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Mehrarbeit

Verfasst: Mittwoch 8. November 2023, 09:01
von lavender_xerinae
Hallo,
wir bräuchten in einer Sache eine rechtssichere Auskunft.
Und zwar geht es um unsere Schwerbehinderten/Gleichgestellten bei der Deutschen Post, die sich von Mehrarbeit bzw. Überstunden laut §207 SGB IX freistellen lassen wollen.
(Hauptsächlich die Kolleg*innen in der Zustellung)
Wir (die VPSchwb und der BR) sind der Auffassung, dass diese, wenn sie dem AG mitteilen, keine Überstunden mehr machen zu wollen ,
trotzdem über 8 Stunden laut Dienstplan arbeiten können. Denn Überstunden sind ja alles was über die Dienstzeit geht und nicht über die 8 Stunden.
(Dienstpläne gehen meist über 8 Stunden hinaus, Kolleg*innen sind in der 4,71 Tage/Woche eingesetzt)
Unsere Personalchefin ist der Ansicht, sie darf die Schwb/Gleichgest. auf keinen Fall über 8 Stunden arbeiten lassen. Und sie müsste die dann in eine 6 Tage/Woche setzen (was die Mehrzahl der Kolleg*innen nicht möchten), da der Dienstplan dann unter acht Stunden am Tag liegt. Sie möchte dies auch von der Tarifkanzlei prüfen lassen.
Wir hätten da auch gerne was in der Hand, mit dem wir in unserem bzw. im Sinne unserer Schwb/GLgest. argumentieren können.

Re: Mehrarbeit

Verfasst: Mittwoch 8. November 2023, 10:36
von matthias.günther
Hallo,

§ 207 SGB IX enthält kein Verbot der Mehrarbeit, schwerbehinderte Beschäftigte können diese leisten, wenn sie wollen, und § 207 SGB IX enthält auch kein Verbot der Anordnung von Mehrarbeit durch den Arbeitgeber. Hingegen gibt die Vorschrift dem schwerbehinderten bzw. gleichgestellten Beschäftigten das Recht, sich von Mehrarbeit befreien zu lassen. So z. B. Düwell in LPK SGB IX zu § 207, Rnr. 3
Der schwerbehinderte Mensch kann sodann erst bei Überschreiten der regelmäßigen gesetzlichen Arbeitszeit (> 8 Stunden täglich) einschließlich etwaiger Bereitschaftsdienste Freistellung von der Mehrarbeit verlangen.
Nach Auffassung des BAG gilt dies auch bei abweichenden tariflichen Arbeitszeiten, so dass jede über 8 Stunden hinausgehende Arbeitszeit, auch bei flexibler Arbeitszeit mit einer Verlängerungsmöglichkeit auf max. 10 Stunden Mehrarbeit i. S. v. § 207 SGB IX darstellt. Vgl. dazu BAG vom 03.12.2002, 9 AZR 462/01 und BAG vom 21.11.2006, 9 AZR 176/06.
Überstunden hingegen = was über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgeht
Im Ergebnis ist bei Ihrer Anfrage also zu differenzieren.
Der schwerbehinderte Beschäftigte kann die Freistellung von der Mehrarbeit für bestimmte oder unbestimmte Zeit verlangen, das Verlangen muss nicht für jeden Arbeitstag oder jede Arbeitswoche wiederholt werden.
Hat ein Beschäftigter eine Freistellung von der Mehrarbeit auf unbestimmte Zeit, also nicht nur für z. B. einen Arbeitstag geltend gemacht, dann wäre der Arbeitgeber im Recht, denn dann darf er diesen Beschäftigten vor dem Hintergrund einer sinnvollen Personalplanung nicht für mehr als 8 Stunden einplanen.
Beschäftigte müssen sich also im Einzelfall vor der Ablehnung von Mehrarbeit auf unbestimmte Zeit über diese Rechtsfolge im Klaren sein.
In manchen Fällen wäre sicher die Geltendmachung des Anspruchs auf behinderungsgerechte Gestaltung der Arbeitszeit nach § 164 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 die bessere Alternative. Die Beschäftigten müssten darauf achten, dass sie keine Freistellung von Überstunden, sondern von Mehrarbeit verlangen, wenn sie sich auf § 207 SGB IX berufen.

Re: Mehrarbeit

Verfasst: Donnerstag 9. November 2023, 10:17
von lavender_xerinae
Danke, für die schnelle Antwort.