Wer ist wahlberechtigt, wer nicht?
Verfasst: Mittwoch 9. März 2022, 18:08
Liebe BIH-Autoren,
hier besteht offenbar dringender Korrekturbedarf laut Rechtsprechung bzw. ausweislich der Fachliteratur:
Im neuen Leitfaden ZB info 1/2022 zur SBV WAHL 2022 ist auf der Seite 6 eine irreführende Schwachstelle: Dort steht, dass nur „schwerbehinderte Leiharbeitnehmer, die länger als drei Monate im Entleiherbetrieb eingesetzt werden“, dort wahlberechtigt seien für die SBV, sonst nicht. Das ist nicht wasserdicht und wahlrechtlich klar abzulehnen lt. aktueller Rechtsliteratur (so zu Recht Düwell in Handbuch zur Wahl der SBV, 3. Aufl. 2022, Kapitel 4.10 – Simply the best).
Dieser redaktionelle Fehler sollte ggf. korrigiert werden, da das aktive Wahlrecht von Leiharbeitern viel zu eng gefasst ist, da schon ab dem ersten Tag akt. wahlberechtigt für die SBV lt. zwingender Auslegung im neueren Fachschrifttum (so z.B. Düwell, LPK-SGB IX, 6. Aufl. 2022, § 177 Rn. 16) Das war niemals anders nach altem und neuem SGB IX. Dafür gibt es keine wahlrechtliche Rechtsgrundlage, aber auch keine wahlordnungsrechtliche Rechtfertig, dh durch nichts zu rechtfertigende völlig haltlose Einzelmeinung.
Grund: Der § 177 Absatz 2 SGB IX verweist nämlich für die SBV nicht auf die Einschränkung im § 7 Satz 2 BetrVG für BR-Wahlen. Auch für den ÖD dürfte nichts anderes gelten seit jeher, da der § 177 Abs. 2 SGB IX auch nirgends aufs Personalvertretungsrecht verweist. Daher ist „Leitsatz“ und Rn. 29 des VGH Hessen, 18.11.2010, 22 A 959/10.PV, für PR-Wahlen auch nicht analog auf das akt. Wahlrecht für SBV in hessischen Dienststellen übertragbar gemäß dem § 9 Abs. 2 Satz1 HPVG (vgl. LPK-SGB IX, § 177 Rn. 13, wonach „keine Bedeutung für die Wahl zur SBV“). Das Landesrecht kann abschließendes Bundesrecht niemals einschränken (vergl. Düwell, in: ZTR, Ausgabe 10.2019), weder bei Abordnung noch bei Leiharbeit (br 1/2021). Es gibt_daher keine „Mindestbeschäftigungsdauer“. Ebenso auch_der § 4 Abs. 3 Satz 2 SchwbVWO zum „Eintritt“ in Betrieben, Behörden, Gerichten, wo ja gleichfalls nichts verordnet ist von einer solchen Mindestdauer, also auch wahlordnungsrechtlich nicht begründbar.
Anfechtung wegen falscher Wählerliste?
Anfechtung bedarf m.E. keines (vorherigen) Einspruchs gegen die Wählerliste entgegen der BIH-Wahlbroschüre 2022 auf Seite 92 oben zum vermeintlichen Verlust des Anfechtungsrechts; a.A. zu Recht Düwell, Handbuch zur Wahl der SBV, 3. Aufl. 2022, Abschnitt 10.3.2, wonach unvereinbar mit BAG, 02.08.2017 - 7 ABR 42/15, und LAG Hamm 2016. Der § 19 Abs. 3 Satz 1 BetrVG n.F. gilt_mE nicht (analog) für die SBV-Wahlenanfechtungen. Eine § 3 Absatz 2 Nr. 3 WahlO-BetrVG entsprechende Vorgabe („Hinweis auf Anfechtungsausschlussgründe“ gemäß „§ 19 Absatz 3 Satz 1 und 2“ BetrVG) für SBV-Wahlausschreiben gibt es nicht für die SBV-Wahlen in § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SchwbVWO. Insoweit sind m.E. „Vorschriften über die Wahlanfechtung“ im Betrieb nicht „sinngemäß“ anzuwenden bei einer Anfechtung wegen falscher Wählerliste laut § 177 Abs. 6 Satz 2 SGB IX.
Prof. Franz Josef Düwell, ZTR 2019, Heft 10, S. 539-542
» Personalvertretungsrecht im Widerstreit zum SGB IX – Die_Wahlberechtigung abgeordneter, zugewiesener und abkommandierter schwerbehinderter Menschen «
1. Bedeutung nicht nur für Wahlen
2. Abordnungen, Zuweisungen und Kommandierungen
3. Rechtsgrundlage § 177 Abs. 2 SGB IX
4. Einschränkung durch das Personalvertretungsrecht?
5. Kein Rückgriff auf das Personalvertretungsrecht
6. Eigenständige Regelung im SGB IX
7. Keine Konkurrenzsituation
8. Unterschiedliche Interessenlage
9. Folgenkontrolle
10. Resümee und Ausblick
Beste Grüße
Heidi Stuffer
hier besteht offenbar dringender Korrekturbedarf laut Rechtsprechung bzw. ausweislich der Fachliteratur:
Im neuen Leitfaden ZB info 1/2022 zur SBV WAHL 2022 ist auf der Seite 6 eine irreführende Schwachstelle: Dort steht, dass nur „schwerbehinderte Leiharbeitnehmer, die länger als drei Monate im Entleiherbetrieb eingesetzt werden“, dort wahlberechtigt seien für die SBV, sonst nicht. Das ist nicht wasserdicht und wahlrechtlich klar abzulehnen lt. aktueller Rechtsliteratur (so zu Recht Düwell in Handbuch zur Wahl der SBV, 3. Aufl. 2022, Kapitel 4.10 – Simply the best).
Dieser redaktionelle Fehler sollte ggf. korrigiert werden, da das aktive Wahlrecht von Leiharbeitern viel zu eng gefasst ist, da schon ab dem ersten Tag akt. wahlberechtigt für die SBV lt. zwingender Auslegung im neueren Fachschrifttum (so z.B. Düwell, LPK-SGB IX, 6. Aufl. 2022, § 177 Rn. 16) Das war niemals anders nach altem und neuem SGB IX. Dafür gibt es keine wahlrechtliche Rechtsgrundlage, aber auch keine wahlordnungsrechtliche Rechtfertig, dh durch nichts zu rechtfertigende völlig haltlose Einzelmeinung.
Grund: Der § 177 Absatz 2 SGB IX verweist nämlich für die SBV nicht auf die Einschränkung im § 7 Satz 2 BetrVG für BR-Wahlen. Auch für den ÖD dürfte nichts anderes gelten seit jeher, da der § 177 Abs. 2 SGB IX auch nirgends aufs Personalvertretungsrecht verweist. Daher ist „Leitsatz“ und Rn. 29 des VGH Hessen, 18.11.2010, 22 A 959/10.PV, für PR-Wahlen auch nicht analog auf das akt. Wahlrecht für SBV in hessischen Dienststellen übertragbar gemäß dem § 9 Abs. 2 Satz1 HPVG (vgl. LPK-SGB IX, § 177 Rn. 13, wonach „keine Bedeutung für die Wahl zur SBV“). Das Landesrecht kann abschließendes Bundesrecht niemals einschränken (vergl. Düwell, in: ZTR, Ausgabe 10.2019), weder bei Abordnung noch bei Leiharbeit (br 1/2021). Es gibt_daher keine „Mindestbeschäftigungsdauer“. Ebenso auch_der § 4 Abs. 3 Satz 2 SchwbVWO zum „Eintritt“ in Betrieben, Behörden, Gerichten, wo ja gleichfalls nichts verordnet ist von einer solchen Mindestdauer, also auch wahlordnungsrechtlich nicht begründbar.
Anfechtung wegen falscher Wählerliste?
Anfechtung bedarf m.E. keines (vorherigen) Einspruchs gegen die Wählerliste entgegen der BIH-Wahlbroschüre 2022 auf Seite 92 oben zum vermeintlichen Verlust des Anfechtungsrechts; a.A. zu Recht Düwell, Handbuch zur Wahl der SBV, 3. Aufl. 2022, Abschnitt 10.3.2, wonach unvereinbar mit BAG, 02.08.2017 - 7 ABR 42/15, und LAG Hamm 2016. Der § 19 Abs. 3 Satz 1 BetrVG n.F. gilt_mE nicht (analog) für die SBV-Wahlenanfechtungen. Eine § 3 Absatz 2 Nr. 3 WahlO-BetrVG entsprechende Vorgabe („Hinweis auf Anfechtungsausschlussgründe“ gemäß „§ 19 Absatz 3 Satz 1 und 2“ BetrVG) für SBV-Wahlausschreiben gibt es nicht für die SBV-Wahlen in § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SchwbVWO. Insoweit sind m.E. „Vorschriften über die Wahlanfechtung“ im Betrieb nicht „sinngemäß“ anzuwenden bei einer Anfechtung wegen falscher Wählerliste laut § 177 Abs. 6 Satz 2 SGB IX.
Prof. Franz Josef Düwell, ZTR 2019, Heft 10, S. 539-542
» Personalvertretungsrecht im Widerstreit zum SGB IX – Die_Wahlberechtigung abgeordneter, zugewiesener und abkommandierter schwerbehinderter Menschen «
1. Bedeutung nicht nur für Wahlen
2. Abordnungen, Zuweisungen und Kommandierungen
3. Rechtsgrundlage § 177 Abs. 2 SGB IX
4. Einschränkung durch das Personalvertretungsrecht?
5. Kein Rückgriff auf das Personalvertretungsrecht
6. Eigenständige Regelung im SGB IX
7. Keine Konkurrenzsituation
8. Unterschiedliche Interessenlage
9. Folgenkontrolle
10. Resümee und Ausblick
Beste Grüße
Heidi Stuffer