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Welches Wahlverfahren ?
Verfasst: Freitag 1. Juni 2018, 15:22
von sbv2018
Hallo,
vorbereitend auf die kommende Wahl, stelle ich mir gerade die Frage, welches Wahlverfahren ich aktuell anwenden muss.
Ich bin SBV bei einer Bank, diese besteht klassisch aus einigen Filialen. Durch eine Fusion vor 3 Jahren hat sich unser Geschäftsgebiet zuletzt vergrößert. Von unserer juristischen Hauptstelle betragen die Entfernungen zu den jeweiliigen Filialen zwischen 2 und 40 km.
Aktuell sind mir 10 schwerbehinderte / wahlberechtigte MA bekannt.
Bislang haben wir immer im vereinfachten Wahlverfahren gewählt, was aufgrund der Anzahl ja auch i. O. war.
Ich hinterfrage aber nun folgenden Punkt nach § 18 (SchwbVWO) Voraussetzungen:
Besteht der Betrieb oder die Dienststelle nicht aus räumlich weiter auseinanderliegenden Teilen und sind dort weniger als fünzig Wahlberechtigte beschäftigt, ist die Schwerbehindertenvertretung in einem vereinfachten Wahlverfahren nach Maßgabe der folgenden Vorschriften zu wählen.
Was genau bedeutet: räumlich weiter auseinanderliegenden Teilen
Als Bank sind wir klassisch ein Betrieb, haben auch gerade vor einigen Wochen nur einen BR für die Bank gewählt.
Bei den derzeit mir bekannten wahlberechtigten MA wäre die weiteste Entfernung 24 km zum geplanten Wahlort.
Die Möglichkeit von Briefwahl würde zudem das ganze sogar noch weiter erleichtern.
Ich würde wie bisher gerne wieder im vereinfachten Wahlverfahren wählen lassen und möchte aufgrund der doch geringen Anzahl an schwerbehinderten MA, auf das förmliche Wahlverfahren verzichten wollen.
Nun zusammengefasst meine Fragen:
1. Kann ich mit dem o. a. Sachverhalt weiterhin das vereinfachte Wahlverfahren nutzen ?
2. Wenn das vereinfachte Wahlverfahren wie bislang möglich ist, kann auch per Briefwahl gewählt werden ?
Vielen Dank für die Beantwortung meiner Fragen
AW: Wahlverfahren nach Fusion?
Verfasst: Samstag 2. Juni 2018, 09:00
von albin.göbel
2. Wenn das vereinfachte Wahlverfahren wie bislang möglich ist, kann auch per Briefwahl gewählt werden?
NEIN Keine Briefwahl! Ginge auch von der Zeitfolge nicht, weil Vorschläge ja erst in der Wahlversammlung gemacht werden. Vgl. auch
hier sowie Wahlbroschüre, Abschnitt 4.3, zur vereinfachten Wahl. Ganz anders als bei vereinfachter BR-Wahl mit Wahlvorstand, Wahlausschreiben sowie Auslegung der Wählerliste nach
§ 36 WO-BetrVG gibts bei vereinfachter SBV-Wahl
keine "nachträgliche schriftliche Stimmabgabe" (Briefwahl).
Durch eine Fusion vor 3 Jahren hat sich unser Geschäftsgebiet zuletzt vergrößert.
Ich unterstelle mal, dass Sie nach der "Fusion" als SBV gewählt wurden. Wenn nein, sollten Sie evtl. das Gespräch mit Ihrem
Integrationsamt suchen zur Klärung, ob es sich damals 2015 um eine "Zusammenlegung" oder um eine bloße "Eingliederung" handelte iSd
Abschn. 2.3 der Wahlbroschüre. Bei einer sog. Zusammenlegung hätte das Mandat vorzeitig geendet, bei bloßer Eingliederung würde es noch bis Herbst 2018 laufen.
Viele Grüße
Albin Göbel
Re: Welches Wahlverfahren ?
Verfasst: Sonntag 3. Juni 2018, 11:47
von sbv2018
Zu unserer letzten Fusion 2015 habe ich die Auskunft bekommen, dass eine Neuwahl der SBV nicht erforderlich ist. Wir sind übernehmende / aufnehmende Bank gewesen und hatten eine SBV, die andere Bank, hatte gar keine SBV.
Und wo ist der Unterschied zwischen einer Fusion und Eingliederung ? Ist es bei einem Zusammenschluss von zwei Banken nicht immer eine Fusion ? ( zumindest wird dieses doch juristisch immer so bezeichnet....dabei geht das übernommende Institut in das aufnehmende Institut über).
Wenn es dann doch bei den übernommenden Institut gar keine SBV gab, wozu dann eine evtl. Neuwahl ?
Abgesehen von der Wahl in diesem Jahr und immer noch meinem großen ??? welches Wahlverfahren ich anwenden soll, steht die nächste Fusion im nächsten Jahr auch schon wieder an.
Gleiche Situation wie bei der oben beschriebenen Fusion, wir sind übernehmende / aufnehmende Bank und die Bank, die wir übernehmen, hat auch keine SBV, auch hier habe ich die Info bekommen, dass dann keine Neuwahl erforderlich ist.
(anders als bei dem BR, der in beiden Banken besteht)
Sowohl jetzt als auch mit der nächsten Fusion haben wir nur sehr wenige schwerbehinderte MA (3 - 4% der Gesamt MA), den deutlich höhere formalen und zeitlichen Aufwand kann ich kaum mit gutem Gewissen meinem Arbeitgeber gegenüber vertreten, so dass ich sogar überlegen würde, das Amt abzugeben.
Erst Recht, wenn tatsächlich mit der kommenden Fusion erneut so kurzfristig wieder eine SBV gewählt werden müsste.....
Viele Grüße
Re: Welches Wahlverfahren ?
Verfasst: Montag 4. Juni 2018, 16:45
von Ulrich.Römer
Hallo sbv2018,
als übernehmende Bank ist es nicht relevant ob in der anderen Bank eine SBV existiert. Durch die Eingliederung der anderen Bank wäre dort das Amt als SBV erlöschen. Die SBV der aufnehmenden Bank bleibt im Amt bis zum Ende der regulären Amtszeit. Eine Neuwahl wäre nur bei Zusammenlegung mehrerer Banken erforderlich weil dann die Ämter aller SBVs erlöschen würden. (Siehe Wahlbroschüre Seite 28) . Die Auskunft, das keine Neuwahl erforderlich ist, ist somit durchaus nachvollziehbar.
Das Wahlverfahren ist nicht verhandelbar. Bei fehlender räumlicher Nähe ist das förmliche Verfahren zwingend vorgeschrieben. Das vereinfachte Verfahren ist die Ausnahme und nur bei räumliche Nähe UND weniger als 50 Wahlberechtigten zulässig. Die Briefwahl ist nur im förmlichen Verfahren zulässig.
Re: Welches Wahlverfahren ?
Verfasst: Montag 4. Juni 2018, 16:49
von CVedder
Hallo sbv2018,
noch als Ergänzung. Wenn 24 Kilometer Distanz in der Regel eine Fahrzeit von 1 Stunden auslösen kann (im Stuttgarter Kessel auf jeden Fall!), dann kann nicht mehr von räumlicher Nähe gesprochen werden und damit wäre eine der Voraussetzungen für das förmliche Wahlverfahren eröffnet.
Grüße
Christian Vedder
Re: Welches Wahlverfahren ?
Verfasst: Dienstag 5. Juni 2018, 09:57
von rolf.gollnick
Hallo SBV2018,
in Ihrer Frage schildern Sie die Situation:
"Von unserer juristischen Hauptstelle betragen die Entfernungen zu den jeweiligen Filialen zwischen 2 und 40 km." und "Bei den derzeit mir bekannten wahlberechtigten MA wäre die weiteste Entfernung 24 km zum geplanten Wahlort."
Maßgeblich ist die Lage der Betriebsteile eines mehrteiligen Betriebes zueinander. Diese Voraussetzung soll sicherstellen, dass die Meinungsbildung und der Wahlprozess für die einzelnen Wahlberechtigten überschaubar sind. Beschluss BAG v. 07.04.2004 (7ABR 42/03): die räumliche Nähe der Betriebsteile muss eine Kenntnis der Wahlberechtigten über die Verhältnisse des Betriebes in seiner Gesamtheit, insbesondere über die wählbaren Belegschaftsmitglieder gewährleisten. Die Beurteilung der räumlichen Entfernung muss sich daher meines Erachtens auf die am weitesten voneinander entfernten Betriebe/Betriebsteile beziehen und nicht auf die Entfernung der einzelnen Betriebe/Betriebsteile zum Wahlort.
Herzliche Grüße
Rolf Gollnick
Re: Welches Wahlverfahren ?
Verfasst: Mittwoch 6. Juni 2018, 13:43
von sbv2018
Hallo,
erst einmal vielen Dank für die Antworten. Um ganz sicher zu gehen habe ich den Sachverhalt für unseren Betrieb auch direkt beim Integrationsamt abklären und mir bestätigen lassen.
Ergebnis, da unsere aktuelle Filialstruktur entsprechend der derzeitigen Rechtssprechung (wie hier auch schon als Antwort im Forum formuliert) nicht weit auseinanderliegt, kann auch für die SBV - Wahl in 2018 nach dem vereinfachten Wahlverfahren gewählt werden.
Bei der Anzahl der Wahlberechtigten sind wir sowieso deutlich unter 50
Ferner muss auch nach der kommenden Fusion nicht neu gewählt werden. Wie @Ulrich Römer auch schon entsprechend geantwortet hat.
Ich habe aber auf jeden Fall schon wieder einiges dazu gelernt, nochmals vielen Dank für die Antworten.
Welches Wahlverfahren?
Verfasst: Freitag 6. Juli 2018, 14:42
von Maiko
Hallo liebe Forumsbesucher,
ich würde gerne das Thema mit einer weiteren Frage aus meinem dienstlichen Hintergrund erweitern und würde mich über Antworten freuen:
Die Frage:
Welches Wahlverfahren ist in meiner Dienststelle anzuwenden?
Zum Hintergrund
In unserer Dienststelle sind deutlich weniger als 50 Wahlberechtigte beschäftigt. Unsere Dienststelle besteht aus räumlich weit auseinanderliegenden Teilen. In den außenliegenden Teilen sind keine Wahlberechtigten bzw. Schwerbehinderte und Gleichgestellte beschäftigt.
Für die Frage, welche Voraussetzungen vorliegen müssen, damit die Wahl der örtlichen SBV im Vereinfachten Wahlverfahren durchgeführt werden darf bzw. muss, dürfte ja § 18 der SchwbVWO heranzuziehen sein.
In verschiedenen Kommentierungen, teilweise auch in Diskussionen bei Fortbildungen, musste ich aber feststellen, dass teilweise die Meinung vertreten wird, dass, wenn in den räumlich weit auseinanderliegenden Teilen keine Wahlberechtigten beschäftigt sind, im vereinfachten Wahlverfahren gewählt werden muss.
Ich bin jetzt doch ein wenig verunsichert. Ich bin aber weiterhin der Ansicht, dass gem. § 18 SchwbVWO die Anzahl der in den außenliegenden Dienststellenteilen beschäftigten Wahlberechtigten nur dann eine Rolle spielt, wenn diese Dienststellenteile eben nicht räumlich weit auseinanderliegen. Sofern also die Dienststellenteile räumlich weit auseinanderliegen, dürfte es m. E. uninteressant sein, ob und wo die Wahlberechtigten in einer Dienststelle beschäftigt sind.
Liege ich richtig mit dieser Auslegung?
AW: Welches Wahlverfahren?
Verfasst: Freitag 6. Juli 2018, 15:55
von albin.göbel
»Zur Informationsflusstheorie«
Maiko hat geschrieben:Dienststelle besteht aus räumlich weit auseinanderliegenden Teilen.
Hallo, wenn dem so ist, dann wäre wohl förmliche Wahl angesagt: Lt. Theorie akt.
Rechtsprechung solls auch auf die
_Lage der Betriebsstätten bzw. der Dienststellenteile ankommen – nicht (nur) auf
Verteilung sbM auf einzelne Betriebsstätten. Dahinter steckt die sog. "Informationsfluss-Theorie"; Hintergrund ist das passive Wahlrecht, wonach auch "Nichtbehinderte" wählbar sind: Es soll eine Kenntnis der Wahlberechtigten über die „wählbaren“ Belegschaftsmitglieder "gewährleistet sein" (Vgl. obigen
Beitrag v. Rolf Gollnick, und der BIH-Wahlbroschüre 2018, Abschnitt 4.3,
Seite 62 oben).
Wird in Literatur teils skeptisch gesehen In der Literatur wird dieses uneinheitlich gesehen, da dort teils nur auf Nähe bzw Fahrzeit zum Wahllokal der sbM abgestellt wird. Sollte eine solche Wahl angefochten werden, so hätten die Gewählten m.E. aber wohl „schlechte Karten“, da klar rechtswidrig laut wiederholter BAG-Rechtsprechung, an der sich gewöhnlich ja die Instanzengerichte bekanntlich orientieren. Ich meine, dass im Ergebnis wohl – beides – relevant sein dürfte.
Maiko hat geschrieben:In verschiedenen Kommentierungen, teilweise auch in Diskussionen bei Fortbildungen, musste ich aber feststellen, dass teilweise die Meinung vertreten wird, dass, wenn in den räumlich weit auseinanderliegenden Teilen keine Wahlberechtigten beschäftigt sind, im vereinfachten Wahlverfahren gewählt werden muss.
Das halte ich für viel zu pauschal. Denn § 177 SGB IX gibt für eine derart pauschale Auslegung nichts her.
Dieses wurde mal früher so von verwaltungsgerichtlicher RSpr. für SBV-Wahlen im letzten Jahrhundert vertreten:
Dieses entspricht jedoch
so nicht gegenteiliger Rechtspr. des
BAG 2004 und
BAG 2014, wonach es auf Lage der Betriebsteile im Wahlbezirk ankommt und eben nicht auf Lage des Wahlortes oder „Verteilung“ sbM im Wahlbezirk. Die teils gegenteilige Ansicht im krassen „Fehlbeschluss“
OVG NRW, 27.09.2000 - 1 A 1541/99.PVB, hat das BAG bereits 2004 ausdrücklich
angezweifelt - zum Beisp. zur Verteilung sbM in weitläufigen Wahlbezirken. Das wurde hinreichend und wiederholt so vom BAG „ausgeurteilt“.
Viele Grüße
Albin Göbel
Re: Welches Wahlverfahren ?
Verfasst: Dienstag 10. Juli 2018, 15:09
von Maiko
Vielen Dank Herr Göbel für ihre bestätigende Antwort auf meine Frage bzw. meine Überlegungen. Das hilft mir/uns sehr weiter.
Ich denke auch eher, dass das Wahllokal bzw. die Dienststelle, in der im Vereinfachten Wahlverfahren gewählt werden könnte, bei der Prüfung entscheidend sein dürfte. Bei uns spielt das aber keine Rolle, weil jedes Wahllokal, egal wo es wäre, sich immer noch für einen Großteil der Dienststellenteile in räumlich weit auseinanderliegenden Entfernung befinden würde.
Maiko