Mehrarbeit oder Überstunden

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kristin

Mehrarbeit oder Überstunden

Beitrag von kristin »

Eine Schwerbehinderte Mitarbeiterin arbeitet bei uns im Schichtdienst in der Betreuung. Sie ist erst seit kurzer Zeit nach Krebserkrankung wieder auf Arbeit. Sie arbeitet Teilzeit 30 h wöchentlich. Sehr häufig wird sie aber nach Dienstplan eine Woche 42h und die darauffolgenden Woche 18 h eingeteilt. Das ist ihr aber zu viel und sie nimmt Urlaub, damit sie sich erholen kann. Gibt es Gesetze oder Urteile, die dazu Aussagen treffen. Der Integrationsfachdienst sagte mir, dass das so nicht geht, verwies aber nur aufs Mehrarbeitsgesetz.
Ulrich.Römer
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Beitrag von Ulrich.Römer »

Hallo kristin,
der Begriff der "Mehrarbeit" und die Rechtsgrundlage in § 124 SGB IX bringen in diesem Fall gar nichts. Nach § 124 SGB IX dürfte die Kollegin sogar bis zu 48 h/Woche bzw. 8h/Tag arbeiten. Ausführlich haben wir das hier beschreiben. Ein Mehrarbeitsgesetz gibt es nicht.

Richtige Rechtsgrundlage und Argumentation ist in diesem Fall der Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung nach § 81 Abs. 4 SGB IX: Die schwerbehinderten Menschen haben gegenüber ihren Arbeitgebern Anspruch auf ....
Absatz (4) Ziffer 4: behinderungsgerechte Einrichtung und Unterhaltung der Arbeitsstätten einschließlich der Betriebsanlagen, Maschinen und Geräte sowie der Gestaltung der Arbeitsplätze, des Arbeitsumfeldes, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit, unter besonderer Berücksichtigung der Unfallgefahr....
Ulrich Römer

Moderator der BIH-Foren
kristin

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Beitrag von kristin »

Nachfrage: Ist es dann zulässig, dass die Schwerbehinderte Mitarbeiterin von 13:00 -22:00 anschließend Nachtbereitschaft hat bis 7:00, anschließend von 7:00- 13:00 arbeitet, dann folgt eine Pause bis zum nächsten Tag 7:00 mit anschließendem 10er Dienst bis 17:45. laut Betriebsrat ist der Dienst rechtens. Wie könnte ich beim AG argumentieren?
Ulrich.Römer
Beiträge: 621
Registriert: Mittwoch 29. September 2010, 12:51

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Beitrag von Ulrich.Römer »

Ich gehe mal davon aus, dass die Auskunft des Betriebsrates richtig ist und die Arbeits-/Bereitschaftszeiten mit dem Arbeitszeitgesetz vereinbar sind.

Ein Nachweis gegenüber dem Arbeitgeber lässt sich nur über ein ärztliches Attest erbringen. Hierfür sollte am besten nicht nur der behandelnde Arzt sondern unbedingt auch der Betriebsarzt einbezogen werden. Nur der Betriebsarzt kennt die am Arbeitsplatz auszuübenden Tatigkeiten und kann das Anforderungsprofil des Arbeitsplatzes mit dem Leistungsprofil des Arbeitnehmers abgleichen.
Aufpassen muss man in diesem Fall aber ganz besonders um dem Arbeitgeber mit dem Attest keine Begründung für eine personenbedingte Kündigung zu liefern. Besser wäre es hier im Vorfeld das Integrationsamt im Rahmen der Prävention nach § 84 SGB IX einzuschalten.
Ulrich Römer

Moderator der BIH-Foren
albarracin_01
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Beitrag von albarracin_01 »

Hallo Kristin,

das von Dir geschilderte Modell dürfte mE nur zulässig sein, wenn es sich bei der "Bereitschaft" um Rufbereitschaft handelt und bei tatsächlichen Einsätzen die Kürzung der Ruhezeit ausgeglichen wird
oder
die tarifvertraglichen Voraussetzungen des § 7 ArbZG gegeben sind
oder
der AG eine Kirche ist

Zwar halte auch ich idR bei leidensgerechten Arbeitszeitregelungen den Weg über § 81 für zielführender, aber trotzdem möchte ich noch ergänzen, daß § 124 SGB IX nicht nur eine wöchentliche, sondern auch eine tägliche Höchstarbeitszeitsgrenze von 8 :!: Std. beinhaltet, wie das BAG seit Jahrzehnten entschieden hat und zuletzt am 3.12.2002 -9 AZR 462/01 - für das SGB IX nochmals bestätigt hat.
Die in Deinem Schichtmodell angegebenen 10 Stunden-Dienste können also von schwerbehinderten/gleichgestellten AN ohne Angabe von Gründen verweigert werden.
&Tschüß
Wolfgang
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