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Wohin wird die Einladung zum BEM-Gespräch geschickt?
Verfasst: Freitag 4. September 2015, 15:36
von yafane
Hallo Zusammen,
unsere Personalchefin teilte mir (Vertrauensperson und Mitglied des Integrationsteams) mit, dass sie die Einladung zu einem BEM-Gespräch immer nur intern verschickt. Ein Versenden des Briefes an die Privatadresse sei aus rechtlichen Gründen nicht möglich.
Das ist in meinen Augen jedoch unlogisch. Kommt dazu, dass sie bisher nur halbjährlich die Daten ausgewertet und die Einladungen verschickt hat. Auf Druck von mir und dem BR-Mitglied, der ebenfalls Teil des Integrationsteams ist, hat der AG nun entschieden, dass auch in unserem Betrieb (wie wonaders auch) die Listen alles 2 Monate ausgewertet werden. Ob das ausreicht, werden wir in den nächsten Monaten sehen.
Und was nützt es, wenn ein Mitarbeiter länger als 42 Tage arbeitsunfähig ist, der Brief zur Einladung zum BEM-Gespräch jedoch nur in die entsprechende Abteilung geschickt wird? Denn wenn z. B. eine Wiedereeingliederung nach dem Hamburger Modell hilfreich sein könnte, hat ein Mitarbeiter, der gar keine Ahnung hat, dass es so etwas gibt, überhaupt nicht die Möglichkeit dazu. Und wenn Hilfsmittel angeschafft werden müssen, kann die Bestellung ja erst gemacht werden, wenn der Mitarbeiter wieder im Betrieb ist und muss so lange, bis die Hilfsmittel ankommen, weiter auf einem nicht-leidensgerechten Arbeitsplatz weiterarbeiten.
Kann ich die Personalchefin dazu verpflichten, das Schreiben zu dem Mitarbeiter nach Hause zu schicken? Was für Möglichkeiten (Urteile o. ä.) gibt es?
Vielen Dank im voraus!
yafane
AW: Wohin wird die Einladung zum BEM-Gespräch geschickt?
Verfasst: Samstag 5. September 2015, 13:00
von albin.göbel
yafane hat geschrieben:Kommt dazu, dass sie bisher nur halbjährlich die Daten ausgewertet und Einladungen verschickt hat.
Hallo yafane, diese Chefin scheint schlecht informiert zu sein. Das bei Ihnen bisher praktizierte BEM ist
nicht ordnungsgemäß: Ein nicht ordnungsgemäß angebotenes BEM, das nicht einmal die Mindest-Standards erfüllt, ist nach der Rechtsprechung gleichbedeutend mit einem nicht durchgeführten BEM. Zu den Intervallen der Überprüfung siehe z.B. meinen Beitrag hier im BEM-
Forum aus 2013. Was die Rechtsprechung von derart überlangen Zyklen von sechs Monaten hält und zur Rechtsfrage der
Privatanschriften sagt, siehe dazu rechtsvergleichend
ArbG Bonn vom 21.01.2015, 4 BV 81/14. Grundlegende Diskussion aus 2012 zum Zyklus finden Sie hier im BEM-
Forum. Das alles sind Punkte, die ggf. auch in einer BEM-
Vereinbarung klargestellt werden könnten.
Ein Versenden des Briefes an Privatadresse sei aus rechtlichen Gründen nicht möglich...
Das ist blanker Unsinn!
Diese Einzelmeinung halte ich für so was von daneben, ungeheuerlich bzw. abwegig, dass ich gar nicht näher darauf eingehen will. Damit wird ein zeitnahes BEM-Angebot geradezu vereitelt bzw. § 84 Abs. 2 SGB IX systematisch ausgehebelt durch ggf. unangemessene wochenlange Verzögerungen und Stillstand. Ihre "Verzögerungsrüge" dagegen erscheint absolut plausibel und stichhaltig. Es wäre hier schon mal interessant zu erfahren, welche zwingende Rechtsnorm dem aus Sicht der Personalleitung vorgeblich entgegenstehen soll...
Viele Grüße
Albin Göbel
AW: Wohin wird die Einladung zum BEM-Gespräch geschickt?
Verfasst: Montag 7. September 2015, 08:25
von albarracin_01
Hallo,
ich kann Herrn Göbel nur unterstützen: Die Aussagen des AG sind unsinnig und abwegig.
Bei modernen EDV-Lösungen in der Personalverwaltung ist es überhaupt kein Problem, eine automatische Benachrichtigung zu generieren, wenn die BEM-Grenze an Fehlzeiten überschritten wird. Das ist nur eine Frage des Wollens.
AW: Wohin wird die Einladung zum BEM-Gespräch geschickt?
Verfasst: Montag 7. September 2015, 12:20
von runner
hallo Yafane,
eine Einladung zu einem BEM wir an die Privatadresse mit Infomaterial gesendet damit wird zeitnah das Angebot eines Bem eingehalten und eine Kontaktaufnahme erfolgt auf diesem Weg, die weitere durchführung erfolgt nach zustimmung.§84 abs.2
AW: Wohin wird die Einladung zum BEM-Gespräch geschickt?
Verfasst: Mittwoch 9. September 2015, 17:30
von albin.göbel
yafane hat geschrieben:... und muss so lange, bis die Hilfsmittel ankommen, weiter auf einem nicht-leidensgerechten Arbeitsplatz weiterarbeiten.
Im Verweigerungsfall hat die "Chefetage" u.U. mit Schadensersatzansprüchen zu rechnen nach der obergerichtlichen Rechtsprechung und zwar wegen
"unzureichender Durchführung" des BEM. Zur gesetzlichen Mindestanforderung eines ordnungsgemäßen BEM gehört nun mal, dass das BEM-Angebot nicht irgendwann, sondern vielmehr
zeitnah erfolgt – und nicht irgendwann wie folgt:
BVerwG / BAG hat geschrieben:Ziel des betrieblichen Eingliederungsmanagements ist die frühzeitige Klärung, ob und welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um eine möglichst dauerhafte Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses zu fördern.
(BVerwG, 23.06.2010, 6 P 8.09, Rn. 66;
BAG, 30.09.2010, 2 AZR 88/09, Rn. 34)
Viele Grüße
Albin Göbel
AW: Wohin wird die Einladung zum BEM-Gespräch geschickt?
Verfasst: Freitag 25. September 2015, 15:06
von yafane
Herzlichen Dank an alle!
Es tut gut, wenn man mal bestärkt wird - hat man es als neue SBV doch nicht immer ganz leicht
Viele Grüße
yafane
AW: Wohin wird die Einladung zum BEM-Gespräch geschickt?
Verfasst: Mittwoch 28. Oktober 2015, 15:29
von Lara Licht
Auch aus Datenschutzgründen ist es nicht erlaubt, den Brief intern zu versenden. Er könnte als BEM-Brief identifiziert werden und dann ist der Schutz des "Gesundheitsdatums: BEM-Berechtigt" nicht eingehalten.
AW: Wohin wird die Einladung zum BEM-Gespräch geschickt?
Verfasst: Dienstag 19. April 2016, 12:19
von albin.göbel
Lara Licht hat geschrieben:Auch aus Datenschutzgründen ist es nicht erlaubt, den Brief intern zu versenden...
Gibt es dafür irgendwelche Quellen?
Diese etwas pauschale Aussage halte ich für problematisch: Warum sollte es nicht erlaubt sein, ein schriftliches BEM-Angebot z.B. in einem verschlossenem Brief an den BEM-Berechtigten an seinem Arbeitsplatz etwa in einer Behörde zu schicken, sofern er (wieder) im Dienst ist? Kontaktaufnahme im Betrieb wird laut BIH-Broschüren zum BEM jedenfalls für zulässig erachtet.
Und was ist von folgender gegenteiliger BEM-BV zu halten, wonach das BEM-Anschreiben
"nicht an die Privatadresse des betroffenen Mitarbeiters" geschickt werden dürfe, abgedruckt im Beschluss des
LAG München vom 24.11.2010, 11 TaBV 48/10, Rn. 25. Was soll das bezwecken? Das kann m.E. im Ergebnis zu einer unzulässigen bzw. willkürlichen
Verschleppung eines BEM-Angebots führen bei Langzeiterkrankten von bspw. ½ Jahr und länger. Leider ist dieses LAG darauf und auf weitere „Schwachstellen“ dieser Betriebsvereinbarung nicht eingegangen. Diese BV ist m.E. insoweit
nichtig, weil offensichtlich unvereinbar mit höherrangigem SGB IX und Zweck des BEM laut höchstrichterlicher Rspr. wie folgt:
BVerwG / BAG hat geschrieben:Ziel des betrieblichen Eingliederungsmanagements ist die frühzeitige Klärung, ob und welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um eine möglichst dauerhafte Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses zu fördern.
(BVerwG, 23.06.2010, 6 P 8.09, Rn. 66;
BAG, 30.09.2010, 2 AZR 88/09, Rn. 34)
Welche Auffassungen gibt es dazu im Forum? Wie wurde denn dieser Punkt in Betriebs- oder Dienstvereinbarungen zum BEM ggf. andernorts geregelt?
Viele Grüße
Albin Göbel
AW: Wohin wird die Einladung zum BEM-Gespräch geschickt?
Verfasst: Mittwoch 27. April 2016, 15:05
von Ulrich.Römer
"Tolle" Vereinbarung über die das
LAG München hier entschieden hat. Das bedeutet ja, dass BEM erst stattfindet, wenn der Betroffene wieder im Betrieb ist. Ob er es dann noch braucht / will?
Auch der Absatz davor
(6) Die Anlagen können durch einstimmigen Beschluss des Integrationsamts abgeändert werden.
ist lesenswert. Auf den hier erwarteten Beschluss der Kollegen vom Integrationsamt in München bin ich gespannt.
AW: Wohin wird die Einladung zum BEM-Gespräch geschickt?
Verfasst: Donnerstag 28. April 2016, 08:16
von elschwoabos
Ich sehe das jetzt nicht so problematisch:
Das Verfahren erst nach Rückkehr an den Arbeitsplatz durchzuführen sehe ich als Mindestanforderung.
Einigkeit dürfte darin bestehen zum BEM am besten ein BV, bzw. DV abzuschließen. Und hier lässt sich doch sehr gut festlegen, dass die Eröffnung des Verfahrens auch bereits, natürlich immer mit Zustimmung des Beschäftigten, bereits in der Krankheitsphase etablieren lässt.
In meinem Betrieb wird das so gehandhabt und die Erfahrung hat gezeigt, dass das auch sehr sinnvoll ist.
Natürlich müssen SbV und Personalvertretung hier ggf. Überzeugungsarbeit leisten. Aber an guten Gründen für die beschriebene Vorgehensweise gibt es zur Genüge, gerade auch aus Sicht des Arbeitgebers.
Anscheinend gibt es aber auch Arbeitgeber, die die Scheuklappen nicht von den Augen bekommen. Zumindest vermittelt der Passus im Urteil den Eindruck...
Hardy