Stützunterschriften

Ulrich.Römer
Beiträge: 621
Registriert: Mittwoch 29. September 2010, 12:51

AW: Stützunterschriften

Beitrag von Ulrich.Römer »

Der Wahlvordstand hat die Aufgabe die eingereichten Wahlvorschläge auf Gültigkeit zu prüfen. Damit ist auch die Überprüfung der Stützunterschriften gemeint. Abschließend lässt sich die Gültigkeit der Wahlvorschläge und damit die Gültigkeit der Wahl nur über eine Anfechtung der Wahl klären. Die Anfechtung ist allerdings erst nach der Wahl innerhalb einer Frist von 14 Tagen möglich.
Ulrich Römer

Moderator der BIH-Foren
albin.göbel
Beiträge: 701
Registriert: Mittwoch 10. November 2010, 14:55

Einsichtnahme in Wahlakte: Daten­schutz?

Beitrag von albin.göbel »

dpolg-bayer hat geschrieben:Mein Wahlvorstand wird mir dies sicherlich verweigern wie im Fall der Wahlwerbung. Dort bekam ich zur Antwort, dass ich den Beschluss des Wahlvorstandes im Zuge der Wahl­an­fech­tung einsehen könne.
Hier wie dort auf's Anfechtungsverfahren nach der SBV-Wahl zu verweisen und zu vertrösten bzw. so wie hier die SBV-Wahl "sehenden Auges" an die Wand zu fahren erscheint wenig professionell. Es ist nun mal so, dass man die eigenen Fehler eher übersehen kann als Dritte. Und die Chance zur Fehlerbereinigung noch im Vorfeld der Wahl aufgrund von "Einwendungen" wäre dann vertan. Warum also solche Chancen von vornherein ausschlagen? Gegenteilige Rechtsprechung dazu gibt es nicht, soweit ersichtlich. Die Vereitelung der Wahl­wer­bung­ durch den Wahlvorstand, da ihm der Inhalt nicht passte, das ist unvereinbar mit der Rechtsprechung des B­VerwG und rei­ne­­ Zensur!

Jedenfalls kann sich der Wahlvorstand im öffentlichen Dienst nicht auf vorgeblichen Datenschutz berufen, da es insoweit gar keine wahlordnungsrechtliche Pflicht zur Geheimhaltung bis zur Anfechtung gibt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung seit über einem halben Jahrhundert.

"Im Gegensatz zu den Sitzungen des PR müssen die Sitzungen des Wahlvorstands nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt werden... Ob Sitzungen öffentlich oder nichtöffentlich durchgeführt werden, liegt grundsätzlich im Ermessen des Wahlvorstands."

Vgl. nur Wiegand / Hohmann, SchwbVWO, § 2 Rn. 13/29, unter Hinweis auf BVerwG vom 08.11.1957, VII P 7.57, Rn. 15/21; Altvater u.a., BPersVG, § 1 WO Rn. 18; Klimpe-Auerbach, RiArbG a.D, Leitfaden von verdi zur PR-Wahl 2011, Seite 16/17.

BVerwG vom 08.11.1957, VII P 7.57:
„§ 13 Abs. 2 WOPersVG begründet keine Verpflichtung des_Wahlvorstandes, die Namen der Unterzeichner der Wahlvorschläge geheimzuhalten.“

Zu der "Einsichtnahme in die Wahlakten der Betriebsratswahl" siehe auch Mathes, jurPR-ArbR 1/2006, Anm. 1 - und Analyse der Jurion-Redaktion zu BAG, Beschluss vom 27.07.2005, 7 ABR 54/04. Während einer Wahl bzw. während der laufenden Anfechtungsfrist oder auch während eines laufenden Anfechtungsverfahrens dürfte eine Einsicht grds. möglich sein zwecks Transparenz, bzw. zwecks Überprüfung der Ordnungsgemäßheit der Wahl. Das kann auch ohne weiteres ggf. schon vor einer Anfechtung vonnöten sein, etwa um per Eilantrag Verstöße angreifen zu können wie z.B. nichtige Bestellung des Wahlvorstands oder zu Unrecht vom Wahlvorstand zu­ge­lassene­ Wahlvorschläge - wie hier und hier.

dpolg-bayer hat geschrieben:Möglichkeit, im je­tzi­gen Stand des Wahlverfahrens (Be­kannt­ga­be der zu Wählenden) dies als Kandidat zu überprüfen, bzw. Auskunft über An­zahl und Gültigkeit der Stütz­un­ter­schrif­ten und damit ggf. Gül­tig­keit des Wahlvorschlags zu bekommen?
Ich meine prinzipiell ja unter dem Ge­sichts­punkt, dass Ihnen sonst die Möglichkeit ge­nom­men würde, Eilantrag beim ArbG we­gen Zulassung ungültiger Wahlvorschläge zu stellen. Schließlich haben Sie ja meh­re­re konkrete Anhaltspunkte für fehlerhafte Wahlvorschläge. Wenn das in derartigen Fällen mehrere Wochen vor Abschluss der Wahl bemerkt wird – sollte ­ notfalls ­ ­­auch eine Kor­rek­tur per Eilbeschluss des ArbG möglich sein, wenn das ArbG sehr schnell entscheidet. ­ Das Einsichtnahmerecht ist nicht auf die ­ Dauer der Anfechtungsfrist beschränkt laut BAG.

Viele Grüße
Albin Göbel
darko1994
Beiträge: 4
Registriert: Sonntag 2. Dezember 2018, 10:20

Re: Stützunterschriften

Beitrag von darko1994 »

Konzernschwerbehindertenvertretung!!!!!

Ich bin 2 Schwerbehindertenstellvertretung.
Und möchte mich zur Konzernschwerbehindertenvertretung aufstellen lassen.
Mein Betriebsrat sagt das ginge nur wen ich die Stütznstimme der 1.Schwerbehindertenvertreterin bekomme.
Stimmt das? Kann Sie auch Nein sagen.
albin.göbel
Beiträge: 701
Registriert: Mittwoch 10. November 2010, 14:55

Stützunterschriften Konzern-SBV

Beitrag von albin.göbel »

darko hat geschrieben:Mein Betriebsrat sagt, ­ das ginge nur, wenn ich die Stützstimme der ­ 1. Schwerbe­hin­der­ten­ver­tre­te­rin bekomme. Stimmt das?
• Wahlversammlung
Eine örtliche SBV ist nur ausnahmsweise vorschlags- und wahlberechtigt für KSBV-Wahlen in den Fällen des § 180 Absatz 1 Satz 2 SGB IX und § 180 Absatz 2 Satz 2 SGB IX, sonst nur GSBVen. Diesen aktiv Wahlberechtigten steht frei, ob sie einen Bewerber unterstützen oder nicht. Bei un­ter 50 muss immer in einer Wahl­ver­samm­lung gewählt werden; dieses gilt auch bei der erstmaligen Wahl der Konzern-SBV (Prof. Düwell, Wahl der SBV, Abschnitt 15.4 KSBV). Dann genügt es im­mer, wenn ein Wahlberechtigter zu der KSBV vor­schlägt­­. Sog. "Stützunterschriften" (Stütz­stim­men) gibt es nicht bei KSBV-Wahl­ver­samm­lung. Ein stellv. Mitglied einer SBV/GSBV kann sich regelmäßig nicht selbst vorschlagen, falls keine Verhinderungsvertretung laut § 177 Abs. 1 Satz 1, ­ § 180 Abs. 5 SGB IX. Ihr BR liegt folglich (teilweise) richtig. Siehe dazu auch Diskussion vom Jan. 2019.

• Förmliche Wahl
Förmliche ­ KSBV-Wahlen ­ mit Stütz­un­ter­schrif­ten­ sind nur zulässig ab 50 Wahl­be­rech­tig­ten nach § 177 Abs. 6 Satz 3 SGB IX entsprechend. Dann wären mind. drei Unter­stüt­zer oder mehr (ein Zwanzigstel) erforderlich für einen Wahlvorschlag.

:idea: ­­ Soweit in dem § 22 Abs. 1 Satz 4 SchwbVWO davon die Rede ist, dass bei "weniger als fünf Wahlberechtigten" ­ die Unterzeichnung eines ­­ Wahlvorschlages durch einen Wahlberechtigten ausreiche, läuft diese Bestimmung leer, da kraft Ge­set­zes nur ab 50 Wahlberechtigten eine förmliche Wahl zulässig ist (LPK-SGB IX, Prof. Düwell,, § 180 Rn. 21 mwN, und Dr. Sachadae, ­­ § 22 SchwbVWO Rn. 17-20; a.A. noch BIH-Wahlbroschüre, Abschnitt 7.1 S. 83). Folglich kommen bei unter 50 denklogisch allenfalls bei örtlichen Vertretungen förmliche Wahlen in Frage, nicht aber bei überörtlichen Vertretungen kraft Gesetzes. Der Gesetzesvorrang wur­de beim BTHG ­­ (u.a. vom BMAS) offenbar verkannt – trotz klarer Ansage des BAG 23.07.2014 - 7 ABR 61/12, II 2 b, in Rn. 27 unter Verweis auf's BVerfG 1958:

"... ist "Wahlordnung Schwer­be­hin­der­ten­ver­tre­tun­gen" eine gegenüber dem Gesetz niederrangige Rechtsnorm (vgl. BVerfG 6. Mai 1958 – 2 BvL 37/56 ua.). Schon des­halb kann ihr der ­ Regelungswille, etwas abweichend vom Gesetz zu regeln, nicht entnommen werden. (Rn. 27)

Denkfehler?
Das ist mE kapitaler Denkfehler des BMAS: Während die Wahlordnung davon ausgeht, dass bei unter fünf oder bei unter fünfzig Wahlberechtigten förmliche Wahl durchaus in Betracht komme, schließt dies das Gesetz kategorisch aus. Das beißt sich, weil klar widersprüchlich und kraft Gesetzes ausgeschlossen für Wahl „überörtlicher Vertretungen“ gemäß Wortlaut des § 180 Absatz 7 letzter HS i.V..m. § 177 Absatz 6 Satz 3 HS 1 SGB IX bei „weniger als 50“. Wegen dieser wohl bis in die 80-er Jahre zu­rück­rei­chen­den etwas „chaotischen“ Normierung erscheint (in­so­weit) rechtliche Klarstellung und gesetzliche Nach­bes­se­rung geboten. Frag­lich ist, ob die Rspr. dies als bloßes offensichtliches Redaktionsversagen des Normgebers und damit als belanglos ansieht – oder eben nicht?

Kann das nicht nachvollziehen unter keinem Gesichtspunkt, da insoweit offensichtlich höchst widersprüchlich, oder? Die ministerielle äußerst verwirrende „Normtechnik“ dieses Ver­ordnungsgebers in dieser Wahlordnung halte ich in diesem Punkt eher für "unterirdisch". Jedenfalls hat dieses alles mit verständlicher Sprache & Verordnung wenig zu tun im § 22 SchwbVWO. Wer soll das verstehen?

„Wahlbezogene Änderungen“
Sachadae: „Nicht geklärt ist damit jedoch, was passiert, wenn zwar die Voraussetzungen des vereinfachten Ver­fahrens nach § 97 Abs. 7 i.V.m. § 94 Abs. 6 Satz 3 SGB IX n.F. vorliegen, jedoch die zusätzlichen Vorgaben des § 22 Abs. 3 SchwbVWO nicht erfüllt sind.“ (PersR, 2/2017)

Viele Grüße
Albin Göbel
[WVL]
Antworten