Beteiligung Integrationsamt vor Entlassung von schwerbehinderten Beamten?
Verfasst: Dienstag 27. Oktober 2020, 20:03
PD Dr. Tim Husemann betrachtet in seinem Habilitationsvortrag „Die Bedeutung des europäischen Diskriminierungsrechts für deutsche Beamte“, den er am 10. Juni 2020 an der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum gehalten und als Abhandlung in der Fachzeitschrift Recht der Arbeit (RdA 5/2020, 257-264) veröffentlicht hat, unter anderem den vielfach diskutierten Fall von Petya Milkova, der den EuGH beschäftigt hat (EuGH, Urteil vom 9.3.2017, C-406/15).
Frau Milkova wurde in Bulgarien als schwerbehinderte Beamtin aus dem Dienst entlassen. Zuvor wurde nicht die Zustimmung der Arbeitsinspektion eingeholt, die im deutschen Recht der Zustimmung des Integrationsamtes entspricht. Eine solche Zustimmungseinholung wird nach den Vorgaben des bulgarischen Rechts nur von Arbeitgebern, nicht aber vom Dienstherrn verlangt. Der EuGH kam zum Ergebnis, dass Frau Milkova zwar nicht diskriminiert, aber ungleich im Sinne von Art. 20 GRCh behandelt worden ist.
Würde der Fall von Frau Milkova auf Deutschland übertragen, käme die Vorschrift des § 168 SGB IX ins Spiel, welche vor Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber die vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes verlangt. Zur Beantwortung der Frage, ob die Vorschrift auch auf Beamtinnen und Beamte anwendbar ist, beleuchtet Dr. Husemann in seiner Abhandlung zunächst, ob in Deutschland ein Beamtenverhältnis vergleichbar mit der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses beendet werden kann. Dies sieht er etwa für die Entlassungstatbestände nach § 23 BeamtStG als gegeben. Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums infolge Art. 33 Abs. 5 GG betrachtet er als keinen Rechtfertigungsgrund für die Ungleichbehandlung von schwerbehinderten Beamtinnen und Beamten bei Entlassung, da sonst allein die im Mitgliedsstaat vorgenommene Subkategorisierung nach Arbeitnehmern und Beamten dazu beitragen würde, eine Unterscheidung zu rechtfertigen. Eine Möglichkeit, die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung durch nationale Maßnahmen zu erleichtern, solle den EU-Mitgliedstaaten gerade nicht zukommen.
Dr. Husemann stellt die These auf, dass die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums nicht per se zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung herangezogen werden können. Insbesondere käme dem Verfassungsrang, den sie wegen Art. 33 Abs. 5 GG innerhalb der deutschen Rechtsordnung genießen, hier keine Bedeutung zu. Dieser These von Dr. Tim Husemann ist zuzustimmen. Die Formulierung „unter Berücksichtigung ihrer besonderen Rechtsstellung“ in § 24 Nr. 1 AGG kann lediglich klarstellenden Charakter haben und erleichtert die Rechtfertigung einer Diskriminierung von Beamtinnen und Beamten nicht.
Viele Grüße
Dr. Michael Karpf
Frau Milkova wurde in Bulgarien als schwerbehinderte Beamtin aus dem Dienst entlassen. Zuvor wurde nicht die Zustimmung der Arbeitsinspektion eingeholt, die im deutschen Recht der Zustimmung des Integrationsamtes entspricht. Eine solche Zustimmungseinholung wird nach den Vorgaben des bulgarischen Rechts nur von Arbeitgebern, nicht aber vom Dienstherrn verlangt. Der EuGH kam zum Ergebnis, dass Frau Milkova zwar nicht diskriminiert, aber ungleich im Sinne von Art. 20 GRCh behandelt worden ist.
Würde der Fall von Frau Milkova auf Deutschland übertragen, käme die Vorschrift des § 168 SGB IX ins Spiel, welche vor Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber die vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes verlangt. Zur Beantwortung der Frage, ob die Vorschrift auch auf Beamtinnen und Beamte anwendbar ist, beleuchtet Dr. Husemann in seiner Abhandlung zunächst, ob in Deutschland ein Beamtenverhältnis vergleichbar mit der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses beendet werden kann. Dies sieht er etwa für die Entlassungstatbestände nach § 23 BeamtStG als gegeben. Die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums infolge Art. 33 Abs. 5 GG betrachtet er als keinen Rechtfertigungsgrund für die Ungleichbehandlung von schwerbehinderten Beamtinnen und Beamten bei Entlassung, da sonst allein die im Mitgliedsstaat vorgenommene Subkategorisierung nach Arbeitnehmern und Beamten dazu beitragen würde, eine Unterscheidung zu rechtfertigen. Eine Möglichkeit, die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung durch nationale Maßnahmen zu erleichtern, solle den EU-Mitgliedstaaten gerade nicht zukommen.
Dr. Husemann stellt die These auf, dass die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums nicht per se zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung herangezogen werden können. Insbesondere käme dem Verfassungsrang, den sie wegen Art. 33 Abs. 5 GG innerhalb der deutschen Rechtsordnung genießen, hier keine Bedeutung zu. Dieser These von Dr. Tim Husemann ist zuzustimmen. Die Formulierung „unter Berücksichtigung ihrer besonderen Rechtsstellung“ in § 24 Nr. 1 AGG kann lediglich klarstellenden Charakter haben und erleichtert die Rechtfertigung einer Diskriminierung von Beamtinnen und Beamten nicht.
Viele Grüße
Dr. Michael Karpf