Heidi Stuffer hat geschrieben:Müsste nicht das Online-Formular "Einladung zur Wahlversammlung" (vgl. auf Seite 122 der BIH-Wahlbroschüre) aktuell geändert werden, weil dort "Arbeitnehmer" statt Beschäftigte steht?
Arbeitnehmer ist zu ersetzen durch den
gesetzlichen Rechtsbegriff Beschäftigte
Oops – das BIH-Formular ist so nicht gesetzeskonform!
Ihre wahlrechtlichen Bedenken sind völlig gerechtfertigt!
Ja – das Wort "Arbeitnehmer" muss in dem Vordruck klar
ersetzt werden durch Beschäftigte,
da viel zu eng. Denn der hier allein maßgebliche Gesetzeswortlaut des
§ 177 Absatz 2 SGB IX richtet sich eindeutig an
alle "beschäftigten" sbM und nicht lediglich an schwerbehinderte sowie gleichgestellte "Arbeitnehmer", also zB auch
Bufdi's, Beamte*) und weitere (so zu Recht
Adlhoch, Ernst/Adlhoch/ Seel, SGB IX, Rn. 29 zu § 94 SGB IX a.F. unter Verweis auf
BAG v. 27.06.2001 - 7 ABR 50/99 - mwN; grundlegend Dr. Sachadae, Die Wahl der Schwerbehindertenvertretung, Diss. 2013, S. 171, wonach nicht nur Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsrechts wahlberechtigt sind, sondern u.a. auch die
Richter, Staatsanwälte,
Soldaten, FSJ'ler !!!) Das alles sind keine Arbeitnehmer, aber dennoch klar und unzweifelhaft aktiv wahlberechtigt. (vgl. zur "Beschäftigung“
LAG München, Beschl. vom 28.05.2014 - 8 TaBV 34/12 - II.2.1). Ferner widersprüchlich auch zur BIH-Wahlbroschüre Abschnitt 1.2.3 Seite 14, wonach wahlrechtlich maßgeblich alleine die „tatsächliche“ weisungsabhängige „Beschäftigung" sei. BIH-Formular somit klar unvereinbar mit ständiger Rechtsprechung seit Jahrzehnten*) und der herrschenden Lehrmeinung.
Das ergibt sich schon aus dem Gesetzeswortlaut: Der § 177
Abs. 2 SGB IX knüpft nicht an den Arbeitnehmerbegriff an laut § 611a
Absatz 1 BGB vom 18. August 1896 gemäß Rechtsstand 01.04.2017 – sondern an den Begriff des „Beschäftigten“ – und damit an die „Beschäftigung“ (vergleiche BAG vom 25.10.2017, 7 ABR 2/16, Rn.
21). Es
_dürfte sich hier im Formular folglich offenbar um ein
redaktionelles Versehen 2018 im „Einladungsformular“ handeln. In § 177 Absatz 2 SGB IX kommt dieses Wort Arbeitnehmer gar nicht vor. Hier hat sich durchs BTHG ggü. früher definitiv auch
nichts geändert, weil insoweit völlig
identischer Wortlaut, nur Paragraph verschoben:
Gesetzgeber hat geschrieben:§ 177 Absatz 2 SGB IX
(2) Wahlberechtigt sind alle in dem Betrieb oder der Dienststelle beschäftigten schwerbehinderten Menschen.
KLAR FALSCH seit 1953*)
Das muß klar korrigiert werden, zumal sonst auch widersprüchlich zu dem darunterstehenden BIH-Formulartext - in welchem zu Recht von allen
"beschäftigten schwerbehinderten Menschen" die Rede ist und etwa nicht nur von beschäftigten schwerbehinderten Arbeitnehmern wie darüber – also
in sich widersprüchlich. Da hat sich offenbar der "
Fehlerteufel" eingeschlichen in BIH-Broschüre, S. 22. Ist nicht gesetzeskonform !! Da muss nachgebessert werden. Das Wort muss raus! Das ist grandioser Quatsch.
AUCH FALSCH seit 65 Jahren*)
Das gilt natürlich auch fürs Formular zur Einladung zur Versammlung nach § 1
Abs. 2 SchwbVWO, in dem gleichfalls das Wort Arbeitnehmer durch Beschäftigte zu ersetzen ist bei förmlichen Wahlen aus gleichen Gründen (= BIH-Wahlbroschüre, Seite 98). Auch in dieser Norm kommt das Wort Arbeitnehmer nicht vor, auch nirgends sonst an keiner Stelle in der Wahlordnung. Auch da hat sich offenbar der "
Fehlerteufel" eingeschlichen ... Auch hier muss unbedingt nachgebessert werden. Zum wahlrechtlichen Begriff des Beschäftigten i.S.d. § 94 SGB IX (jetzt § 177 SGB IX) siehe den
Charité-Beschluss des
BAG vom 25.10.2017 – 7 ABR 2/16 – zu Gestellten mit Beitrag Prof. Dr.
Kohte, B3-2018, auf
reha-recht.de Der Fall ist deswegen lesenswert, da sowohl Beschäftigung gemäß § 94 II SGB IX a.F. als auch Zugehörigkeit laut § 94 III 1 SGB IX a.F. des Beteiligten zu 4. zu der GmbH bejaht – obgleich gar kein Arbeitnehmer dieser GmbH, sondern
Personalgestellung: Charité ➠ GmbH
Zusammengefasst
Kohte „Der Beschluss des BAG verdeutlicht, dass für das aktive Wahlrecht zur Vertrauensperson der Beschäftigtenbegriff und nicht der Arbeitnehmerbegriff maßgeblich ist“, es also nicht auf einen Arbeitsvertrag laut § 611a Abs. 1 BGB ankommt: Eines Arbeitsvertrags nach dieser neuen ges. Definition 2017 bedarf es daher nicht zwingend. Den Rechtsbegriff „Arbeitnehmer“ gibt es zwar im BetrVG und im BPersVG, aber eben nicht im § 177 II SGB IX und gerade nicht in der „Legaldefinition“ des § 1 II SchwbVWO.
Der Arbeitnehmerbegriff ist nicht Tatbestandsmerkmal und folglich
nicht Voraussetzung für den Beschäftigtenbegriff gemäß vorherrschender Lehrmeinung kraft Gesetzes seit Generationen: Wurde schon unter Adenauer abgeschafft!
Ausnahmen
Sofern jedoch SBV-Wahl nach § 50
Absatz 3 MVG-EKD erfolgen sollte, ist u.a. Besonderheit zu beachten – dass nur
generelle Briefwahl, und dass nur schwerbehinderte und gleichgestellte „Mitarbeiter“ statt „Beschäftigte“ wahlberechtigt sind (
KGH.EKD Beschluss vom 08.03.2019 – II-0124/58-2018 = ZMV 05/2019. Vgl. auch
Diskussion zum EKD-Wahlverfahren.
Viele Grüße
Albin Göbel
....................
*) Schon seit dem Schwerbeschädigtengesetz 1953 wurde nicht mehr formell an die „Arbeitnehmereigenschaft“ angeknüpft – so dass seither auch Beamte ausdrücklich mit erfasst werden (Sachadae, Wahl der SBV, Diss. 2013, 135).
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