welche diese Vorsitzende eigentlich verinnerlicht ha­ben sollte als Basiswissen einer jeden BR-Vorsitzenden spätestens nach der ersten Grundschulung. Vgl. nur LAG Hamburg, 19.09.2012, H 6 TaBV 2/12, B.II, Rn. 68 m.w.N, wonach die einzelnen Man­dats­trä­ger­ und niemand sonst bei Terminkollision sach­ge­rech­t ab­zuwägen haben.

Danach hat das jeweilige Mitglied in ei­ge­ner Verantwortung darüber zu entscheiden, "wel­cher seiner beruflichen, privaten oder betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten er im Kollisionsfall den Vorrang gibt (vgl. BAG 23.06.2010 - 7 ABR 103/08 - Rn. 14)". Er­klärt sich ein Mitglied für verhindert, hat der Vorsitzende das tatsächliche Vorliegen ei­nes Hinderungsgrundes daher nicht nach­zu­prü­fen. Vielmehr darf der BR-Vor­sit­zen­de - ohne eigene Ermittlungen - davon aus­ge­hen, dass sich ein Betriebsratsmitglied seiner gesetzlichen Pflicht nicht ohne trif­ti­gen Grund entzieht und seine Ver­hin­de­rung nur nach sachgerechter Abwägung un­ter­schied­li­cher Pflichten anzeigt. Daher ist es aus Gründen der rechtssicheren Vor­be­rei­tung und Durchführung von Sitzungen und zum Schutz einer autonomen Amts­füh­rung geboten, die Entscheidung über das Vor­lie­gen eines Hinderungsgrund letztlich in der Verantwortung des jeweiligen Mit­glieds­­ zu lassen.

Viele Grüße
Albin Göbel

» Beiträge aus dem Beratungs-Forum in das SBV-Forum verschoben, da SBV-Thema
valentin

AW: Vertretungsrecht SBV

Beitrag von valentin »

Hallo,

hier ist nun nur das Problem, der GBR Vorsitzende muss die Verhinderung gar nicht prüfen. Denn die GSBV hat ihm ja gesagt, ich bin nicht verhindert schicke aber trotzdem den Stelli. Der Stelli ist aber nur lt. SGB IX im Falle der Verhinderung im Mandat. Daher würde so eine Person ohne Mandat an der GBR Sitzung teilnehmen, was gegen die NICHTÖFFENTLICHKEIT der GBR Sitzung verstoßen würde. Folge könnte dann sein, dass alle Beschlüsse nichtig wären.

Ggf könnte hier im Vorfeld der GBR Vorsitzende sich auch mit dieser Begründung beim ArbG einen Beschluss holen.

Der Gesetzgeber hat nun einmal klar geregelt, was Verhinderungsgründe sind, gut Will gegenüber dem AG ist keiner. Ohne Verhinderung kommt der Stelli nicht ins Mandat. Weiter geregelt wer an Sitzungen teilnehmen darf.
matthias.günther
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Registriert: Mittwoch 2. Mai 2012, 14:41

AW: Vertretungsrecht SBV

Beitrag von matthias.günther »

Der TE hat doch oben dargelegt, warum er in diesem Fall ausnahmsweise nicht selbst teilnehmen kann und somit ein Verhinderungsfall vorliegt. Deckt sich mMn auch mit der Kommentierung zum BetrVG. Nochmal: den BRV geht es nichts an, er hat den Vertretungsfall NICHT zu prüfen. Die GSBV hat ja gerade gegenüber dem GBR den Verhinderungsfall angegeben, wenn er mitgeteilt hat an dem Tag unabkömmlich zu sein und dass somit der Stellvertreter diese Aufgabe übernimmt ("... das die Vertrauensperson im Fall der Verhinderung vertritt", § 94 Abs. 1 SGB IX - seit 30.12.16 sind ja die vorher geltenden Einschränkungen durch die SGB IX - Änderung im Zug des BTHG entfallen).
valentin

AW: Vertretungsrecht SBV

Beitrag von valentin »

Hallo Matthias,
von matthias.günther » Mittwoch 26. Juli 2017, 09:40
Das Gesetz räumt der Erfüllung der SBV-Tätigkeit den Vorrang ein, § 96 Abs. 4 SGB IX. Die Unabkömmlichkeit der SBV wegen betrieblicher Notwendigkeiten müsste der AG geltend machen (BAG Beschluss v. 13.05.1997). Dann ist die SBV analog zu BR-Mitgliedern gehalten, zu prüfen ob unter dem Gesichtspunkt der vertrauensvollen Zusammenarbeit eine zeitliche Verschiebung der beabsichtigten SBV-Tätigkeit möglich ist. Da hier der Termin feststeht und nicht von der SBV selbst geplant wurde, gibt es wohl nichts zu verschieben. Im Verneinungsfall hat dann die SBV dem AG unter stichwortartiger Angabe der Gründe dies mitzuteilen. Ansprechperson ist der AG, nicht der GBR. Wenn sich die SBV nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls für verhindert erklärt und einen entsprechenden Beschluss fasst, muss das der BR akzeptieren. Es ist nicht seine Aufgabe, die Verhinderung der SBV zu überprüfen. Die ja nur beratend teilnimmt und kein Stimmrecht hat. Es sollte aber geprüft werden, ob die Aufgaben wirklich so wichtig sind, dass man nicht an der Sitzung teilnehmen kann. Mandatstätigkeit geht idR vor.
Verhinderungsfälle sind aber im Gesetz klar geregelt. Die Wahrnehmung der Arbeit als AN, also hier "Gut Will dem AG" ist eben KEIN Grund der Verhinderung! Besonders auch wegen dem der Mandatstätigkeit.

Wenn keine Verhinderung gegeben ist, kann auch KEINE Verhinderungsvertretung durch Stelli erfolgen! Hier hat der Gesetzgeber ein RIESEN LOCH gelassen, wie leider so oft in Gesetzen.
matthias.günther
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AW: Vertretungsrecht SBV

Beitrag von matthias.günther »

Ich sehe das NICHT als "guten Willen", wenn der SBV bekannt ist, dass er an dem Tag im Betrieb dringend gebraucht wird und dem AG ein Schaden entstehen würde. Das Gesetz benennt den Verhinderungsfall, nennt aber keine Beispiele. Die Kommentierung muss hier aushelfen. Im Übrigen ging es um die Frage, ob hier der BRV die SBV als eigenständige Instanz wahrnimmt und das hat er ganz offensichtlich nicht. Wenn die SBV den Verhinderungsfall darlegt und somit den Einsatz des Stellvertreters, dann muss der BR das akzeptieren. Dazu hat sich ja Herr Göbel umfassend und deutlich geäußert, ich sehe das auch so.
Für die SBV ist ja genau diese Abwägung ("gibt es einen triftigen Grund, warum ich meinen Mandatsaufgaben in dem Fall nicht nachkommen kann?") in der Praxis so schwierig, und wenn sie die Entscheidung so getroffen hat, dann muss der BR das akzeptieren. "Der Vorsitzende (des BR) hat das tatsächliche Vorliegen eines Hinderungsgrundes nicht zu prüfen." (Fitting, Rnr 21 zu § 25 BetrVG, S. 547, 27. Aufl.)
Ulrich.Römer
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Registriert: Mittwoch 29. September 2010, 12:51

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Beitrag von Ulrich.Römer »

Beitrag von Valentin:
Verhinderungsfälle sind aber im Gesetz klar geregelt.
Wo?
Ulrich Römer

Moderator der BIH-Foren
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