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Analogie bei Wahlvorschlag mit Mängeln?

Verfasst: Donnerstag 14. November 2024, 19:00
von annette.rosenberg
Das BAG hat 2010 folgenden „Rechtssatz“ aufgestellt: „Die
Bestimmungen der SchwbVWO stellen ein vollständiges und in sich widerspruchsfreies Regelungswerk dar.“ Andererseits schreibt die BIH zur Rechtsfrage der Nachbesserungen von Wahlvorschlägen in BIH-Wahlbroschüre 2022 auf Seite 19:

„Allerdings sind nicht alle Mängel in der SchwbVWO geregelt. Soweit die SchwbVWO keine Regelung enthält, ist das betriebsverfassungs- oder personalvertretungrechtliche Wahlrecht entsprechend anwendbar.“ Gibt es zu dieser sehr weiten sowie analogen BIH-Auslegung neuere Fachliteratur bzw. Belege oder Rechtsprechung? Ist eine solche Analogie denn mit BAG, 20.01.2010, 7 ABR 39/08, vereinbar, obwohl insoweit nirgends auf dieses Wahlordnungsrecht verwiesen wird in SchwbVWO zur „Nachbesserung“ von Wahlen zum Betriebsrat bzw. Personalrat?

Halte das daher für keine so gute Idee, weil wohl nicht un­terstellt werden kann, dass unbewusste Regelungslücke - welche von den Wahlvorständen ganz unterschiedlich zu schließen sei – wenn und soweit das andernorts geregelt sein sollte: Dann und nur dann dürfte mE. überhaupt eine solche Analogie erwogen werden, wenn eine unbewusste Lücke in § 6 SchwbVWO bestehen würde, oder?

Viele Grüße
Annette

Re: Analogie bei Wahlvorschlag mit Mängeln?

Verfasst: Samstag 16. November 2024, 15:00
von jada.wasi
annette.rosenberg hat geschrieben: Donnerstag 14. November 2024, 19:00 Gibt es zu dieser sehr weiten sowie analogen BIH-Auslegung Fachliteratur bzw. Belege?
Zweifellos gut gemeint, aber wahlrechtlich offenbar
unzulässig, da BMAS und Bundesregierung untätig


Das wird im Schrifttum leider uneinheitlich gesehen. Diese pauschale BIH-Ansicht wird zB nicht geteilt von Dr. Cramer, SchwbG, 5. Aufl. 1998, § 6 SchWbWO, Rn. 4. Demnach ist eine derartige „Auslegung“ gemäß Ministerialrat Dr. Cramer wahl­ord­nungs­recht­lich klar unzulässig und ausgeschlossen. Ferner Dr. Pahlen 2005, Vorsitzender Richter am LAG a.D.
Pahlen 2005 (Rn. 5) hat geschrieben:Sinkt die Zahl der erforderlichen Unterschriften durch die Streichung unter die erforderliche Mindestzahl, wird die Vorschlagliste ungültig. Eine danach fehlende Unterschrift kann aber auch von den Gestrichenen auf einem der beiden Vorschläge nachgeholt werden, solange die Frist von 2 Wochen zur Einreichung der Vorschläge nach Abs. 1 nicht abgelaufen ist oder Nachfrist gestellt werden muss, weil es deshalb an aus­rei­chenden Vorschlägen fehlt (§ 7 SchwbWO).
Insoweit wäre eine „Klarstellung“ durch Verordnungsgeber per SchwbVWO m.E. dringend geboten und zwar mit einer einheitlichen Vorgabe durch Bundesrecht für Betriebe und Behörden des Bundes und aller Länder, natürlich auch zur Vereinfachung sowie Rechtssicherheit für Wahlvorstände. Anzunehmen ist, dass Bundesregierung eine Normierung seinerzeit nicht für nötig befunden hatte, was aus heutiger Sicht geradezu lebensfremd erscheint - weil ja identische Interessenlage mit BR-/ PR-Wahlen. Gleiches gilt für die Frage der unverzüglichen Prüfung von Wahlvorschlägen, bei_der Bundesregierung eine Nachbesserung des SBV-Wahlordnungsrechts gleichfalls versäumte, obwohl glei­chermaßen geboten – spätestens seit BAG 2010. Dazu Prof._Dr. Joussen, AP Nr. 2 zu § 97 SGB IX a.F. Wurde leider auch nicht im BTHG aufgegriffen sowie bereinigt - obwohl besonders praxisrelevant für Wahlvorschläge.

Einen gegenteiligen „allgemeinen Rechtsgrundsatz“ gibts nicht laut BAG 2010, entgegen dem LAG Rheinland-Pfalz, 01.04.2008 – 3 TaBV 1/08, Rn. 57, das wahlübergreifend einen allgemeinen Rechtsgrundsatz zu erkennen meinte: Demnach kann und darf nicht auf diese anderen 18 Wahl­ordnungen des Bundes sowie der Länder zurückgegriffen werden gemäß BAG, 20.01.2010, 7 ABR 39/08, da nicht „elementare Grundsätze demokratischer Wahlen“. Nicht ersichtlich sei, dass hier die Möglichkeit „unzulänglicher Wahlvorschläge übersehen“ worden sei. Da also weder Grundsatz noch Lücke – ist demnach BIH-Ansicht klar abzulehnen nach BAG und Dr. Cramer vom damaligen Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung 1998.

Es ist nicht zu unterstellen, dass federführendes BMAS, Bundesregierung sowie der Gesetzgeber seit 70 Jahren (§ 8 WahlO-BetrVG v. 18. März 1953) Unterschiede zur SchwbWO (umbenannt in SchwbVWO) zu Beanstandung und Nachbesserung von Wahlvorschlägen nicht bemerkt haben soll seit dem letzten Jahrhundert, zumal für beide „Wahlordnungen“ ein und dasselbe Bundesmi­nisterium federführend zuständig war und ist seit jeher ausweislich Ministerialrat Dr. Cramer 1998! Gruß Jada Wasi

Re: Analogie bei Wahlvorschlag mit Mängeln?

Verfasst: Dienstag 19. November 2024, 20:04
von CharmingActor12
annette.rosenberg hat geschrieben: Donnerstag 14. November 2024, 19:00 Das BAG hat 2010 folgenden „Rechtssatz“ aufgestellt: „Die
Bestimmungen der SchwbVWO stellen ein vollständiges und in sich widerspruchsfreies Regelungswerk dar.“ Andererseits schreibt die BIH zur Rechtsfrage der Nachbesserungen von Wahlvorschlägen in BIH-Wahlbroschüre 2022 auf Seite 19:

„Allerdings sind nicht alle Mängel in der SchwbVWO geregelt. Soweit die SchwbVWO keine Regelung enthält, ist das betriebsverfassungs- oder personalvertretungrechtliche Wahlrecht entsprechend anwendbar.“ Gibt es zu dieser sehr weiten sowie analogen BIH-Auslegung neuere Fachliteratur bzw. Belege oder Rechtsprechung? Ist eine solche Analogie denn mit BAG, 20.01.2010, 7 ABR 39/08, vereinbar, obwohl insoweit nirgends auf dieses Wahlordnungsrecht verwiesen wird in SchwbVWO zur „Nachbesserung“ von Wahlen zum Betriebsrat bzw. Personalrat?

Halte das daher für keine so gute Idee, weil wohl nicht un­terstellt werden kann, dass unbewusste Regelungslücke - welche von den Wahlvorständen ganz unterschiedlich zu schließen sei – wenn und soweit das andernorts geregelt sein sollte: Dann und nur dann dürfte mE. überhaupt eine solche Analogie erwogen werden, wenn eine unbewusste Lücke in § 6 SchwbVWO bestehen würde, oder?

Viele Grüße
Annette
Wenn eine Norm nicht in der SchwbVWO enthalten ist, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass eine Lücke besteht, die geschlossen werden muss.