Das BAG hat 2010 folgenden „Rechtssatz“ aufgestellt: „Die
Bestimmungen der SchwbVWO stellen ein vollständiges und in sich widerspruchsfreies Regelungswerk dar.“ Andererseits schreibt die BIH zur Rechtsfrage der Nachbesserungen von Wahlvorschlägen in BIH-Wahlbroschüre 2022 auf Seite 19:
„Allerdings sind nicht alle Mängel in der SchwbVWO geregelt. Soweit die SchwbVWO keine Regelung enthält, ist das betriebsverfassungs- oder personalvertretungrechtliche Wahlrecht entsprechend anwendbar.“ Gibt es zu dieser sehr weiten sowie analogen BIH-Auslegung neuere Fachliteratur bzw. Belege oder Rechtsprechung? Ist eine solche Analogie denn mit BAG, 20.01.2010, 7 ABR 39/08, vereinbar, obwohl insoweit nirgends auf dieses Wahlordnungsrecht verwiesen wird in SchwbVWO zur „Nachbesserung“ von Wahlen zum Betriebsrat bzw. Personalrat?
Halte das daher für keine so gute Idee, weil wohl nicht unterstellt werden kann, dass unbewusste Regelungslücke - welche von den Wahlvorständen ganz unterschiedlich zu schließen sei – wenn und soweit das andernorts geregelt sein sollte: Dann und nur dann dürfte mE. überhaupt eine solche Analogie erwogen werden, wenn eine unbewusste Lücke in § 6 SchwbVWO bestehen würde, oder?
Viele Grüße
Annette
Analogie bei Wahlvorschlag mit Mängeln?
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Re: Analogie bei Wahlvorschlag mit Mängeln?
Zweifellos gut gemeint, aber wahlrechtlich offenbarannette.rosenberg hat geschrieben: ↑Donnerstag 14. November 2024, 19:00 Gibt es zu dieser sehr weiten sowie analogen BIH-Auslegung Fachliteratur bzw. Belege?
unzulässig, da BMAS und Bundesregierung untätig
Das wird im Schrifttum leider uneinheitlich gesehen. Diese pauschale BIH-Ansicht wird zB nicht geteilt von Dr. Cramer, SchwbG, 5. Aufl. 1998, § 6 SchWbWO, Rn. 4. Demnach ist eine derartige „Auslegung“ gemäß Ministerialrat Dr. Cramer wahlordnungsrechtlich klar unzulässig und ausgeschlossen. Ferner Dr. Pahlen 2005, Vorsitzender Richter am LAG a.D.
Insoweit wäre eine „Klarstellung“ durch Verordnungsgeber per SchwbVWO m.E. dringend geboten und zwar mit einer einheitlichen Vorgabe durch Bundesrecht für Betriebe und Behörden des Bundes und aller Länder, natürlich auch zur Vereinfachung sowie Rechtssicherheit für Wahlvorstände. Anzunehmen ist, dass Bundesregierung eine Normierung seinerzeit nicht für nötig befunden hatte, was aus heutiger Sicht geradezu lebensfremd erscheint - weil ja identische Interessenlage mit BR-/ PR-Wahlen. Gleiches gilt für die Frage der unverzüglichen Prüfung von Wahlvorschlägen, bei_der Bundesregierung eine Nachbesserung des SBV-Wahlordnungsrechts gleichfalls versäumte, obwohl gleichermaßen geboten – spätestens seit BAG 2010. Dazu Prof._Dr. Joussen, AP Nr. 2 zu § 97 SGB IX a.F. Wurde leider auch nicht im BTHG aufgegriffen sowie bereinigt - obwohl besonders praxisrelevant für Wahlvorschläge.Pahlen 2005 (Rn. 5) hat geschrieben:Sinkt die Zahl der erforderlichen Unterschriften durch die Streichung unter die erforderliche Mindestzahl, wird die Vorschlagliste ungültig. Eine danach fehlende Unterschrift kann aber auch von den Gestrichenen auf einem der beiden Vorschläge nachgeholt werden, solange die Frist von 2 Wochen zur Einreichung der Vorschläge nach Abs. 1 nicht abgelaufen ist oder Nachfrist gestellt werden muss, weil es deshalb an ausreichenden Vorschlägen fehlt (§ 7 SchwbWO).
Einen gegenteiligen „allgemeinen Rechtsgrundsatz“ gibts nicht laut BAG 2010, entgegen dem LAG Rheinland-Pfalz, 01.04.2008 – 3 TaBV 1/08, Rn. 57, das wahlübergreifend einen allgemeinen Rechtsgrundsatz zu erkennen meinte: Demnach kann und darf nicht auf diese anderen 18 Wahlordnungen des Bundes sowie der Länder zurückgegriffen werden gemäß BAG, 20.01.2010, 7 ABR 39/08, da nicht „elementare Grundsätze demokratischer Wahlen“. Nicht ersichtlich sei, dass hier die Möglichkeit „unzulänglicher Wahlvorschläge übersehen“ worden sei. Da also weder Grundsatz noch Lücke – ist demnach BIH-Ansicht klar abzulehnen nach BAG und Dr. Cramer vom damaligen Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung 1998.
Es ist nicht zu unterstellen, dass federführendes BMAS, Bundesregierung sowie der Gesetzgeber seit 70 Jahren (§ 8 WahlO-BetrVG v. 18. März 1953) Unterschiede zur SchwbWO (umbenannt in SchwbVWO) zu Beanstandung und Nachbesserung von Wahlvorschlägen nicht bemerkt haben soll seit dem letzten Jahrhundert, zumal für beide „Wahlordnungen“ ein und dasselbe Bundesministerium federführend zuständig war und ist seit jeher ausweislich Ministerialrat Cramer im BMAS 1998. Gruß Jada Wasi
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Re: Analogie bei Wahlvorschlag mit Mängeln?
Wenn eine Norm nicht in der SchwbVWO enthalten ist, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass eine Lücke besteht, die geschlossen werden muss.annette.rosenberg hat geschrieben: ↑Donnerstag 14. November 2024, 19:00 Das BAG hat 2010 folgenden „Rechtssatz“ aufgestellt: „Die
Bestimmungen der SchwbVWO stellen ein vollständiges und in sich widerspruchsfreies Regelungswerk dar.“ Andererseits schreibt die BIH zur Rechtsfrage der Nachbesserungen von Wahlvorschlägen in BIH-Wahlbroschüre 2022 auf Seite 19:
„Allerdings sind nicht alle Mängel in der SchwbVWO geregelt. Soweit die SchwbVWO keine Regelung enthält, ist das betriebsverfassungs- oder personalvertretungrechtliche Wahlrecht entsprechend anwendbar.“ Gibt es zu dieser sehr weiten sowie analogen BIH-Auslegung neuere Fachliteratur bzw. Belege oder Rechtsprechung? Ist eine solche Analogie denn mit BAG, 20.01.2010, 7 ABR 39/08, vereinbar, obwohl insoweit nirgends auf dieses Wahlordnungsrecht verwiesen wird in SchwbVWO zur „Nachbesserung“ von Wahlen zum Betriebsrat bzw. Personalrat?
Halte das daher für keine so gute Idee, weil wohl nicht unterstellt werden kann, dass unbewusste Regelungslücke - welche von den Wahlvorständen ganz unterschiedlich zu schließen sei – wenn und soweit das andernorts geregelt sein sollte: Dann und nur dann dürfte mE. überhaupt eine solche Analogie erwogen werden, wenn eine unbewusste Lücke in § 6 SchwbVWO bestehen würde, oder?
Viele Grüße
Annette
Analogie bei Wahlvorschlag mit Mängeln?
Das ist zwar richtig. Zunächst geht es aber erstmal darum, ob bewusste Lücke oder ob unbewusste Lücke, wie schon geschrieben. Das BMAS wusste genau, was da verordnet wurde. Demnach insoweit keine versehentliche – sondern bewusste Normierung. Das belegt zB Schrifttum 1998 aus dem BMAS zu damaliger SchwbWO zum SchwbG. Daher keine „Beanstandungspflicht“ sowie keine Nachbesserung bspw. analog § 8 Abs. 2 WahlO-BetrVG; Nachbesserung nach Ablauf der Einreichungsfrist wäre daher verspätet – egal ob mit oder ohne Aufforderung durch WahlvorstandCharmingActor12 hat geschrieben: ↑Dienstag 19. November 2024, 20:04 Wenn eine Norm nicht in der SchwbVWO enthalten ist, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass eine Lücke besteht, die geschlossen werden muss.
(vgl. Wiegand/Hohmann, SchwbVWO, § 6 Rn. 132, und Einleitung Rn. 20 zu „planwidrigen Regelungslücken“). Vergleiche dazu ausführlich schon Diskussion 2015 zur Rechtsänderung zum 1.9.1986 vor Jahrzehnten. Seither wird_nur noch auf Wahlanfechtung, den Wahlschutz und Wahlkosten sinngem. verwiesen (§ 177 Abs. 6 SGB IX), entgegen einem unfassbar fatalen sowie einem höchst irreführenden BAG-Irrweg 2006 des Siebten Senats v. 24.05.2006 – 7 ABR 40/05 …
Analogieverbot
Soweit der Verordnungs- und Gesetzgeber bewusst keine Beanstandungspflicht anordnet und keine Nachbesserung normiert wie hier, muss das der Wahlvorstand akzeptieren, auch wenn er eine andere Lösung für „besser“ hält als die verordnete in SchwbVWO. Da helfen wohl nur „Eingaben“ an_„Hubsi“ im BMAS, da längst überfälliger Reformbedarf schon seit vielen Jahren …
In BIH-Wahlbroschüre 2022 auf Seite 19 wurde zwar die „entsprechende“ (gemeint analoge) Anwendung erklärt - jedoch ohne sich mit Frage einer unbewussten Lücke zu befassen bzw. auseinanderzusetzen. Gruß Jada Wasi