Hallo und guten Morgen,
in meiner Behörde und ihren nachgeordneten Dienststellen findet das Niedersächsische Personalvertretungsgesetz (NPersVG) Anwendung.
Zur Frage der Wählbarkeit (passives Wahlrecht) wird in der BIH-Wahlbroschüre (Seite 42) auf die Regelungen im öffentlichen Dienst bzw. u. a. auf die Regelungen in den Landespersonalvertretungsgesetzen hingewiesen.
Der Fall:
Wir haben bei uns einen Kollegen, der in der Dienststelle, zu der er seit 10 Monaten abgeordnet ist, gern für die SBV kandidieren möchte. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird er zum 01.10. auch an diese Dienststelle umgesetzt werden. Die SBV-Wahl findet dort Ende November statt.
Nach § 12 Abs. 1 Ziffer 2 NPersVG wäre er in den Personalrat wählbar, weil er seit einem Jahr bereits in der öffentlichen Verwaltung beschäftigt ist. Die 6-monatige Dienststellenzugehörigkeit ist hier also keine alleinige Voraussetzung.
Meine Frage:
Ich gehe bislang davon aus, dass er in die Schwerbehindertenvertretung der Dienststelle, zu der er in Kürze vermutlich versetzt wird, nicht gewählt werden darf, weil er die erforderliche 6-monatige Zugehörigkeit zur Dienststelle gem. § 177 Abs. 3 SGB IX nicht erfüllt.
Ist diese Einschätzung so richtig?
Danke für eure/ihre Meinungen
Maiko
Wählbarkeit (passives Wahlrecht) im öffentlichen Dienst -Niedersachsen-
Wählbarkeit (passives Wahlrecht) im öffentlichen Dienst nach Abordnung?
Hallo Maiko,Wir haben bei uns einen Kollegen, der in der Dienststelle, zu der er seit 10 Monaten abgeordnet ist, gern für die SBV kandidieren möchte. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird er zum 01.10. auch an diese Dienststelle umgesetzt werden. Die SBV-Wahl findet dort Ende November statt.
interessante Frage. Hier dürfte wohl Wählbarkeit bestehen, sobald er dorthin versetzt ist, da er „seit zehn Monaten“ an diese Dienststelle abgeordnet ist, und m.E. seither dieser Dienststelle angehört iSd § 177 Absatz 3 Satz 1 SGB IX. Hat jemand Erfahrung mit solchen Fällen mit vorgelagerter Abordnung oder kennt evt Literatur dazu? „Wahltechnisch“ ohnehin problemlos, falls das Wahlausschreiben nicht vor Oktober 2022 vorzeitig erlassen wird für „Wahlvorschläge“ und die „Einreichungsfrist“ also nach der Versetzung liegt.
Vgl. BAG, 25.10.2017, 7 ABR 2/16, zur Angehörigkeit bei Gestellung gemäß § 94 Ans. 3 Satz 1 SGB IX (jetzt § 177 Abs. 3 Satz 1 SGB IX) sowie zu dem Beschäftigtenbegriff grundlegend i.S.d. § 177 Abs. 3 Satz 1 SGB IX. Demnach m.E. klar wählbar bei Versetzung ab 01.10.2022 – soweit sonstige Wählbarkeitsvoraussetzungen erfüllt werden.
Rechtsvergleich
Sehr missverständlich m.E. aber die BIH-Wahlbroschüre, Kapitel 2.2 Wer ist wählbar? auf Seite 42 (am Ende), zur Wählbarkeit bei Gestellung, da viel zu weitgehend, weil vom_Betrieb bzw. vom Wahlbezirk noch keine Ahnung:
„Die Beschäftigten, die im Wege der Personalgestellung Betrieben der Privatwirtschaft überlassen wurden, haben somit das passive Wahlrecht beim Beschäftigungsbetrieb (Entleiher) und zwar vom ersten Tag der Beschäftigungsaufnahme an.“ Die pauschale Schlussfolgerung kann ich nicht nachvollziehen. Wäre ohnehin in aller Regel völlig zweckfrei, ab dem ersten Tag ein solches Amt als Ein-Personen-Vertretung zu übernehmen in einem Betrieb, den_man z.B. erst wenige Stunden kennt. Das mag für Kollegialorgane angehen wie z.B. dem Betriebsrat laut § 8 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, nicht aber für die Wählbarkeit einer örtl. SBV laut § 177 Abs. 3 Satz 1 SGB IX, wonach ausgeschlossen.
Das kann mE so nicht dem BAG, 25.10.2017, 7 ABR 2/16, Rn. 29, entnommen werden, sondern ganz im Gegenteil:
„(c) Auch die weiteren Wählbarkeitsvoraussetzungen des § 94 Abs. 3 Satz 1 SGB IX sind erfüllt. Der im Jahr 1956 geborene Beteiligte zu 4. hatte am Wahltag das 18. LJ vollendet. Er gehörte dem Betrieb der Arbeitgeberin seit 1. Januar 2006 und damit länger als sechs Monate an.“ Zu weitgehend und falsch demnach auch BIH-Tabelle zur sofortigen Wählbarkeit bei der „Personalgestellung“ im „Beschäftigungsbetrieb“ auf Seite 45 laut BAG.
Verständnisfrage: Gehe davon aus, dass es sich um eine Versetzung handelt - und es nicht um bloße „Umsetzung“ geht, oder? Gruß Jada WasiMit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird er zum 01.10. auch an diese Dienststelle umgesetzt werden.
Zuletzt geändert von jada.wasi am Donnerstag 28. Juli 2022, 12:54, insgesamt 1-mal geändert.
Re: Wählbarkeit (passives Wahlrecht) im öffentlichen Dienst -Niedersachsen-
Ja, das ist richtig. Es wird sich dann um eine Versetzung handeln. Bislang ist er abgeordnet; aber nur mit dem Ziel der Versetzung.
Maiko
Maiko
Re: Wählbarkeit (passives Wahlrecht) im öffentlichen Dienst
Hallo Maiko,
so zu Recht schon Ulrich Römer (BIH-Moderator) in seinem Beitrag aus 2018 zu der Leiharbeit als „Vorbeschäftigung“ in denselbem Betrieb sinngemäß, wonach wählbar. Gruß Jada Wasi
so zu Recht schon Ulrich Römer (BIH-Moderator) in seinem Beitrag aus 2018 zu der Leiharbeit als „Vorbeschäftigung“ in denselbem Betrieb sinngemäß, wonach wählbar. Gruß Jada Wasi
Re: Wählbarkeit (passives Wahlrecht) im öffentlichen Dienst -Niedersachsen-
Hallo jada.wasi,
herzlichen Dank für Ihre Beiträge. Ich muss eingestehen, dass ich immer noch verunsichert bin.
Der Kollege (Beamter) wird aller Wahrscheinlichkeit nach zum 01.09. in die Dienststelle versetzt werden, in der er sich als stellvertretende Vertrauensperson zur Wahl stellen möchte.
Ich habe Zweifel, ob die von Ihnen angeführte BAG-Entscheidung zur Angehörigkeit bei Gestellung für die Abordnung von Beamten gemäß § 27 des Niedersächsischen Beamtengesetzes herangezogen werden kann. Immerhin ist es gemäß § 27 Absatz 1 NBG ein Tatbestandsmerkmal, dass die Zugehörigkeit zur bisherigen Dienststelle beibehalten wird.
Insofern würde ich eher denken, dass die Abordnungszeit nicht als Angehörigkeitszeit bei der neuen Dienststelle berücksichtigt werden darf. Ich würde daher eher dazu tendieren, die 6-Monate-Zugehörigkeitsfrist gem. § 177 Abs. 3 SGB IX als nicht erfüllt anzusehen.
Gern lass mich aber vom Gegenteil überzeugen.
Beste Grüße - Maiko
herzlichen Dank für Ihre Beiträge. Ich muss eingestehen, dass ich immer noch verunsichert bin.
Der Kollege (Beamter) wird aller Wahrscheinlichkeit nach zum 01.09. in die Dienststelle versetzt werden, in der er sich als stellvertretende Vertrauensperson zur Wahl stellen möchte.
Ich habe Zweifel, ob die von Ihnen angeführte BAG-Entscheidung zur Angehörigkeit bei Gestellung für die Abordnung von Beamten gemäß § 27 des Niedersächsischen Beamtengesetzes herangezogen werden kann. Immerhin ist es gemäß § 27 Absatz 1 NBG ein Tatbestandsmerkmal, dass die Zugehörigkeit zur bisherigen Dienststelle beibehalten wird.
Insofern würde ich eher denken, dass die Abordnungszeit nicht als Angehörigkeitszeit bei der neuen Dienststelle berücksichtigt werden darf. Ich würde daher eher dazu tendieren, die 6-Monate-Zugehörigkeitsfrist gem. § 177 Abs. 3 SGB IX als nicht erfüllt anzusehen.
Gern lass mich aber vom Gegenteil überzeugen.
Beste Grüße - Maiko
Re: Wählbarkeit (passives Wahlrecht) im öffentlichen Dienst – Niedersachsen
Hallo Maiko,Maiko hat geschrieben: ↑Mittwoch 3. August 2022, 13:00 Insofern würde ich eher denken, dass die Abordnungszeit nicht als Angehörigkeitszeit bei der neuen Dienststelle berücksichtigt werden darf. Ich würde daher eher dazu tendieren, die 6-Monate-Zugehörigkeitsfrist gem. § 177 Abs. 3 SGB IX als nicht erfüllt anzusehen.
das eine schließt das andere nicht zwingend aus:
Welchen (wahlrechtlichen) Sinn und Zweck sollte denn so eine Auslegung haben, diese 10-monatige Beschäftigung wahlrechtlich nicht als Beschäftigung anzusehen? Einen Arbeitsrichter davon zu überzeugen dürfte wohl ziemlich schwer werden - zumal eine durchgängige und nahtlose (lückenlose) Abordnung bis zur Versetzung.
Der reine Beschäftigtenbegriff ist identisch in § 177 Abs. 2 SGB IX und § 177 Abs. 3 Satz 1 SGB IX. Wenn Sie nicht überzeugt sind – so fragen Sie doch einfach beim BMAS bzw. Ihrem Integrationsamt nach. Von den hier über 500 Mitlesenden bzw. Wahlexperten hat hier jedenfalls bisher niemand im Forum widersprochen, dass eine Abordnung Beschäftigung i.S. des § 177 Absatz 3 Satz 1 SGB IX ist. Bitte über Ergebnisse ihrer Recherchen ggf. berichten.
Anders ausgedrückt: Daraus, dass er noch der alten Dienststelle angehört (= Grundverhältnis), kann nicht geschlossen werden, dass er nicht „gleichzeitig“ auch neuer_Dienststelle „angehört“ (= Betriebsverhältnis).
Wäre sonst unzulässiger „Umkehrschluss“. Ist durch Weisungsgebundenheit und die Eingliederung in die Arbeitsorganisation gekennzeichnet, auch wenn die Zugehörigkeit zur bisherigen Dienststellen bei einer Abordnung nicht völlig gelöst wird.
Hier wie dort und sonst sind sechs Monate Beschäftigung und damit Angehörigkeit Grundvoraussetzung nach § 177 Abs. 3 Satz 1 SGB IX. Die beiden Begriffe angehören und Zugehörigkeit in § 177 Abs. 3 SGB IX meinen grds. nichts anders als Beschäftigung per Abordnung, per Gestellung, Leiharbeit oder sonst wie Arbeitnehmer oder Beamte.Ich habe Zweifel, ob die von Ihnen angeführte BAG-Entscheidung zur Angehörigkeit bei Gestellung für die Abordnung von Beamten gemäß § 27 des Niedersächsischen Beamtengesetzes herangezogen werden kann.
Diese reine Rechtsfrage wurde in der BIH-Wahlbroschüre nicht näher thematisiert und erneut falsch, soweit aktives Wahlrecht. Sofern wählbar zum PR nach § 12 NPersVG, dann auch wählbar zur SBV wegen § 177 Abs. 3 Satz 2 SGB_IX. Wenn Wahlvorschlag nicht zugelassen werden sollte, ist ggf. mit (erfolgreicher) Anfechtung zu rechnen - bzw. mit Eilantrag beim ArbG. Tipp daher: Wahlvorschlag zulassen, wenn sonst alles passt – weil ansonsten auch Wahl-Behinderung.
Zur Wählbarkeit bei Abordnung nach BPersVG vgl auch BAG, 20.01.2010, 7 ABR 39/08, Rn. 5 sowie die Rn. 45, unter Verweis auf BMAS. Gruß Jada Wasi
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Re: Wählbarkeit (passives Wahlrecht) im öffentlichen Dienst -Niedersachsen-
Hallo zusammen,Immerhin ist es gemäß § 27 Absatz 1 NBG ein Tatbestandsmerkmal, dass die Zugehörigkeit zur bisherigen Dienststelle beibehalten wird.
für die Wählbarkeit in die SBV als Vertrauensperson oder stellvertretendes Mitglied ist der von Maiko zitierte § 27 Niedersächsisches Beamtengesetz (NBG) völlig belanglos, weil in § 177 Abs. 3 Satz 1 SGB IX nicht auf landesrechtliche Bestimmungen verwiesen wird. Die Wählbarkeitsvoraussetzungen sind durch Bundesrecht abschließend bestimmt. Nur diese Bestimmungen dürfen für die Auslegung herangezogen werden.
Viele Grüße
Dr. Michael Karpf