Inklusionsbeauftragter des Arbeitgebers

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Clara

Inklusionsbeauftragter des Arbeitgebers

Beitrag von Clara »

Kann ein gewählter Schwerbehindertenvertreter vom Arbeitgeber als Inklusionsbeauftragter bestellt werden?
Da gibt es doch einen Interessenskonflikt, oder?
CVedder
Beiträge: 344
Registriert: Dienstag 2. November 2010, 11:14

AW: Inklusionsbeauftragter des Arbeitgebers

Beitrag von CVedder »

Ganz klarer Interessenkonflikt! Geht also nicht. Anders herum beschrieben: Will ein Inklusionsbeauftragter als SBV kandidieren, hat der Arbeitgeber ihn spätestens zum Zeitpunkt der Einreichung der Wahlvorschläge von seiner Funktion zu entbinden.

Grüße
Christian Vedder
albin.göbel
Beiträge: 701
Registriert: Mittwoch 10. November 2010, 14:55

Kann Inklusionsbeauftragter als SBV kandidieren? Inkompatibilität?

Beitrag von albin.göbel »

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... und hier dazu die einschlägige Literatur sowie die Rechtsprechung zur Unvereinbarkeit (Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 63 m.w.N.) wegen Interessenkollision bei einer gleichzeitigen Ausübung.
christian.vedder hat geschrieben:hat der Arbeitgeber ihn spätestens zum Zeitpunkt der Einreichung der Wahlvorschläge von seiner Funktion zu entbinden.

Ich halte diese noch heute in der Literatur vertretene (und auch von mir früher erwogene) Ansicht für nicht kom­pa­ti­bel mit dem Wahlrecht nach § 177 Absatz 3 SGB IX, da keine Rechtsfrage der Wählbarkeit – sondern viel­mehr Inkompatibilität, also dem Verbot der gleichzeitigen Aus­übung von Auftrag und Mandat. Wer aber noch gar nicht gewählt ist, kann schon rein logisch von diesem Grund­satz nicht betroffen sein. Von einem solchen Zeitpunkt steht nichts im Gesetz.

:idea: Viel zu weitgehend und verfehlt jedoch, wenn das VG Aachen gemeint haben sollte mit seinen pauschalen Überlegungen zum beamtenrechtlichen Weisungsrecht, dass beim Beauftragten ein dauerhaft fehlendes passives Wahlrecht zugrunde zu legen sei. Richtig ist vielmehr: Will ein Beauftragter des Arbeitgebers für die SBV kandidieren und wird als Vertrauensperson gewählt, hat ihn der Arbeitgeber von seiner Funktion als Be­auf­trag­ter zu entbinden. Ob das nun bei förmlicher Wahl schon zu dem Zeitpunkt der Einreichung eines Wahlvorschlags zu geschehen hat, wie in BIH-Wahlbroschüre ohne nähere Begründung angenommen, erscheint sehr fraglich. Bei förmlicher Wahl wä­re das bis zu sechs Wochen vor der Wahl, und Amtsbeginn wäre dann nochmals bis zu zwei Monate später – etwa bei einer Wahl am 01.10.2018 und bei Amtsbeginn am 01.12.2018. Was aber sollte diesen Beauftragten hindern, wenigstens bis zum Wahltag seine Funktion als Arbeitgeber-Beauftragter auszuüben ?? Eine Interessenkollision kann ich jedenfalls bis zu dem Wahltag nicht erkennen, wo die Stimmen noch gar nicht ausgezählt sind und ja noch nicht einmal feststeht, ob er gewählt wird, geschweige denn zwei sich kollidierende Tätigkeiten innehat, was Interessenkollision bis dahin schon rein denklogisch ausschließt. Ich teile daher nicht diese m.E. zu weit­ge­hen­de­ Auffassung in BIH-Wahlbroschüre, was den Zeitpunkt bei förmlicher Wahl betrifft, da sachlich sowie wahl­rechtlich durch nichts zu rechtfertigen etwa im Vergleich zur ver­ein­fach­ten­ Wahl (teils über ¼ Jahr!) und da­her willkürlich. Vgl. etwa den Rechts­ge­dan­ken in § 11 Abs. 2 Buchst. b und d LPVG NW zu „sonstigen Beauftragten“.

Weisung?
Diese Interessenlage gilt gleichermaßen für Arbeitnehmer sowie für Beamte. Andernfalls würde der Arbeitgeber den Beauftragten in der Ausübung seines passiven Wahlrechts beschränken und verstieße damit gegen § 20 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, § 24 Abs. 1 Satz 2 BPersVG oder die entsprechenden Vor­schrif­ten des Landesper­so­nal­ver­tre­tungs­rechts wie § 21 Abs. 1 Satz 2 LPVG NRW und Art. 24 Abs. 1 Satz 2 BayPVG (in die gleiche Richtung Prof. Dr. Knittel, SGB IX, § 94 Rn. 64). Eine gegenteilige Weisung des Arbeitgebers bzw. Dienstherren wäre nicht nur unbillig nach § 106 GewO, son­dern rechtswidrig, und wäre ohnehin als solche wahlrechtlich unbeachtlich bzw. nichtig, da durch gesetzliche Vor­schrift­ festgelegt (vergl. BAG, 18.10.2017, 10 AZR 330/16).

Rechtsprechung?
Daran ändert auch nichts der im SGB IX-Fachschrifttum und Foren oft unkritisch zitierte grobe Fehlbeschluss des VG Aachen, 25.11.1999, 16 K 371/99.PVL. Da hat der schwankende Wahlvorstand als auch der schwankende Verwaltungsrichter versagt, die beide zunächst die SBV-Wählbarkeit klar bejahten: Mit Beschluss vom 13. Oktober 1998 stellte die erkennende Kammer in dem einstweiligen Verfügungsverfahren - 16 L 1289/98.PVL - zunächst fest, dass der Antragsteller für die auf den 22. Oktober 1998 ausgeschriebene Wahl „passiv wahlberechtigt“ sei. Der Wahlvorstand hätte diese Wahl schon nicht abbrechen dürfen, weil er dazu nur bei Nichtigkeit befugt wäre laut Rspr. Allein deshalb, weil der Wahlvorstand den einen bereits zugelassenen Bewerber aufgrund bloßer Wer­tungs­än­de­rung plötzlich als nicht mehr wählbar ansah (vergleiche hierzu entsprechend Wiegand/Hohmann, SchwbVWO, § 13 Rn. 28, zu einer „einmal getroffenen Sachentscheidung über Gültigkeit von Stimmzetteln“), nachdem dem Wahlvorstand der andere Bewerber ab­handen kam, da dieser seine Kandidatur aus per­sön­li­chen Gründen “zurückgezogen“ hatte, durfte die Wahl sieben Tage später am 31.08.1998 „nicht abgesagt“ werden (vgl. Pahlen in: NPM-SGB IX, § 94 Rn. 19). Vor allem aber hätte dieser Richter niemals auf das „dienstrechtliche“ Wei­sungs­recht abstellen dürfen.Das ist nicht absolut sowie klar begrenzt durch das gesetzlich verbürgte passive Wahlrecht - das nicht per Weisung ver­eitelt werden darf, weil dies sonst auf glatte unzulässige Wahlbehinderung hinausliefe. Dies hat das Ver­wal­tungs­ge­richt verkannt (so Cramer SchwbG, 5. Auflage, § 28 Rn. 5, wonach die SBV-Wählbarkeit „durch das Gesetz nicht ausgeschlossen ist). Warum der Wahlvorstand als Beteiligter zu 1) am Gerichtsverfahren bis zuletzt beteiligt wurde, obwohl dessen Amt bereits seit neun Monaten längst erloschen war, ist gleichfalls nicht nachvollziehbar. Nach alledem 3-fach-Fehler.

Ich sehe nach alledem keinen stichhaltigen und schon gar keinen zwingenden Grund, eine solche Kandidatur abzulehnen, und rate dringend von der Ablehnung ab, da ein Ausschluss nicht begründbar laut Literatur!

Eine solche Unvereinbarkeit besteht m. E. gleichermaßen zwischen der Funktion (nicht „Amt“, wie aber zuweilen in der Li­te­ra­tur noch immer fälschlich angegeben) des Be­auf­trag­ten des Ar­beit­ge­bers (In­klu­si­ons­be­auf­trag­ten ab 2018), sowie dem Amt eines Betriebsrats/Personalrats. Sie­he auch Diskussion zur sog. „Inkompatibilität“.

Viele Grüße
Albin Göbel
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