nisy hat geschrieben:Die Wahl wurde durch Personalrat einberufen und der Wahlvorstand durch diesen bestimmt.
Puuh! Hier kann jedermann, der ein rechtliches Interesse hat, also zB von jedem sbM (kann auch Einzelperson sein) zu jeder Zeit beim zust. Arbeitsgericht ein sogenanntes
»Nichtigkeitsfeststellungsverfahren« beantragen (mehr in BIH-Wahlbroschüre, Abschnitt 8.1, Seite 90). Dass ein Personalrat eine SBV-Wahl "einberuft" außerhalb des Regelwahlzeitraums, obwohl eine SBV besteht, geht ja gar nicht in einem Rechtsstaat, dem sich gerade PR-Vorsitzende verpflichtet fühlen sollten (Wahlbroschüre, Abschnitt 2.2). Wenn eine SBV besteht für diesen Wahlbezirk,
dürfen niemals Zwischenwahlen während ihrer Amtszeit für diesen Wahlbezirk oder Teile davon erfolgen, da ansonsten nichtig (so schon vor 40 Jahren
BAG, 11.04.1978 – 6 ABR 22/77, unter Aufhebung aller Vorinstanzen für BR-Wahl in seinem
Leitsatz – welcher gleichermaßen für SBV-Wahlen gilt).
BAG hat geschrieben:Die Existenz eines rechtmäßig gewählten Betriebsrats läßt es somit nicht zu, für die Bezirksleitung München einen weiteren Betriebsrat zu wählen. Die notwendige Rechtsfolge daraus ist, die Januarwahl 1976 als nichtig und den daraus hervorgegangenen BR als
rechtlich nicht existent anzusehen … Es fehlt an jeder rechtlichen Handhabe, entsprechend dem Verlangen des Antragsgegners das rechtliche Bestehen des aus der Oktoberwahl 1974 gebildeten Betriebsrats ab Januar 1976 für den Münchener Bezirk für beendet zu erklären. Ausgeschlossen ist ferner aus einleuchtenden Gründen das gleichzeitige Bestehen zweier voneinander unabhängiger Betriebsräte für denselben Betrieb; in jedem Einzelfalle wäre unklar, welcher Betriebsrat mitzuwirken bzw. mitzubestimmen hätte.
[BAG, 11.04.1978, 6 ABR 22/77, Gründe II.2]
Das wäre sonst insoweit ähnlich wie historisch bei einem oder mehreren
Gegenpäpsten etwa im Römischen Reich oder im Ostgotenreich …
Und dass dieser Personalrat bzw. PR-Vorsitzende einen Wahlvorstand "bestimmt", halte ich für eine Amtsanmaßung bzw. grobe vorsätzliche Amtspflichtverletzung, da ein solcher PR-Beschluss von vornherein undenkbar und
nie zulässig sowie reine willkürliche Anmaßung (vergl. auch Prof.
Düwell, LPK-SGB IX, § 93 Rn 20 f). Was hat den PR-Vorsitzenden denn eigentlich geritten zu einem solchen Gebaren ??? Das macht doch eigentlich niemand, der "bei Sinnen" ist. Stellt er sich über Gesetz und Wahlordnung? Hier wurde Rote Linie weit überschritten, sagt zu Recht die
BIH: "Wird außerhalb eines regelmäßigen Wahlzeitraums gewählt, ohne dass die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen, ist die Wahl nichtig." (Seite 27)
Damit sind eigentlich schon alle beiden
Kernpunkte angesprochen und der Fall
gelöst. Daher nur folgende ergänzende
Hinweise am Rande:
"Wahlordnungsfreie Zone"?
Ein PR darf nie und nimmer einen Wahlvorstand für die Wahl der SBV bestellen - niemals: Das ist ausgeschlossen !! Auch diese Bestellung des Wahlvorstands ist nichtig, da nur eine SBV befugt ist, einen Wahlvorstand zu bestellen, sofern hierfür die Voraussetzungen vorliegen nach
§ 1 Abs. 1 SchwbVWO - und niemand sonst. Solche offensichtlichen und vorsätzlichen bzw. schweren Rechtsbrüche "beratungsresistender" Personalräte mögen die Arbeitsrichter gar nicht und werden da regelmäßig sehr deutlich in ihren Beschlüssen, zumal wenn dem Arbeitgeber wie hier ein wohl vorsätzlicher Schaden durch vermeidbare Wahlkosten zugefügt wurde "aus Jux und Tollerei" nach Gutdünken, da alles offenbar illegal, unzulässig, gesetzlos. Die gesetzl. Regelwahlen sind seit Jahrzehnten nun mal im Okt/Nov und nicht im Mai Vgl.
LAG München vom 25.09.2014, 4 TaBV 33/14, zu einer gleichfalls "obskur" anmutenden nichtigen "Wahl".
Dieser PR-Vorsitzende kann aus dieser "Wahl"
keinerlei Rechte ableiten nach § 178 Abs. 2 SGB IX und auch sonst, und natürlich auch
keinerlei Kosten geltend machen nach
§ 179 Abs. 8 SGB IX, da ja alles komplett rückwirkend (
!) unwirksam (nichtig) ist. Gilt gleichermaßen auch für eine evt. "gewählte" SBV-Stellvertretung. Dies gilt
alles bereits jetzt vor einer rein deklaratorischen Feststellung des ArbG. Solche "Wahlen" gelten als nicht erfolgt und die "Gewählten" als nicht gewählt (
Adlhoch in Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, Rn. 73 zu § 94 aF).
TIPP: Zu den Rechtsfolgen (ex tunc) einer nichtigen SBV-Wahl vgl. die Hinweise des
OVG NRW, 06.04.2004, 1 A
4778/03.PVL,
ab Rn. 40 (fundiert & lesenswert!). Zwar wäre schon damals die Arbeitsgerichtsbarkeit wie hier zuständig gewesen. Das ArbG E. hat aber die Rechtsänderungen im Jahr 2000 wohl "verschlafen" und an die Verwaltungsgerichtsbarkeit verwiesen (Rn. 21).
nisy hat geschrieben:Im Übrigen hat dieser den PR zuvor darauf hingewiesen, dass noch nicht gewählt werden darf bzw. das förmliche Wahlverfahren falsch ist.
Bin entsetzt über so viel Ignoranz im ÖD!
Eine solche "Wahl" hätte man natürlich schon beim Arbeitsgericht im Vorfeld per Eilantrag untersagen lassen können (BIH-Wahlbroschüre, Abschnitt 8.3). Auch die förmliche Wahl statt Wahlversammlung macht diese Wahlen anfechtbar (Düwell, LPK-SGB IX, § 94 Rn. 90 Nr. 4).
nisy hat geschrieben:... strotzt nur so von Fehlern
Auf die Anzahl von Fehlern kommt es bei dieser Frage der Nichtigkeit nicht an, egal ob zwanzig, vierzig oder
sechzig, sondern allein darauf, ob davon mindestens ein einzelner krasser Fehler allein zur Nichtigkeit führt. Das ist hier zweifach der Fall, weil
(
1)
willkürliche vorzeitige "Wahl" und weil
(
2)
unautorisiertes Organ den Wahlvorstand bestellte, obwohl von vornherein in keiner theoretisch-abstrakten Konstellationen befugt, also rein logisch undenkbar. Und genau dieser Punkt ist für die Frage der Nichtigkeit von ausschlaggebender Bedeutung, da damit
unwiderlegbar feststeht, dass die Bestellung des "Wahlvorstands" durch ein
evident unbefugtes Organ erfolgte, m.E. objektiv schwerer "Amtsmissbrauch". (
LAG Köln, 10.03.2000, 13 TaBV 9/00, wonach ein Wahlvorstand, der ohne gesetzliche Grundlage bestellt wird, nichtig sei und folglich auch die von diesem Vorstand durchgeführte Wahl). Das LAG Köln hatte einem solchen "Organ" untersagt, sich als Wahlvorstand auszugeben bzw. als solcher zu agieren. Der PR ist niemals zuständige Stelle für Bestellung des Wahlvorstands, sondern nur die SBV – präzise normiert laut
§ 1 SchwbVWO im ersten Satz der Wahlordnung.
Das zu erkennen genügt bereits ein Blick in den verständlich gefassten Wortlaut des § 1 SchwbVWO, den der PR aber ignorierte. Das zu erkennen genügt auch ein Blick in das amtliche
Formular zur Bestellung des Wahlvorstands, in dem eben nichts vom PR steht. Auch das hat der PR ignoriert, missachtet und sich darüber hinweggesetzt nach Lust und Laune – trotz Intervention der SBV !!! Eine solche Ignoranz erscheint nicht nachvollziehbar und unerträglich bzw. höchst verwerflich. Mir sind zwar schon viele Wahlfehler untergekommen - aber dieses höchst
[ironie=ein]kreative
[/ironie] Vorgehen hier toppt alles um Längen. Für mich bewusste, vorsätzliche bzw. verwerfliche "Wahlmanipulation" mit wohl hoher krimineller Energie, für die sich die Beteiligten zu verantworten haben.
So wenig wie der Personalrat bzw. sein Vorsitzender eine Wahlleitung für eine Wahlversammlung bestellen kann - von Rechts wegen, so wenig kann er einen Wahlvorstand für die förmliche SBV-Wahl bestellen - nämlich nie! Das darf sich kein Personalrat herausnehmen. Vergl. dazu auch
Diskussion aus 2014.
Viele Grüße
Albin Göbel