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Was ist regelkonformes BEM-Angebot?
Übersicht: Neuere Rechtsprechung zu
den Belehrungs- und Hinweispflichten:
Zu den bundesgesetzlichen
Mindeststandards eines ordnungsgemäßen BEM-Angebots gehört nach ständiger Rechtsprechung auch die Vorgabe des
§ 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX, wonach BEM-Berechtigte bei einem BEM-Angebot unter anderem
"auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen" sind. Die korrekte Belehrung ist dabei wesentliche Voraussetzung, dass das Angebot des BEM überhaupt positiv aufgegriffen wird und die intendierte Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess gelingt.
So zuletzt ausführlich
LAG Mainz vom 10.12.2015, 5 Sa 168/15, und
LAG Kiel, Urteil vom 22.09.2015, 1 Sa 48 a/15, im Anschluss an
BAG vom 20.11.2014, 2 AZR 755/13, und Hessisches LAG vom 03.06.2013, 21 Sa 1456/12, wonach den Beschäftigten
schon bei der Unterbreitung eines Angebots zum BEM u.a. zumindest
Kurzhinweise zur
"Datenerhebung" bzw.
"Datenspeicherung" im Sinne des
§ 3 Abs. 9 BDSG sowie zur
"Datenverwendung" zu geben sind. Denn sie sollen von Anfang an wissen, weshalb sie eigentlich eingeladen werden,
worum es im Wesentlichen geht bzw. worauf sie sich einlassen.
Ebenso
BAG, 24.03.2011, 2 AZR 170/10, Orientierungssatz 4 zur Belehrungspflicht, und Begründung II.2.b) cc) m.w.N. sowie
BAG, 13.05.2015, 2 AZR 565/14, Rn. 25f (Rente wg. voller MdE auf Zeit und BEM); LAG Berlin, 08.12.2011, 26 Sa 1437/10; LAG Hamm, 27.01.2012, 13 Sa 1493/11, und LAG Hamm, 10.07.2014, 8 Sa 399/14;
VG Frankfurt, 11.11.2011, 9 L 3208/11.F, für den richterlichen Dienst; VG Frankfurt, 28.03.2014, 9 K 3892/11;
BAG, Beschluss vom 07.02.2012, 1 ABR 46/10, Rn. 12/19, und
BVerwG, Beschluss vom 04.09.2012, 6 P 5.11, Rn. 36/37.
Es ist demnach darauf zu achten, dass das Arbeitgeberschreiben zur Einleitung des BEM u.a. die Ziele*) vollständig beschreibt, und dass auf Art
und Umfang der für das BEM erhobenen
und verwendeten
Daten hingewiesen wird (
LAG Nürnberg vom 28.01.2015, 2 Sa 519/14;
LAG Kiel vom 03.06.2015, 6 Sa 396/14; Prof.
Düwell, in LPK-SGB IX, 4. Aufl. 2014, § 84 Rn. 62; Prof.
Knittel, SGB IX, § 84 Rn. 96/97).
Die Praxis sieht nicht selten anders aus: Arbeitgeber bestellen dort zu
Personal-,
Fehlzeiten- bzw.
Rückkehrgesprächen ein statt zu BEM-Gesprächen zu laden, statt den BR/PR bzw. statt die SBV zu
unterrichten (BIH-Umfrage 2012), statt auf Freiwilligkeit des BEM hinzuweisen oder statt zumindest abstrakt über die Ziele*) und generell über Art, Umfang und Verwendung der erhobenen Daten bei der Durchführung des BEM zu belehren, worauf die Niehaus-
Studie bzw. obige Urteile hinweisen. Oder Beschäftigte erhalten zum Beispiel ein Schreiben, in dem sie aufgefordert werden, ihre Krankheiten offenzulegen bzw. den Facharzt pauschal von seiner ärztlichen Schweigepflicht zu entbinden: Das ist Kontrolle, aber kein ordnungsgemäßes BEM nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX. Es gehört zu den Aufgaben des BR/PR bzw. der SBV, solche Schreiben zu unterbinden (vgl. Prof. Kohte in
Werkbuch BEM 2016).
So schon
LAG Hessen vom 07.10.2003, 13/12 Sa 1479/02, wonach Arbeitnehmer bei einer ärztl. Krankschreibung weder gesetzlich verpflichtet sind, ihren AG über die Art der Erkrankung zu unterrichten, noch Krankenkasse oder Therapeuten oder Arzt pauschal von der Schweigepflicht zu entbinden. Daher sei eine Abmahnung unzulässig, wenn z.B. ein AN eines Automobilunternehmens einem solchen rechtswidrigen Ansinnen seiner Firma nicht nachkomme.
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*) Was sind die Ziele eines BEM?
BVerwG / BAG hat geschrieben:„Ziel des betrieblichen Eingliederungsmanagements ist die frühzeitige Klärung, ob und welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um eine möglichst dauerhafte Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses zu fördern.“
(BVerwG, 23.06.2010, 6 P 8.09, Rn. 66;
BAG, 30.09.2010, 2 AZR 88/09, Rn. 34)
Kontextlinks:
• Düwell, jurisPR-ArbR 34/2016 Anm. 1
•
Kiesche, Datenschutzrechtl. Belehrung
Viele Grüße
Albin Göbel