Zusicherung einer Gleichstellung

Clara

Zusicherung einer Gleichstellung

Beitrag von Clara »

Wir haben einen Bewerber, der ein Schreiben der AfA eingereicht hat, in dem ihm eine Gleichstellung zugesichert wird, sofern der Arbeitgeber die Einstellung von einer Gleichstellung abhängig macht. Die Frage stellt sich nun, ob die SBV bei den Bewerbergesprächen beteiligt werden muss.
albarracin_01
Beiträge: 572
Registriert: Dienstag 25. Juni 2013, 10:43

AW: Zusicherung einer Gleichstellung

Beitrag von albarracin_01 »

Hallo,

lt. Dau/Düwell/Joussen, SGB IX, Dau, § 69 Rn 17 begründet die Zusicherung allein noch keinen Schutz als sbM in einem Bewerberverfahren. Die SBV ist nicht zu beteiligen.
Allerdings sieht der Kommentar das Instrument der Zusicherung äußerst kritisch, da im Gesetz nicht vorgesehen und weist darauf hin, daß mittlerweile auf entsprechendes Verlangen eine Gleichstellung durch die BA ausgesprochen wird, wenn sich der Antragsteller mit der Zusicherung nicht zufrieden gibt (a.a.O.)
&Tschüß
Wolfgang
Clara

AW: Zusicherung einer Gleichstellung

Beitrag von Clara »

Andererseits gilt bei Gleichstellungsanträgen, dass der Antragsteller mit Eingang des Antrages unter dem "Schutz" des SGB IX steht, auch wenn noch kein Bescheid ergangen ist (So steht es jedenfalls im Schreiben der AfA zur Stellungnahme der SBV). Heißt das nicht adäquat, dass die Zusicherung einer Gleichstellung der AfA auch gleichzeitig die Anwendung aller Bestimmungen des SGB IX mit Ausnahme § 125 Zusatzurlaub und Kapitel 12 unentgeltliche Beförderung Anwendung finden, also auch die Beteiligung der SBV im Bewerberverfahren?
albin.göbel
Beiträge: 701
Registriert: Mittwoch 10. November 2010, 14:55

AW: Zusicherung als Gleichstellung 2. Klasse?

Beitrag von albin.göbel »

Clara hat geschrieben:So steht es jedenfalls im Schreiben der AfA zur Stellungnahme der SBV
Einen solchen Hinweis kann ich dem Fragebogen der Bundesagentur für Arbeit nicht entnehmen.

Clara hat geschrieben:Heißt das nicht adäquat, dass die Zusicherung einer Gleichstellung der AfA auch gleichzeitig die Anwendung aller Bestimmungen des SGB IX... Anwendung finden, also auch die Beteiligung der SBV im Bewerberverfahren?
NEIN, das lässt sich gerade nicht aus der B­AG-Rspr. ableiten, sondern das genaue Gegenteil wie folgt:

"Für eine Gleichstellung fehlt es im Falle der Klägerin an diesem konstitutiven Akt, obwohl sie mit 40 einen für eine Gleich­stel­lung ausreichenden Grad der Behinderung aufweist. Die konstitutive Feststellung wird auch nicht durch die Zusicherung nach § 34 SGB X ersetzt. Die schriftliche Zu­si­cher­ung der zuständigen Behörde, einen bestimmten Verwaltungsakt, hier die Gleichstellung, später zu erlassen, ver­pflich­tet die Behörde zwar grundsätzlich zu einem entsprechenden Ver­wal­tungs­han­deln, ersetzt aber den zugesicherten Ver­wal­tungs­akt als solchen gerade nicht"
BAG, 27.01.2011, 8 AZR 580/09, Rn. 33


Stellenbewerber müssen folglich nicht nach den Vorschriften des SGB IX behandelt werden jedenfalls nach dem Auslaufen der Übergangsrechtsprechung 2006, wenn ihnen nur eine Gleichstellung "zugesichert" statt bewilligt wurde. Damit fallen sie nicht (mehr) unter die Schutzvorschriften des SGB IX laut Pressemitteilung des B­AG, letzter Satz (LPK-SGB IX, § 81 Rn. 20).

Zusicherungen, teils als Gleichstellungen 2. Klasse bezeichnet, sind demnach einer Gleichstellung gerade nicht gleichwertig. Solche Zusicherungen sichern z.B.
• keine Bewerbungs-Verfahrensrechte nach § 81 Abs. 1 SGB IX,
• keine nach § 95 Abs. 2 SGB IX und
• keine nach § 82 SGB IX. Gegenteilige im Internet kursierende Anwaltsauskünfte bzw. Merkblätter, wonach eine Zu­si­cher­ung im gesamten Einstellungsverfahren ebenso wie eine Gleichstellung zu behandeln sei, sind unvereinbar mit dieser Rechtsprechung bzw. der Rechtslage seit 18.08.2006.

Harsche Kritik daher zur "zunehmenden bedenklichen" Praxis von Arbeitsagenturen (Zusicherung statt Gleichstellung) z.B. in VdK-Fach­zeit­schrift S+P 9/2011, S. 595 - 600; Dau, LPK-SGB IX, § 68 Rn 17 m.w.N, sowie bei Haufe in Rz. 397 wie folgt:

"... sind die Nachteile des behinderten Antragstellers mit Zusicherung, aber ohne Gleichstellungsbescheid übersehen worden. Denn wer sich mit der bloßen Zusicherung um die Einstellung bewirbt, kann sich nicht auf die Eigenschaft eines gleichgestellten behinderten Menschen berufen. Damit entfallen für ihn alle angemessenen Vorkehrungen, die der Gesetzgeber zur Verbesserung der Bewerbungschancen gleichermaßen für schwerbehinderte und gleichgestellte behinderte Menschen geschaffen hat"

Auch die sozialgerichtliche Instanzenrecht­spre­chung hat wie die BA verkannt, dass entgegen deren "Merkblatt" eine ­zu­ge­si­cher­te Gleichstellung keineswegs einer bewilligten Gleichstellung nach SchwbR gleichwertig ist und daher ­be­hin­der­te Bewerber durch eine bloße Zu­­si­cherung bei Einstellungen benachteiligt werden können, u.a. SBV-Ausschluss. Das BSG hat bisher keine einzige Zusicherung statt Gleichstellung "durchgewunken":

Im Revisionsverfahren B 11 AL 47/07 ­er­kann­te die Bundesagentur den Anspruch des dortigen Klägers auf Gleichstellung an und vermied damit ein Grundsatzurteil. Die Fehlurteile des SG Fulda, S 1 AL 102/05, und des Hessischen LSG, L 7 AL 61/06, sind durch das Bundessozialgericht nicht bestätigt worden.

Die Bundesagentur für Arbeit soll ihre Praxis inzwischen geändert haben und gleichstellen, wenn der behinderte Mensch sich mit bloßer Zusicherung ausdrücklich nicht zufrieden gebe (Beyer, in jurisPR-ArbR 35/2011 Anm 2). Darüber muss die Arbeitsverwaltung aufklären (Dau, RiBSG a.D., LPK-SGB IX, § 68 Rn. 17) sowie über sämtliche damit verbundenen rechtlichen Nachteile im Bewerbungsverfahren, wenn die Agentur behinderte Antragsteller un­ge­fragt unter Fristsetzung mit dieser Option konfrontiert.

Wer eine Gleichstellung beantragt, muss sich jedenfalls frei entscheiden können, ob er sich zunächst mit einer Zusicherung begnügt oder gleich eine Gleichstellung will. Wer gegen seinen Willen nur die Zusicherung erhält, sollte Widerspruch einlegen (Düwell, LPK-SGB IX, § 81 Rn. 143). Darüber entscheidet dann jeweils der Widerspruchsausschuss.

Viele Grüße
Albin Göbel
albarracin_01
Beiträge: 572
Registriert: Dienstag 25. Juni 2013, 10:43

AW: Zusicherung einer Gleichstellung

Beitrag von albarracin_01 »

Hallo,

schon bei dieser Voraussetzung
Andererseits gilt bei Gleichstellungsanträgen, dass der Antragsteller mit Eingang des Antrages unter dem "Schutz" des SGB IX steht, auch wenn noch kein Bescheid ergangen ist (So steht es jedenfalls im Schreiben der AfA zur Stellungnahme der SBV).
Hast Du offensichtlich eine zu weit gehende Interpretation. Der vorläufige Rechtsschutz während Antragstellung umfasst gem. § 90 Abs. 2a SGB IX streng genommen lediglich den Kündigungsschutz. Die anderen Rechte von sbM sind damit noch nicht zuerkannt.
Es ist zwar sinnvoll, daß viele Integrationsämter und Integrationsfachdienste hier ihre Zuständigkeit sehr großzügig auslegen, aber nicht unbedingt durch den Wortlaut des Gesetzes gedeckt.
Im Übrigen ist es in der Literatur auch nach wie vor umstritten, ob überhaupt dieser vorläufige Rechtsschutz auch für das Gleichstellungsverfahren gilt.
&Tschüß
Wolfgang
Clara

AW: Zusicherung einer Gleichstellung

Beitrag von Clara »

Zum Glück hat sich mein Arbeitgeber entschieden, die SBV zur Sicherheit dennoch einzuschalten, aber gut zu wissen, dass ich nicht drauf bestehen kann.
jada.wasi
Beiträge: 394
Registriert: Freitag 30. März 2012, 16:30

Zusicherung einer Gleichstellung - Merkblatt?

Beitrag von jada.wasi »

Hallo zusammen,

die Arbeitsagentur schreibt in einem Merkblatt zu einer "Zusicherung der Gleichstellung":
Arbeitsagentur hat geschrieben:Die Frage des Arbeitgebers, ob der Bewerber schwerbehindert oder einem Schwerbehinderten gleichgestellt ist, ist zulässig und muss daher wahrheitsgemäß beantwortet werden. Diese Problematik tritt bei einer Zusicherung nicht ein.
Ist dieses Merkblatt der Arbeitsagentur richtig, wonach die Frage nach einer Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung bei Bewerbungen stets wahrheitsgemäß beantwortet werden müsse? Ich habe in einem Kommentar das Gegenteil gelesen, dass die tätigkeitsneutrale Frage nach einem Schwerbehindertenausweis oder Gleichstellungsbescheid von Bewerbern gerade nicht wahrheitsgemäß beantwortet werden muss.

Gruß,
Jada Wasi
CVedder
Beiträge: 347
Registriert: Dienstag 2. November 2010, 11:14

AW: Zusicherung einer Gleichstellung

Beitrag von CVedder »

Ich behaupte mal, dass die Aussage der Agentur für Arbeit aus Würzburg völlig falsch ist!
Schaut hier mal: https://www.integrationsaemter.de/Fachl ... index.html" onclick="window.open(this.href);return false;

Andere Meinungen? Wer teilt es Würzburg mit?

Grüße
Christian Vedder
albin.göbel
Beiträge: 701
Registriert: Mittwoch 10. November 2010, 14:55

AW: Zusicherung statt Gleichstellung?

Beitrag von albin.göbel »

jada.wasi hat geschrieben: Donnerstag 10. März 2016, 16:32 Ist dieses Merkblatt der Arbeitsagentur richtig?
Ich teile diese Einschätzung von Christian Vedder sowie Ansicht im B­IH-Fachlexikon - da datenschutzwidrig bzw. diskriminierend, weil vom Grundsatz her kein Fragerecht (Düwell, LPK-SGB IX, § 85 Rn. 27, und Knittel, SGB IX, § 68 Rn. 43) nach § 28 Abs.6 BDSG.

Die arbeits- und verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung der letzten zehn Jahre zum Antidiskriminierungsrecht scheint sich wohl noch nicht überall rumgesprochen zu haben. Siehe dazu die Urteilsübersicht der letzten zehn Jahre hier im BIH-Forum, das BfDI-Datenschutzforum, sowie auch Prof. Düwell, Vors. RiBAG, Zusicherung der Gleichstellung allein genügt nicht!, VdK-Fachzeitschrift "Sozialrecht + Praxis" für Schwerbehindertenvertreter, SuP 9/2011, Seite 595-600.

Gegen ein generelles uneingeschränktes Fragerecht im Einstellungsverfahren jetzt auch Bundesarbeitsgericht von_2011 und 2014 wie folgt:

BAG: "Eine Pflicht zur Offenbarung der Schwer­be­hin­de­rung schon bei einer Bewerbung besteht grundsätzlich nicht, ebenso wenig wie ein grundsätzliches Fragerecht des Arbeitgebers … Es liegt in der Entscheidung des schwer­be­hinderten Menschen, ob er die Schwerbehinderung bei der Bewerbung nach SGB IX berücksichtigt haben will oder nicht“. (BAG, 18.09.2014, 8 AZR 759/13, Rn. 40)

Ebenso schon BAG, 13.10.2011, 8 AZR 608/10, Rn. 43 mit weiteren Nachweisen, wonach gerade die Nachfrage nach einer tä­tig­keits­neu­tra­len Schwerbehinderung ein Indz für eine un­mit­tel­ba­re oder mittelbare Ver­fah­rens­dis­krimi­nie­rung sein könne.

Viele Grüße
Albin Göbel
albin.göbel
Beiträge: 701
Registriert: Mittwoch 10. November 2010, 14:55

Zusicherung einer Gleichstellung - Nachteile?

Beitrag von albin.göbel »

Keine Bewerbungs-Verfahrensrechte gemäß § 81 Abs. 1 SGB IX, keine nach § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX und keine nach § 82 SGB IX.

Hallo zusammen,

das finde ich nicht neutral, wenn von der Arbeitsagentur nirgends an keiner Stelle deutlich auf diese gravierenden Verfahrensnachteile bei einer bloßen Zusicherung statt Gleichstellung hingewiesen wird, und im Merkblatt sogar generell behauptet wird, dass die Zusicherung gegenüber der Gleichstellung keine Nachteile hätte (trotz gegenteilig. Rechtslage spätestens seit AGG 2006, trotz gegenteiliger BAG-Rechtsprechung von 2011) wie folgt:
Arbeitsagentur hat geschrieben:Welche Nachteile hat die Zusicherung gegenüber der Bewilligung der Gleichstellung? Keine ...
Das erweckt eher den Eindruck, die Bundesagentur hängt deswegen so an ihren Zusicherungen, damit sie mit ihrer monatlichen Arbeitslosen-Statistik für schwerbehinderte Menschen nicht noch schlechter dasteht als ohnehin. Denn gleichgestellte Arbeitslose tauchen in ihrer Arbeitslosen-Statistik für Schwerbehinderte auf, nicht aber behinderte Arbeitslose mit lediglich zugesicherter Gleichstellung. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Diese Zusicherungen sind erneut bundesweit gestiegen um 20 % – während die Zahl von bewilligten Gleichstellungen rückläufig war:

2012 = 4.127 Zusicherungen
2013 = 5.013 Zusicherungen

Hinweis: "Ab 2010 werden Personen mit Zusicherung einer Gleichstellung nicht mehr zu den Schwerbehinderten gezählt" in Statistiken der Bundesagentur für Arbeit.
Aus diesem Grund sind Vergleiche mit der Arbeitslosen-Statistik für Schwerbehinderte der Vorjahre nur bedingt möglich, da diese seither statistisch "rausgerechnet" werden und bei der Arbeitslosenquote sbM keine Rolle mehr spielen nach Angaben der BA seit 6 Jahren wie folgt:

BA: "Seit 2010 werden die bei den Ar­beits­agen­turen und Jobcentern erfassten Per­so­nen, denen eine Gleichstellung zu­ge­si­cher­t wurde, nicht mehr zu den schwer­be­hin­der­ten­ Menschen gezählt..."

Viele Grüße
Albin Göbel
Antworten