Seite 1 von 1
Initialisierung einer SBV OHNE BR bzw. MAV im Betrieb
Verfasst: Donnerstag 30. November 2023, 16:26
von DMu
Guten Tag,
im Auftrag der Geschäftsleitung bin auf der Suche nach rechssicheren Tipps von praxiserfahrenen Expert*innen aus dem Forum, die uns in folgender Situation weiterhelfen können, denn wir stehen quasi "ganz am Anfang im Neuland" :
- wir erfüllen die gestzl. Bestimmungen für eine SBV, die es bislang nicht gibt und in unserem Unternehmen gibt es weder einen Betriebsrat noch eine Interessenvertretung der Mitarbeitenden.
Wer kann die Schaffung einer SBV anregen und welche Schritte sind dafür / dann zu unternehmen?
Vorab besten Dank für die Bemühungen und freundliche Grüße in die Runde
Einleitung einer SBV-Wahl OHNE Betriebsrat bzw. Mitarbeitervertretung im Betrieb
Verfasst: Donnerstag 30. November 2023, 17:00
von jada.wasi
DMu hat geschrieben: ↑Donnerstag 30. November 2023, 16:26
Wer kann Schaffung einer SBV anregen und welche Schritte sind dann zu unternehmen?
Bei der Wahl einer SBV geht‘s nicht um das Unternehmen, sondern grunds. um den Betrieb als Wahlbezirk. Sollte das
vereinfachte Wahlverfahren anzuwenden sein, können drei sbM oder aber „notfalls“ auch das Integrationsamt zu einer Wahlversammlung einladen nach
§ 19 Abs. 2 SchwbVWO.
Schulungsvideos zur Wahl
gibts hier. Das gilt jedenfalls bei Betrieben iSd BetrVG. Bei kirchlichen Einrichtungen gilt ggf nicht das staatliche Recht, sondern
Kirchenrecht. Starthilfe,
Formulare und
Materialien zur Wahl
gibt es hier. Viel Erfolg! Jada Wasi
Wahl kompakt:
www.bih.de/sbv-wahl
Re: Initialisierung einer SBV OHNE BR bzw. MAV im Betrieb
Verfasst: Freitag 1. Dezember 2023, 10:45
von DMu
@JadaWasi: Danke für die Antwort.
Ergänzend dazu: bedingt durch die Anzahl der Mitarbeitenden müssen nach dem förmlichen Verfahren vorgehen und das Integrationsamt kann lediglich die Einladungen versenden, da dort eine solche Konstellation nicht bekannt ist.
Genau deshalb trage ich das Anliegen im dieses Forum.
Re: Initialisierung einer SBV OHNE BR bzw. MAV im Betrieb
Verfasst: Freitag 1. Dezember 2023, 13:18
von albarracin
Hallo,
das Einladungsrecht von 3 Wahlberechtigten für eine Versammlung zur Wahl eines Wahlvorstandes gem. § 1 Abs. 2 SchwbVWO
https://www.gesetze-im-internet.de/schwbwo/__1.html
besteht in der Betriebsverfassung und im Personalvertretungsrecht unabhängig vom anzuwendenden Wahlverfahren.
Sollte kirchliches Arbeitsrecht gelten (das Eingangsposting ist da leider nicht ganz eindeutig), kommt es konkret darauf an, welche MAVO gilt bzw. anzuwenden ist.
Im Bereich des BetrVG sowie der Personalvertretung gibt es zusätzlich noch die Möglichkeit, Wahlvorstände auf Antrag von 3 Wahlberechtigten gem. § 17 Abs. 4 BetrVG
https://www.gesetze-im-internet.de/betrvg/__17.html
bzw. § 22 BPersVG
https://www.gesetze-im-internet.de/bper ... /__22.html
einsetzen zu lassen (
Sachadae in LPK-SGB IX, § 1 SchwbVWO Rn 63).
Initiierung einer SBV-Wahl OHNE Betriebsrat bzw. Mitarbeitervertretung im Betrieb
Verfasst: Freitag 1. Dezember 2023, 14:05
von jada.wasi
DMu hat geschrieben: ↑Freitag 1. Dezember 2023, 10:45
bedingt durch die Anzahl der Mitarbeitenden
Es kommt bei der SBV-Wahl natürlich nicht auf die Anzahl aller „Mitarbeitenden“ an, sondern vielmehr auf Anzahl der wahlberechtigten schwerbehinderten und gleichgestellten behinderten Beschäftigten
(§ 177 Abs. 6 Satz 3 SGB IX,
§ 1 Abs. 2 SchwbVWO). Gruß Jada Wasi
Initiierung einer SBV-Wahl OHNE Betriebsrat bzw. Mitarbeitervertretung im Betrieb
Verfasst: Freitag 1. Dezember 2023, 14:35
von jada.wasi
albarracin hat geschrieben: ↑Freitag 1. Dezember 2023, 13:18
Im Bereich des BetrVG sowie der Personalvertretung gibt es zusätzlich noch die Möglichkeit, Wahlvorstände auf Antrag von 3 Wahlberechtigten gem.
§ 17 Abs. 4 BetrVG bzw. § 22 BPersVG
einsetzen zu lassen (
Sachadae in LPK-SGB IX, § 1 SchwbVWO Rn 63).
Hallo albarracin,
ob es diese Option der Einsetzung eines Wahlvorstandes auch bei SBV-Wahlen wirklich gibt, das erscheint mir recht zweifelhaft. Denn weder das SGB IX noch die SchwbVWO verweisen insoweit auf das Betriebsverfassungsrecht bzw. das Personalvertretungsrecht. Auch ist m. E. hier analoge Anwendung insoweit ausgeschlossen: Das Arbeitsgericht darf nicht bestellen in Betrieben und der
Dienststellenleiter darf nicht zu einer Versammlung einberufen zur Wahl des Wahlvorstands. Gruß Jada Wasi
Re: Initialisierung einer SBV OHNE BR bzw. MAV im Betrieb
Verfasst: Freitag 1. Dezember 2023, 15:55
von albarracin
Hallo,
Deine Zweifel kann ich selbst zwar durchaus nachvollziehen, weil mir das auf den ersten Blick auch nicht schlüssig erschien. Sachadae führt aber in einer Fussnote zu o.a. Rn so ziemlich die gesamte Fachliteratur (u.a. Adlhoch, Dörner, Knittel, Pahlen) ohne eine einzige abweichende Meinung als Beleg für seine Meinung der Anwendbarkeit an. So wird es wohl den derzeitigen Mainstream abbilden.
Initiierung einer SBV-Wahl OHNE Betriebsrat bzw. Mitarbeitervertretung im Betrieb
Verfasst: Freitag 1. Dezember 2023, 16:40
von jada.wasi
albarracin hat geschrieben: ↑Freitag 1. Dezember 2023, 15:55
So wird es wohl den Mainstream abbilden.
Diese Autorenliste ist beachtlich, jedoch mitnichten
komplett – auch nicht Mainstream in diesem Forum:
Diese (verbreitete) Meinung ist mir bekannt – aber nicht begründbar: Dagegen schon Ministerialrat Dr. Cramer im letzten Jahrhundert zur SchwbWO a.F. Vgl. sehr kritisch
Diskussion aus 2022 zu einem
Dienststellenleiter einer Berliner Polizeidirektion, und Verwerfungsbeschluss des
BAG, 29.09.2022 – 7 ABN 57/22. Auch die BIH hat ihre frühere Ansicht aufgegeben - mit Verweis auf das
ArbG Stuttgart, 26.01.2021 – 7 BVGa 1/21. Siehe hierzu Prof. Düwell, in Behinderung und Recht,
br 1/2021, Seite 5-8, wonach
„abschließende“ Regelung mit einer
Fallstudie. Ebenso neuerdings BIH 2022,
Seite 12, mit Verweis auf Düwell, jurisPR-ArbR 7/2021 Anm. 9, in Endnote 2 der Wahlbroschüre. Gruß Jada Wasi
NB: Anfragende muss man nicht mit solchen Ansichten verunsichern Die wollen doch regelmäßig eine einfache „rechtssichere“ Lösung. Bestellung wäre hier nichtig, da offensichtlich unter
keiner denkbaren Konstellation dazu befugt – nicht das Arbeitsgericht und nicht die Dienststellenleitung – also einzig Wahl des Wahlvorstands! Da hat leider wohl lediglich einer vom anderen unkritisch abgeschrieben? Abweichende Regelungen zur BR/PR-Wahl dürfen nicht einfach auf SBV-Wahl „übertragen“ werden gemäß Bundesarbeitsgericht, auch wenn man diese für sinnvoller und persönlich etwa für zweckmäßiger halten sollte
_als die „einschlägige“ und maßgebl.
SchwbVWO. Eigene Vorstellungen rechtfertigen da keine derartigen Abweichungen an der SBV-Wahlordnung vorbei. Im
§ 1 SchwbVWO steht bekanntlich weder etwas von einem Bestellrecht des Dienststellenleiters - noch etwas vom Bestellrecht des Arbeitsgerichts in Betrieben.