dpolg-bayer hat geschrieben:Wer ist berechtigt, Wahlvorstand zu bestellen? Die ungültig gewählte Vertrauensperson, die bereits die erste Wahl vergeigt hat? Dienststelle? Die Wahlanfechter?
Niemand! Nichts dergleichen! Ich teile insbesondere nicht die Ansicht, dass SBV-Stufenvertretung Bestellrecht habe. Dafür gibt’s
keinerlei Rechtsgrundlage. Ich halte die
Ansicht in der zitierten BIH-Wahlbroschüre für offensichtlich falsch und für einen Irrweg, der geradewegs zur Nichtigkeit führt. In § 1 SchwbVWO ist nicht von einer solchen Befugnis einer SBV-Stufenvertretung laut dem § 97 SGB IX die Rede. Daher ist
zwingend ein Wahlvorstand in einer Versammlung gemäß § 1
Absatz 2 SchwbVWO zu wählen (einschließlich
Vorsitzende/r bzw. Ersatzmitgliedern!). Für eine „analoge“ Anwendung des § 1 Abs. 1 SchwbVWO fehlt jeder Ansatz, vor allem aber besteht
keinerlei Regelungslücke und keine Legitimation. Ebenso: Dr.
Cramer, SchwbG, 5. Aufl. 1998, SchwbWO, § 1 Rn. 1. Ebenso Ministerialrat a.D.
Hohmann, in Wiegand/Hohmann, SchwbVWO, § 1 Rn. 5 / 19 und § 19 Rn. 19 / 21. Vgl. auch die
Diskussion 2014 sinngemäß zur erstmaligen Wahl. Da keine Regelungslücke besteht, ist auch „analoge“ Anwendung des § 1 Abs. 1 SchwbVWO für SBV-Stufe von vornherein ausgeschlossen nach allen gängigen juristischen Auslegungsmethoden - entgegen BIH-Ansicht. Demnach ist SBV-Stufe in solchen Fällen
niemals befugt, zur
_Wahl eines Wahlvorstands einzuladen nach § 1 Abs. 2 SchwbVWO oder gar einen Wahlvorstand zu bestellen nach § 1 Abs. 1 SchwbVWO. Sie ist schon nach dem glasklaren und eindeutigen Wortlaut zu nichts von beidem ermächtigt; a.A.
Pahlen, in: NPM-SGB IX, 12. Aufl. 2010, § 94 Rn. 34 und § 97 Rn. 12 (am Ende), wonach bei
Ersatzvertretung dieser alle Rechte einer örtl. SBV zufallen würden. Ist so pauschal wahlrechtlich zu weitgehend.
Keine Verweisung
Bekanntlich wird an keiner Stelle in
§ 1 SchwbVWO auf überörtliche Vertretungen nach
§ 97 SGB IX verwiesen - auch nirgends in
§ 93 SGB IX. Demnach weder Ladungsrecht noch Bestellrecht.
Abschließende Regelung
Die Norm des § 1 SchwbVWO ist „abschließender Natur“, weitere Stellen sind deshalb wahlrechtlich nicht befugt, die Wahlen zu initiieren (vgl. sinngemäß Wiegand / Hohmann, SchwbVWO, § 19 Rn. 19 und 21).
Keine analoge Bestellung
Zur Analogie vgl. sinngemäß BAG vom 20.01.2010, 7 ABR 39/08,
Rn. 25, wie folgt: „Aufgabe des Wahlvorstands ist es dementsprechend, die maßgeblichen Verfahrensvorschriften genau zu beachten. Dagegen ist es grundsätzlich nicht seine Sache, das Regelungswerk der einschlägigen Wahlordnung durch von ihm für sinnvoll erachtete weitere Regelungen zu ergänzen.“ Das gilt sinngemäß auch für die erstmalige Wahl eines Wahlvorstands, wenn keine örtl. SBV (mehr) existiert, und
niemals eine Bestellung eines Wahlvorstands in Frage kommt laut Wahlordnung wie hier. Aus § 97 Abs. 6 Satz 1 SGB IX lässt sich nichts Gegenteiliges ableiten. Denn der Gesetzgeber hat die BReg. ermächtigt in
§ 100 SGB IX, die Initiierung bzw. die Einleitung der Wahl selbst zu regeln per Verordnung (Wahlordnung). Gesetzliche Vorgaben gibt es insoweit einzig in § 94 Abs. 6
Satz 4 SGB IX für förmliche Wahlen und auch nur fürs InA: Von einer Stufenvertretung steht dort nichts! Eine unbeabsichtigte „Regelungslücke“ anzunehmen wäre reine Unterstellung, zumals ja ohnehin
drei Optionen in § 1 Absatz 2
Satz 2 und 3 SchwbVWO. Das sollte allemal reichen. Bei drei Optionen eine Regelungslücke zu unterstellen nach eigenem Gutdünken ist einfach nur abwegig, weil ja schon 3-fach geregelt vom Gesetz- bzw. Verordnungsgeber.
Rechtsvergleich
Das mag ja bei BR-Wahlen anders sein: Bei Betriebsrats-Wahlen ist nämlich ggf. der Gesamt-BR oder Konzern-BR berechtigt, einen örtlichen Wahlvorstand zu bestellen, wenn z.B. ein örtlicher Betriebsrat seiner Pflicht nicht – oder nicht rechtzeitig nachkommt nach § 16
Abs. 3 BetrVG oder wenn bisher noch kein örtlicher Betriebsrat existiert lt.
§ 17 Abs. 1 BetrVG, jeweils seit 2001. Der Knackpunkt ist hier, dass das für BR-Wahl ausdrücklich per Gesetz so angeordnet ist, für SBV-Wahlen aber gerade nichts dergleichen.
Fazit: Die Bestellung des Wahlvorstands statt Wahl wäre unwirksam (nichtig) laut der zutreffenden Ansicht in BIH-Wahlbroschüre, Abschnitt 8.1.
dpolg-bayer hat geschrieben:... dass Wählerverzeichnis bis zum Wahltag
nicht fortgeschrieben wird.
Reine Willkür, sachlich durch nichts zu rechtfertigen!
Sehr dubios: Da begibt sich dieser örtliche Wahlvorstand aber erneut auf sehr sehr dünnes Eis. Das wäre pro Fall dann eine klare Amtspflichtverletzung bzw. objektive grobe Wahlbehinderung sowie u.U. anfechtungsrelevant. Sind das denn dieselben EXperten wie bei der letzten Wahl? Dieser WV sollte sich mal mehr mit Kommentaren zur
SchwbVWO statt mit Kommentaren zu BR/PR-Wahlen, sei es
online oder sei es klassisch mit
Druckausgaben, befassen. Denn:
"Die Bestimmungen der SchwbVWO stellen ein vollständiges und in sich widerspruchsfreies Regelungswerk dar" nach Ansicht des Siebten Senats des
BAG vom 20.01.2010 - 7 ABR 39/08 - Rn. 24. Dr.
Pahlen, Vorsitzender Richter am LAG Berlin, in Rn. 4 zu § 4 SchwbVWO:
"Ergibt die Überprüfung nach Abs. 3, dass die Liste der Wahlberechtigten nicht vollständig ist, so wird die Liste ergänzt, und zwar von Amts wegen und ohne Einspruch. Das gilt auch für Veränderungen durch Ausscheiden oder Eintritt sbM oder gleichgestellter bM in den Betrieb. Die Änderung und Berichtigung kann nur bis zum Tag vor der Wahl vorgenommen werden. Dabei sind aber auch Veränderungen zu berücksichtigen, die am Tage der Wahl eintreten und Tage vorher schon bekannt sind, z. B. also die Einstellung eines sbM für den Beginn des Wahltages."
DAS BEDEUTET: WV hat die Dienststelle aufzufordern, ihm alle Änderungen bis zum Tag vor der Wahl unverzüglich mitzuteilen wie ➔Zugänge und ➔Abgänge sbM sowie ➔SB-Ausweise und ➔Gleichstellungen bzw. natürlich auch ➔Namensänderungen, soweit nicht bereits geschehen (§ 4 Abs. 2 und 3 i.V.m. § 2 Abs. 6 SchwbVWO). Nach der Rechtsprechung sind Korrekturen bis zu 5 % keine Seltenheit, teils weit darüber.
Die nicht näher begründete viel zu pauschale Einzelmeinung des
ArbG Stuttgart vom 21.05.2003, 24 BV 255/02, wonach nur eine "sehr eingeschränkte Berichtigungs- oder Ergänzungsmöglichkeit" bestehe, ist folglich nach Dr. Pahlen für o.g. Fälle strikt abzulehnen. Würde nicht aktualisiert, wäre dies ggf. Vereitelung des gesetzlichen Wahlrechts nach § 94 Abs. 2 SGB IX.
Diese Wählerliste ist stets auf neuestem Stand zu halten und zu aktualisieren bzw. zu berichtigen! Sonst würde zum Beispiel das Einspruchsrecht gegen die Liste der Wahlberechtigten ad absurdum geführt bzw. ins Leere laufen. Der Wahlvorstand hat nach bisheriger Rechtsprechung die Wählerliste ggf. -
bis zum Vortag - dieser Zwischenwahl zu aktualisieren. Ebenso BIH-
Wahlbroschüre, Seite 35, Stichworte "Anfertigung der Wählerliste" und "Ablauf der Einspruchsfrist". Vergleiche dazu auch die eingehende
Diskussion von 2014 hier im BIH-Wahlforum.
Entgegen Wortlaut des
§ 4 Abs. 3 SchwbVWO (
"kann") hat der SBV-Wahlvorstand hier auch
keinen Ermessensspielraum. Ebenso Nr. 4.4 - 4.6 in dem
Wahlkalender 2014 für das förmliche Wahlverfahren, wonach der Wahlvorstand Berichtigungen/ Ergänzungen der Liste der Wahlberechtigten "bis zum Tag vor Beginn der Stimmabgabe" vorzunehmen hat. Vgl. Wiegand/Hohmann SchwbVWO § 4 Rn 32
Allerdings ist der Wahlvorstand etwa bei einem verspätetem Einspruch nach dem reinen Wortlaut der WO gehalten Korrekturen abzulehnen, soweit keine "offenbaren Unrichtigkeiten" oder keine der sonstigen Voraussetzungen nach § 4 Abs. 3 SchwbVWO für eine Korrektur vorliegen. Eine höchstrichterliche Entscheidung dazu liegt noch nicht vor, soweit ersichtlich.
Nach Ansicht des Siebten Senats des BAG darf die Wählerliste allerdings für die BR-Wahlen am Wahltag nicht mehr verändert werden selbst bei offensichtlich fehlerhafter Wählerliste. Änderungen und Ergänzungen der Wählerliste seien "nur bis zum Tag vor Beginn der Stimmabgabe zulässig, nicht jedoch am Wahltag selbst". Ergänzt der Wahlvorstand am Wahltag die Wählerliste um bislang nicht gelistete wahlberechtigte Beschäftigte und nehmen diese an der Wahl teil, könne dies die Anfechtung der Wahl rechtfertigen, wenn dadurch das Wahlergebnis beeinflusst werden konnte (
BAG, 21.03.2017 - 7 ABR 19/15; vergl.
Sachadae, HaKo-BetrVG, Rn. 3 zu § 2 WahlO-BetrVG, entsprechend).
Dieser Beschluss ist auch für SBV-Wahlen in Betrieben und Dienststellen anwendbar wegen insoweit inhaltsgleichen Wahlordnungen, nicht aber für PR-Wahlen etwa nach
BPersVG und
BayPVG wegen in dieser Hinsicht abweichenden Wahlordnungen. Der Beschluss ist hingegen nicht anwendbar für die vereinfachte Wahl der SBV in Wahlversammlungen.
dpolg-bayer hat geschrieben:Angeblich würden Kommentare zu BR/PR-Wahlen die Aktualisierung des Verzeichnisses verneinen.
Unsinn, da personalvertretungsrechtliche Gründe.
Das mag für BR-/PR-Wahlen gelten - aber
nie und nimmer für SBV-Wahlen. Dieser Vorstand packt das einfach falsch an! Der sollte sich mal besser mit einem Kommentar zur SchwbVWO befassen statt mit solchen zu BR/PR-Wahlen: Sonst wird das wieder nichts, weil insoweit und auch sonst oftmals überhaupt nicht vergleichbar.
• Vgl. BAG vom 20.01.2010, 7 ABR 39/08, Rn. 25:
„Die Bestimmungen der SchwbVWO stellen ein vollständiges und in sich widerspruchsfreies Regelungswerk dar … Der
analogen Anwendung von Vorschriften aus anderen Wahlordnungen steht außerdem der formalisierte Charakter derartiger Verfahrensvorschriften entgegen. Durch Wahlordnungen werden dem Wahlvorstand im Interesse der Rechtssicherheit detaillierte Vorgaben für die Durchführung der Wahl gegeben. Aufgabe des Wahlvorstands ist es dementsprechend, die maßgeblichen Verfahrensvorschriften genau zu beachten. Dagegen ist es grundsätzlich nicht seine Sache, das Regelungswerk der einschlägigen Wahlordnung durch von ihm für sinnvoll erachtete weitere Regelungen zu ergänzen..“
Viele Grüße
Albin Göbel