C.Thorissen hat geschrieben:Strittig fand ich eher die Frage, ob sie auch ein Wahlrecht bei der SBV der Kreispolizeibehörde haben.
Es besteht klares Wahlrecht nach BReg, BMAS, Dr.
Cramer, Prof.
Düwell, Liebsch, Dr.
Sachadae, DVfR.
Dies lässt sich auch aus der ständigen Rspr. ableiten
für Einsatzbetriebe bzw. fürs sog „
Betriebsverhältnis“.
Ferner folgt dies aus dem Wortlaut der SchwbVWO,
sowie nach allen gängigen Auslegungsmethoden ab
Dienstantritt - entgegen Einzelmeinungen in Literatur:
Das ist hier deswegen so, da es, wie schon ausgiebig in letzter Zeit
diskutiert, jedenfalls beim aktiven Wahlrecht gerade nicht auf einen Arbeitsvertrag ankommt mit der Einsatzdienststelle (so zu Recht die BIH-Wahlbroschüre, Abschnitt 1.2.3, Seite 14, wonach insoweit
entscheidend „
nur die tatsächliche Beschäftigung" sei). Die betroffenen Kreisbediensteten müssen daher in die Wählerliste der Kreispolizeibehörde eingetragen werden – also ab dem ersten Tag der Abordnung - nicht später oder gar nicht schon aus den „
Gründen demokratischer Legitimation“ (vergleiche BAG, 27.06.2001 - 7 ABR 50/99 - Rn.
24). Es gilt nämlich hier der Grundsatz: „Wer repräsentiert wird, soll auch durch seine Wahl die SBV legitimieren“ können (
Sachadae, Wahl der SBV, Diss. 2013 Seite 211 m.w.N.) Denn die SBV hat Interessen aller im Betrieb bzw in der Dienststelle abhängig beschäftigten sbM zu vertreten sowie ihnen dort beratend und helfend zur Seite zu stehen (Dr. H.
Cramer, SchwbG, 5. Auflage 1998, § 24 Rn. 10). So schon zu Recht fundiert die
Diskussion vom Mai 2017.
Hier ist der BIH in diesem entscheidenden Punkt
zuzustimmen - mit der herrschenden Meinung !!!
Die gegenteilige amtliche Verlautbarung von 2017 des
LAGeSo-Integrationsamts Berlin, in der im Kern rein landesrechtlich argumentiert wird (Heranziehung von Landesrecht zum Auslegen von Bundesrecht, das offen lasse, ab „wann eine Dienstkraft als Beschäftigter der Dienststelle zu betrachten“ sei) und die sbM jegliches SBV-Wahlrecht in ihrer "aufnehmenden" Dienststelle apodiktisch abspricht – kann ich nicht nachvollziehen: Denn SGB IX hat den Beginn nicht offengelassen. Für verfehlt halte ich u.a. die Annahme einer bundesrechtlichen Gesetzeslücke (so jedoch InA Berlin und wohl so Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, Rn 44 zu § 94 a.F. mit der Begründung, dass zwar laut Schwerbehindertenrecht "die Wahlberechtigung grundsätzlich schon mit dem Tag der Arbeitsaufnahme" gegeben sei; hier sei es aber geboten, den "spezielleren Normen des Personalvertretungsrechts den Vorrang einzuräumen", da es "nicht um das aktive Wahlrecht der sbM an sich" ginge, sondern "lediglich um dessen zeitlichen Beginn") Der Berliner InA-Begründung, wonach Landesrecht SBV-Wahlrecht in Dienststelle, zu denen abgeordnet wird, auf Dauer ausschließen könne, steht ohnehin die Ansicht von Adlhoch diametral entgegen, wonach es nicht um das Wahlrecht
"an sich" ginge: Genau darum und um nichts anderes geht's in Berlin zu 100 Prozent - und auch sonst, worauf auch § 4 Absatz
3 SchwbVWO*) mit den Worten
„bei Eintritt“ klar hinweist. Entgegen dem eher mißverständlichen Normtext „kann“ (anstatt „darf“) handelt es sich nicht etwa um eine Kann-Vorschrift, sondern vielmehr um eine zwingende Muss-Vorschrift. Vergl. dazu ausführlich die
Diskussion vom Sept. 2014
und 2016 sinngemäß
und hier.
Wenn bei konkurrierender Gesetzgebung (wie hier) der Bundesgesetzgeber das Wahlrecht [
1] abschließend und damit verbindlich an die bloße Beschäftigung knüpft ohne Einschränkungen zum Beginn und [
2] nicht von weiteren Voraussetzungen abhängig macht und nichts dergleichen zur Disposition der Länder bzw Tarifvertragsparteien stellt [
3] durch Rechtsverweis und/oder Ermächtigung, dann bedeudet das schon nach allgemeinem Sprachgebrauch
ab Beschäftigungsbeginn und nicht nie!
FAZIT Landesrecht – wie speziell dies auch immer sein mag, darf nicht angewendet werden, soweit darauf nicht verwiesen wird: Im § 177 Absatz
2 SGB IX gibt’s keinen Verweis auf irgendwelches Landesrecht - im Gegensatz zum § 177 Absatz 3 Satz
2 SGB IX: Dieser Unterschied darf eben „kraft Gesetzes“ nicht ignoriert und nicht durch Auslegung „wegdiskutiert“ werden, als gäbe es ihn nicht. Es ist nach alledem nicht „geboten“ - sondern strikt verboten - diesen "spezielleren Normen“ des Personslvertretungsrechts den „Vorrang einzuräumen". Abgesehen davon existiert auch keine Ermächtigung nach Art. 80 Abs.
4 Grundgesetz für die Länder zu einer (abweichenden) Regelung des aktiven SBV-Wahlrechts aus wohlerwogenen Gründen.
LAGeSo-InA hat geschrieben:Sie haben an mich ua die Frage herangetragen, in welcher Dienststelle die zu anderen Dienststellen des öffentlichen Dienstes abgeordneten Beschäftigten aktiv ... wahlberechtigt sind. Eine ausdrückliche Regelung zu dieser Fragestellung ist im Schwerbehindertenvertretungsrecht.. nicht getroffen worden
Die h.M. in der Literatur und Rspr. teilt diese pauschale Ansicht nicht nach dem weit gefassten Gesetzeswortlaut im § 177 Abs. 2 SGB IX („Wahlberechtigt sind
alle in der Dienststelle
beschäftigten schwerbehinderten Menschen“) Insoweit besteht zumindest für die Beschäftigungsdienststellen eine ausdrückliche präzise Regelung zum aktiven SBV-Wahlrecht von
Verfassungs wegen –
bundesweit. Alle bedeutet schon nach allgemeinem Sprachgebrauch „alle“ und nicht „alle minus x“. Richtig ist zwar, dass bei Abordnung der Beginn des aktiven Wahlrechts bei PR-Wahlen teils anders geregelt ist als der Beginn bei SBV-Wahlen, nicht aber, dass eine beabsichtigte oder unbeabsichtigte Regelungslücke im Schwerbehindertenrecht bestehe zum Beginn des Wahlrechts - seit Jahrzehnten. Zur Gesetzeslücke bzw. Analogie vgl generell
BVerwG vom 22.09.2015 - 5 P 12.14 - Rn.
34 zu PR-Wahlen. Zu den hier offensichtlich nicht vorliegenden Grundvoraussetzungen einer „Analogie“ vergleiche
BAG, Urteil vom 25.01.2018, 8 AZR 309/16, B II 2 mit zahlreichen Nachweisen: Danach reicht die Existenz einer als lückenhaft empfundenen Regelung allein nicht aus für einen Analogieschluss, zumal mit unterschiedlichen Rechtsfolgen von Land zu Land.
Juristischer Irrweg
Eine solche „analoge“ Auslegung würde unweigerlich zu Wertungswidersprüchen führen – weil gerade nicht eine Rechtsfolge
(„nach der gleichen Rechtsfolge verlangen“) sondern mehrere unterschiedliche je nach Landesrecht - entgegen BAG vom 25.01.2018 – 8 AZR 309/16 – B II 2, das von der gleichen Rechtsfolge (
in der Einzahl!), und eben nicht von mehreren, sich widersprechenden unterschiedlichen Rechtsfolgen (in der Mehrzahl) spricht. Bei einer solchen „
Analogie“ könnte es sich ohnehin nur um
ein und dieselbe Rechtsfolge handeln gemäß BAG, mitnichten jedoch um
x-beliebig viele, da m.E. klar verfassungswidrig,
da
_unvereinbar mit dem Gleichheitsgrundsatz und daher willkürlich.
LAGeSo-InA hat geschrieben:Da eine ausdrückliche Regelung im Wahlrecht für die SBV fehlt, ist der Rückgriff auf die parallele Regelung des Personalvertretungsrechts zwingend. Die Antwort ist für die Frage nach dem akt. Wahlrecht für abgeordnete Dienstkräfte maßgeblich ... Insoweit besteht hier eine Regelungslücke, die durch den Rückgriff auf das Personalvertretungswahlrecht zu schließen ist. Eine Argumentation, wonach die tatsächliche Beschäftigung vor Ort auch dazu führen müsse, dass die betreffende Person als Beschäftigter dieser Dienststelle im Sinne des § 94 Absatz 2 und 3 SGB IX zu betrachten sei, wäre unzulässiger Zirkelschluss.
Naja, ein „unzulässiger Zirkelschluss“ ohne inhaltliches Argument ist das jedenfalls nicht zum aktiven Wahlrecht. Solche Zirkelschlüsse wären zum Beisp. folgende Aussagen:
• „Die Rechnung muss falsch sein, weil sie inkorrekt ist“.
• „Kaffee regt an, weil er eine anregende Wirkung hat.“
Die pauschale LAGeSo-Ansicht zum vermeintlich „unzulässigen Zirkelschluss“ kann ich nicht ansatzweise nachvollziehen - jedenfalls soweit es dort um das aktive Wahlrecht nach § 94 Abs.
2 SGB IX a.F. geht. Aus „beschäftigt“ ➠ folgt wahlberechtigt, was sollte bei diesem Schluss „gezirkelt“ sein? Gleiches gilt vergleichsweise gleichermaßen so bspw. bei Leiharbeit ab dem ersten Einsatztag - trotz „speziellerer“ Regelung in § 7 Satz
2 BetrVG entgegen weiten Teilen der (neueren) Literatur sowie entgegen der BIH-Wahlbroschüre, Abschnitt 3.1 zum aktiven Wahlrecht für Hessen (S.
39/42) und entgegen BIH
ZB-Info 1| 2018 lt.
Diskussion 6/2018. In diesem Sinne zuletzt auch LAG München, Grundsatzbeschluss v. 28.05.2014 - 8 TaBV 34/12, II.2.1:
„Denn nach § 94 Absatz 2 SGB IX sind alle in dem Betrieb beschäftigten schwerbeh. Menschen wahlberechtigt“
Das ergibt sich schon aus dem Gesetzeswortlaut. Der § 177
Abs. 2 SGB IX knüpft nicht an den Arbeitnehmerbegriff an, sondern an den Begriff des „Beschäftigten“ und
damit an die „Beschäftigung“ (vgl. BAG vom 25.10.2017 - 7 ABR 2/16, Rn.
21).
• Grundsätze der Personalvertretungswahl?
NEIN: So schon vor über 20 Jahren Ministerialrat a.D. Horst
Cramer, Schwerbehindertengesetz (SchwbG) 5. Auflage 1998, § 24 Rn. 10:
„auch zu der Dienststelle Abgeordnete“ haben dort
„aktives Wahlrecht“ zur SBV. Nach alledem sind Rückgriffe auf das Personalvertretungsrecht nicht „zwingend“ - sondern insoweit strikt abzulehnen bzw. ausgeschlossen, da dies einer Behinderung des akt. Wahlrechts in Berlin gleichkäme, demnach die Wahlen ggf. angreifbar machen würde. Dieser von Meyer-Golling zitierte § 12
Abs 2 PersVG Berlin für das Wahlrecht für die PR-Wahlen ist nicht übertragbar auf‘s „aktive“ Wahlrecht für SBV-Wahlen. Bezüglich einer evtl. „gesplitteten“ SBV-Zuständigkeit vergleiche ua. die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung des
VGH Bayern, 23.02.2018 - 6 CS 17.2556. Entgegen LAGeSo Bln. gelten hier nicht die Berliner
„Grundsätze des Personalvertretungswahlrechts“ – sondern die von
Sachadae systematisch herausgearbeiteten Wahlgrundsätze für SBV-Wahlen.
FAZIT: Weder wahlordnungsrechtliche – noch wahlrechtliche Grundsätze, soweit nicht darauf verwiesen: Würde darauf hinauslaufen, dass man das aktive SBV-Wahlrecht von der PR-Wählbarkeit abhängig machen würde. Denn das aktive PR-Wahlrecht ist Tatbestandsmerkmal und folglich eine unverzichtbare Grundvoraussetzung für PR-Wählbarkeit. Genau dies widerspräche aber dem Regelungskonzept des akt. SBV-Wahlrechts, dieses befristet oder vollständig an PR-Wählbarkeit zu koppeln.
SchwbG-ÄndG 1986
Ebenso „daneben“ der Siebte Senat des
BAG 2006 in anderem Zusammenhang, der damals meinte quasi ins Blaue hinein, dass Wahlvorstände nach personalvertretungsrechtlichen Vorschriften zu bilden seien. Vergl dazu bspw. auch
Diskussion (am Ende) zu derartigen gerade nicht einschlägigen Wahl-Grundsätzen bzw Wahl-Normen betreffend SBV-Wahlen. Diese „Episode“, in der mal zeitweilig auf das Wahlverfahren der allgemeinen Interessenvertretungen verwiesen wurde – ist längst vorbei. Dieser seinerzeit wenig durchdachte Verweis wurde schon 1986 sehr schnell wieder aufgehoben und ist bereits seit Jahrzehnten Rechtsgeschichte. Mit dem Ersten Gesetz zur
Änderung des SchwbG vom 24.07.1986, wurde Bezug auf‘s BR/PR-Wahlverfahren bewusst gekappt (
Cramer SchwbG, § 24 SchwbG Rn 13 und § 1 SchwbWO Rn. 1 am Ende) und ist seither wahlordnungsrechtlich obsolet.
Da hat der Siebte Senat doppelt und
dreifach daneben gelangt, da es bei vereinfachter SBV-Wahl keinen Wahlvorstand (mehr) gibt, da bei förmlicher Wahl dieser nicht (mehr) laut „personalvertretungsrechtlichen Vorschriften" zu bilden ist , und da es im Übrigen diese von ihm mehrfach zitierte „SchwbWO“ (statt “SchwbVWO“) nicht mehr gibt.
carola.fischer hat geschrieben:Also...nach dem Bundespersonalvertretungsrecht verliert ein abgeordneter Beschäftigter nach 3 Monaten Abordnung sein Wahlrecht in der "alten" Dienststelle". Gleichzeitig erhält er das Wahlrecht in der "neuen" Dienststelle. Im Personalvertretungsrecht der Länder, z.B. in NRW, kann diese Frist auch 6 Monate betragen.
Wann genau beginnt nun SBV-Wahlrecht?
(sofort? nie? erst nach 3/6 Monaten oder später?)
Diese Frage hängt entgegen amtl. Velautbarungen und Teilen der Literatur bzw. einzelnen
Beiträgen im BIH-Forum und BIH-Wahlbroschüre, Seiten 17/18, m.E. nicht etwa vom Personalvertretungsrecht ab, die vermeintliche
Regelungslücke annehmen bzw. unterstellen und von fehlender "ausdrücklicher Regelung" ausgehen zum Beginn des Wahlrechts in
§ 177 Abs. 2 SGB IX; teils wird angenommen, dass "...den spezielleren Normen des Personalvertretungsrechts Vorrang einzuräumen" sei, obwohl schwerbehindertenrechtlich die akt. Wahlberechtigung grundsätzlich schon mit dem Tag der Arbeitsaufnahme gegeben sei; eine "Lücke" vermag ich
nicht zu erkennen, die etwa landesrechtlich zu schließen sei. Folglich muss mE weder beim Bund noch in den 16 Bundesländern von den SBV-Wahlleitungen bei abgeordneten schwerbehinderten Beschäftigten akribisch geprüft werden, ob (schon) aktives Wahlrecht besteht oder (noch) nicht. Dieses gilt ebenso auch für sonstige „spezifische“ Beschränkungen des akt. Wahlrechts für PR-Wahlen wie etwa aktuell in Thüringen (vgl. z.B. unten „Rechtsvergleich Thüringen“) Der Gesetzgeber selbst (
!) hat 2001 umfänglich die Wahlordnung geändert – aus guten Gründen jedoch nicht die Worte „bei Eintritt“ in § 4
Abs. 3 SchwbVWO. Bei Eintritt bedeutet nicht Monate später oder nie.
Dem steht auch nicht der Eilbeschluss des
LAG Hamm vom 24.02.2012, 10 TaBVGa 1/12, B II 2 b cc, entgegen. Denn die Erwägungen zur Abordnung nach BPersVG in Rn 82/83 betrafen allein das
passive Wahlrecht zur SBV der
abgebenden Dienststelle.
MERKE: Die Frage der Dauer einer Abordnung spielt folglich keine Rolle beim aktiven SBV-Wahlrecht für die
aufnehmende Dienststelle - und ist nur zu prüfen beim Bund und den Ländern beim passiven SBV-Wahlrecht; darum muss sich eine SBV-Wahlleitung beim aktiven Wahlrecht nicht kümmern und braucht nicht bei jedem einzelnen abgeordneten Wähler nachzurechnen bzw. braucht (auch) nicht bei der abgebenden Dienststelle nachzufragen, also deutlich einfacher als etwa bei PR-Wahlen des Bundes und einzelner Bundesländer.
BIH (Seite 18) hat geschrieben:Beispiel Abordnung vom 1. Oktober 2017 bis 30. September 2018: Das Wahlrecht entsteht am 1. Januar 2018 um 0 Uhr, weil die Abordnung länger als neun Monate verfügt ist.
Dieses Beispiel dürfte keiner arbeitsgerichtlichen
Überprüfung für das SBV-Wahlrecht standhalten:
Maßgeblich ist Eintrittstag als tatsächliche
Eingliederung in diese Dienststellenorganisation; vergleiche sinngemäß die Anmerkung von M.
Liebsch im DVfR-Fachforum zum maßgeblichen tatsächl. Arbeitsantritt. So ferner die „ausdrückliche Regelung“ des Wahlordnungsrechts in § 4 Abs.
3 SchwbVWO*), wonach
"bei Eintritt" des
Wahlberechtigten der Vorstand die Liste der Wahlberechtigten bis zum Vortag der Wahl zu ergänzen hat. Daraus folgt, dass die Bundesregierung als Verordnungsgeber nebst BMAS und
Bundesrat den „Eintritt“ generell und zwingend als maßgeblich und ausschlaggebend für den Beginn des aktiven Wahlrechts ansehen. Ferner zu Recht Prof.
Düwell im DVfR-Fachbeitrageitrag zum "Wahlrecht bei Abordnung" sbM, wonach "
Mindestdauer" der Abordnung irrelevant, weil eine derartige bundesrechtliche Voraussetzung bzw. solche Beschränkungen des Wahlrechts im SGB IX nicht vorgesehen. Die bundesrechtliche Norm des § 177 Abs. 2 SGB IX kann folglich nicht durch landesrechtliche Normen verdrängt werden -
weder zeitweilig noch dauerhaft Dazu grundlegend Dr.
Sachadae, Die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, in einer über 50-seitigen systematisch-wissenschaftlichen Untersuchung – (Dissertation 2013, Seite 123 ff. zum wahlrechtlichen Beschäftigtenbegriff)
• Rechtsvergleich am Bsp. Thüringen
Zu welchen m.E. geradezu absurden Ergebnissen eine gegenteilige „Auslegung“ für SBV-Wahlen führen würde (per
„an-sich“-Theorie mit unterstellter Regelungslücke) zeigt ein Blick etwa nach Thüringen: Denn gemäß § 13 Absatz 2 ThürPersVG 2018 darf nur einen PR wählen, dessen
„Beschäftigung in der Dienststelle am Wahltag länger als drei Monate gedauert hat“. Diese Einschränkung zum aktiven Wahlrecht steht nun offenbar an zur Änderung laut
LT-Drs. 6/5575 18.04.2018, Seite 1 von „länger als drei Monate“ auf sofort im Ergebnis. Würde man der Gegenansicht folgen, so bestünde derzeit bei SBV-Wahlen in allen Thüringer Behörden erst nach 3 Monaten Wahlberechtigung für Beschäftigte i.S.d. § 4 Absatz
2 ThürPersVG. Das ist m.E. klar abzulehnen!
Umfrage: Wie wird das in Thüringen gesehen?
§ 13 ThürPersVG 2018
(2) Wer Beschäftigter im Sinne des § 4 Abs. 2 ist, wird in der Dienststelle wahlberechtigt, sobald die Beschäftigung in der Dienststelle am Wahltag länger als drei Monate gedauert hat.
§ 13 ThürPersVG 2019
(2) Wer Beschäftigter im Sinne des § 4 Abs. 2 ist, wird in der Dienststelle wahlberechtigt, sobald die Beschäftigung in der Dienststelle angetreten wird.
• Rechtsvergleich am Bsp. Niedersachsen
Da hat Beschäftigter im Sinne des § 4
Absatz 2 NPersVG nur dann PR-Wahlrecht, der „am Wahltag mindestens seit einem Monat in der Dienststelle tätig“ ist nach § 11 Abs. 1
Nr. 2 NPersVG. Würde man der BIH-Gegenansicht folgen, so bestünde bei SBV-Wahlen in allen Niedersächsischen Behörden SBV-Wahlrecht nur dann, wenn etwa Ein-Euro-Jobber am Wahltag dort bereits mindestens einen Monat tätig gewesen wären. Auch das ist m.E. klar abzulehnen! Siehe dazu ausführlich
Diskussion zu Ein-Euro-Jobbern.
Umfrage: Wie wird das in Niedersachsen gesehen?
Zusammengefasst
Diese „speziellen“ für den Beginn der Wahlberechtigung geschaffene Normen des aktiven Wahlrechts für die PR-Wahlen (von
Land zu Land höchst uneinheitlich normiert) sind völlig belanglos für das in § 177 Absatz 2 SGB IX
abschließend sowie einheitlich geregelte aktive SBV-Wahlrecht bundesweit (
Düwell, Handbuch zur Wahl der SBV, 2018/2019, Abschnitt 6.1:
„denn § 177 Abs. 2 SGB IX regelt das Recht der Wahlberechtigung zur SBV abschließend.“) Es gibt mitnichten 16x unterschiedliche SBV-Wahlberechtigung (mit 16x unterschiedlich. Beginn) in den Ländern. Das gilt so
für alle Behörden seit jeher generell auch entgegen teils abweichendem Bundesrecht wie BPersVG. Es gilt auch so
für alle Betriebe seit jeher entgegen dem bundesrechtlichen Beginn des „speziellen Wahlrechts“ etwa für ausgeliehene Leiharbeiter nach § 7
Satz 2 BetrVG; denn der Bundesgesetzgeber hat diese Beschränkung lediglich für die BR-Wahl angeordnet und für nichts sonst. Derartige Beschränkungen der aktiven Wahlberechtigung gelten einzig für die Wahlen zu diesen Vertretungen. Sie haben keine Bedeutung für die Wahl zur SBV (grdl. mit fundierter Begründung
Düwell, LPK-SGB IX, § 177 Rn. 13 und 16 mit Fußnote
70; ferner nunmehr wohl BIH-Wahlbroschüre 2018, aber mit
falscher Begründung, wonach dies für die Leiharbeit erst seit 2017 gelte. Es gibt
keinen sachlichen Grund und leuchtet schlicht nicht ein, dass bei einer Leiharbeit (sofort „bei Eintritt“) wahlrechtlich etwas anderes gelten soll als z.B. bei Abordnung (erst nach drei Monaten oder mehr oder nicht). Diese Ausnahmen haben für die Wahlberechtigung zur SBV keine Bedeutung, da 177 II SGB IX als Bestandteil des Bundesrechts solche Ausnahmen nirgends zulässt. Ebenso steht nichts von einer Frist in der wahlordnungsrechtlichen Definition („Wahlberechtigte“) im § 1
Abs. 2 SchwbVWO. Für eine
„analoge“ Anwendung des § 7 Absatz 2 BetrVG für das aktive Wahlrecht bei SBV-Wahlen (wie in Teilen des Schrifttums erwogen) gab‘s und gibt’s nach richtiger Ansicht von
Düwell keine sachliche Rechtfertigung:
Alles Andere wäre m.E. „willkürlich“ - aber
a.A. wohl noch
FKS-SGB IX, § 177 Rn. 16, wonach die Beschränkung für Leiharbeit bei BR-Wahl auch für SBV-Wahlen gelte – aber ohne Begründung; Müller-Wenner SGB IX, 2. Auflage 2011 § 94 Rn. 22; Feldes/Rehwald, Basiskommentar SGB IX, 12. Auflage 2015 § 94 Rn 12; GK-SGB IX/
Christians, 2013, § 94 Rn. 36; JurisPK-SGB IX 2018, § 177 Rn. 12. Dieser noch vorherrschenden Ansicht ist klar zu widersprechen - da sachlich durch nichts zu rechtfertigen. Durch Einfügung
2001 des § 7
Satz 2 BetrVG hat sich
nichts geändert für das SBV-Wahlrecht. Dass ausgerechnet erstmalige Einführung eines aktiven Wahlrechts durch das BetrVerf-Reformgesetz 2001 für Leiharbeiter bei BR-Wahlen (Ziel: Heranführung dieser typ. „Randbelegschaft“ an die Stammbelegschaft) zum „Rückschritt“ beim aktiven Wahlrechts für SBV-Wahlen führen sollte, halte ich für haltlos und nicht begründbar. Wahlvorstände und Wahlleitung können sich folglich eigene Berechnungen oder Rückfragen bzw. Prognosen jedenfalls zum aktiven Wahlrecht gemäß § 177 Abs. 2 SGB IX m.E. insoweit ersparen entgegen einer verbreiteten (wohl noch immer vorherrschenden) Ansicht - welche klar abzulehnen ist!
Lediglich am Rande sei erwähnt - dass eine SBV, zu deren Dienststelle abgeordnet wurde, aus gleichem Grund natürlich nicht zu prüfen hat, ob sie einen abgeordneten sbM „schon“ zu vertreten hat (oder noch nicht). Hat SBV selbstverständlich, auch soweit diesen Wahlberechtigten ihr bundesgesetzlich verbürgtes SBV-Wahlrecht verwehrt worden sein sollte bei der letzten SBV-Regelwahl 2018 in Berlin oder andernorts.
Ein sachlicher Grund
, geschweige denn Sinn, warum dem schwerbehinderten Beschäftigten bei einer Abordnung z.B.
in Baden-Wü. &
Thüringen von Anfang an,
in Bayern frühestens
nach drei Monaten,
in NRW aber erst
nach sechs Monaten,
in Berlin
niemals aktives SBV-Wahlrecht
in der aufnehmenden Dienststelle zustehen soll – und damit korrespondierend teils verspätetes oder kein SBV-Recht und keine Pflicht, diesen sbM in der aufnehmenden Dienststelle „beratend und helfend zur Seite“ zu stehen, sowie deren „Eingliederung“ zu fördern gemäß § 178
Abs. 1 SGB IX, erschließt sich mir nicht. Das erscheint sinnfrei und daher komplett unsinnige willkürliche Ergebnisse.
»Berlin fehlt Regelungskompetenz«
Der Bund hat 'Vollkompetenz' für das von ihm geregelte aktive SBV-Wahlrecht, hat diese auch voll ausgeschöpft. Davon hat er im SGB IX (wie schon zuvor in § 24
Abs 2 SchwbG) abschließend Gebrauch gemacht Landesrecht kann das nicht einschränken bzw sprengen. Es greift die
Sperrwirkung des Bundesrechts nach Art. 31 GG. Dass der „Bund“ darüber „
lediglich eine Grundaussage (habe) treffen“ wollen bzw. getroffen habe, wie in dem LAGeSo-Schreiben 2017 pauschal angenommen, dafür fehlt jeglicher Anhaltspunkt laut Gesetzeswortlaut, Gesetzesmaterialien, Fachschrifttum – und dem damals an diesen Gesetzgebungsverfahren 'beteiligten' BMAS–Fachpersonal fürs aktive SBV-Wahlrecht - seit jeher. So zu Recht auch
Adlhoch – wonach der Beginn des akt. SBV-Wahlrechts
bundesrechtlich geregelt ist, in Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, Rn. 44 zu § 94 Abs. 2 SGB IX a.F.
lex specialis?
Im Übrigen hat das aktive Wahlrecht für BR/PR-Wahlen bekanntermaßen ohnehin
völlig andere Tatbestandsvoraussetzungen als das aktive Wahlrecht für SBV-Wahlen. Schon aus diesem Grunde „
kein Anwendungsfall“ für „lex-specialis-Grundsatz“ (obwohl insoweit häufig, aber eben fälschlich gleichwohl genannt) als juristische Auslegungsregel, wonach lex specialis als spezielles Gesetz dem allgemeinen Gesetz (lex generalis) vorgeht: Dieses wäre wie Vergleich von Äpfel mit Birnen: nicht spezieller, sondern was ganz anderes laut Methodenlehre der Rechtswissenschaft. Vgl nur Prof. Dr.
Zippelius, Juristische Methodenlehre, 11. Auflage 2012, Kapitel II § 7, zu „Konkurrenzen von Rechtsnormen“ – wonach „lex specialis“ nur bei (echter)
Teilmenge**), nicht aber bloßer
Schnittmenge der Tatbestandsvoraussetzungen (für das jeweils aktive SBV-Wahlrecht einerseits, und das aktive PR-Wahlrecht andererseits) wie hier. Ist
offensichtlich nicht der Fall, weil z.B.
nicht alle Tatbestände des § 177 Abs.
2 SGB IX (Beschäftigte) auch in dem Tatbestand des §
7 BetrVG (
Arbeitnehmer), bzw. nicht in dem Tatbestand der §§ 13,
4_BPersVG vorkommen. Auch keine Ermächtigung laut Art. 80 Abs.
4 GG für die Länder zur ("spezielleren") Regelung des aktiv. SBV-Wahlrechts. Ich sehe daher den Abschn. 3.1 der BIH-Wahlbroschüre 2018 zum aktiven
„Wahlrecht bei Abordnung“ auf Seite 38 kritisch gemäß Fachschrifttum.
Auf den Punkt gebracht: Wer beim aktiven SBV-Wahlrecht (teils) auf das aktive PR-Wahlrecht abstellt – der stellt im Ergebnis auf Teile des Tatbestands für die PR-Wählbarkeit ab gemäß § 14
Absatz 1 BPersVG. Denn genau dies ist ja Tatbestandsmerkmal der PR-Wählbarkeit. Genau dies verbietet sich bei SBV-Wahlen jedoch von selbst - da nirgends normiert im SGB IX für Dienststellen, an die abgeordnet wird: Das geht gar nicht!
Ferner hat das akt. Wahlrecht für BR/PR-Wahlen einen
völlig anderen Zweck als das aktive Wahlrecht für SBV-Wahlen. Denn bei BR/PR-Wahlen wird bekanntlich über die spezielle Wahlberechtigung immer Wählbarkeit gesteuert. Dort ist nämlich dieses aktive Wahlrecht stets
Grundvoraussetzung für die Wählbarkeit („Wählbar sind alle Wahlberechtigten...“) im Gegensatz zu SBV-Wahlen, bei denen es eine solche Verzahnung gerade nicht gibt beim aktiven SBV-Wahlrecht. D.h. für PR-Wahlen: Wer nicht aktiv wahlberechtigt ist, der ist auch nicht wählbar (Ballerstedt/Schleicher/Faber,
BayPVG, Art. 14 Rn. 24b, wonach zum Personalrat nur wählbar ist, wer gleichzeitig auch wahlberechtigt ist; ebenso das
VG Saarlouis vom 04.02.2013, 9 L 341/13,
dass „vom Grundsatz her nur die aktiv Wahlberechtigten einer Dienststelle zu dem dort zu bildenden Personalrat auch passiv wahlberechtigt sind“). Bei PR-Wahlen sind also nur die in der Wählerliste Eingetragenen wählbar (bei Vorliegen der
sonstigen Wählbarkeitsvoraussetzungen), bei SBV-Wahlen jedoch ungleich mehr, als dort in die Wählerliste gemäß § 3 SchwbVWO eingetragen. Das dennoch zu „vermengen“ (also aktives SBV-Wahlrecht mit einzelnen „ausgewählten“ Tatbeständen der PR-Wählbarkeit) führt unweigerlich in die Irre: Da drängt sich die weitere Frage auf, warum das aktive SBV-Wahlrecht nur von diesen „speziellen“ Einschränkungen des aktiven PR-Wahlrechts abhängen soll, aber nicht von den zahlreichen weiteren (uneinheitlichen) „spezielleren“ Einschränkungen des PR-Wahlrechts in einzelnen oder allen Ländern.
Davon getrennt werden muß aber Rechtsfrage der Wählbarkeit bzw. eines vorzeitigen Verlusts des SBV-Mandats bei Abordnung. Vergl. dazu Adlhoch in Behindertenrecht,
br 4/2016 „Vertrauenspersonen fragen“.
Viele Grüße
Albin Göbel
——————
*) Demnach tritt die Wahlberechtigung ein,
sobald
Beschäftigung in der Dienststelle angetreten wird,
da ja nichts Gegenteiliges angeordnet im SGB IX.
.
**) A ist eine (echte) Teilmenge von B