• StW unter ärztlicher Aufsicht und unter
• medizinisch-therapeutischer Verantwortung
Hallo zusammen,LSG Sachsen hat geschrieben:LS: Versicherte haben nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung keinen Anspruch auf Übernahme der Fahrkosten zur Arbeitsstelle während einer stufenweisen Wiedereingliederung. Richtigerweise gibt nicht nur § 74 SGB V, sondern auch § 44 SGB IX keinen Anhalt dafür, dass die stufenweise Wiedereingliederung für sich allein eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation ist.
[LSG Sachsen, 21.09.2022, L 1 KR 365/20]
[Revision anhängig BSG – B 1 KR 7/23 R]
dort besteht offenbar „Leseschwäche“, da StW in Kap. 9 unmissverständlich als med. Rehaleistung ausgewiesen gemäß Gesetzeswortlaut, sei es für sich allein oder nicht. Der kühnen Einzelmeinung des LSG Sachsen sowie SG Leipzig steht herrschende Meinung jedenfalls nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft klar entgegen, z.B.
Prof. Dr. Luik (LPK-SGB IX 2022, § 44 Rn. 7 und 28, wonach diese StW eigenständige Leistung med. Reha),
Prof. Dr. Nebe, DVfR-Anm. A19-2018 sowie PK-SGB IX 2023, § 44 Rn. 32a: eigenständige med. Rehaleistung,
Prof. Dr. Welti, Soziale Sicherheit 11/2018, IV.2.b, 461: „eigenständige Leistung medizinischer Rehabilitation“
Prof. Dr. Nellissen (in: jurisPR-SozR 18/2022 Anm. 4: „eigenständige Leistung medizinischer Rehabilitation“)
Prof. Dr. Brockmann, Behindertenrecht, StW Rn. 30, „eigenständige Leistung medizinischer Rehabilitation“
Prof. Dr. Kohte, in Zeitschrift ASU 12-2017, wonach personenzentrierte StW „betriebsnahe Rehabilitation“
Prof. Dr. Waßer, jurisPK-SGB V § 60 Rn 140.1 Anspr. grunds. gg. GKV „unmittelbar aus § 60 Abs. 5 SGB V“
Prof. Dr. Schlette, jurisPK-SGB IX, § 73 Rn. 7: dazu gehören auch Leistungen einer StW gem § 44 SGB IX
Prof. Dr. Löschau, Studientext Nr. 12, Leistungen zur Teilhabe, med. Rehaleistung, DRV 2021 – 4.5, S. 35:
Prof. Dr. Trenk-Hinterberger (BAGH 2003, Band 103, Seite 151: med. Rehaleistung / therapeutische Gründe)
SGB IX (Überschrift Kap. 9 zu § 44 SGB IX, indiziert „Leistungen zur med. Reha“; so auch BMAS 2019)
LSG NRW, 05.02.2007, L 3 R 39/06: eigenständige medizinische Rehaleistung, nicht ergänzende Leistung
BSG – B 5 R 44/08 R, dass Träger „zur Erbringung StW als selbstständiger Maßnahme verpflichtet“ (Rn. 38) ua.
BAG, 29.01.2092, 5 AZR 37/91, wonach entscheidend und_wonach Rehabilitation stets im Vordergrund steht
BAR 2023, FAQ IV.3, wonach grunds. Anspruch auf Fahrkostenübernahme bei StW („im Grundsatz ja“) mit zentraler BAR-Themenseite zur Wiedereingliederung.
Das hat LSG Sachsen entweder nicht erwähnt oder sich damit nicht gehörig befasst – daher mehrfach Divergenz, da_StW selbstständige med. Rehaleistung. Wäre sie das_nicht, so dürfte diese Leistungsform ja sonst weder verordnet noch genehmigt werden z.B. ohne vorherige stationäre Klinikbehandlung oder auch parallel zu ambulanten Reha-Maßnahmen, wenn das zwingende gesetzliche Voraussetzung wäre? Sonst m. E. ein höchst widersprüchliches Verhalten der Beklagten AOK PLUS Sachsen und Thüringen, diese selbständ. Leistung zu genehmigen - aber ergänzende Leistung (erforderliche Fahrtkosten zu dem Rehaort im Betrieb) zu verweigern, welche ohne StW nicht angefallen wären.
Widersprüchliches Verhalten?
Geradezu verstörend bzw widersprüchlich, wenn zB. DRV die StW in Bescheiden zum Zwischen-Übergangsgeld mal als „eigenständige Leistung“ (SG Saarland, 16.04.2021 - S 49 R 310/20, Rn. 11) bezeichnet, aber andernorts vehement behauptet wird, dass StW „keine eigenständige Leistung“ med. Reha sei – entgegen BSG sowie ganz h.M. Ebenso widersprüchlich GKV, die vormals mit Erfolg darauf pochte, dass die StW „eigenständige Leistung der medizinischen Reha“ sei (BSG, Urteil vom 29.01.2008, B 5a/5 R 26/07 R, Rn. 5) – jetzt aber das genaue Gegenteil von einzelnen Instanzengerichten in Sachsen sowie Koblenz behauptet wird, und deren Denkfehler von Rehaträgern teils kritiklos übernommen und „nachgeplappert“ werden. Und zu den vormaligen „Positionen“ dieser Rehaträger zur StW vergl. erhellende Diskussion vom 28.03.2023. Danach beharrt DRV weiter auf ihren seinerzeitigen Standpunkt (obwohl damals verurteilt) - und GKV übernimmt diesen (obwohl damals zu Recht durchgängig und vehement „bestritten“ durch alle Instanzen und wdh. vom BSG bestätigt) …
Servicestelle der gesetzlichen Krankenversicherung:
Es ist auf den Schwerpunkt bzw. die Zielrichtung der jeweiligen Maßnahme abzustellen – bei StW die med. Rehabilitation laut BSG und BAG, gemäß verbreiteter Ansicht in Literatur „ausschließlich“ die Rehabilitation („was ➠ meistens der Fall ist“ gemäß ITSG der GKV). Ebenso zum Beispiel auch Handelskrankenkasse hkk
Zum „Arbeitsrecht“ bei StW vgl. Haufe-Lexikon mit Verweisung auf mehrere Senate des BAG.
Die ausgeübte Tätigkeit erfolgt demnach regelmäßig „nur im Rahmen der Rehabilitation“.
Nichtstationäre medizinische Rehaleistungen
Äußerst kritisch sehen das auch SG Kiel, S 3 KR 201/15 (Barmer) und LSG NRW - L 10 KR 370/20 (IKK classic), welche beide StW für sich allein als Leistung med. Reha ansehen. Ferner Rehadat-Fachlexikon („unter ärztlicher Aufsicht“) und z.B. auch KVS Sachsen („nur aufgr. einer ärztlichen Untersuchung“) sowie das vom LSG Sachsen gleichfalls „übergangene“ fundierte DVfR-Gutachten A5-2022, mit Verweis auf Prof. Düwell, NZA 2020, 767, 768, Neues zur stufenweisen Wiedereingliederung – wonach § 44 SGB IX für alle med Rehaträger verpflichtend gilt (vergleiche BSG, 29.01.2008, B 5a/5 R 26/07 R „für die stufenweise Wiedereingliederung als einer Leistung zur medizinischen Reha“ für GKV sowie DRV). So zu Recht zur_StW als med. Rehaleistung bereits das LSG NRW, 5.2.2007, L 3 R 39/06, Rn. 29 (Vorinstanz). Danach hat Gericht (akribisch) für DRV und GKV herausgearbeitet:
»Beide erbringen als Leistung zur medizinischen Reha (§ 6 Abs. 1 Ziffer 1 bzw. Ziffer 4 SGB IX) u.a. auch die stufenw. Wiedereingliederung« (Rn. 28). Im Gegensatz zu_der bis 30.06.2001 geltenden Rechtslage ist nicht mehr_Voraussetzung, dass eine med. Maßnahme zur Rehabilitation stationär durchgeführt wird. Der Kreis der bezugsberechtigen Versicherten wurde auf Teilnehmer an_nichtstationären medizinischen Maßnahmen zur Rehabilitation erweitert (Rn. 30), rechtskräftig! Gemäß § 6 SGB IX ist die gesetzliche Krankenversicherung als medizinischer Rehabilitationsträger für StW im Rahmen der_„Leistungen zur medizinischen Rehabilitation“ grds. „dem Grunde nach“ (Rn. 28) zuständig.
Die vom LSG Sachsen aufgeworfene Rechtsfrage zum § 74 SGB V - welche lediglich vom BSG auf Grundlage der_„Sichtweise“ der Vorinstanz ins Web gestellt wurde - stellt_sich daher so nicht. Es ist m.E. nicht isoliert auf Vorschriften des SGB V (§ 74 SGB V) abzustellen; der Anspruch auf StW ist - auch soweit er die GKV betrifft - nunmehr zusätzlich im SGB IX verankert seit 2001; so ausdrücklich auch BMAS, 09.05.2019, Va3-96. Ebenso Kopp-Schönherr (DRV), FKS-SGB IX, § 72 Rn. 2, mit weiteren Nachweisen.
Viele Grüße Annette